DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
DER KOMMENTAR Psychisch Kranke
ge" abzuschließen, stellen für diesen Bereich der ärztlichen Versorgung das geltende Sy- stem des Kassenarztrechtes ge- radezu auf den Kopf. Das Kas- senarztrecht geht von einer am- bulanten ärztlichen Versorgung durch freiberuflich tätige Kas- senärzte aus. Nur dann nämlich, wenn durch diese Ärzte die Ver- sorgung nicht ausreichend ge- währleistet werden kann, kön- nen (ersatzweise) auch Kran- kenhausärzte an der Versor- gung beteiligt oder ärztlich ge- leitete Einrichtungen zur Ver- sorgung ermächtigt werden.
Diese bewährte Konstellation und Reihenfolge würde in ihr Gegenteil verkehrt werden, da jede psychiatrische Einrichtung dann einen Rechtsanspruch auf Abschluß eines Institutionsver- trages hätte. Da das Leistungs- spektrum der Institutsambulan- zen und der sozialpsychiatri- schen Dienste um Leistungen von Sozialarbeitern und Psycho- logen ausgedehnt werden soll, würde der in der psychiatri- schen und psychotherapeuti- schen Versorgung eingeschalte- te Kassenarzt durch anonyme Konkurrenzeinrichtungen zu ei- nem „Randanbieter" degradiert.
Das Aktionsfeld von Institutsam- bulanzen im Rahmen des Kas- senarztrechts muß sich nach geltendem Recht im übrigen auf diejenigen Leistungen be- schränken, die auch die sonst an der kassenärztlichen Versor- gung teilnehmenden Ärzte er- bringen können.
Diese Leistungen sind im Ein- heitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für ärztliche Leistungen durch den Bewertungsausschuß jeweils festzulegen. Dabei han- delt es sich notwendigerweise um ärztliche Leistungen. Es können daher nicht isoliert für Institutsambulanzen auch nicht- ärztliche Leistungen in den Be- reich der kassenärztlichen Ver- sorgung einbezogen werden.
Dr. rer. pol. Harald Clade
Jeder Arzt ein Notarzt?
Als hervorragend und wirkungs- voll bezeichnet der Bundesmini- ster für Verkehr in der Einladung zu einem Presseseminar das Ret- tungswesen in der Bundesrepu- blik Deutschland. Weiter heißt es:
„Aber nun dräuen sich Wolken zu- sammen, einige Kontroversen spitzen sich zu ..." Das Pressese- minar stand unter dem Motto
„Bleiben die Patienten links lie- gen?" — die wirkliche Frage ist aber, ob nicht die wirksame und kostensparende Versorgung von Notfallpatienten auf der Strecke bleiben wird. Man muß die Frage stellen, ob etwa die ambulante Versorgung von Unfallpatienten zu einem Anhängsel der Notfallret- tung werden soll, damit der Fuhr- park bestimmter Hilfsorganisatio- nen oder der Feuerwehr und auch die Bettenberge der Krankenhäu- ser amortisiert werden können.
Kostendämpfungsmaßnahmen werden die ambulante Notfallver- sorgung, das Rettungswesen und die stationäre Intensivtherapie gleichermaßen treffen. Um so wichtiger ist Klarheit darüber, daß nicht jeder, der sich subjektiv als Notfallpatient fühlt, zwingend ei- ne sogenannte präklinische Ver- sorgung erfordert und mit Blau- licht und Boschhorn zur Notfall- ambulanz eines Schwerpunkt- krankenhauses transportiert wer- den muß. Es ist nicht zu vertreten, daß jedem immer sofort das höchstwertige Rettungs- oder Transportmittel zur Verfügung steht, sondern: jedem Bedürfti- gen muß mit den jeweils ange- messenen Mitteln geholfen wer- den. Das bedeutet: am Notfallort über die wesentlichen Vorausset- zungen für eine optimale Durch- führung der Hilfeleistung, der Be- handlung und des Transportes entscheiden. Dies geschieht, in- dem Kranke und Verletzte in Dringlichkeitskategorien ärzt-
lichen Handelns eingestuft wer- den, unter Berücksichtigung der Richtlinien über den Kranken- transport — auch hier gelten also die Prinzipien der Sichtung.
Aus „notärztlicher" Sicht wurde bei dem Seminar gefragt: „Jeder Arzt ein Notarzt?"; die Antwort muß kurz und bündig lauten: nein.
In der Bevölkerung hat sich zwar eingebürgert, daß jeder Arzt, der eine qualifizierte ärztliche Notfall- versorgung sicherzustellen in der Lage ist, diese Bezeichnung er- hält, ganz gleich, auf welcher Rechtsgrundlage er tätig wird, nämlich als Notfallarzt im Rahmen der Sicherstellung der ambulan- ten Versorgung durch die nieder- gelassenen Kassenärzte oder als Rettungsarzt. Probleme brauchen dann nicht aufzutreten, wenn ent- sprechend fortgebildete Ärzte über gemeinsame Rettungsleit- stellen tätig werden (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 43/1985).
Man darf nicht übersehen, daß das System der rettungsdienst- lichen und notfallmedizinischen Versorgung in einem Prozeß des
„Umkippens" ist: Bislang wurde die sogenannte präklinische Ver- sorgung durch Krankenhausärzte mit dem Notarztwagen vorgenom- men. Stellenkürzungen, befristete Arbeitsverträge und Erweiterun- gen der Dienstaufgaben im statio- nären Versorgungsbereich führen aber dazu, daß der Dienst auf dem Notarztwagen nun häufiger von Berufsanfängern mit nur einem oder zwei Jahren klinischer Erfah- rung vorgenommen wird. — Ande- rerseits lassen sich immer mehr in Notfallmedizin erfahrene und wei- tergebildete Ärzte nieder, die mit
ihren Kenntnissen Notfallpatien- ten ortsnah und qualitativ hoch- wertig versorgen können und auch wollen. Genau dies ist nicht nur ihr originärer Auftrag im Rah- men der Sicherstellung der ambu- lanten Versorgung durch nieder- gelassene Kassenärzte — es ist auch für den Notfallpatienten „nä- herliegend", damit wirksamer und letztlich kostensparend.
Dr. med. M. Popcm,
3240 (20) Heft 44 vom 30. Oktober 1985 82. Jahrgang Ausgabe A