Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 4|
25. Januar 2013 A 123 Was stört Sie an dem Gesetzentwurf überden Beruf des Notfallsanitäters?
Wesser: Die Bundesärztekammer setzt sich seit langem dafür ein, die Ausbildung der Ret- tungsassistenten zu verbessern. Dies soll mit dem neuen Gesetz auch umgesetzt werden.
Entscheidend ist, wie weit die Kompetenz des neuen Notfallsanitäters gehen soll. Auch bisher gab es schon eine Handlungskompetenz des Rettungsassistenten in der präklinischen Not- fallversorgung. Diese wird nun zu weit in den ärztlichen Bereich hineinverschoben. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf ist der Notfall- sanitäter zur begrenzten Ausübung der Heil- kunde befähigt.
Ist das denn nicht im Notfall sinnvoll?
Wesser: Natürlich ist es zu begrüßen, wenn der Notfallsanitäter für den begrenzten Überbrü-
ckungszeitraum bis zum Eintreffen des Notarz- tes eine durch die längere Ausbildungszeit deutlich verbesserte Kompetenz hat. Wenn es aber in dem Gesetzentwurf heißt, „bis zum Ein- treffen des Notarztes oder bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung“, sehen wir die Gefahr, dass ärztliche Tätigkeit substituiert werden soll. Diese Formulierung sollte so nicht stehen bleiben, denn die Indikation zum Not- arzteinsatz sollte nicht von dem Notfallsanitäter gestellt werden, sondern in der Leitstelle, so wie es heute gemacht wird. Abzulehnen ist, dass der Notfallsanitäter entscheidet, ob er selbst die Behandlung oder Betreuung des Not- fallpatienten bis zur Übergabe an ein Kranken- haus übernimmt. Die Bundesärztekammer überarbeitet derzeit den Notarztindikationskata- log, anhand dessen in der Leitstelle entschie- den werden soll, ob ein Notarzt eingesetzt wird.
Es geht hier also nicht um grundsätzliche Vorbehalte gegen das Vordringen eines weiteren nichtärztlichen Fachberufs?
Wesser: Gegen den Gesetzentwurf sind wir nicht aus Standesdünkel, sondern wir sind da- von überzeugt, dass gerade in solchen Notsi- tuationen die umfassende Kenntnis des Arztes erforderlich ist. Ich sehe im Moment auch nicht, dass es irgendwo personelle Engpässe beim notärztlichen Rettungswesen gibt. Es be- steht keine Notwendigkeit, aus diesem Grund etwas in Bewegung zu setzen.
Im Unterschied zum Notarztwesen in ande- ren Ländern sind bei uns manche therapeuti- schen Verfahren oder auch Diagnosen bereits präklinisch installiert. Die intensivmedizinische Betreuung, das heißt ärztliches Handeln in Form von Diagnostik und Therapie, ist zum Teil bereits vorgelagert.
3 FRAGEN AN . . .
Dr. med. Mathias Wesser, Präsident der Landesärztekammer Thüringen, Vorsitzender des Ausschusses Notfall-/Katastrophenmedizin und Sanitätswesen der Bundesärztekammer
NOTFALLSANITÄTER
Handeln, bis der Arzt kommt
Vom Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter: Die Ausbildung soll reformiert werden, um den Anforderungen an einen modernen Rettungsdienst gerecht zu werden.
N
ach langem Vorlauf – bereits vor fünf Jahren hatte das Bundesministerium für Gesundheit dazu eine Expertengruppe einge- setzt – soll nun bald der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung über den Gesetzentwurf über den Beruf des Notfallsanitäters beraten. Ende Januar ist dazu noch eine öffentliche Anhörung im Ge- sundheitsausschuss des Bundesta- ges angesetzt. Kernpunkte des Ge- setzentwurfs sind nach Angaben des Ministeriums die Verlängerung der Ausbildungsdauer von zwei auf drei Jahre, die Modernisierung des Berufsbilds und die Festlegung von Qualitätsanforderungen an die Schulen und Einrichtungen der praktischen Ausbildung. An der bisherigen Berufsbezeichnung „Ret - tungsassistent“ habe man nicht fest- halten wollen, heißt es in der Be-gründung zum Gesetzentwurf, da es nicht gelungen sei, diese seit dem Inkrafttreten des Rettungsassisten- tengesetzes 1989 im Bewusstsein der Menschen zu verankern.
Die neue Ausbildung soll den Notfallsanitäter besser dazu befähi- gen, den Gesundheitszustand von erkrankten und verletzten Personen zu beurteilen, vor allem eine vitale Bedrohung zu erkennen. Er soll auch über die Notwendigkeit eines Notarzteinsatzes entscheiden. Bei einer Verschlechterung der Situati- on, wenn das Leben des Patienten in Gefahr ist oder wesentliche Folge- schäden zu erwarten sind und ein Notarzt nicht rechtzeitig vor Ort sein kann, wird dem Notfallsanitäter nach dem Gesetzentwurf die zeit- lich befristete Durchführung „ange- messener medizinischer Maßnah- men der Erstversorgung“ zugewie-
sen. Hierunter fällt insbesondere das Einleiten invasiver Maßnahmen.
In der Begründung zum Gesetz- entwurf ist von der zeitlich befris - teten Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten die Rede. Der Bundes- rat sah hier bei seiner Befassung mit dem Gesetzentwurf im Novem- ber 2012 noch Präzisionsbedarf und forderte, eine entsprechende For- mulierung in den Gesetzestext auf- zunehmen, um Rechtssicherheit herzustellen.
Die Bundesärztekammer lehnt die Neuregelung ab. Sie sieht hier in eine zu weit gehende und unbe- stimmte Freigabe für die Durch - führung umfassender medizinischer Maßnahmen an allen Patienten in Notfallsituationen, die in keinem Verhältnis zur geplanten Ausbildung
stehen.
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Thomas Gerst
Foto: Landesärztekammer Thüringen