THEMEN
Bei einer vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI), Köln, Ende Oktober ausge- richteten Tagung in Bonn diskutier- ten nationale und internationale Experten über die Einführung einer routinemäßigen Röntgenuntersu- chung der Brust (Mammographie) in das gesetzliche Programm zur Krebsfrüherkennung. Die Vorschlä- ge der Experten geben den gegen- wärtigen Stand der wissenschaftli- chen Diskussion zur Implementie- rung eines qualitätsgesicher- ten Mammographie-Screening in Deutschland wieder. Es gilt jetzt, Organisationsmodelle zu ent- wickeln, auf deren Grundlage der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen seine Beratungen fortsetzen kann.
Alle zwei Jahre
Die Untersuchungen sollten bei 50- bis 69jährigen Frauen alle zwei Jahre durchgeführt werden.
Es sei nach internationalen Studi- energebnissen gesichert, so die Ex- perten, daß das Mammographie- Screening die Sterberate bei den zur Früherkennung aufgerufenen Frauen um bis zu 30 Prozent min- dern kann. Voraussetzung solcher Erfolge sei, daß ein hoher Qua- litätsstandard der Mammographie einschließlich der notwendigen Fol- geuntersuchungen in der medizini- schen Regelversorgung erreicht und gehalten wird. „Der Nutzen des Mammographie-Screening kann verschwindend gering werden, oder die Nachteile können überwiegen, wenn eine hohe Qualität nicht er- reicht wird", urteilt die Experten- gruppe. Ein Screeningprogramm in Deutschland müsse deshalb inter- national anerkannte Qualitätsan- forderungen erfüllen.
BERICHTE
Das System der vertragsärztli- chen Versorgung in der Bundesre- publik Deutschland könne auch un- ter dezentralen Bedingungen ein wirksames Screening leisten, beton- ten die Experten. Hierfür seien, ne- ben einer regional gestaffelten Ein- führung des Programms, insbeson- dere folgende Maßnahmen erfor- derlich:
> spezielle Schulung der Ärz- te;
• patientenbezogene Verlaufs- dokumentation der Untersuchun-
gen einschließlich aller diagnosti- schen und therapeutischen Maß- nahmen;
> Begutachtung der Mammo- graphiebilder durch zwei unabhän- gige Ärzte;
> Registrierung der Brust- krebsfälle in der Bevölkerung;
• bundesweite und regionale Koordinierung des Programms.
Die Realisierung der interna- tional anerkannten Maßnahmen zur Sicherung der Qualität des Mam- mographie-Screening setzt voraus, daß jährlich mindestens 2 000 Un- tersuchungen je Arzt durchgeführt werden.
Nach Empfehlungen der Wis- senschaftler sollte das Screening- programm auf Bundesebene von ei- ner zentralen Einrichtung zur Früherkennung des Brustkrebses geleitet werden. Zusätzlich seien mehrere regionale Expertenzentren zu errichten, um die Zusammenar- beit mit den niedergelassenen Ärz- ten zu koordinieren. Die Zentren sollen die Fortbildung und die kon- tinuierliche Qualitätssicherung bei den beteiligten Ärzten, dem medizi- nischen Personal und hinsichtlich der apparativen Ausstattung ge- währleisten sowie die zügige Dop-
pelbefundung der Mammogramme organisieren. Nach den Vorstellun- gen der Experten wären diese Ein- richtungen auch zuständig für die Überwachung der medizinischen Standards bei der Durchführung des Screenings sowie für die Koor- dination eines Einbestellsystems und der weiterführenden Diagno-
stik. ZI/L. v. K.
Organisationsmodelle für Mammographie-Screening gefragt
Frauen akzeptieren Mammographie
Frauen, die bereits an der Früherkennungs-Mammographie teil- genommen haben, wurden durch die kontroverse öffentliche Diskus- sion über die Qualität der Mammographie in den Massenmedien kaum negativ beeinflußt. Die Frauen erinnerten sich deutlich häufi- ger an positive Aspekte des Verfahrens („Ist eine gute Möglichkeit der Früherkennung", „Kann Gesundheit und Leben retten") als an problematische Aussagen („Geräte veraltet", „Ärzte zu wenig ge- schult", „Diagnosen zu Unrecht gestellt"). Nur 40 Prozent der befrag- ten Frauen hatten entsprechende Informationen der Massenmedien überhaupt wahrgenommen. Die erklärte Bereitschaft der Frauen, weiterhin Früherkennungs-Mammographien durchführen zu lassen, ist weitgehend unverändert: 93 Prozent wollen sich auch in den näch- sten Jahren diesem diagnostischen Verfahren unterziehen. Verunsi- cherung und Informationsbedarf äußerten nur 7,5 Prozent. Dies sind Ergebnisse einer Befragung, die im Rahmen der Deutschen Mammo- graphie-Studie bei Teilnehmerinnen in den Studienregionen Aurich und Braunschweig 1993 durchgeführt wurde. Sie wurden bei der Jah- restagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Präven- tion in Düsseldorf vorgestellt. IW
A-3418 (34) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994