Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 38|
24. September 2010 A 1773N
och so ein Sieg, und wir sind verloren“, soll Kö- nig Pyrrhus von Epirus nach seinem Sieg über die Römer in der Schlacht bei Asculum (Süditalien) 279 vor Christus zu einem Vertrauten gesagt haben. Bis heute spricht man von einem Pyrrhussieg, wenn ein Er- folg zu teuer erkauft wurde.Aus dem sommerlichen Gefeilsche um die Gesund- heitsreform und die Neuordnung des Arzneimittel- markts gingen die Lobbyisten der privaten Krankenver- sicherung (PKV) als klare Sieger hervor – versprechen doch die Pläne der Bundesregierung den PKV-Unter- nehmen mehr Versicherte, steigende Beitragseinnah- men und sinkende Arzneimittelausgaben. Aber dieser Erfolg könnte sich als trügerisch erweisen.
Die PKV-Branche profitiert in dreifacher Hinsicht:
Erstens soll der Wechsel von der gesetzlichen in die pri- vate Krankenversicherung erleichtert werden. So sollen Versicherte wieder (wie bis 2007) in die PKV wechseln können, wenn das Einkommen ein Jahr lang über der Versicherungspflichtgrenze (2010: 49 950 Euro jähr- lich) liegt. Derzeit gilt eine Wartefrist von drei Jahren.
Zweitens sollen Krankenkassen keine eigenen Zusatz- versicherungen, etwa Auslandskrankenversicherungen oder Chefarztarztpolicen, mehr anbieten dürfen. Die privaten Anbieter können diesen lukrativen Markt so- mit wieder exklusiv bedienen. Und drittens sollen Prei- se für neue Medikamente, die der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit den Her- stellern aushandelt, auch für private Krankenversiche- rungen gelten. Bisher zahlen die PKV-Unternehmen weit höhere Preise für Arzneimittel als die Kassen, weil sie von den zahlreichen staatlichen Preisregeln für Me- dikamente ausgeschlossen sind.
Sind die ersten beiden Maßnahmen wahre Geschen- ke für die PKV, so hat es die Übertragung der Arznei- mittelrabatte in sich. Erstmals wird die PKV damit in das Vertragssystem eingebunden, mit dem die Kran- kenkassen die Leistungsausgaben steuern. „Natürlich“, sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler am 15.
September beim PKV-Herbstfest in Berlin, hätten sich
die privaten Versicherer im Gegenzug auch an den Kos- ten zu beteiligen, die den gesetzlichen Kassen durch die Preisverhandlungen entstünden. Doch damit nicht ge- nug: Nach Berichten aus Koalitionskreisen soll die PKV-Branche auch die Kosten des Gemeinsamen Bun- desausschusses (G-BA) und des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mittragen. Einer solchen Kostenbeteiligung an G-BA und IQWiG müsste aber zwangsläufig die Mitbestim- mung folgen. Alles andere wäre ungerecht. So oder so:
Nach der Einführung des PKV-Basistarifs mit Kontra- hierungszwang im Jahr 2007 wird nun eine weitere
„GKV-isierung“ der PKV auf den Weg gebracht. Das Geschäftsmodell der PKV verwässert weiter. Am Ende der Entwicklung könnte ein einheitliches Krankenver- sicherungssystem in Deutschland stehen.
Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick auf die nächste „Schlacht“, die die PKV gewinnen will. Dabei geht es um die Öffnungsklausel in der Gebührenord- nung für Ärzte: „Wir wollen mehr Vertragskompetenz“, betonte Reinhold Schulte, Vorsitzender des PKV-Ver- bandes, beim PKV-Herbstfest. Wie die Kassen wollen die privaten Anbieter Selektivverträge mit den Ärzten aushandeln dürfen – was auf eine Nivellierung der Prei- se in Richtung des GKV-Niveaus hinauslaufen dürfte.
Noch so ein Sieg, und sie ist verloren, die PKV.
PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG
Trügerischer Erfolg
Jens Flintrop
Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik