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Archiv "Ausbildungs-Reformpläne — keine Ideallösung" (15.06.1984)

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MARBURGER BUND

Ausbildungs-Reformpläne keine Ideallösung

65. Hauptversammlung des Verbandes der angestellten und beamteten Ärzte am 12. und 13. Mai 1984 in Aachen Auch überzogene Umverteilungs-

maßnahmen, Bezuschussungen und interkollegiale Subventionie- rungen (etwa Umsatzgarantie) sind Dr. Horst schon in ihrer teil- weisen Perfektionierung suspekt.

Vor systemfremden Eingriffen gewarnt

Sachlich begründbar und vom Kollegialitätsprinzip her legiti- mierbar seien eine Vielzahl ge- nossenschaftlich organisierter und gemeinschaftlich finanzierter Maßnahmen. Zu dem „Prinzip des im Rahmen der KV von den Kas- senärzten in freiberuflicher Tätig- keit erbrachten leistungsgerech- ten Honorars passen sie (indes) alle nicht" (Horst). Dies gelte in- sonderheit für jede Form von Ab- staffelungen nach Leistungsum- fang oder Fallzahlen, mögen sie

mit geltendem Recht noch so ver- einbar sein. Indes seien Wirt- schaftlichkeitsprüfungen, berech- tigte Regresse als „selbstver- ständlich unabdingbarer Bestand- teil der kassenärztlichen Selbst- verwaltung" aus dem geltenden Sachleistungssystem der GKV nicht mehr wegzudiskutieren.

Allerdings will Kollege Horst die KVen ermuntern, jedweden ein- nahmen-orientierten Deckelun- gen der Kassen, Fall- oder Kopf- pauschalen, Komplexhonoraren und überzogenen Honoraremp- fehlungen durch konstruktive Al- ternativkonzepte entgegenzutre- ten. Denn es könne nicht ange- hen, daß die soziale Krankenversi- cherung klammheimlich das Mor- biditätsrisiko vollends auf die Kas- senärzte verlagert.

Dr. Horsts kritische Bemerkungen mündeten in die These: „Die Selbstverwaltung der Kassenärzte und ihrer Kassenärztlichen Verei- nigung soll Praxiserfahrung und Sachkenntnis in die Verwaltung einbringen und damit ein Gegen- gewicht gegen überschießende Bürokratie bilden. Zur Kassenärzt- lichen Vereinigung gibt es keine Alternative." HC

Für die angestellten und beamte- ten Ärzte ist der gesundheitspoli- tische Dauerbrenner „Reform des Medizinstudiums" von existentiel- ler Bedeutung — nicht nur für die nachrückende Ärztegeneration, sondern vielmehr auch für die be- reits berufstätigen, „etablierten"

Kolleginnen und Kollegen in Kli- nik und Praxis. An der von der Bundesregierung im Zuge der Re- form der Approbationsordnung für Ärzte und der Novellierung der Bundesärzteordnung geplan- ten obligatorischen zweijährigen

„Praktikumsphase", die nach dem sechsjährigen Medizinstudi- um und vor der zur selbständigen und eigenverantwortlichen Be- rufsausübung berechtigten Ap- probation als Arzt eingeschoben werden soll, entzündete sich die jüngste (65.) Hauptversammlung des Marburger Bundes.

In seinem Selbstverständnis als Ärztegewerkschaft und als Inter- essenvertretung auch der Studen- ten hat sich der Marburger Bund in Aachen zum Auftakt der Ärzte- tagswoche besonders schwer ge- tan, über den von der Bundesre- gierung eingeschlagenen Re- form-Weg zu befinden. Dies ist von den Chronisten um so er- staunter registriert worden, als bereits die voraufgegangene De- legiertenversammlung dem vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit entwik- kelten und am 30. Mai vom Bun- deskabinett gebilligten Plan prin- zipiell Gefolgschaft in der Absicht signalisiert hatte, das theorielasti- ge Medizinstudium in bestimmten Abschnitten praxisorientierter zu gestalten. Insofern wurde bereits bei der MB-Versammlung im No-

vember 1983 ein Konsensus des

„kleinsten gemeinsamen Nen- ners" gefunden. So wollte man verhindern, daß die Kontroversen zwischen den einzelnen Lagern der Ärzteschaft — hie angestellte und beamtete Ärzte und Studen- ten, dort die Interessenvertreter der niedergelassenen Allgemein- ärzte — sich in einer offenen

„Feldschlacht" bekriegen.

Wer geglaubt hatte, das Thema

„Ausbildungsreform" würde im Husarenritt abgehakt und ohne Aussprache dem Geißler-Plan (bö- se Zungen sprachen bereits von einem „Geißler-Hoppe-Plan", der sich zu einem „Hoppe-Geißler- Plan" entwickelt habe und der nun in einen „Hoppe-Geister- Plan" entartet sei) ein einmütiges Plazet erteilt, sah sich eines ande- ren belehrt. Am Ende der fülligen Tagesordnung, an deren Spitze die Vorausberatung der Tages- ordnung des 87. Deutschen Ärzte- tages stand und obendrein eine problemgeladene Satzungsände- rung zu debattieren war, droh- te den Marburger-Bund-Oberen die Sache aus dem „Ruder zu lau- fen". Die Oppositionellen, vor al- lem aus den Reihen der Delegier- ten des Landesverbandes Berlin und einzelne sich exponierende studentische MB-Mitglieder, ver- suchten, in fast beckmesserischer Weise das gesamte Thema der Ausbildungsreform von neuem aufzurollen. Zuweilen konnte man den Eindruck gewinnen, als ob ei- nige Gruppen, Grüppchen und

„Fraktionen" der 82 Delegierten bei der Aachener Versammlung ihrem Vorsitzenden, Dr. Jörg-Diet- rich Hoppe (Düren), und dem ge- samten Vorstand die Gefolgschaft 1924 (34) Heft 24 vom 15. Juni 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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versagen wollten. Ein vom Vor- stand vorbereiteter Entschlie- ßungsantrag, der grundsätzlich die Einführung einer zweijährigen Praxisphase begrüßt, aber unmiß- verständlich klarstellen wollte, daß dieser Kompromißlösungs- weg nicht die Verwirklichung der

„reinen Marburger-Bund-Lehre"

darstelle, wurde von einzelnen Oppositionellen unter den MB- Delegierten so nicht toleriert. Dr.

Cyrus Arasteh, 2. MB-Vorsitzender des Landesverbandes Berlin, leg- te klar: „Mit dieser Reform ist nichts vom Tisch." Weder die Aus- bildungsprobleme seien mit der zweijährigen Praxisphase befrie- digend gelöst, noch seien die Be- fürworter einer obligatorischen Pflichtweiterbildung für alle Ärzte, insbesondere für angehende All- gemeinärzte, dadurch mundtot zu machen.

Palliativmittel suspekt

Aus den Statements der Berliner MB-Delegierten kann man sogar schließen, daß es ihnen lieber wä- re, alles beim alten zu belassen, die Medizinstudenten also mit der geltenden Ausbildungsordnung

„schmoren zu lassen". Keinesfalls sollte „staatlichen Mächten" auch noch Schützenhilfe dadurch ge- währt werden, daß man ein nicht realisierbares Konzept auch noch per Verbandsbeschluß „abseg- ne". Die gestreßten Krankenhaus- ärzte könnten nicht noch zusätz- liche Ausbildungsaufgaben über- nehmen.

Die studentischen MB-Mitglieder lehnen den Geißler-Entwurf und die Praktikumsphase als ein zu- sätzliches Hindernis auf dem oh- nedies zeitaufwendigen Weg zur Approbation und als eine weitere Hürde zur Erlangung der vollen selbständigen Berufsausübung schon deswegen ab, weil das Me- dizinstudium praktisch um zwei Jahre verlängert werde, ohne daß die Praktikumsärzte einen sozial abgesicherten, existentiell ausrei- chenden Status erlangten. Die Studentensprecher wollen jeden-

falls nicht an Weissagungen und Vertröstungen Dr. Hoppes glau- ben, daß sie nur dann eine echte berufliche Chance bei einer wach- senden Zahl von Medizinstuden- ten und Hochschulabsolventen hätten, wenn sie die Zusatzbürde der Praxisphase auf sich nähmen.

Wie immer geartete Palliativmittel ä la „Hessen-Modell", das über ei- ne eingeschränkte Weiterbil- dungsermächtigung mehr weiter- bildungswillige Ärzte für den or- dentlichen Weiterbildungsgang in der Allgemeinmedizin interessie- ren will und somit zwangsweise eine Facharztbremse einzubauen beabsichtigt, werden von der überwiegenden Mehrheit der De- legierten als untauglicher Ver- such am untauglichen Objekt apo- strophiert und mehrheitlich abge- lehnt. MB-Vorsitzender Dr. Hop- pe: „Alles, was die Ströme von Medizinstudenten und approbier- ten Ärzten mit Gewalt lenken will, kann und wird der Marburger Bund nicht mittragen können."

Auch der Mitinitiator des „Hes- sen-Modells", Prof. Dr. Horst Ku- ni, Marburg, mochte nur halbher- zig die Hessen-Lösung verteidi- gen!

Zuversichtlich ist man in den Rei- hen des Marburger Bundes, daß auch wesentliche Wünsche und MB-Forderungen vom Bundesge- setzgeber erfüllt werden können (wie sie in einem von studenti- schen Mitgliedern initiierten An- trag enthalten waren, der aber we-

Finanzierungs-Stop

„Der Bund hat sich bereits ausgeklinkt."

Dr. med. Cyrus Arasteh, De- legierter der Ärztekammer Berlin beim 87. Deutschen Ärztetag in Aachen, bei der Diskussion über die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Mischfinan- zierung zwischen Bund und

Ländern.

gen des kolossalen Zeitdrucks und des Überhangs der Tagesord- nung nicht beraten und verab- schiedet werden konnte), nämlich eine Arbeitsplatzgarantie für alle Ärzte im Praktikum (AiP); eine Grobstrukturierung der Prakti- kumsphase; die Schaffung von Voraussetzungen, wonach ord- nungsgemäß absolvierte Ab- schnitte teilweise auf die Weiter- bildungsgänge anzurechnen sind;

und — last but not least — eine an- gemessene Bezahlung und ak- zeptable soziale Absicherung der Ärzte im Praktikum.

Gesetz und Realität

MB-Vorsitzender Dr. Hoppe stellte klar: Es gibt keine Stellengarantie insoweit, daß der Bund bzw. das Bundesgesundheitsministerium eine bestimmte Stelle einem Praktikumsarzt zu einem be- stimmten Zeitpunkt, in einer be- stimmten Klinik und am ge- wünschten Ort anbietet. Auch müsse man damit rechnen, daß nach Absolvierung des sechsjähri- gen Medizinstudiums kürzere oder längere Wartezeiten hinge- nommen werden müßten, ehe ei- ne Praktikumsstelle angetreten werden kann. Die für die Prakti- kumsphase erforderlichen Ausbil- dungsplätze und die personellen und institutionellen Vorausset- zungen und Kapazitäten sind lei- der, so die Feststellung des Mar- burger Bundes, nicht so opulent und zahlreich, daß bereits bei An- lauf der neuen gesetzlichen Aufla- gen alles im Lot sein kann. Aber, so der MB-Vorsitzende Dr. Hoppe und der Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes, Dr. jur. Dieter Boeck, übereinstimmend auf der Abschlußpressekonferenz des Marburger Bundes in Aachen: „Ist das Gesetz einmal in Kraft, so hat jeder Medizinhochschulabsolvent

— und das ist unbestritten —ein An- recht auf einen AiP-Platz. Dieser Anspruch, dieses Recht, ist sogar einklagbar."

Dr. Boeck meinte, der Staat (der Bund also) habe die Aufgabe und

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Von Betten und Geistern

„Es kommt nicht auf die Anzahl der Betten an, sondern auf das, was darin passiert. Verwechse- lungen sind in diesem Zusam- menhang völlig ausgeschlos- sen."

Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, Düren, vor der 65.

Hauptversammlung des Marbur- ger Bundes (Verband der ange- stellten und beamteten Ärzte Deutschlands) am 13. Mai 1984 im Eurogress zu Aachen, bei der heiß diskutierten Frage, wie aus- sageträchtig sogenannte Wirt- schaftlichkeitsprüfungen von Kliniken sind (unter Anspielung und teilweiser Zitierung eines Spruchs von Dr. Karsten Vilmar, des Ehrenpräsidenten des Mar- burger Bundes und Präsidenten

der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages).

„Aus dem ,Geißler-Hoppe-Plan' ist inzwischen ein ,Hoppe-Geiß- ler-Plan' geworden, wenn nicht gar ein ‚Hoppe-Geister-Plan'."

Jürgen Tempel, Arzt, Hannover, Delegierter des MB-Landesver- bandes Niedersachsen, während der 65. Hauptversammlung des Marburger Bundes am 13. Mai 1984 in Aachen (als gegen Ende der Tagesordnung ein heftiger Disput um die von der Bundes- regierung geplante Novelle zur Bundesärzteordnung und zur Revision der Approbationsord- nung für Ärzte entfacht wurde und die 82 Delegierten ohne Hauptversammlungsbeschluß wegen der fortgeschrittenen Zeit und der im vorgegebenen Limit nicht zu bewältigenden Tages- ordnung nach Hause fuhren).

verfüge auch über ausreichende Vollzugsmittel, um diesen „An- spruch" durchzusetzen. Die Ga- rantie sei allein ein politisches Problem, nicht aber Vollzugslast etwa der Krankenhäuser, der nie- dergelassenen Kassenärzte oder der Krankenhausträger. Freilich, und hier wurden die Aussagen der Marburger-Bund-Oberen sibylli- nisch, ist es eine andere Frage, ob und inwieweit das Gesetz in vol- lem Umfang zu „vollziehen" ist oder aber von Anfang an an den Niederungen der Praxis, an der nüchternen Realität, scheitern muß. Die Praxisphase sei aber, so Dr. Hoppes Zuversicht, jedenfalls eher geeignet, die Berufschancen der nachrückenden Kolleginnen und Kollegen wesentlich zu ver- bessern. Das Haupthandicap der derzeitigen Approbation müsse beseitigt werden, nämlich den Empfängern etwas zu verspre- chen, das sie tatsächlich in der Berufspraxis nicht halten könn- ten.

Die füllige Tagesordnung — Vorbe- ratung des Problemhaushaltes des 87. Deutschen Ärztetages und wichtige verbandspolitische Fra- gen, insbesondere eine Satzungs- änderung, die dem Marburger Bund eine große Tarifkommission analog anderer gewerkschaft- licher „Konkurrenz"-Organisatio- nen bescheren soll — hatte die Dis- kussionsfreunde der Delegierten so beansprucht, daß die zum Aus- bildungsthema vorgelegten drei Beschlußanträge zwar andisku- tiert, aber wegen ihrer Problem- geladenheit auf die nächste or- dentliche Hauptversammlung (im November 1984) vertagt werden mußten.

Ob es dann nicht bereits zu spät sein wird, um die bis dahin fortge- schrittene politische Willensbil- dung noch entscheidend im Ver- bandssinne zu beeinflussen, muß abgewartet werden. Just zum Auf- takt der Marburger-Bund-Tagung hat der beamtete Staatssekretär

des Bundesgesundheitsministeri- ums, Werner Chory, mit der Mittei- lung aufgewartet, sein Minister, Dr. Heiner Geißler, werde noch in naher Zukunft — Ende Mai — zu- mindest die Gesetzesvorlage zur Änderung der Bundesärzteord- nung zum Schwur dem Bundeska- binett vorlegen (was dann am 30.

Mai ohne Änderungsbegehren des Kabinetts erfolgt ist). Zumin- dest Geißlers Staatssekretär ist zuversichtlich, daß sich das Mo- dell des „Arztes im Praktikum"

(AiP) bewähren wird. Die zweijäh- rige obligatorische Praktikums- phase sei notwendig, um „eine bessere Qualifikation für alle an- gehenden Ärzte zu erhalten und damit die Befähigung des jungen Arztes mit den Berechtigungen in Einklang zu bringen, die die Ap- probation als Arzt verleiht". Zu- dem weiß er sich ganz auf der un- verrückbaren Linie des Marburger

Bundes, insofern das Arztprakti- kum, das annähernd der früheren Pflichtassistentenzeit entspräche, im Grunde der vom Marburger Bund favorisierten „Ausbildungs- lösung" folge. Dadurch, daß der angehende Arzt unter der Aufsicht eines erfahrenen Chefs „in unter- geordneter Stellung" praktische Fähigkeiten erlernen und vertie- fen könne, bevor er zur unbe- schränkten und selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufs durch die Approbation legitimiert werde, werde auch die Einheit- lichkeit des Arztberufes erhalten;

schließlich werde der Wert . der Approbation nicht tangiert.

Wer garantiert die AiP-Stellen?

Zu der Frage, ob und inwieweit der Staat die geschätzten 12 000 Praktikumsstellen garantieren könne, darüber wollte Staatsse- kretär Chory in Aachen keine Aus- sage machen. Jedenfalls baut er auf die „Versicherungen" der Deutschen Krankenhausgesell- schaft, der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesver- einigung sowie der Spitzenver- bände der gesetzlichen Kranken- versicherung, „sich hierfür mit al- 1926 (38) Heft 24 vom 15. Juni 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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Ohne förmlichen Beschluß über die Ausbildungsreformpläne des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit endete die 65. Hauptversammlung des Marbur- ger Bundes am 13. Mai im Eurogress zu Aachen Foto: Bohnert-Neusch

len Mitteln einzusetzen" (in wel- cher Art und Weise und mit wel- chem Grad der Vollzugsverbind- lichkeit dies auch dem federfüh- renden Bundesministerium „zu- gesichert" oder bereits „signali- siert" worden sein mag). Jeden- falls vergaß der Staatssekretär hinzuzufügen, daß die zitierten Spitzenorganisationen dem Geiß- ler-Ministerium wiederholt und unmißverständlich bedeutet ha- ben, daß das gesamte Mediziner- Ausbildungsreformgeschäft ko- stenneutral für die Betroffenen abgewickelt werden müsse.

Die Delegierten des MB mutmaß- ten allerdings, daß die Prakti- kumsphase vor allem ohne weite- res Kostenengagement für den Bund abgespult werden solle.

Faule Kompromisse führten nicht aus dem Dilemma. Der Bund dürfe sich nicht aus der ihm zukommen- den Verantwortung für eine or- dentliche Ausbildung bis zu sei- nem Schlußpunkt entziehen, lau- tete die unmißverständliche Ant- wort des MB. Soll das ganze Un- terfangen nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt werden, so betonten auch die Delegierten, müßten die Kapazitätsfrage, die Quantität und Qualität der vorzu- haltenden Stellen ebenso wie die Lizenzierung der Ausbildungs- stätten und der Ausbilder von An-

fang an klargelegt und eindeutig beantwortet werden. Die Ärzte- kammern — so die nordrheinische

— sind hier bereits restriktiver ge- worden, was die Zulassung von Weiterbildungsstätten und Klinik- abteilungen und die Weiterbil- dungsermächtigung von Chefärz- ten betrifft.

Staatssekretär Chory ist sich of- fenbar bewußt, daß der Bund (und die betroffenen Studenten) ein Zitterspiel eingeht, falls die Bun- desländer hier nicht mitspielen.

Chory und sein Minister bauen in- des darauf, daß nachteilige Aus- wirkungen der Praktikumszeit ausgeschaltet bleiben, indem auf der Ebene der Bundesländer (durch die Ärztekammern!) die Voraussetzungen geschaffen wer- den, um ordnungsgemäß absol- vierte Ausbildungsabschnitte für eine geregelte Weiterbildung ih einem bestimmten Gebiet anzuer- kennen. Daß die Bundesländer hier mitziehen werden, hätten sie in den letzten Wochen dem Bun- desgesundheitsministerium ge- genüber „signalisiert", wußte Chory zu berichten.

Wie der Vorstand des Marburger Bundes gibt sich auch der Staats- sekretär optimistisch, daß nur bei einer Realisierung der geplanten zweijährigen Praxisphase die Chance bestünde, die ab 1. Juli

1984 abzuleistende 18monatige Vorbereitungszeit für angehende Kassenärzte nach einer Über- gangszeit spätestens Ende 1986 abzulösen. Nur so könne, so Cho- ry weiter, die von der EG-Kommis- sion angestrebte Weiterbildungs- lösung abgewehrt werden und gleichzeitig allgemeinmedizini- schen Anliegen Rechnung getra- gen werden.

Mehr Planstellen an Kliniken Offene Türen rannte die General- sekretärin der FDP, Dr. Ingrid Adam-Schwaetzer, mit ihrem Ap- pell an die Krankenhäuser ein, bei der Schaffung neuer Assistenz- arztstellen „mehr Flexibilität" zu zeigen. Es könne nicht hingenom- men werden, daß bei gleichblei- benden Stellenplänen die Arbeits- plätze von Assistenzärzten so lan- ge geteilt werden, bis alle AiP-Ärz- te untergebracht sind. Dies be- deutet doch im Klartext: Nur ein erweiterter Stellenplan verhindert faule Tricks!

Es müßten zusätzliche finanzielle Anreize geschaffen werden, damit auch geeignete „Lehrpraxen" von niedergelassenen Allgemeinärz- ten vorgehalten werden können, um Assistenten praktisch anzulei- ten, auszubilden und für die selb- ständige Berufsausübung vorzu- bereiten.

Auch in einem anderen neuralgi- schen Punkt sprang Frau Adam- Schwaetzer den ärztlichen Grund- anliegen bei: Für die Liberalen gebe es kein Rütteln und Deuteln an der Freiheit der Niederlassung und der freien Entscheidung und dem uneingeschränkten Zugang zur ambulanten kassenärztlichen Versorgung. Es sei bedauerlich festzustellen, daß viele Politiker immer dann nach dem Gesetzge- ber rufen, wenn Probleme auf- tauchten, die möglicherweise nicht in irgendwelchen Paragra- phen der Reichsversicherungs- ordnung ausdrücklich beschrie- ben worden sind. Die Selbstver- waltung sei gefordert, in Anbe-

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„Schule der Nation"

„Der Marburger Bund ist die Schule der Nation."

Prof. Dr. med. Horst Bourmer, Köln, Präsident der Ärztekam- mer Nordrhein, 1. Vorsitzender des Hartmannbundes, in seinem Grußwort an die Delegierten der 65. Hauptversammlung des Marburger Bundes am 12. Mai 1984 in Aachen (Bourmer wies darauf hin, daß er selbst zu den frühen aktiven Mitstreitern des Marburger Bundes gezählt habe und inzwischen drei Landesärz- tekammer-Präsidenten sowie der Präsident der Bundesärzte-

kammer und des Deutschen Ärz- tetages aus der Schule „Marbur- ger Bund" hervorgegangen seien).

„Da kann man einmal sehen, wie liberal die deutsche Ärzte- schaft ist, wenn ein aktiver Ge- werkschafter Ärztekammerpräsi- dent und Vorsitzender eines großen Ärzteverbandes werden kann."

Prof. Dr. med. Horst Bourmer, Köln, Mitglied des Marburger Bundes seit 1948, von 1961 bis 1968 2. Vorsitzender des MB- Bundesverbandes; Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerk- schaft (DAG).

tracht der wachsenden Zahl von Hochschulabsolventen Lösungen in eigener Initiative zu finden.

Würde der Staat mit Brachialge- walt vorschnell dazwischenfun- ken, so könnte man sich gleich den ganzen Aufwand mit der Selbstverwaltungsbürokratie spa- ren.

Für Frau Adam-Schwaetzer bein- haltet das Bekenntnis zur freien Berufsausübung der Ärzte auch den Letztentscheid des niederge- lassenen, risikotragenden Arztes für den Bereich der medizinisch- technischen Großgeräte. Der im Deutschen Bundestag kürzlich eingebrachte Gesetzentwurf der Bundesländer zur Großgeräte-Be- darfsplanung trägt den Interpreta- tionen der FDP-Politikerin zufolge nur das „Mäntelchen der Selbst- verwaltung". Die FDP will den auf Initiative von Baden-Württemberg veränderten Gesetzentwurf nur dann mittragen, wenn er von den

„irrationalen" Elementen einer

„neuen Planungsbürokratie" ent- frachtet wird, die aus der Hessen- Initiative dem Bundesratsentwurf aufgepfropft worden waren.

Auch bei der Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgeset-

zes (KHG) stehen die politischen Konstellationen nicht gerade auf Schönwetter. Den Prognosen von Frau Dr. Adam-Schwaetzer zufol- ge wird es kaum zu einer sinnvol- len Regelung, lediglich zu einer marginalen und kosmetischen Än- derung des KHGs von 1972 rei- chen, wenn die Bundesländer nicht von ihrer bisher verfochte- nen starren Linie abweichen, auf Teile ihrer „angestammten" Kom- petenzen zu verzichten.

Der Marburger Bund rubrizierte unter den drei angenommenen Beschlüssen ebenfalls die Revi- sion des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes auf die Prioritäten- liste. Es könne nicht hingenom- men werden, daß sich die Öffent- liche Hand aus ihrer Finanzie- rungsverpflichtung zurückzieht.

Der Vorschlag von Bundesfinanz- minister Dr. Gerhard Stoltenberg, ein Entflechtungsgesetz per 1. Ja- nuar 1985 in Kraft zu setzen, das die Mitfinanzierung des Bundes bei der Krankenhausfinanzierung in Höhe von zuletzt 970 Millionen DM beendet, könne und dürfe nicht ohne eine vertretbare Kom- pensationsleistung zugunsten der Länder vollzogen werden.

Investitionsstau abbauen

Um den angelaufenen Investi- tionsstau bei den Krankenhäusern abzubauen (DKG: 11 bis 15 Milliar- den DM!), müsse im Zuge der KHG-Novelle ebenfalls ein disku- tabler Lösungsweg aufgezeigt werden. Ernstlich sieht der Mar- burger Bund die Patientenversor- gung im Krankenhausbereich be- droht, falls nicht bald hecken- schnittartige Sparaktionen selbst in Universitätskliniken beendet würden. Schon im methodischen Ansatz verfehlte Wirtschaftlich- keitskontrollen brächten die Kran- kenhausmitarbeiter in die unver- diente Rolle, sich für alles und je- des rechtfertigen zu müssen und sich sogar in gerichtlichen Aus- einandersetzungen für Fehlent- scheidungen Dritter verantworten zu sollen.

In einem Beschluß des MB heißt es, die Patientenversorgung etwa in Notfalldiensten, insbesondere in den Nachtstunden und an den Wochenenden, sei wegen akuten Personalmangels, insbesondere an Universitätskliniken, nicht mehr sichergestellt. Wörtlich:

„Damit geht den betroffenen Pa- tienten etwa in der Unfallchirurgie ein wichtiger Fortschritt aus den letzten zwanzig Jahren wieder verloren, nämlich einer möglichst raschen Knochenbruchbehand- lung." Falls Knochenbrüche nicht in einer maximal zulässigen Frist von sechs Stunden versorgt wür- den, sei nur noch eine Therapie mit deutlich verringerten Hei- lungschancen möglich.

Besonders betroffen von dirigisti- schen Sparmaßnahmen sei auch die Transplantationschirurgie, da die Entnahme von Organen inzwi- schen häufig wegen der zu klei- nen Operationsteams und der zu engen Operationspläne unterblei- be. Damit wäre die Prophezeiung des Marburger Bundes, daß näm- lich Kostendämpfung im Kranken- haus auf eine schablonisierte Lei- stungsdämpfung hinausläuft, lei- der bittere Wahrheit geworden.

Dr. Harald Clade 1928 (42) Heft 24 vom 15. Juni 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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