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Archiv "Privatkliniken: Ja zu mehr Wettbewerb, Nein zur Nullrunde" (09.07.2010)

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A 1338 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 27

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9. Juli 2010

D

er Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK) lehnt die fast gleichlautenden Vor- schläge und Forderungen von Ge- sundheitsexperten der CDU und des GKV-Spitzenverbandes zur Defizit- abdeckung in der gesetzlichen Kran - kenversicherung (GKV) strikt ab.

Auf seinem Bundeskongress Mitte Juni in Berlin forderte er stattdessen einen größeren Freiraum für mehr Qualität und Transparenz als Vor - aussetzung für einen fairen Wettbe- werb. Zugleich seien die Erhaltung und der Ausbau der medizi nischen Rehabilitation für die Erschließung von Effizienzpotenzialen und zur Verbesserung der individuellen und gesamtgesellschaftlichen, gesetzlich verbrieften Teilhabeleistungen un- verzichtbar.

Für BDPK-Präsidentin Dr. med.

Katharina Nebel ist die Welt nach dem Wortlaut des Koalitionsvertra- ges noch in Ordnung. Die Privaten lobten die Regierungskoalition für ihre geäußerte Absicht, sie wolle die Finanzierung des Gesundheitssys- tems auf eine neue, nachhaltige Grundlage stellen. Zugleich erwartet man, für die gesamte Wirtschaft ebenso wie für den Krankenhaussek-

tor werde Wettbewerbsgleichheit zwischen öffentlichen und privaten Anbietern geschaffen. Positive Im- pulse erhoffen sich die privaten Klinikbetreiber auch von der Er - arbeitung einer sektorenübergreifen- den Demografiestrategie und dem im Koalitionsvertrag zu erkennen- den Ansatz, Gesundheitsdienstleis- tungen nicht ausschließlich als Kos- tenfaktor zu brandmarken. Zugleich scheinen die Forderungen des Ver- bandes auf fruchtbaren Boden gefal- len zu sein, die sektorenübergreifen- de Qualitätssicherung zu verbessern, mehr Transparenz und wettbewerb- liche Voraussetzungen zu schaffen, die gesetzlichen Wunsch- und Wahl- rechte auf eine qualifizierte medi - zinische und berufliche Rehabilita - tion zu stärken, das Belegarztsystem auszubauen und den Grundsatz

„Rehabilitation vor Pflege“ konse- quent umzusetzen. Eine Priorisie- rung versorgungsnotwendiger Leis- tungen lehnt der Verband ab.

Sich nicht wehrlos jedweden Sparforderungen opfern Trotz der von der Deutschen Ren- tenversicherung Bund (DRV Bund) und von Experten des Rheinisch- Westfälischen Instituts für Wirt- schaftsforschung, Essen, prognosti- zierten Aufwärtstrends bei den Maßnahmen zur medizinischen Re- habilitation und den günstigen Pros- peritätschancen der privaten Klinik- betreiber in diesem Sektor (die DRV rechnet für 2010 bis 2013 mit sechs Prozent Zugang bei den Maßnah- men zur medizinischen Rehabilitati- on) halten die aktuell kursierenden Forderungen und Vorschläge zur Verhinderung und „Kompensation“

des drohenden Kassendefizits in Höhe von geschätzten elf Milliar- den Euro im Jahr 2011 den Optimis-

mus der Privaten in Grenzen. Der Privatklinken-Verband bekundete, dass sich die privaten Klinikbetrei- ber nicht wehrlos jedweden Spar- forderungen opfern werden.

Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsit- zende des GKV-Spitzenverbandes, präsentierte im Thomas-Dehler- Haus einen fülligen Wunschzettel schematischer Sparmaßnahmen: Zu einem Zeitpunkt, in dem jegliche globale und sektorale Budgets, ins- besondere im Akutsektor, suspen- diert werden sollen und nach Vorga- ben des Krankenhausreformgeset- zes auf einen kostenbasierten Ori- entierungswert umgestellt werden soll, fordern die Krankenkassen ei- ne sofortige und nachhaltig wirken- de Stabilisierung der Kassenfinan- zen durch eine strikte Bindung und Rückkehr an die Grundlohnrate.

Grund für das wachsende Kassen- defizit sei die sich immer weiter öffnende Schere zwischen den GKV-Ausgaben für Akutkranken- hausleistungen und der Grundlohn- summe einerseits und dem wach- senden medizinischen Fortschritt andererseits, erklärte Pfeiffer.

Der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass bei einem für das Jahr 2011 prognostizierten Defizit des Gesundheitsfonds in Höhe von zehn Milliarden Euro per Saldo (unter Berücksichtigung von Spar- maßnahmen und eines einmalig er- höhten Bundeszuschusses) ein neu- es Defizit in Höhe von 3,7 Milliar- den Euro für die Kassen entsteht.

Dabei ist bereits kalkuliert worden, dass infolge gesetzlicher Sparmaß- nahmen bei den Vertragsärzten, im Krankenhaussektor, der Pharmain- dustrie und über den Apotheken - abschlag 4,3 Milliarden Euro ak- quiriert werden und der Bundes - zuschuss einmalig um zwei Milliar- den Euro erhöht wird.

Rechnerisch könnte das Defizit von 3,7 Milliarden Euro nach Be- rechnungen der GKV durch einen um sechs Euro erhöhten Zusatzbei- trag abgedeckt werden. Dies sei aber sozialpolitisch nicht zumutbar, denn ohnedies sei die paritätische Finanzierung der GKV-Beiträge immer mehr zulasten der Versicher- ten und Patienten verschoben wor- den. Die Versicherten tragen nach PRIVATKLINIKEN

Ja zu mehr Wettbewerb, Nein zur Nullrunde

Aus Sicht der Privatkliniken ist die Defizitrechnung der Krankenkassen unstimmig.

Die Orthopädin Katharina Nebel leitet seit 1998 das Familienunterneh- men „Private Klini- ken Dr. Dr. Nebel“

(Sitz: Vlotho) mit den Weserland-Kli- niken Bad Seebruch und Bad Hopfen- berg sowie der Vogtland-Klinik Bad Elster. Seit einem Jahr steht sie an der Spitze des BDPK.

Foto: Dietmar Gust/BDPK

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9. Juli 2010 A 1339 Angaben der Krankenkassen heute

bereits mehr als 65 Prozent zur Fi- nanzierung der über die GKV ver- anlassten Gesundheitsausgaben bei.

Hinzu komme der zusätzlich über das Steueraufkommen zu finanzie- rende Bundeszuschuss.

Nach den Forderungen des GKV-Spitzenverbandes sollen alle Leistungserbringer „bluten“, um das Defizit auszugleichen. Im sta- tionären Sektor wird eine GKV- Ausgabensteigerung im Jahr 2011 um zwei Milliarden Euro unter- stellt. Eine Nullrunde bedeutet aus der Sicht der Kassen: keine Ausga- bensteigerungen im Jahr 2011 (im Vergleich zu den Kassenausgaben für den stationären Sektor im Jahr 2010). Erforderlich sei eine einma- lige Absenkung der Landesbasis- fallwerte, der landesweit gültigen Bemessungsgrundlage zur Berech- nung der diagnosebezogenen Fall- pauschalen. Würden die noch dif- ferierenden Landesbasisfallwerte pau schal um 120 Euro reduziert, entspräche dies einem Einsparvolu- men in Höhe von zwei Milliarden Euro. Sollte der Gesetzgeber die Veränderungsrate im stationären Sektor nicht strikt nach der Grund- lohnrate bemessen, sollte zumin- dest der neue Orientierungswert ein Jahr später einsetzen als vorgesehen (2012 statt 2011). Darüber hinaus sollten bei außerordentlichen Leis- tungssteigerungen im stationären Sektor (Mehrleistungen über die vereinbarten Volumina hinaus) nur 35 Prozent der variablen Kosten an- gesetzt und bei der Vereinbarung der Landesbasisfallwerte berück- sichtigt werden.

Aus der Sicht der Privatkliniken ist die Defizitrechnung des GKV- Spitzenverbandes – auch das Maß- nahmenpapier der CDU-Politiker Jens Spahn und Dr. Rolf Koschor- rek – unstimmig. Einerseits seien das Einsparvolumen der Maßnah- men und damit die finanziellen Be- lastungen für die Kliniken extrem niedrig angesetzt worden. Anderer- seits sei der von der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU erwarte- te Orientierungswert für das Jahr 2011 mit drei Prozent zu hoch ange- setzt, um dadurch ein möglichst bedrohliches Ausgabenszenario zu

konstruieren. Der Privatkliniken- Bundesverband kontert mit folgen- der Gegenrechnung: Würde der Ge- setzgeber den Krankenhäusern statt des prognostizierten Orientierungs- werts von zwei Prozent für 2011 le- diglich ein Plus von 0,5 Prozent zu- gestehen, so könnten die Kranken- kassen aus dem stationären Sektor ein Einsparvolumen in Höhe von 840 Millionen Euro generieren.

Sollte auch der 0,5-prozentige Ori- entierungswert refinanziert werden, empfiehlt der Verband ein einmali- ges Aussetzen des gesetzlich veran- kerten Pflegestellenprogramms für Akutkliniken im Jahr 2011. Da- durch ließen sich weitere Einspa- rungen in Höhe von 240 Millionen Euro erzielen.

Medizinische Rehabilitation:

unverzichtbare dritte Säule Obwohl sich mit dem GKV-Wettbe- werbsstärkungsgesetz seit 1. April 2008 die Rahmenbedingungen für die Rehabilitationskliniken verbes- sert haben und auch die geriatri - sche Rehabilitationsleistungen so- wie Mutter/Vater-Kind-Rehaleistun - gen in den Pflichtleistungskatalog der GKV einbezogen worden sind, stehen einer bedarfs- und leistungs- gerechten Versorgung noch große Hindernisse entgegen. Die medizi- nische Rehabilitation (die Hauptre- habilitationsträger DRV und GKV finanzieren diese Leistungen mit mehr als sechs Milliarden Euro jährlich) müsse ohne Wenn und Aber als dritte Säule im geglieder- ten System anerkannt und angemes- sen finanziert werden, fordert der BDPK. Die Kassen, die unverdros- sen über einen wachsenden Kosten- druck klagten, dürften nicht einfach den Rehasektor als Manövriermas- se zur Sanierung des Gesamtsys- tems missbrauchen.

Die Privatkliniken verteidigen den Grundsatz „Reha vor Pflege“

und „Reha vor Rente“ – untermau- ert mit Investitionsrechnungen. Zur Realisierung dieser gesetzlichen Vorgaben seien drei Gesetzesände- rungen notwendig: Einführung von bundesweit verbindlichen Vergü- tungsregelungen im Rehasektor analog zu den geltenden Vergü- tungsregelungen im Akutsektor.

Um die Fallschwere und unter- schiedliche Kostenintensität der Re - hakliniken besser abzubilden, sei ein Rehaklassifikationssystem not- wendig. Die Rehaleistungen müss- ten kosten- und leistungsgerecht (besser!) vergütet werden. Ein durch- schnittlicher Vergütungssatz in Hö- he von 129 Euro (Rentenversiche- rung) beziehungsweise 123 Euro (Krankenkassen) sei in den meisten Fällen defizitär, berücksichtige kaum die dynamische Kostenentwicklung und schwäche die Investitions- und Innovationskraft von versorgungs- notwendigen Kliniken. Gleichlange Spieße und fairer Wettbewerb be- deuten aus der Sicht des BDPK:

Verhandeln auf „Augenhöhe“ und keine Begünstigung eines bestimm- ten Rehaträgers, etwa der Renten- versicherung.

Eine wesentliche Voraussetzung für einen ausgewogenen Wett - bewerb ist aus der Sicht der Pri - vatkliniken die Einführung von Schiedsstellen, die bei Streitigkei- ten zwischen Kassen und Rehaein- richtungen angerufen werden kön- nen – sowohl beim Abschluss eines Versorgungsvertrags als auch bei den Vergütungsvereinbarungen.

Auch bei der ambulanten Versor- gung wollen die Rehabilitationsein- richtungen künftig mitmischen. Der BDPK postuliert: Wenn die ver- tragsärztliche Versorgung in unter- versorgten Gebieten sichergestellt werden muss, sollten auch geeigne- te Rehaeinrichtungen zur ambulan- ten vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden. Nur so könne der Ärztemangel in ländlichen Re- gionen wirksam bekämpft werden.

Die privaten Klinikträger beanspru- chen das Recht zur Gründung und zum Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren uneingeschränkt auch für alle stationären Einrich - tungen einschließlich der Reha - bilita tionskliniken. Eine Begren- zung von Neuzulassungen auf nie- dergelassene Ärzte wäre – so der Tenor eines vom BDPK bei Dr. jur.

Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin einge- holten Rechts gutachtens – sowohl verfassungs- als auch europarechts-

widrig. ■

Dr. rer. pol. Harald Clade

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