GESUNDHEITSKARTE
Die Bevölkerung be- fürwortet das Pro- jekt mehrheitlich, die meisten Ärzte sind skeptisch (DÄ 11/2009: „Mehrheit für zentrale Daten- speicherung“ und DÄ 12/2009: „Ent- schleunigung beim Start“ von Heike E.
Krüger-Brand).
Beeinflusst
In der von der Techniker Kranken- kasse in Auftrag gegebenen Studie zur E-Card hätten, so wird berichtet, drei Viertel der Befragten der folgen- den Aussage zugestimmt: „Ich finde es gut, wenn meine medizinischen Daten zentral an einem sicheren Ort gespeichert werden.“ Dass der Auf- traggeber Umfrageergebnisse beein- flusst, insbesondere durch die For- mulierung der Fragen, ist eine Bin- senweisheit. Insofern ist selbstver- ständlich auch die in meiner Praxis durchgeführte Umfrage „gefärbt“.
Aber der Unterschied im Ergebnis ist so krass, dass er mir mitteilenswert erscheint. In meiner Praxis lautete die Frage an die Patienten: „Möchten
Sie, dass in Zukunft Ihre persönli- chen Arzt- und Krankenhausberichte nicht mehr in der Praxis Ihres Haus- arztes, sondern in einem bundeswei- ten Computernetz gespeichert wer- den?“ Die Antwort war zu über 90 Prozent Nein. Gern würde ich einmal den Originalfragebogen der Techni- ker Krankenkasse sehen. Es gibt zwar Internetlinks zu den Umfrage- ergebnissen, aber nicht den Fragebo- gen. Ich befürchte, wieder einmal waren die Fragen einer interessenge- leiteten Umfrage so formuliert, dass die Patienten den Eindruck erhielten, es würde nur um eine neue, moder- nere Chipkarte gehen. Und hat es ir- gendwo diese Frage gegeben? „Sind Sie einverstanden mit einem weite- ren Anstieg Ihrer Krankenkassen- beiträge für ein Telematikprojekt, dessen Nutzen noch nicht erwiesen ist?“ . . .
Wilfried Deiß,Löhrtor 5, 57072 Siegen
Eine Verbesserung
Ich kann diese Diskussion einfach nicht verstehen. Die Gesundheits- karte ist sicher. Alleine die äußeren Merkmale – Patientenfoto, prozes- sorgestützter Chip – machen den
Einsatz der Karte um ein Vielfaches sicherer. Die neue eGK soll im ers- ten Schritt nur offline verarbeitet werden – auch hier ist der Sicher- heitsgedanke großgeschrieben! Es werden keine anderen Daten verar- beitet, wie heute schon. Auf was sollen die Ärzte noch warten – die eGK kommt! Und es müssen neue Lesegeräte dafür angeschafft wer- den, die bis auf den letzten Cent ge- fördert werden – also kein Verlust für die Praxis – im Gegenteil: Es gibt kostenlos eine aktuelle, sichere nach dem neuesten Stand der Tech- nik entwickelte neue Hardware! . . . Wenn das keine Verbesserung ist! . . .
Jürgen Becker,Langemarckstraße 31, 37269 Eschwege
SPÄTABBRÜCHE
Der Bundestag hörte Experten an zu Ge- setzentwürfen (DÄ 13/2009: „Spätab- treibungen: Quälen- de Gewissensent- scheidung“ von Eva Richter-Kuhlmann).
Kein Fachbegriff
Das DÄ fungiert als offizielles Sprachrohr der deutschen Ärzte- schaft und widmet sich in seinen Beiträgen professionell und kompe- tent der fachlichen Weiterbildung, der Berufspolitik sowie aktuellen Belangen aus Wissenschaft und Po- litik. Umso erstaunlicher ist, dass beim Thema Schwangerschaftsab- bruch eine eklatante Unprofessiona- lität vorhanden ist. Regelmäßig wird der Begriff „Abtreibung“ verwendet.
Das Wort ist dem umgangssprachli- chen Vokabular entnommen und in einer fachlichen Abhandlung fehl am Platz; der medizinische Fachbe- griff heißt Schwangerschaftsab- bruch. Abtreibung besitzt darüber hinaus eine eindeutig negative Kon- notation. Diese ist aus Jahrhunderten überliefert, wie ein Blick in ein ety- mologisches Wörterbuch zeigt. Hier findet sich folgender Eintrag: Ab- treibung: „nicht besonders gerecht- fertigter Abbruch einer Schwanger- schaft nach Abschluss der Einnis-
A986 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 20⏐⏐15. Mai 2009
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der zu vermeidbaren Todesfällen bei Drogenabhängigen kommen.
Dr. Irmengard Schoder,Sonnenwaldstraße 5, 94572 Schöfweg
Drogen im Gefängnis
Die Drogenbeauftragte behauptet,
„Häftlinge kämen zwar nicht an Dro- gen, ihre Sucht sei aber längst nicht geheilt und der Körper durch die Ab- stinenz entwöhnt“. Die Vermutung des ersten Teils dieses Satzes kann mit Sicherheit als falsch belegt wer- den: In meiner fast zehn Jahre andau- ernden Tätigkeit als ehrenamtlicher Straffälligenhelfer (Gefährdetenhilfe Scheideweg e.V.) haben Dutzende von Gefangenen übereinstimmend berichtet, dass im Gefängnis sehr wohl Drogen zu bekommen sind, wenn auch zu einem höheren Preis als draußen. Auch in der Literatur ist die Tatsache bekannt, dass auch in der Haft illegale Drogen in jeder
Form in nicht zu vernachlässigen- dem Maße konsumiert werden. Der Drogenbeauftragten ist diese Tatsa- che offensichtlich bekannt, wie aus einer Pressemitteilung vom 10. Janu- ar 2008 erkennbar ist. Erstaunlich er- scheint allerdings, dass die „nur“ 70- bis 80 000 Gefängnisinsassen in Deutschland einen wesentlichen Bei- trag zur Gesamtzahl der Drogentoten liefern sollen. Zu befürchten ist, dass Drogentherapie und -prävention tatsächlich in der Haft zu wenig in der Praxis ankommen, auch wenn es im Drogenaktionsplan der EU veran- kert ist. Interessant in dieser Hinsicht könnten die ausstehenden Ergebnisse der EU-geförderten Studie „Lang- strafenvollzug und Menschenrechte in Staaten der Europäischen Union“
(Prof. Dünkel et al., Greifswald) sein.
Literatur bei dem Verfasser
Dr. rer. med. Dietrich Alte,Karl-Marx-Platz 7, 17489 Greifswald
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 20⏐⏐15. Mai 2009 A987
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tung des befruchteten Eies in der Gebärmutter“ (Köbler 1995, http://www.koeblergerhard.de/der wbhin.html) . . . Jedem medizini- schen Thema, über das im DÄ refe- riert wird, gebührt ein professionel- ler Umgang; das medizinisch-mora- lisch-politisch hochsensible Thema Schwangerschaftsabbruch sollte hier keine Ausnahme darstellen. Die Ver- wendung einer korrekten Terminolo- gie ist dafür eine absolut notwendige Voraussetzung.
Dr. med. Waltraut Merz, M.Sc.,Universitätsklinikum Bonn, Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn
PATIENTENVERFÜGUNG
Selbst der bestinfor- mierte Arzt kann sich schwertun, für sich als Patienten ei- ne Entscheidung zu treffen (DÄ 13/2009:
„Teil der ärztlichen Kunst“ von Matthias Loebe und DÄ 3/
2009: „Hochkomplex und individuell“ von Charly Gaul und Jürgen Helm sowie die Leserbriefe in DÄ 11/2009).
Missverständnisse ausräumen
. . . Herrn Professor Loebe vom Methodist DeBakey Heart and Vas- cular Center in Houston ist zu danken, dass er die Umstände, die zu De- Bakeys Operation führten, ausführ- lich aus der Perspektive des Beteilig- ten schildert und dabei Missver- ständnisse ausräumt, die sich durch die reduzierte Darstellung in der
„New York Times“ eingestellt haben.
Leider haben uns bei der Abfassung des Artikels keine weiteren Quellen zur Verfügung gestanden. Da eine klare Willensäußerung DeBakeys wohl nicht erkennbar war, verwahrt sich Professor Loebe zu Recht gegen unsere Aussage, die Operation müsse als Körperverletzung und als gravie- render Verstoß gegen das Selbstbe- stimmungsrecht des Patienten ge- wertet werden. Der Vorwurf des „na- turalistic fallacy“, den die Professo- ren Borasio und Frick in ihrem Le- serbrief gegen unsere Diskussion des nunmehr zum Teil fiktiven Falles er- heben, beruht auf einer verkürzten
Interpretation unserer differenzierten Argumentation. Nicht der glückliche Ausgang der Operation, sondern der in dem Beispiel erkennbare Prozess des Abwägens und die dabei vorge- brachten Argumente, die der Kom- plexität der Situation gerecht wurden, führten uns zu der letztlich positiven Wertung dieses in vielerlei Hinsicht besonderen Falles. Nach wie vor bleibt für uns fraglich, ob eine (im- mer auch verallgemeinernde) gesetz- liche Regelung zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen tatsäch- lich zur Wahrung der individuellen Patienteninteressen beitragen und den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten in solch komplexen Entschei- dungssituationen helfen kann.
Literatur bei den Verfassern
Dr. med. Charly Gaul,Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstraße 26, 45147 Essen
PD Dr. med. Jürgen Helm,Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Straße 40, 06097 Halle/Saale
Nicht in Deutschland
Leider entspricht der Artikel von Matthias Loebe in wichtigen Punk- ten nicht dem deutschen Recht. In Texas mag es so sein, dass die Ehe- frau des Patienten im Falle der Zu- stimmungsunfähigkeit „an seine Stelle“ tritt; in Deutschland ist das aus guten Gründen keineswegs so.
Wenn weder eine aktuelle Direktive des Patienten noch ein explizit ein- gesetzter Rechtsvertreter (das muss nicht die Ehefrau sein) vorhanden ist, hat der Arzt die schwere Aufga- be, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu erkunden. Dabei kön- nen ihm die Angehörigen helfen; er darf aber die Verantwortung nicht auf sie abschieben. Wenn keinerlei Hinweise auf die Meinung des Pati- enten gefunden werden können, muss der Arzt in der Regel für die Erhaltung des Lebens entscheiden.
Nicht der Arzt hilft den Angehöri- gen bei der Entscheidung, wie es im Text heißt, sondern umgekehrt hel- fen die Angehörigen gegebenenfalls dem Arzt bei seiner Entscheidung;
zum Beispiel können sie überein- stimmend und glaubhaft über Mei- nungsäußerungen des Patienten be- richten. Uneingeschränkt zustim-