• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Mammographie-Screening-Programm" (16.11.2012)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Mammographie-Screening-Programm" (16.11.2012)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 46

|

16. November 2012 779

M E D I Z I N

EDITORIAL

Mammographie-Screening-Programm:

Qualität sichern

Maria Blettner, Sylke Ruth Zeissig

Editorial zum Beitrag:

„Häufigkeit von Intervall - karzinomen im

deutschen Mammographie-

Screening- Programm“

von Heidinger et al.

auf den folgenden Seiten

führlich diskutieren, so liegen nun doch gute Abschät- zungen vor: Fast 1 Mio. Frauen (878 764) haben zwi- schen 2005 und 2008 am Mammographie-Screening- Programm in Nordrhein-Westfalen teilgenommen.

Bei etwa 2 000 Frauen, also bei 0,23 % der Teilneh- merinnen, die als „unauffällig“ eingestuft wurden, trat in den folgenden zwei Jahren ein Mammakarzinom auf. Etwa 2 von 1 000 Frauen, die glaubten, keinen Brustkrebs zu haben, wurden also ernüchtert und mit einer belastenden Diagnose konfrontiert.

Die Daten von Nordrhein-Westfalen sind ver- gleichbar mit Daten aus deutschen Modellprojekten und mit Daten aus internationalen Publikationen. Es gibt aber eine Auffälligkeit, die weitergehender Un- tersuchungen bedarf: Mit 44 % ist der Anteil der In- tervallkarzinome mit dem Stadium T2–T4 überra- schend hoch. Die Autoren erklären dies mit der ho- hen Aggressivität von solchen Tumoren, die auf- grund ihres raschen Wachstums tatsächlich nur im Intervall zwischen zwei Screeninguntersuchungen diagnostiziert werden können.

Damit wären wir bei der ersten oben genannten Frage, die sich die betroffenen Frauen stellen: Wie konnte es passieren, dass innerhalb von weniger als zwei Jahren nach der Mammographie ein Tumor mehr oder weniger zufällig entdeckt wird? Rein theoretisch können mehrere Gründe angeführt wer- den:

Der Tumor war schon vorhanden, wurde aber übersehen.

Der Tumor ist sehr aggressiv und in sehr kurzer Zeit gewachsen.

Eine gegebenenfalls empfohlene Biopsie wurde nicht oder nicht fehlerfrei durchgeführt.

Erste Antworten

Der Beantwortung der Frage kann die Studie von Heidinger et al. (3) jedoch nicht nachgehen, dafür reichen die Daten des Krebsregisters nicht aus.

Die Überprüfung und Klassifikation von Intervall- karzinomen (in echte, radiologisch okkulte, falsch- negative oder unklassifizierbare Tumoren bezie- hungsweise Tumoren mit minimalen Anzeichen) durch Inspektion der diagnostischen Aufnahmen durch die sogenannten Referenzzentren ist momen- tan noch nicht gesetzlich geregelt.

Probleme bei der Evaluation des Mammographie- Screening-Programms gibt es unter anderem deswe-

W

ieso habe ich jetzt doch einen Tumor? Ich war doch gerade bei der Früherkennung.“ Wahr- scheinlich hat jeder einen ähnlichen Satz schon ein- mal gehört. Vielleicht ist genau diese Erfahrung ei- ner Freundin oder Nachbarin daran schuld, dass eine Frau nicht am Mammographie-Screening-Programm teilnimmt.

Ziel des Mammographie-Screening-Programms ist es, die Brustkrebssterblichkeit nachhaltig zu sen- ken: Ein Kriterium, das aber erst nach Ablauf von mindestens 10 Jahren genauer untersucht werden kann. Deshalb werden von den Europäischen Leitli- nien (1) definierte und für das deutsche Programm angepasste anderweitige Bewertungsmaßstäbe, so - genannte Surrogatparameter, herangezogen, um die Qualität und Wirksamkeit des Screenings frühzei - tig zu untersuchen. Die Kooperationsgemeinschaft Mammographie wertet gemäß § 23 Absatz 1 der Krebsfrüherkennungsrichtlinie die hierfür relevanten Daten aus und veröffentlicht diese Ergebnisse in re- gelmäßigen Evaluationsberichten (2).

Offene Fragen

Wir wissen, dass durch das Screening die Entstehung eines Tumors nicht verhindert, sondern nur frühzei- tig erkannt werden kann. Aber:

Wie kann es passieren, dass innerhalb von weni- ger als zwei Jahren nach einer Mammographie mit unauffälligem Befund ein Tumor mehr oder weniger zufällig, zum Beispiel durch eine Selbst- untersuchung, entdeckt wird

Und wie häufig passiert das?

Beginnen wir mit der Beantwortung der zweiten Frage: Wie häufig passiert es, dass Karzinome im Zeitraum von ein bis zwei Jahren nach der Screening- untersuchung auftreten? Die Häufigkeit dieser soge- nannten Intervallkarzinome ist ein Kriterium zur Qua- litätsbewertung des Programms, wie zum Beispiel in den EU-Leitlinien festgelegt wird (1). Heidinger et al.

(3) sind dieser Frage in einem sehr aufwendigen Da- tenabgleich nachgegangen. Sie haben für alle Frauen, die am Mammographie-Screening-Programm in einer Screeningeinheit in Nordrhein-Westfalen teilgenom- men haben, mit den Daten des Krebsregisters Nord- rhein-Westfalen überprüft, ob in den 24 Monaten nach dem Screening ein Brustkrebs gemeldet wurde. Wenn auch einzelne Aspekte des Abgleichs zu kleineren Un- genauigkeiten führen mögen, wie die Autoren aus-

Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI),

Mainz:

Prof. Dr. med. Blettner Krebsregister Rheinland-Pfalz, Mainz:

Dr. med. Zeissig, MSc

(2)

780 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 46

|

16. November 2012

M E D I Z I N

gen, weil epidemiologische Kompetenz und vor al- lem die Erfahrung, die man durch Krebsregister ge- wonnen hat, relativ spät in die Evaluation eingebun- den wurden. In Deutschland fehlen zudem gesetzli- che Grundlagen für den Abgleich der Daten des Mammographie-Screening-Programms mit den Krebsregistern. Der Prozess der Gesetzesimplemen- tierung ist aufgrund des föderalistischen Systems langwierig. Wichtig ist selbstverständlich, dass die Daten vertraulich und unter strengem Einhalten des Datenschutzes bearbeitet werden, jedoch sollten die zur Evaluation zwingend notwendigen Qualitätsprü- fungen nicht durch datenschutzrechtliche Bedenken beziehungsweise kontroverse Auslegungen in den verschiedenen Bundesländern verzögert oder gar komplett verhindert werden.

Evaluierung wichtig

Ein teures Programm wurde implementiert, aber es werden erst verzögert Maßnahmen getroffen, dieses Programm zu evaluieren.

Die Zahlen von Nordrhein-Westfalen lassen sich aus vielen Gründen – unter anderem aufgrund der Einführung des Screenings zu unterschiedlichen Zeitpunkten und der unterschiedlichen Brustkrebsin- zidenzen – nicht exakt auf Gesamtdeutschland über- tragen, aber die Ergebnisse zeigen deutlich, wie wichtig eine Evaluation des Programms ist. Betont werden muss, dass nur ein bevölkerungsbezogenes und vollzähliges Krebsregister – wie es in Nord- rhein-Westfalen und in vielen anderen Bundeslän- dern existiert – die Qualität der Früherkennung be- werten kann. Dies gilt nicht nur für Brustkrebs, ähn- liche Bewertungen für das Hautkrebsscreening und die Koloskopie sind ebenso dringend erforderlich.

Positive Aussichten

Blicken wir zuversichtlich in die Zukunft: Das Bun- desamt für Strahlenforschung (BfS) hat eine Studie ausgeschrieben, in der die Qualität des Mammogra- phie-Screening-Programms überprüft werden soll.

Nur wenn tatsächlich ein Nutzen für die Frauen durch eine Reduktion der Mortalität erkennbar ist, ist es gerechtfertigt, dass gesunde Frauen einer zusätzli- chen Strahlenexposition ausgesetzt werden. Diese Studie wird in Kürze beginnen und es ist zu hoffen, dass sie die notwendige Unterstützung und Koopera- tion von allen beteiligten Institutionen und Fachver- tretern erhält.

Zudem könnte man vorsichtig optimistisch sein und hoffen, dass aus den Erfahrungen und Fehlern bei der Implementierung des Mammographie-Scree- ning-Programms etwas gelernt wurde und die orga- nisierte Darmkrebs- und Zervixkarzinomfrüherken- nung beziehungsweise das Hautkrebsscreening zeit- nah und zuverlässig evaluiert werden.

Früherkennung und Krebsregistrierung sind zwei Themen, derer sich die Bundesregierung angenom- men hat und die im Rahmen der Umsetzung des Na- tionalen Krebsplanes gesetzlich geregelt werden sol- len. Hoffentlich sehen die Gesetze so aus, dass nicht nur Daten gesammelt, sondern auch die Evaluation von Maßnahmen zur Krebsbekämpfung allgemein – wie Screening, Diagnostik, Therapie und Nachsorge – möglich ist.

Interessenkonflikt

Die Autorinnen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

LITERATUR

1. European guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis. Fourth Edition. www.euref.org/european-guidelines;

last accessed 24.10. 2012

2. www.mammo-programm.de/cms_upload/datenpool/evaluationsbe richt_2008–2009_web.pdf; last accessed 24.10. 2012 3. Heidinger O, Batzler WU, Krieg V, Weigel S, Biesheuvel C †, Heindel

W, Hense HW: The incidence of interval cancers in the German mammography screening program—results from the population-ba- sed cancer registry in North Rhine–Westphalia. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(46): 781-7.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. rer. nat. Maria Blettner Institut für Medizinische Biometrie Epidemiologie und Informatik (IMBEI) 55101 Mainz

maria.blettner@unimedizin-mainz.de

Englische Überschrift:

German Mammography Screening Program: Quality Assurance

Zitierweise

Blettner M, Zeissig SR: German Mammography Screening Program: Quality Assurance. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(46): 779–80.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0779

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

durch die Mammographie entdeckte (und dann aggressiv behandelte) Tumor klinisch stumm, also für die Frau ohne Konse- quenzen, geblieben wäre. ❃ 3 dieser 15

Auch die Zahl der Tumoren, die das Screening „überse- hen“ hatte, lag deutlich höher: Bei Frau- en unter HRT wurde jeder dritte Tumor (35 Prozent) nicht durch das Screening,

Bei einer vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI), Köln, Ende Oktober ausge- richteten Tagung in Bonn diskutier- ten

Die MR-Mammographie sollte als ergänzende Diagnostik eingesetzt werden, wenn Mammo- graphie und Mamma-Sonographie einen un- klaren Befund ergeben und eine weitere Abklä- rung durch

Es werden detaillierte Terminierungen für die Vorgaben zur Zertifizierung und Rezertifizie- rung der Software für die ärztliche Dokumentation und für die Dokumentation durch die

Das Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) wird gut angenom- men: Knapp 700 Mitglieder haben sich bislang für die Online-Abrechnung mittels D2D regis- triert; die

Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) ruft alle Ärzte und Psychothe- rapeuten, die einen Anruf von Infas erhalten, zur Teilnahme auf: „Sie sollten

Franz Bachl von der AOK Bayern, die hinter dem Programm der KVB steht, lud auch die Verantwortlichen des Erlanger Mo- dellprojekts dazu ein, sich der Vereinbarung zwischen AOK und