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Archiv "GKV-Finanzentwicklung: Wohin mit den Milliarden?" (09.07.2012)

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A 1404 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 27–28

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9. Juli 2012

GKV-FINANZENTWICKLUNG

Wohin mit den Milliarden?

Gesundheitsfonds und Krankenkassen horten zurzeit Überschüsse von circa 20 Milliarden Euro. Das weckt Erwartungen bei Ärzten, Krankenhäusern und der Industrie. Der Bundesgesundheitsminister will, dass in erster Linie die Versicherten profitieren.

M

an hatte sich an die Schlag- zeilen gewöhnt. Jahrelang war im Zusammenhang mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausschließlich von Finan- zierungslücken und Milliardendefi- ziten die Rede – das ganze System offenbar ein Fass ohne Boden.

Doch am 20. Juni hatte Bundes - gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die dankbare Aufgabe zu er- klären, dass sich die positive Fi- nanzentwicklung der GKV des Vor- jahres auch 2012 fortsetzen werde.

Nach dem Rekordschuldenstand von 8,3 Milliarden Euro zum Jah- resende 2003 stehe die GKV 2012 auf einem soliden finanziellen Fun- dament, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. Gesundheitsfonds und Krankenkassen verfügen über

Finanzreserven von etwa 20 Mil - liarden Euro. Dabei liegen die Überschüsse der Krankenkassen bei zehn Milliarden Euro, die des Gesundheitsfonds bei 9,5 Milliar- den Euro.

Der Geldsegen hat verschiedene Ursachen. Zunächst einmal hatte die Bundesregierung zum 1. Januar 2011 den allgemeinen Beitragssatz von 14,9 auf 15,5 Prozent angeho- ben. Dieser Entscheidung lagen Prognosen des Schätzerkreises zu- grunde, wonach den Kassen 2011 ein Defizit von elf Milliarden Euro drohte. Das Gremium, dem Vertre- ter des Bundesgesundheitsministe- riums (BMG), des Bundesversiche- rungsamts (BVA) und des GKV- Spitzenverbandes angehören, be- wertet die finanzielle Entwicklung

der Kassen und prognostiziert deren erforderlichen Beitragsbedarf. Löh- ne und Beschäftigung entwickelten sich jedoch weitaus besser als er- wartet. Von der guten Konjunktur profitiert in erster Linie der Ge- sundheitsfonds, der die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitneh- mern sammelt und an die Kranken- kassen verteilt. Da die Zuweisun- gen aus dem Fonds fixiert sind (Grafik), schlagen bei den Kassen vor allem die gesetzlichen Spar- maßnahmen und gegebenenfalls von den Versicherten erhobene Zu- satzbeiträge positiv zu Buche.

Erfolgreich gespart wurde nach Ansicht des BMG insbesondere bei den Arzneimittelausgaben. Unter anderem dürfen die Pharmaunter- nehmen seit dem vergangenen Jahr die Preise für neue Medikamente nicht mehr selbst festlegen, sondern müssen diese mit den Kassen aus- handeln. Außerdem gelten noch bis 2013 ein Preismoratorium und ein erhöhter Herstellerrabatt für Arz- neimittel, die keinem Festbetrag unterliegen. Daneben führen Ra- battvereinbarungen für Generika zu jährlichen Einsparungen in dreistel- liger Millionenhöhe.

Es verwundert deshalb nicht, dass die Pharmaunternehmen ange- sichts der komfortablen Finanz - situation der gesetzlichen Kranken- kassen ein Ende des „Zwangsra- batts“ fordern, der bei 16 Prozent liegt. Der Präsident der Bundesärz- tekammer (BÄK), Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, mahnt dage- GRAFIK

So finanziert sich der Gesundheitsfonds

Gesundheitsfonds

zahlt einheitlich Pauschale je Versicherten plus besondere Zuweisung nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand

Arbeitgeber, Renten - versicherungsträger zahlen 7,3 % des Bruttolohns*

bzw. der Rente

Prämien bei Erwirtschaftung von Überschüssen

Bund zahlt Steuerzuschüsse Arbeitnehmer, Rentner

(Versicherte) zahlen 8,2 % des Bruttolohns*

bzw. der Rente

Zusatzbeiträge,

wenn die Krankenkassen nicht mit den Mitteln aus dem Gesundheitsfonds auskommen:

einkommensunabhängiger Festbetrag: Höhe bestimmt die Kasse

übersteigt der Festbetrag 2 % des beitragspflichtigen Einkommens des Versicherten, greift der Sozialausgleich (Finanzierung aus Steuergeldern)

Krankenkasse

zahlen bekommen ggf. von ihren Versicherten

*bis zur Beitragsbemessungsgrenze Quelle: BMG

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9. Juli 2012 A 1405 gen Zurückhaltung an. „Man sollte

die Überschüsse in der GKV belas- sen, als bewusst angelegten Puffer für die nächste Krise, denn die kommt bestimmt.“ Sollte die Poli- tik unbedingt Wahlkampfgeschenke verteilen wollen, hält Montgomery die Abschaffung der Praxisgebühr für sinnvoll: „Diese bringt keinen messbaren Effekt und belastet das Patient-Arzt-Verhältnis.“ Angebracht ist es Montgomery zufolge auch, die Sinnhaftigkeit von Sonder - opfern der niedergelassenen Ärzte und der Krankenhäuser zu über - prüfen. So fordert der Vorstands- vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. med. An- dreas Köhler, einen Honorarzu- wachs von 3,5 Milliarden Euro für die rund 140 000 Kassenärzte. Da- mit könnten erstmals seit 2007 die allgemeinen Preissteigerungen be- rücksichtigt werden.

Nein zu geringeren Beiträgen Bundesgesundheitsminister Bahr hingegen will, dass in erster Linie die Versicherten von den Kassen- überschüssen profitieren – entwe- der in Form von Prämienausschüt- tungen oder Leistungsverbesserun- gen. Von einer Senkung des Bei- tragssatzes, die unter anderem Uni- onsfraktionschef Volker Kauder (CDU) ins Gespräch gebracht hatte, hält man im BMG allerdings nichts.

„Eine Beitragssatzsenkung würde alle Krankenkassen gleichermaßen treffen“, sagte ein Sprecher. „Die Finanzreserven fallen aber von

Kasse zu Kasse höchst unterschied- lich aus.“ So musste beispielsweise die DAK, eine der großen Versor- gerkassen, bis vor kurzem einen Zusatzbeitrag erheben, während an- dere Kassen inzwischen über ein Vielfaches ihrer gesetzlich vorge- schriebenen Mindestreserve verfü- gen, die bei 25 Prozent einer durch- schnittlichen Monatsausgabe liegt.

„Für viele Kassen gilt, dass sie erzielte Überschüsse zur Auffüllung der satzungsgemäßen Rücklagen genutzt haben und insoweit auch nicht über ein ,Zuviel‘ an Vermögen verfügen“, erklärt BVA-Präsident Dr. Maximilian Gaßner die unter- schiedlichen Ausgangslagen. Dieje- nigen Kassen, deren Überschüsse die gesetzlich festgelegten Ober- grenzen massiv und dauerhaft über- schritten, seien allerdings gehalten, diese zum Nutzen der Versicherten einzusetzen. Dazu kann das BVA, das die Aufsicht über alle bundes- weiten Krankenkassen ausübt, die Kassen verpflichten. Allerdings wird man das nicht ohne vorherigen

„ausführlichen Dialog“ mit den Be- troffenen tun, wie Gaßner betont.

Ganz im Sinne von BVA und Mi- nisterium zahlen zurzeit zehn klei- nere Kassen Prämien an ihre Versi- cherten aus. Drei Kassen mit hohen Überschüssen – die Techniker- Krankenkasse, die Hanseatische Er- satzkasse und die IKK gesund plus – hat das BVA aufgefordert, zu be- gründen, warum sie das nicht tun.

Verständnis für deren zögerli- che Haltung zeigt der GKV-Spit-

zenverband. „Viele Kassen den- ken über diesen aktuellen Moment hinaus und setzen daher eher auf das Sichern von Reserven für die Patientenversorgung von morgen und übermorgen“, erklärt Ann Marini, Sprecherin des GKV-Spit- zenverbandes. Davon profitierten die Versicherten auch, denn an- ders als in der privaten Kranken- versicherung flössen Überschüsse nicht in die Taschen von Aktionä- ren. „Und die ersten Zahlen aus diesem Jahr scheinen diesen vor - ausschauenden Haushalten recht zu geben“, ergänzt Marini. Wäh- rend die Ausgaben für Arzthono- rare, Kliniken und Medikamente stiegen, werde gleichzeitig der Bundeszuschuss an den Gesund- heitsfonds gekürzt.

Kurze Phase der Euphorie Haushalten oder auszahlen? Marcus Bauer ist davon überzeugt, dass die aktuelle Euphorie über die GKV- Mehreinnahmen bald schwinden wird. „Derzeit werden die strukturel- len Kassendefizite von der stetig positiven Konjunkturlage über- tüncht“, sagte der Gesundheitsexper- te der Unternehmensberatung Booz

& Company Ende Juni beim Diskus- sionsforum „Krankenkassen in Zei- ten wirtschaftlicher Herausforderun- gen“ in Bonn. Bereits in diesem Jahr sei aber mit einem deutlichen Rück- gang des Wirtschaftswachstums gegenüber 2011 zu rechnen. Bauer empfiehlt den Kassen daher, auf eine Prämienausschüttung zu verzichten:

„Wenn ich jetzt eine Prämie aus- schütte, und dann nächstes oder übernächstes Jahr einen Zusatzbei- trag verlangen muss, ist das Risiko sehr groß, dass der Versicherte sich eine andere Krankenkasse sucht.“

Das gelte selbst dann, wenn die Prä- mie deutlich höher ausfalle als der spätere Zusatzbeitrag: „Das zeigen alle bisherigen Erfahrungen.“ In den drei Monaten, nachdem die DAK im Frühjahr 2010 einen Zusatzbeitrag angekündigt habe, hätten fünf Pro- zent der Mitglieder gekündigt.

Im BMG will man erst einmal abwarten. Von gesetzlichen Rege- lungen zur Verwendung der Über- schüsse ist noch keine Rede.

Jens Flintrop, Thomas Gerst, Heike Korzilius

Foto: mauritius images

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