A-970
P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 15, 14. April 2000 ist ein Kampf zwischen Ethos und
Kalkül geworden, und Hippokrates droht zwischen den Steinen zermah- len zu werden. Selbst die alten Riten gelten nicht mehr – der erkrankte Arzt kommt selten mit dem einfachen Gebührensatz davon, das Werbever- bot wird mit Annoncen über „neue Sprechzeiten und Ernährungssprech- stunden“ umgangen, und in den War- tezimmern stehen Fernseher mit Wer- besendungen. Das Schlimmste aber ist, dass das Gespräch mit dem Kran- ken verstummt.
Noch immer sehen viele Patien- ten in ihrem Arzt den Vertreter eines noblen, unkorrumpierbaren Berufs.
Wir dürfen sie nicht widerstandslos den Science-Fiction-Fantasien einer Weltanschauung überlassen, die die Technik über den Menschen stellt, so wie sie die Erotik über die Liebe ge- stellt hat. Technik kann immer nur Hilfe für den Arzt und nie sein Ersatz sein. Wir dürfen die Patienten auch nicht dem Märchen von der finanziell lösbaren Gesundheitspolitik überlas- sen. Wir müssen ihnen sagen, dass eine Lösung ohne eigene Beschränkung und ohne den nötigen Sachverstand der oberen Instanzen nicht möglich ist. Zwar werden bei uns Justiz- und Familienministerium meist mit Juri- sten beziehungsweise Frauen besetzt, aber im Unterschied zu anderen Län- dern wird das Gesundheitsministeri- um konsequent von Laien geleitet.
Wir brauchen eine aufgeklärte Bevöl- kerung und einen freien Arzt, der in eigener Verantwortung seinen Beruf ausübt. Dazu ist Wettbewerb Voraus- setzung. Leistung und nicht gnädig ge- währte Zulassung durch die Kranken- kassen, die allein für Verwaltung mehr als 13 Millionen DM im Jahr 1998 (= 5,6 Prozent der GKV-Gesamt- ausgaben) ausgeben, darf über den Erfolg eines Arztes entscheiden.
Schließlich kommen ganze Kontinen- te, trotz Sozialversicherung, ohne kas- senärztliche Zulassung aus. Um das ärztliche Ethos wieder herzustellen und etwas Ordnung in das Chaos zu bringen, brauchen wir keinen Streik;
vor allem keinen, der den leiden- den Patienten als Argument vor sich herträgt. Wir brauchen dazu nur ent- sprechend motivierte Fachverbände, unseren festen Willen und unsere Ideale. Dr. med. Rupert Witzmann
KOMMENTAR/AKTUELL
ie medizinische Versorgung von Rheumapatienten hat sich in den letzten zehn Jah- ren deutlich verbessert. So sind re- gionale Rheumazentren entwickelt worden, in denen Universitätsabtei- lungen, rheumatologische Kranken- häuser, Rehabilitationskliniken und niedergelassene Rheumatologen zu- sammenarbeiten. Derzeit gibt es 25 Zentren mit 110 angeschlossenen Ein- richtungen. Mit der Gründung des
„Kompetenznetzwerks Rheuma“ ist ein neuer Entwicklungsschub für die- sen Fachbereich initiiert worden.
Hierbei handelt es sich um den Zusammenschluss von sechs rheu- matologischen Kompetenzzentren in Berlin, Düsseldorf, Erlangen, Frei- burg, Hannover und Lübeck/Bad Bramstedt.
Neben einer verbesserten Pa- tientenversorgung solle eine interna- tional konkurrenzfähige Forschungs- landschaft geschaffen werden, erklär- te Prof. Dr. Gerd Rüdiger Burmester (Charité, Berlin) anlässlich der Vor- stellung des Kompetenznetzes in Ber- lin. Die bisher weitgehende Trennung von Forschungs- und Versorgungs- strukturen solle durch eine enge Ver- zahnung beider Bereiche abgelöst werden. Das Kompetenznetz Rheu- ma will sich zunächst auf die ent- zündlich-rheumatischen Systemerkran- kungen konzentrieren. Hierzu ist je ein Arbeitskreis für rheumatoide Arthritis, Spondylarthropathien und Immunvaskulitiden gebildet worden.
Zwei weitere Arbeitsbereiche befas- sen sich mit Experimenteller Rheu- matologie und mit Versorgungsfor- schung.
Der Arbeitsbereich Experimen- telle Rheumatologie wird die Ursa- chen der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erforschen. Schwer- punkte sind zum einen die Suche nach
Antigenen, die das Immunsystem zum Angriff auf körpereigenes Ge- webe treiben, zum anderen die Suche nach Erregern, die als Auslöser eini- ger entzündlicher Gelenkerkrankun- gen vermutet werden. „Von der Auf- klärung dieser Entzündungsvorgänge erwarten wir Ansätze für neue, hoch- spezifische Diagnose- und Therapie- möglichkeiten, um Entzündungsschü- be wirksamer bekämpfen oder auch gänzlich unterdrücken zu können“, so Prof. Dr. Andreas Radbruch, Deutsches Rheuma-Forschungszen- trum Berlin.
Internet-Plattform
Um die Qualität der Patienten- versorgung beurteilen zu können, sind die Forscher auf exakt erhobene und vollständige Daten angewiesen. Für das Kompetenznetz Rheuma werden diese Daten von der Arbeitsgemein- schaft Regionaler Kooperativer Rheu- mazentren erhoben. Dieser Daten- Pool wird seit 1993 aufgebaut, pro Jahr werden etwa 30 000 Fälle mit entzünd- lich-rheumatischen Erkrankungen do- kumentiert.
Ein Netzwerk steht und fällt mit der Kommunikation. Die deutsche Rheumatologie verfügt bereits seit 1996 über eine gemeinsame Internet- Plattform, das RheumaNet, das beim Rheumazentrum Düsseldorf angesie- delt ist (www.rheumanet.org). Diese Einrichtung soll zur zentralen Kom- munikations-Plattform des gesam- ten Kompetenznetzes Rheuma aus- gebaut werden. Das Kompetenznetz Rheuma ist eines von neun Kompe- tenznetzen, die vom Bundesministe- rium für Bildung und Forschung über einen Zeitraum von fünf Jahren mit bis zu 25 Millionen DM gefördert werden. Josef Kloppenburg