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m 28. Juni 2002 beschloss der Deutsche Bundestag parteiüber- greifend die Einführung eines qualitätsgesicherten, bundesweiten Mam- mographie-Screening-Programms für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Mitt- lerweile hat ein Drittel der vorgesehe- nen regionalen Screening-Einheiten die Arbeit aufgenommen, der Rest soll bis Ende 2007 folgen. Über Für und Wider dieser Reihenuntersuchung wird noch diskutiert. Unumstritten ist jedoch, dass hohe Qualitätsanforderungen an die be- teiligten Ärzte und medizinischen Fach- kräfte zu stellen sind, um die Befunde so fehlerfrei wie möglich zu machen.Pro Jahr muss beispielsweise ein Arzt oder eine Ärztin im Programm die Aufnahmen von mindestens 5 000 Frau- en befunden. Ein klar strukturierter Austausch im Team mit vorgeschriebe- ner Doppelbefundung sowie einer Dreifachbefundung im Zweifelsfall soll die Qualität der Ergebnisse erhöhen.
„Besondere Anforderungen werden an die so genannten Programmverant- wortlichen Ärzte (PVA) gestellt, unter deren Anleitung die Screening-Aufnah- men erstellt werden und die die obligate Doppelbefundung von Screening-Auf- nahmen organisieren und im Rahmen
der Abklärungsdiagnostik die Diagno- sesicherung vornehmen“, heißt es in der Bekanntgabe zum Programm, die Anfang 2004 im Deutschen Ärzteblatt (Heft 4) veröffentlicht wurde. Doch PVA haben zunehmend Probleme, aus- reichenden Haftpflichtversicherungs- schutz zu erhalten. Dem Vernehmen nach sind viele Versicherer nicht bereit, Policen zu erweitern oder Neukunden eine Haftpflicht für die Tätigkeit als PVA anzubieten. Das gilt zum Teil auch für befundende Ärzte im Team.
„Programm auf der Kippe“
Aufgrund der verbreiteten Verweige- rungshaltung hatte sich die die Screening- Einführung begleitende Kooperationsge- meinschaft Mammographie, gegründet von der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen, Ende April sogar an das Bundesgesundheitsministerium gewandt. Mehr als 30 Unternehmen lehn- ten eine Haftungsübernahme ab, ohne Gründe dafür zu nennen, hieß es damals.
Folglich stehe zu befürchten, „dass Ärzte- teams ihren Versorgungsauftrag nicht beginnen oder wieder zurückgeben“.
„Das Versicherungsproblem scheint sich zu entspannen“, berichtete der Ge- schäftsführer der Kooperationsgemein- schaft, Jan Sebastian Graebe-Adelssen, jedoch Mitte Mai. „Aber das Programm stand wirklich auf der Kippe.“ Dass Ärzte einen Rückzieher machen könn- ten, ist realistisch, zumal die Berufsord- nung ihnen vorschreibt, ausreichend versichert zu sein. „Ein unzureichender Versicherungsschutz gefährdet am En- de das Screening“, warnte auch Dr.
med. Helmut Altland, Vorsitzender des Berufsverbandes der Radiologen.
Eine Sprecherin des Gesamtverban- des der Deutschen Versicherungswirt- schaft erklärte gegenüber dem Deut- schen Ärzteblatt, ein Verband könne sei- nen Unternehmen nicht vorschreiben, wen sie zu versichern hätten. Es sei offen- sichtlich ein Problem für die Versicherer, innerhalb des Screenings das konkrete Risiko zu bestimmen, das ein PVA trage.
Graebe-Adelssen kann das nachvoll- ziehen: „Versicherer wollen nicht in eine Blackbock investieren.“ Die Unterneh- men könnten zwar die Schadenshöhe für den Fall einer falschen Befundung und ih- rer Folgen kalkulieren, weil es dafür Ver- gleichsdaten gebe. Doch derzeit wisse man nicht, mit welcher Schadenshäufig- keit zu rechnen sei. Der Geschäftsführer der Kooperationsgemeinschaft ist jedoch überzeugt davon, dass es aufgrund der Qualitätsvorgaben nur zu sehr wenigen Fehlern und damit Klagen kommen wird.
Nach Kenntnis der KBV bieten in- zwischen die Nürnberger und die Zürich Versicherung sowie einige Spar- kassen-Versicherungen den gewünsch- ten Deckungsschutz an. Die DBV-Win- terthur, die rund 120 000 Ärztinnen und Ärzten Haftpflichtversicherungsschutz bietet und damit einen Marktanteil von rund 45 Prozent hat, habe sich zunächst
„restriktiv“ verhalten, bestätigt Patrick Weidinger, Leiter des Geschäftsbe- reichs Arzthaftpflicht. Das Haftungsri- siko werde eben als sehr hoch einge- stuft. „Gleichwohl versichern wir das PVA-Risiko von Ärzten, die schon län- ger in unserem Bestand sind und die be- stimmte Voraussetzungen erfüllen“, er- gänzt Weidinger. Ob auch Neukunden in der Regel davon ausgehen können, eine Police für ihre Tätigkeit als PVA zu bekommen – diese Frage lässt Weidin- ger offen. Sabine Rieser
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A1350 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 20⏐⏐19. Mai 2006
Foto:Gerit Godlewsky/Kooperationsgemeinschaft Mammographie