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Archiv "Ernannt" (08.12.1977)

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PERSONALIA

Danzig und beendete den Krieg als Assistenzarzt. Nach Weiterbildung zum Chirurgen trat er 1957 in die Bundeswehr ein, wo er als Brigade- arzt, Lehrstabsoffizier an der Füh- rungsakademie und Korpsarzt tätig war, bis zu seiner Berufung 1975 zum Generalarzt des Heeres und In- spizient des Sanitätsdienstes des Heeres.

Seit dem 1. Oktober 1977 ist Gene- ralstabsarzt Dr. Hubertus Grunhofer Amtschef des Sanitätsamtes der Bundeswehr. 1922 in Ratibor (Schle- sien) geboren, trat er 1940 als Sani- tätsoffizieranwärter in die Luftwaffe ein und studierte in Berlin und Würzburg. Nach Einsätzen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen war er bei Kriegsende in dem Luft- waffen-Truppensanitätsdienst tätig.

1945 setzte er das Medizinstudium in Erlangen fort und bildete sich an- schließend zum Kinderarzt weiter.

1956 trat er in die Bundeswehr ein.

1969 wurde er Abteilungsleiter im Flugmedizinischen Institut der Luft- waffe, dessen Gesamtleitung er am 1. Oktober 1972 übernahm.

Generalarzt Dr. Klaus Weber-Höller ist seit dem 1. Oktober 1976 Gene- ralarzt des Heeres und Inspizient des Sanitätsdienstes des Heeres. 1924 in Wuppertal geboren, trat er 1943 als Offizieranwärter in die Wehrmacht ein und war bei Kriegsende Leut- nant. Er studierte in Marburg, bilde- te sich nach der Approbation zum Chirurgen weiter und war bis zu sei- nem Eintritt in die Bundeswehr 1958 klinisch tätig. Nach Verwendung als Truppenarzt, Dezernent, Gutachter und Leitender Sanitätsoffizier war er bis zu seiner Berufung als General- arzt des Heeres Referent im Verteidi- gungsministerium.

Seit dem 1. Oktober 1972 ist Dr.

Horst Robbers Admiralarzt des Mari- nesanitätsdienstes. 1918 in Wil- helmshaven geboren, trat er 1936 als aktiver Offizieranwärter in die Kriegsmarine ein und war bis zum Kriegsende als Wachoffizier bei Mi- nensuchverbänden und in Stäben eingesetzt. Nach Medizinstudium in Bonn war er bis zu seinem Eintritt in die Bundeswehr als Internist an

Krankenhäusern tätig. Nach Ver- wendung als Stützpunkt-, Standort-, Divisions- und Kommandoarzt im Bereich der Bundesmarine sowie als Wehrbereichsarzt bei einem Territo- rialkommando wurde er zum Admi- ralarzt des Marinesanitätsdienstes berufen.

Generalarzt Dr. Ernst Ebeling ist seit dem 1. Oktober 1972 Generalarzt der Luftwaffe. 1919 in Dobbertin/Meck- lenburg geboren, trat er 1937 als Of- fizieranwärter in das Heer ein, wech- selte bei Kriegsausbruch zur Luft- waffe als Kampfflieger über. Er stu- dierte Medizin in Kiel und bildete sich zum Internisten weiter, bevor er 1957 in die Bundeswehr eintrat.

Nach Verwendung als Leitender Sa- nitätsoffizier der Heeresflieger, Ab- teilungsleiter am Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe, später Lehr- gruppenkommandeur an der Sani- tätsakademie, wurde er zum Leiten- den Sanitätsoffizier des Luftflotten- kommandos berufen.

Generalarzt Dr. Hansjoachim Linde ist seit 1. August 1976 Kommandeur der „Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundes- wehr". 1926 in Ortelsburg/Ostpreu- ßen geboren, trat er 1943 als Offi- zieranwärter bei der Luftwaffe ein.

Nach russischer Gefangenschaft studierte er in Marburg und Inns- bruck Medizin. 1957 trat er in die Bundeswehr ein und wurde zu- nächst als Staffelchef einer Luftwaf- fensanitätsstaffel, später als Flieger- arzt eines Jagdbombergeschwaders verwendet. Nach Dezernenten- und Referententätigkeit wurde er zum Kommandoarzt und Sanitätskom- mandeur beim Territorialkommando berufen. hpb

Gewählt

Dr. med. Hartmut Krukemeyer, ärzt- licher Direktor der Paracelsus-Klinik in Osnabrück, ist zum neuen Vorsit- zenden des Verbandes der privaten Krankenanstalten Niedersachsen gewählt worden. Er löste im Amt Dr.

Peschel, Braunschweig, ab. WZ

Ernst-von-Bergmann- Plakette verliehen

Dr. med. Rolf Haizmann, Bad Füs- sing, erhielt vom Vorstand der Bun- desärztekammer die Ernst-von- Bergmann-Plakette. Er organisiert und leitet seit Jahren Kongresse für Rehabilitation und Sportmedizin.

Darüber hinaus wirkt er als Referent bei vielen ärztlichen Fortbildungs- kongressen mit. FB/BÄK

Ernannt

Professor Dr. Hans-Jürgen Gülzow, Universität Erlangen, ist zum Abtei- lungsdirektor und Professor für

Zahnerhaltungskunde/Präventive Zahnheilkunde ernannt worden.

Professor Dr. Giesbert Jacobs, bis- her Chirurgische Klinik, Düsseldorf, ist zum Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Stadt-Krankenhauses Hildesheim ernannt worden.

Privatdozent Dr. Dr. Jochen Stork, Oberarzt am Institut für Medizini- sche Psychologie und Psychothera- pie, München, wurde zum Abtei- lungsvorsteher ernannt. WZ

Hochschulnachrichten

Zum außerplanmäßigen Professor ernannt — Privatdozent Dr. med. ha- bil. Peter Berchtold, stellvertreten- der Leiter des Ressorts Medizin in der Pharma-Sparte der Bayer AG, Wuppertal-Elberfeld, für innere Me- dizin an der Universität Düsseldorf;

Dr. med. Asmus Finzen, Privatdo- zent am Fachbereich Klinische Me- dizin, an der Eberhard-Karls-Univer- sität Tübingen.

Habilitiert — Dr. med. Iris Dauner, Oberärztin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Philipps- Universität Marburg/Lahn, für Neu- ropsychiatrie des Kindes- und Ju- gendalters. WZ

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FEUILLETON

„Hoffentlich hören Sie nicht mit der Praxis auf, Herr Doktor", sagen Patienten, die sein erstes Buch gelesen haben

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Wissenschaft und

Phantasie gehören zusammen

Mathias Schröder —

„phantastischer Realist" — der Tradition

schriftstellernder Ärzte verbunden

Christian Ullmann

Eine innere Stimme scheint dem Arzt Dr. Mathias Schröder*) ständig zu sagen: „Die Welt ist in Ordnung."

Und zahlreich sind auch die sympa- thisch klingenden Bestätigungen dieser angeblich so heilen Welt, die von außen auf ihn eindringen. Aber da sind auch die täglichen Erfahrun- gen des jungen Münchner Arztes, die ganz anders aussehen. Es hat einmal eine Zeit gegeben, da hat Schröder den schönen Reden der Ideologen und Propagandisten mehr geglaubt als den Warnungen der Realisten, weil jene mit den Ge- fühlen besser übereinstimmten. Bis dann die Traumwelt von Zweifeln zernagt wurde, die seine zunehmen- de Lebenserfahrung aufkommen ließ. Zurück blieb ein Trümmerhau- fen der Kindheitserinnerungen.

Unbewußt vielleicht, aber sicher nicht zufällig war dies der erste

„Stoff" eines Romans, mit dem Schröder 1976 sein Debüt als Schriftsteller gab. „Der Krähen- baum", erschienen bei Bertelsmann, ist die Geschichte acht- bis zwölf- jähriger Kinder, die der letzte Welt- krieg mit den Resten ihrer Familien in ein hessisches Dorf verschlagen hatte, wo sie dem schrecklichen Kriegsende entgegenlebten. Im Flammenmeer eines Bombenan-

griffs, bei dem — so Schröder —

„brennende Vögel, Tauben, Spatzen und Krähen, aus der Luft fallen", versinkt nicht nur Werflo, das imagi- näre Dorf dieser Kindheitserlebnis- se, in Schutt und Asche. Mit ihm wird die ganze kindliche Scheinwelt zerstört, die nationalsozialistische Propagande von Lehrern, antise- mitischen Nachbarn und Frontbe- richterstattern im Rundfunk aufge- baut hatte. Mit einer gehörigen Por- tion Zivilcourage hatte allein die Großmutter versucht, gegen dieses Bild der unbefangenen Grausamkeit anzukämpfen, an seine Stelle die ar- chaische Welt der Bibel zu setzen.

Bemerkenswert ist, daß Schröder die Welt, mit der er sich in der kon- sequent durchgehaltenen Erzähl- ebene von Kindern in den ersten Schuljahren im „Krähenbaum" aus- einandersetzt, nicht aus eigenem Er- leben kennt. Er kam erst 1941 in Kassel zur Welt, wurde also mitten in diese Ereignisse „hineingeboren", mit denen er nun literarisch fertig zu werden versucht. Diese Vergangen- heit besteht für Schröder aus- schließlich aus Erinnerungsfetzen von eher zufällig aufgeschnappten Gesprächen der Eltern, Verwandten, Nachbarn und Freunde, die kaum für Kinderohren bestimmt waren, die sich aber vielleicht gerade deshalb

widerspruchsvoll und zweifelerzeu- gend in sein Gedächtnis eingegra- ben haben. Für Schröder ist diese seltsame Vergangenheit auch des- halb so bedrückend, weil er später, als Student und Arzt, bei Auslands- aufenthalten immer wieder mit die- ser Vergangenheit konfrontiert und nicht selten auch mit ihr identifiziert wurde.

Es spricht für den Idealismus Schrö- ders, daß er bei alledem nicht zum Zyniker geworden ist. Für ihn ist die Welt zwar nicht so in Ordnung, wie er es gerne sehen möchte oder wie es andere zu suggerieren versu- chen, aber sie erscheint ihm auch nicht so chaotisch und vor allem nicht so unverständlich, daß es sich für den einzelnen nicht lohnen könnnte, sich mit dieser Vergangen- heit intellektuell auseinanderzuset- zen und an einer besseren Ordnung für die Zukunft zu arbeiten. Dies ist seine Methode: für sich selbst Ord- nung zu schaffen und sie anderen zu vermitteln — als Arzt wie als Schrifts- teller.

Dr. Mathias Schröder, Prinzenstraße 50, 8000 München 90, wurde für sein Buch „Der Krä- henbaum" mit dem Staatlichen Förderpreis für junge Künstler und Schriftsteller des Freistaates Bayern ausgezeichnet.

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Arzt und Schriftsteller

So wie sein Idealismus Schröder vor einem Abgleiten in den Zynismus bewahrt, verhindert ein handfester Realismus das Aufkommen von Träumerei. Und weil er gewiß noch weniger Träumer als Zyniker ist, kann man sagen, daß Schröders Realismus noch ausgeprägter als sein Idealismus ist. Der Realist be- wahrt den Idealisten vor allzu küh- nen Höhenflügen, und der Idealist treibt den Realisten zu einem gesun- den Ehrgeiz an. Beides scheint sich deshalb so gut miteinander zu verei- nen und in bemerkenswerter Weise zu ergänzen, weil es ganz offenbar denselben Wurzeln entspringt: einer seit den Kindertagen auf dem Dorf nie in Frage gestellten Verbunden- heit mit der Natur.

Als Arzt durch die Welt

Medizin hat Schröder in Marburg, Paris und in Homburg an der Saar studiert und dort auch 1967 sein Staatsexamen absolviert. Noch in demselben Jahr promovierte er mit einer Arbeit über Nierenbeckenpla- stiken bei dem Urologen Professor Dr. C. E. Alken. Es folgten Lehr- und Wanderjahre durch weite Teile der Welt und der Welt der Medizin.

Schröder war Medizinalassistent an verschiedenen Krankenhäusern: in Geilenkirchen für Chirurgie, in Daun in der Eifel für Gynäkologie, in Los Angeles für Nuklearmedizin, in Bre- men und wieder in Homburg an der Saar für innere Medizin. Kurze Zeit arbeitete er auch in Spanien an ei- nem britisch-amerikanischen Hospi- tal, eine zeitlang schließlich als Schiffsarzt in der Karibik.

Es war dann paradoxerweise die Li- teratur und nicht die Medizin, die ihn seßhaft werden ließ. Allzulange — so schien es ihm — hatte er seine Nei- gung zur Schriftstellerei, die ihn seit den Gymnasialtagen begleitete, der Ausbildung und dem Beruf unterge- ordnet. Er hatte jedoch auch in jener Zeit an Romanen, Erzählungen und Lyrik gearbeitet, hatte jede freie Mi- nute zur Lektüre genutzt. Insbeson- dere russische und moderne ameri- kanische Erzähler, ganz besonders stark die Bibel und daneben Mär-

chen aus aller Welt sind die Litera- tur, der sich Schröder am meisten verbunden fühlt. Um Anschluß an die literarische Szene zu finden, ließ er sich 1973 als Allgemeinarzt im Münchner Stadtteil Nymphenburg nieder.

Inzwischen hat er seine Praxis in überschaubarem Rahmen etabliert und als Schriftsteller reüssiert. Die Literaturkritik hat seinem Erstlings- werk die Achtung nicht versagt, aber er hat auch lernen müssen, hin und wieder einen „Verriß" hinzunehmen.

Das ärgert ihn besonders dann, wenn er sich mißverstanden oder ungerecht behandelt fühlt. Daß Kriti- ker ihre Urteile „einfach so" in die Öffentlichkeit tragen können, ohne sie begründen zu müssen, ist eine Erfahrung, die der Schriftsteller Ma- thias Schröder zähneknirschend

hinnehmen muß, die aber dem Dr.

med. Schröder, dessen Arbeit ja der ständigen Kontrolle seiner Patienten unterliegt, so gar nicht einleuchten will.

Die Medizin als menschliche und berufliche Basis

Lange Zeit konnte es sich Schröder vorstellen, die Medizin zugunsten der Literatur an den Nagel zu hän- gen. Das aber war — wie er heute eingesteht — die Rechnung ohne den Literaturbetrieb, ohne die „etablier- te Medienmafia" gemacht. Literatur, das sind eben nicht nur die Werke der anderen, die man liest, und die eigenen, die man niederschreibt. Li- teratur bedeutet heute mehr denn je Abhängigkeit von Verlagen und ih- rer Bereitschaft, ein Buch auf dem Markt zu forcieren, Abhängigkeit von Lektoren, Kritikern, Feuilleton- redakteuren und Buchhändlern. Es bedeutet, einem Markt ausgeliefert zu sein, ohne auf ihn Einfluß neh- men zu können. Und das weiß Schröder heute: Sein Beruf als Arzt verschafft ihm einstweilen in jenem Metier, das ihm immer als das freie- ste unter der Sonne vorgekommen war, jene Freiheit, die er braucht, um sich unabhängig und gelassen wei- ter der Schriftstellerei widmen zu

können. Er braucht die Medizin „als

menschliche und berufliche Basis", um sich in der Literatur freihalten zu können von Konzessionen an Mode- trends und Verbeugungen vor Rezensenten.

Nur kleine Arztpraxis — Zugeständnis an die Literatur Wie aber kann man beides miteinan- der vereinbaren? Wie kann man zu- gleich als Arzt und als Schriftsteller beachtenswerte Leistungen voll- bringen? Diese Fragen sind Schrö- der oft gestellt worden, und er hat sie auch sich selbst nicht nur einmal gestellt. Er weiß auch, daß ihm viele mißtrauen: „Viele Schriftsteller ver- achten mich als bürgerlichen Ein- dringling", sagt Schröder, „und manche Ärzte betrachten mich miß- trauisch als Halbmediziner." Wenn er mit Schriftstellern zusammen- kommt, halten die ihn für einen gut verdienenden Arzt. Und wenn er Ärz- te trifft? Hier antwortet Schröder nur mit einem ironischen „Naja ..". Er selbst sieht in der Frage nach der Vereinbarkeit kein Geheimnis: „Ich halte meine Praxis bewußt klein.

Dies ist das Opfer, das ich der Litera- tur bringe. Qualitative Abstriche — nein, quantitative Selbstbeschrän- kung — ja."

Schröder versteht es bis jetzt, Medi- zin und Schriftstellerei völlig ausein- anderzuhalten. Nur die in der Um- gangssprache kaum gebräuchlichen medizinischen Floskeln und Re- densarten, die eher routinemäßig als bewußt in seine Darstellungen ein- fließen, geben bei der Lektüre Hin- weise auf den Beruf des Autors. Und die ungemein präzisen Personenbe- schreibungen mit viel Sinn für De- tails und Nuancen in einer selten anzutreffenden ausdrucksreichen Sprache finden ihre Erklärung in Schröders medizinischer Ausbil- dung.

Nur einmal hat er sich bisher mit einem medizinischen Thema ausein- andergesetzt: in der Erzählung

„Weiße Weihnacht", die demnächst in einem bereits abgeschlossenen Erzählband erscheint, schildert er das Sterben eines unheilbar Krebs-

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Arzt und Schriftsteller

kranken in einer Klinik am Heiligen Abend. Während er als diensthaben- der Arzt mit Routinefloskeln des Krankenhausjargons, an die er selbst nicht glauben kann, beim Pa- tienten den letzten Funken Hoffnung wachhalten will, möchte dieser nur noch schonungslos „die Wahrheit"

wissen. Er wettet mit dem Arzt dar- um und gewinnt eine Partie Schach.

Kurze Zeit später, beim Raten von Kreuzworträtseln im Stationszim- mer, hört der Arzt, „hinten, bei den Toilette.n", einen Schrei, hastet durch den langen notbeleuchteten Gang und: „... vor der Zweihun- derteins war ein hellroter Fleck, das Gefäß in seiner Lunge war aufgebro- chen, es klaffte die Toilettentür, im grellen Neonlicht lag Kramer, flach und blutverschmiert, auf seinem Gesicht."

Wo man die Welt als Arzt in Ordnung bringen kann, bringen muß, ist bei Schröder für die Schriftstellerei kein Platz. Dort, wo die ärztliche Kunst an ihre Grenzen stößt, kommt der Tod.

Als Arzt hat er ein gutes Jahrzehnt Erfahrung mit dem Tod, und er setzt sich mit ihm auch in allen seinen bisherigen literarischen Werken auseinander. Als ob man in der Arti- kulation der Todesgeschichte die Beklemmung lösen könnte, die der Tod verbreitet. Da bricht dann auch bei Schröder zuweilen jener Zynis- mus durch, den man bei Ärzten nicht selten antrifft; jener Zynismus, der seine Wurzel in dem unbehaglichen Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Tod hat, für dessen Vertiefung jedoch keine Zeit bleibt, weil der neue Wettlauf mit ihm „durch die langen notbeleuchteten Gänge" so- gleich weitergeht.

Das Bemühen der Ärzte, ihren Bei- trag dazu zu leisten, daß die Welt in Ordnung kommt, sieht Schröder durch die gegenwärtig hochgespiel- te Anti-Ärzte-Kampagne empfindlich gestört. Obwohl er nicht ausschlie- ßen will, daß er sich später einmal mit diesem Phänomen und seinen Folgen literarisch auseinanderset- zen wird, spricht in erster Linie der Arzt, wenn Schröder nicht ohne Ver-

Hineingeboren in den Krieg: der Arzt und Schriftsteller Dr. med. Mathias Schröder Fotos (2): Michael Friedel

bitterung feststellt: „Durch die pau- schalen Verteufelungen der Ärzte wird Tag für Tag leichtfertig das Ver- trauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten zerstört. Immer häufiger setzen Patienten einfach ihre Medi- kamente ab. Oft werden sie dadurch in der Therapie um Monate zurück- geworfen oder erleiden irreparable Schäden. Es bedarf der größten An- strengungen des Arztes, das zerstör- te Vertrauensverhältnis wieder aufzubauen."

Zuweilen hilft ihm seine schriftstel- lerische Tätigkeit schon jetzt dabei.

Schröder sagt dazu: „Die Resonanz auf meine literarischen Arbeiten ist bei meinen Patienten sehr groß. Sie bringen den ‚Krähenbaum' mit in die Sprechstunde und lassen das Buch signieren. An meinen weiteren Plä- nen nehmen sie regen Anteil und meinen nach einem kurzen Exkurs in die Literatur nicht selten: ,Hof- fentlich hören Sie jetzt nicht mit der Praxis auf, Herr Doktor!"

An den freien Wochenenden trifft man das Ehepaar Schröder in einem winzigen Dorf bei Holzkirchen im Bayerischen Oberland. In einem al- ten Bauernhaus haben sich die Schröders ein rustikales Refugium geschaffen. „Die Medizin ist hier vergessen, höchstens, wenn im Dorf

einmal jemand akut Hilfe braucht. . .", meint Schröder, wäh- rend er auf dem Ofen Hausmacher- Blut- und -Leberwurst bruzzeln läßt.

Würste vom Schwein, das er sich vom Bauern nebenan hat mästen lassen.

Wenn er hier in dem kleinen Dorf nicht im gegenüberliegenden Dorf- wirtshaus am Stammtisch über die große und die kleine Politik disku- tiert oder mit einem Hut auf dem Kopf, der ihm das Aussehen eines Großwildjägers verleiht, die nahen Wälder nach Schwammerin durch- streift, sitzt er im Lehnstuhl bei einer Flasche Weißwein vor malerischer Bergkulisse und hört sich Rachma- ninows-Konzerte an. So stimmt er sich ein aufs Schreiben. Und in der Tat sind seine Arbeiten gekenn- zeichnet durch eine melodische Sprache, die allerdings nicht selten unterbrochen wird von schrillen Dis- sonanzen: durch widernatürliches Heldenpathos und einen zuweilen unbefangenen Hang zum Ordinären.

Für Schröder ist das ein Stilmittel, um seinen Lesern vor Augen zu füh- ren, daß die Welt, die er beschreibt, ganz und gar nicht in Ordnung ist.

Die Frage, was Schröder mit seiner Literatur anstrebt, ist nicht leicht zu beantworten. Es spricht für seinen Realismus, daß er Konflikte in ihrer ganzen Ausweglosigkeit schildert.

So etwa in seinem neuen Roman, der in Amerika spielt, in der Ge- schichte eines Mannes, der mit ge- sellschaftlichen Zwängen nicht fer- tig werden kann und dadurch zum Mord an seiner Frau getrieben wird.

Andererseits aber überläßt Schröder die moralische Wertung allein den Lesern. Da wird keine Schuld ver- teilt, sondern eher Ratlosigkeit ver- mittelt. Es ist, als wollte er sagen:

„Wer erst einmal in chaotische Si- tuationen verstrickt ist, der findet nicht mehr heraus." Schröder weist keine Wege aus dem Chaos. Er möchte ganz und gar nicht zur

„Weltveränderung mit Ideologie"

beitragen, und er wendet sich mit Nachdruck gegen alle Versuche, in seine Literatur ideologische Pro- gramme hineindeuten zu wollen.

„Ich bin ein Gegner von Romanlite-

(5)

Arzt und Schriftsteller

ratur, die politische Ideologie in den Vordergrund stellt", meint er.

Schröder sucht „die Menschendar- stellung in ihrer ganzen Vielfalt". Li- teratur ist für ihn „Flucht in eine Subjektivität, die die Subjektivität möglichst vieler ist". Anders etwa als der berühmte russische Arzt und Schriftsteller Anton Tschechow will Schröder vordringlich mit sich selbst ins reine kommen und ande- ren in ähnlichen Situationen dabei helfen. Aber genau wie Tschechow setzt er mit dem Schreiben jenseits der Grenzen an, die der ärztlichen Kunst gezogen sind.

Tschechow hatte als Arzt ein Schlüsselerlebnis, das ihn zur Lite- ratur und zur Aufgabe der Medizin führte: Einmal kam ein Patient mit Halsschmerzen in seine Praxis, um sich sogleich wieder abzuwenden, als Tschechow bei ihm Syphilis dia- gnostizierte und behandeln wollte.

Der Patient beharrte darauf, harmlo- se Halsschmerzen zu haben.

Tschechow folgerte aus dieser Epi- sode, daß man Menschen, die nicht ausreichend aufgeklärt seien, nicht heilen könne. Er sah von da an seine Aufgabe in dieser vernachlässigten gesellschaftlichen Aufklärung.

Schröder fühlt sich insbesondere der Tradition jener schreibenden Ärzte verbunden, die Humanismus als die Achtung vor dem Leben ver- standen und verteidigt haben. Er ist davon überzeugt, daß der Mensch überleben kann, wenn er sich nur vernünftig verhält. Allerdings — und das kommt im literarischen Werk Schröders immer wieder zum Aus- druck — ist Überleben nicht alles. Es zahlt sich nicht aus, um den Preis des Weiterlebens, von dem man nie wissen kann, wie hoch er ist, von seinen ethischen Grundsätzen abzu- lassen.

Diese Haltung Schröders ist deshalb so bemerkenswert, weil er selbst keine Fixpunkte setzt, auch keine hat, die es ihm wert erschienen, un- bedingter Maßstab für andere zu sein. Er ist voller Mißtrauen gegen- über den eigenen Wegen; und dar-

aus resultieren Toleranz und Libera- lität gegenüber anderen sowie die eigene Bereitschaft zu lernen. Aber wenn man — jeder für sich selbst — eine Antwort auf ethische Fragen gefunden hat, meint Schröder, dann dürfe man sich auch im kämpferi- schen Durchhalten dieses Stand- punkts nicht beirren lassen.

Vorbilder suchen,

Erfahrungen weitergeben

Schröder ist ständig auf der Suche nach Vorbildern, die man — sagt er — selten zwar, aber in jeder Situation des Lebens finden könne. Und wenn man eines gefunden habe, dann könne das für die weitere Zukunft eines Menschen prägend sein.

Schröder zwingt aber seine Vorbil- der keinem auf. Genauso schwer, wie er sie im Alltag findet, sind sie in seiner Literatur auszumachen. Es sind Menschen, die niemals beson- ders hervorgetreten sein müssen, aber plötzlich, in einer bestimmten Situation, über sich hinauswachsen.

So zum Beispiel der dem Tode ge- weihte Krebskranke, der mit einer Wette den Weg findet, unge- schminkte Auskunft über seinen Zu- stand zu erhalten, auf die er ein Recht hat, die er aber auf andere Weise nicht bekommen kann.

Anders ist es mit der Großmutter im

„Krähenbaum". Durch den ganzen Roman hindurch ist sie die dominie- rende moralische Autorität, die sich in ihrem christlichen Standpunkt nicht beirren läßt, die der Nazipro- paganda beharrlich die Bibel entge- gensetzt, die für ihre Überzeugung auch brutale Gewalt erduldet und so entscheidend dazu beiträgt, den Kindern die Augen für die Realität zu öffnen. Einmal jedoch verhält sich die Großmutter unvernünftig: Bei ei- nem Fliegeralarm weigert sie sich, mit den anderen in den Keller zu gehen. Sie hat zwar auch dafür eine religiöse Begründung parat: „Hier bin ich, und hier bleibe ich; mein Schic4a1 liegt in Gottes Hand."

Aber sie kommt im Bombenhagel um. Im einen Fall also ein Mensch, der zeit seines Lebens nie sonder-

lich in Erscheinung getreten ist, aber plötzlich und unerwartet eine vorbildliche Haltung beweist; im an- deren Fall ein vorbildlicher Mensch, der plötzlich und unerwartet ver- sagt.

„Man kann in jedem Beruf für sich und seine Umwelt Akzente setzen, die anderen Maßstab sein können", meint Schröder. Aber ihm geht es um mehr. Erst wenn Vorbilder, ihre Erfahrungen und Einflüsse nicht der Vergessenheit anheimfallen, son- dern auf andere Generationen über- tragen werden, gewinnen sie histori- sche Dimension. Für Schröder ist diese Auffassung unzweifelhaft ei- nes der stärksten Motive seiner lite- rarischen Betätigung, obwohl er auch hier wieder entschieden be- streitet, daß dies der einzige Weg sei, persönliche Erfahrung in diesen Rang zu erheben. Aber es ist sein Weg. Die Wissenschaft hält er dafür für untauglich. Die Erfahrung habe gezeigt, daß auch die angeblich un- widerruflichen Ergebnisse in der medizinischen und in anderen na- turwissenschaftlichen Forschungen niemals endgültig sind und von Zeit zu Zeit fundamental neu überdacht werden müssen. Wissenschaft kön- ne niemals ein Dogma sein, sondern müsse ständig in Frage gestellt wer- den und bedürfe der Ergänzung durch eine gehörige Portion Phan- tasie.

In diesem Sinne und im Bewußtsein eines ständigen Zwiespalts zwi- schen Phantasie und stringenter Na- turwissenschaft sieht sich Mathias Schröder, der Arzt und der Schrift- steller, als „phantastischer Realist".

Und er beweist sich sogleich als sol- cher, wenn er meint: „In allem, was man tut, steckt ein guter Schuß Ab- surdität. Und wenn man das weiß und es dann trotzdem tut, dann muß noch eine andere, eine moralische Qualität hinzukommen."

Anschrift des Verfassers:

Dr. Christian Ullmann Allescherstraße 21 8000 München 71

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