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Archiv "Der Arzt als Pädagoge" (08.09.1977)

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Heft 36 vom 8. September 1977

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Der Arzt als Pädagoge

Wie beim Lehrer-Schüler-Ver- hältnis begründet die Wissens- differenz beziehungsweise der Kompetenzvorsprung die Autori- tät des Arztes, dessen pädagogi- sche Aufgabe nun darin besteht, daß er bei seinem Patienten eine gewisse Eigenkompetenz und Selbständigkeit erreicht, daß er ihn zur Mitarbeit motiviert, das heißt erzieht.

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Johannes Meinhardt

Es mag ungewöhnlich sein, dem Wirken des Arztes eine pädagogi- sche Dimension zuzuschreiben, und doch ist diese dem ärztlichen Han- deln ebenso eigen wie neben der diagnostisch-therapeutischen etwa die psychologische und die soziale Dimension. Wenn sie bisher, obwohl praktisch immer vorhanden, so we- nig ins Blickfeld getreten ist, mag das an der mangelnden theoreti- schen Durchdringung dieser Frage oder auch an dem Mangel an inter- disziplinären Möglichkeiten gelegen haben.

beit des Patienten angewiesen, auf seinen Heilungswillen, seine Ein- sicht, auf seine potentielle Mündig- keit. Der Patient muß seinen Be- schwerden Ausdruck verleihen, sich zu Untersuchungen bereit finden, den therapeutischen Maßnahmen zustimmen und ihnen Folge leisten.

Es wäre verhängnisvoll, wenn der Diabetiker nicht bereit sein würde, sich regelmäßigen Kontrollen seiner Blutzuckerwerte zu unterziehen oder die diätetischen und medika- mentösen Anordnungen gewissen- haft zu befolgen.

Jede Krankheit, wie leicht oder schwer sie objektiv auch gewertet werden mag, bricht schicksalhaft in das Leben eines Menschen ein. Sei es, daß irgendein Glied seines Kör- pers ihm seinen Dienst versagt, sei es, daß ihn Schmerz oder Schlaflo- sigkeit quälen, sei es auch nur ein unbestimmtes Mißbehagen, Sich- nicht-wohl-Fühlen oder die Unge- wißheit über den Charakter und die Ursache der Symptome — der Mensch fühlt sich behindert, her- ausgerissen aus seinen alltäglichen persönlichen und beruflichen Ge- wohnheiten, sieht sich zur Ausein- andersetzung mit seinem veränder- ten Zustand gezwungen und fühlt sich in seinem innersten Kern als Mensch berührt. Diese existentielle Situation ist es, die ihn zum Arzt führt und die naturnotwendig auch ein pädagogisches Verhältnis (Kron) zwischen ihm und dem Arzt be- gründet.

Dieses pädagogische Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist eine interpersonale Beziehung zwischen zwei Subjekten. Die ärztliche Dia- gnose und Therapie ist auf die Mitar-

Soll eine solche Mündigkeit des Pa- tienten erreicht werden, müssen alle Einzelakte der Diagnose und Thera- pie im Hinblick auf dieses pädagogi- sche Ziel verantwortet werden. Die Fähigkeit zu einer solchen verant- wortlichen Führung kommt aber — und hierdurch kommt es zu einer Subjekt-Subjekt-Relation resp. zu einem interpersonalen Verhältnis — nur einem Subjekt, einer Person, in diesem Falle dem Arzte zu.

Störungen

des interpersonalen Verhältnisses Dieses fundamentale interpersonale Verhältnis kann gestört sein: Auf seiten des Patienten können sich er- hebliche Schwierigkeiten ergeben, wenn dieser, z. B. infolge einer tief- gehenden geistigen oder seelischen Störung, zumindest partiell des zur mündigen Mitarbeit notwendigen kritischen Bewußtseins ermangelt und eine zielgerichtete Kommunika- tion zwischen Arzt und Patient nur schwierig oder überhaupt nicht her- gestellt werden kann. Auch auf sei- ten des Arztes kann es zu Störungen

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Der Arzt als Pädagoge

des interpersonalen Verhältnisses kommen, wenn der Patient z. B. als Person hinter seiner Krankheit zu- rücktritt, wenn er zum „Fall" und damit weitgehend zum Objekt wird;

die Subjekt-Subjekt-Beziehung miß- rät dann zu einer Subjekt-Objekt- Beziehung.

Das interpersonal begründete päd- agogische Verhältnis kann z. B.

auch dadurch empfindlich beein- trächtigt werden, daß sich die dia- gnostische und therapeutische Ap- paratur allzu früh und allzu intensiv zwischen Arzt und Patient schiebt und die persönliche Kommunikation zwischen Arzt und Patient zumin- dest sehr erschwert, wenn nicht so- gar unmöglich macht.

Der Arzt, der sich der Wichtigkeit der Subjekt-Subjekt-Beziehung für das Erreichen seines Behandlungsziels, d. h. für seine verantwortliche Füh- rung zu diesem Ziel, bewußt ist, wird darauf achten müssen, daß die per- sönliche Kontaktaufnahme jeglicher Diagnose und Behandlung vorange- hen muß und daß gerade bei dem oft notwendigen Einsatz technischer Mittel — wozu übrigens auch schon das Stethoskop und der Blutdruck- meßapparat gehören — dieser zwi- schenmenschliche Kontakt nicht unterbrochen werden darf. Nur wenn das in ausreichendem Maße gesichert ist, und sei es nur durch gelegentlichen Blick- und Ge- sprächskontakt mit dem Arzt, recht- fertigt sich eine perfekte Praxisorga- nisation, mit deren Hilfe der Patient z. B. durch eine Reihe von Labor- untersuchungen geschleust wird.

Pädagogische Einzelakte

Ausgehend von dieser fundamenta- len Voraussetzung für ein pädagogi- sches Verhältnis zwischen Arzt und Patient, können weitere pädagogi- sche Einzelakte erst zum Tragen kommen. Einer der wichtigsten die- ser pädagogischen Einzelakte ist die Information. Der Arzt muß seinem Patienten die diagnostischen Befun- de und therapeutischen Konsequen- zen erklären. Es ist für den Hypoto- niker wichtig zu wissen, daß die ihn

bis zur Todesangst bringenden Ohn- machten eben nicht Todesboten sind und welche Sofortmaßnahmen er beim Auftreten derartiger Er- scheinungen ergreifen muß. Die Kenntnis der Zusammenhänge ist für den Patienten ebenso wichtig wie die Notwendigkeit der ständigen Verfügbarkeit des Medikaments.

Es muß betont werden, daß ein sol- cher Informationsfluß dadurch zu- stande kommen kann, daß der Arzt ein anderes, vor allem ein größeres und besseres weil kompetenteres Wissen hat als der Patient. Wie beim Lehrer-Schüler-Verhältnis beg rün- det diese Wissensdifferenz resp. die- ser Kompetenzvorsprung die Autori- tät des Arztes, dessen pädagogische Aufgabe nun darin besteht, daß er bei seinem Patienten eine gewisse Eigenkompetenz und Selbständig- keit erreicht, daß er ihn zur Mitarbeit motiviert, d. h. erzieht.

Diese Autorität bzw. Kompetenz des Arztes ist partiell und nicht univer- sell. Sie gilt nur für die mit der Ge- sundheit und Krankheit des Patien- ten zusammenhängenden Fragen.

Wird dies nicht beachtet, so gerät der Arzt im pädagogischen Bezug zum Patienten allzu leicht zum

„Halbgott in Weiß". Die Autorität des Arztes gegenüber seinem Patienten ist auch keineswegs charismati- scher Natur oder „von Amts wegen"

gegeben. Sie muß vielmehr als Auf- gabe verstanden werden und kann nur durch ständiges Bemühen er- worben werden, beruht sie doch — der lnterpersonalität des pädagogi- schen Verhältnisses entsprechend — nicht allein auf dem Anspruch des Arztes, sondern ebenso auch darauf, daß der Patient dem Arzt diese Auto- rität auch tatsächlich zumißt. Das verpflichtet den Arzt in hohem Maße zur Selbstbeobachtung, Selbstkritik, Selbsterziehung und Fortbildung im fachlichen wie im pädagogischen Sinne: die pädagogische Autorität bedarf des fachlich fundierten Wis- sens. Die fachliche Kompetenz ohne pädagogische Führungs- und Ver- mittlungsqualifikation stellt Sinn und Zweck des ärztlichen Handelns in Frage.

Der erwähnte Kompetenz- und Wis- sensvorsprung darf freilich nicht im Sinne einer Manipulation des Pa- tienten mißbraucht werden. Pädago- gisch gesprochen, sollte die Infor- mation des Patienten vorwiegend auf argumentativer Basis erfolgen und nicht ausschließlich auf dem Wege von Vorschriften. So nötig letztere sind, man sollte die Bedeu- tung und den Wert des Dialogischen nicht verkennen: Arzt wie Patient sollten sich verpflichtet fühlen, ihren Teil zu Erkenntnis und entsprechen- dem Handeln beizutragen, beide sollten sich als zutiefst gleiche Part- ner sehen, beide die Diagnose und Heilung der Krankheit suchen, ähn- lich wie Lehrer und Schüler letztlich gemeinsam, beide gleich geachtet und gleich verpflichtet, sich um Er- kenntnis bemühen. Hier wie dort ist die Pädagogik die schlechteste, die lediglich auf Sanktionen aufbaut.

Lernziele müssen ebenso wie Be- handlungsziele verstanden sein, soll ihr Erfolg dauerhaft bleiben!

Die intrapersonale Entscheidung Zum pädagogischen Verhältnis ge- hört es weiter, daß der interpersona- le Bezug durch die intrapersonale Entscheidung ergänzt wird. So wie sich der Lehrer entscheiden muß, auf welche Art er seinen Schüler un- terrichten und welche Erkenntnisse er ihm vermitteln will, und so wie der Schüler sich die Anregungen seines Lehrers zu eigen machen muß, sie selbst einsehen und sich der ange- botenen Erkenntnis und ihres Wahr- heitsgehalts selbst vergewissern muß — diese Entscheidung kann und darf ihm der Lehrer nicht abnehmen

—, gilt das gleiche auch für das päd- agogische Verhältnis von Arzt und Patient: Der Arzt muß sich zunächst intrapersonal, d. h. für sich selbst, für seine Diagnose und Therapie entscheiden. Der Patient, den der Arzt über diese von ihm getroffene Entscheidung informiert, muß diese in sich selbst, also wiederum intra- personal, verarbeiten und sich zu ei- gen machen. Er muß selbst zur Ein- sicht über seine Krankheit kommen.

Damit hat das pädagogische Ver- hältnis zugleich appellativen. Cha-

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Der Arzt als Pädagoge

rakter: Gewißheit kann — dies stellte schon Thomas von Aquin in seiner Summa theologica heraus — im an- deren Menschen nicht gemacht wer- den. Jeder Arzt kennt Patienten, die Arzt auf Arzt konsultieren, nur weil sie der Diagnose oder der notwendi- gen Therapie, etwa der Unerläßlich- keit eines operativen Eingriffs, kei- nen Glauben schenken, sie nicht für wahr halten, deren nicht gewiß sind.

Wie jedes pädagogische Verhältnis hat daher auch dasjenige, welches zwischen Arzt und Patient besteht, Wagnischarakter. Es ist Wagnis nicht wegen der — letzlich im Trans- zendentalen wurzelnden — grund- sätzlichen Ungewißheit über die Richtigkeit des Wegs und Ziels, son- dern auch wegen der Möglichkeit des gegenseitigen Mißverständnis- ses und wegen der Unsicherheit, was den Erfolg der Bemühungen an- geht. Wird dieser Wagnischarakter nicht gesehen, kann das pädagogi- sche Verhältnis krisenhaft entarten.

Es kommt daher wesentlich darauf an, das Wagnishafte des interperso- nalen Bezuges zu mildern. Dies ge- schieht durch pädagogischen Takt und — Liebe.

Takt im pädagogischen Verhältnis Was den pädagogischen Takt anbe- langt, so versteht der Pädagoge dar- unter zum einen die Vermittlung zwischen Theorie und Praxis, d. h.

die Fähigkeit, die seitens der päd- agogischen Theorie gegebenen Re- gulative in die Einmaligkeit der Fälle, also ins Detail, umzusetzen.

Zum anderen bedeutet Takt im päd- agogischen Verhältnis die Vermitt- lung „zwischen Prinzip und Fall, zwischen Sollen und Sein, zwischen Forderung und Erfüllungsmöglich- keit" (Ipfling). Da es um pädagogi- schen Kontakt, um vertrauensvolle Zuwendung zwischen zwei Perso- nen geht, muß zur Autorität als not- wendiges Korrelat die taktvolle Um- setzung der allgemeinen Forderung in die Individual- und Soziallage des einzelnen und die dementsprechen- de situative Einbettung des pädago- gischen Akts hinzukommen.

Der Arzt muß also bei seinem päd- agogischen Wirken nicht nur die körperlichen und psychischen Ge- gebenheiten seines Patienten be- rücksichtigen, sondern darüber hin- aus ebenso seine intellektuellen und sozialen. Außer seiner beruflichen muß auch seine familiäre Situation, seine wirtschaftlichen Verhältnisse, seine Kulturhorizonte — kurzum seine ganze spezielle Lebenswirk- lichkeit einbezogen werden. Der Arzt hat sich demnach stets zu fra- gen, wie er seine diagnostischen Be- funde oder seine therapeutischen und prophylaktischen Verordnun- gen angesichts der bestimmten Si- tuation des jeweiligen Patienten for- mulieren muß, mit welcher Verbind- lichkeit er diese überhaupt zum Aus- druck bringen kann und welche spe- ziellen Hilfen gerade bei diesem Pa- tienten erforderlich sind.

Der angewandte Takt im Bezug zwi- schen Arzt und Patient setzt sich aus vielen — oft kleinen und unmerkli- chen — pädagogischen Einzelakten zusammen: Genannt sei z. B. das Sprachklima, die namentliche Anre- de, die ruhige, sachliche Tonart und die grundsätzliche Gesprächsbereit- schaft, ferner die psychische Fein- fühligkeit, welche auch bei einge- hender Untersuchung und tiefer- dringenden anamnestischen Fragen die Intimsphäre und die körperliche Distanz so weitgehend wie möglich wahrt. Als Akte pädagogischen Takts sind aber auch die Situations- sicherheit und die Kunst der Impro- visation zu nennen, welche ein Ab- weichen von einem bestimmten Konzept erlauben, und — last not least — das ständige Bemühen, den Patienten nicht bloßzustellen, zu be- schämen oder zu verletzen.

Verstöße gegen den Takt als ein Grundprinzip des pädagogischen Bezuges wiegen im Bereich ärztli- chen Handelns ebenso schwer wie beim Lehrer. Forderungen, welche ohne Rücksicht auf die individuelle Situation erhoben werden, werden als Sanktionen empfunden. Der Pa- tient fühlt sich auf seine Fehlbarkeit und Schwäche als Mensch schmerz- lich hingewiesen. Die Folge ist, daß er den Ratschlägen und Verordnun-

gen des Arztes nur unvollständige oder überhaupt keine Beachtung schenkt. Das Scheitern so mancher guter Ansätze in der Krankheits- wie in der Gesundheitserziehung hat seinen Grund darin, daß bei aller fachlichen Kompetenz aus Mangel an entsprechendem medizinisch- pädagogischem Wissen und Können gegen die Regeln des pädagogi- schen Takts verstoßen wird. Die in allen Bereichen zu beobachtende Spezialisierung gibt auch in diesem Zusammenhang Anlaß zur Sorge:

Die immer virtuosere Beherrschung eines immer begrenzteren Gebiets kann dazu beitragen, daß das Be- wußtsein von der Stückwerkhaftig- keit der Person und des menschli, chen Tuns verlorengeht. Der Arzt ist, sofern er Arzt ist, gleichzeitig auch Pädagoge. In gleichem Maße wie bei diesem ist neben dem Takt auch die pädagogische Liebe (Kluge) konsti- tutives Element seines Bezuges zum Patienten.

Die Liebe zur Sache

Der Arzt muß von der Richtigkeit sei- nes Denkens und Handelns über- zeugt sein. Gleichzeitig muß er — philosophisch gesehen — den Wahr- heits- und Erkenntnisgehalt der Me- dizin anerkennen, von ihm durch- drungen sein, sich als Person mit der Sache identifizieren, sich für sie begeistern und engagieren. Diese Liebe zur Sache muß um des Patien- ten willen immer wieder der tägli- chen Routine, dem erstickenden

„Kleinkram" abgerungen werden.

Sie ist nicht Gabe, sondern Aufgabe.

Sie erfordert zudem ständiges Be- mühen, Studieren und Fortbilden.

Die Liebe zum Patienten bedeutet beharrliches Helfen, Führen und An- leiten, aber auch Deutlichmachen, Erklären und taktvolles Korrigieren, Zeit haben für den einzelnen Patien- ten, geduldig seinen Beschwerden nachgehen, um diagnostische und therapeutische Hilfe bemüht sein, ihn vor gesundheitlichen Gefahren zu warnen, seine Schwächen, seine Hilflosigkeit sowie sein Fehlverhal- ten zu ertragen. Diese Liebe geht

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT

Im zweiten und dritten vollen Jahr nach Einführung der Krebsfrüher- kennungsuntersuchungen hat sich die Beteiligung an den Untersu- chungen etwas erhöht: sie ist bei den Frauen von rd. 3,9 Millionen (1972) auf über 5,5 Millionen (1974), bei den Männern von rd. 0,8 Millio- nen auf rd. 1,2 Millionen gestiegen.

Allerdings war der Zuwachs bei Frauen wie bei Männern 1974 mit rd.

14 Prozent wesentlich geringer als 1973 mit rd. 22 Prozent. Die an- spruchsberechtigten Mitglieder der Ersatzkassen machen mit 42,83 Pro- zent wesentlich mehr als die berech- tigten Mitglieder der RVO-Kassen mit 20,73 Prozent Gebrauch von den Krebsfrüherkennungsuntersuchun- gen. Etwa 50 bis 60 Prozent der Frauen und 35 bis 40 Prozent der Männer, die 1974 an der Früherken- nungsuntersuchung teilgenommen haben, nahmen auch mit einiger Re- gelmäßigkeit an der vorausgegange-

nen Erstuntersuchung teil. Die hö- here Beteiligung der Frauen ergibt sich aus der ohnehin häufigen Inan- spruchnahme des Gynäkologen und dem Vertrautsein mit gynäkologi- schen Untersuchungen. Wie schon 1972, sinkt die Beteiligung mit zu- nehmendem Lebensalter.

Über die Motive der Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung kann die Do- kumentation nichts aussagen. Ver- schiedene Untersuchungen zu die- sem Thema bestätigen die plausi- blen Zusammenhänge von höherer Beteiligung bei besserem Informa- tionsstand über die Wichtigkeit der Früherkennung und Wirksamkeit der Frühbehandlung. Angesichts der zum Teil erfolgreichen Frühbe- handlung entdeckter Karzinome bei der Frau erscheint eine gezielte wei- tere Förderung der Beteiligung empfehlenswert. Dagegen kann die geringe Beteiligung der Männer

Der Arzt als Pädagoge

nicht auf ein Wiedergeliebtwerden, auf die Dankbarkeit des Patienten aus, sie folgt nicht Sympathien oder Antipathien, sondern sie gilt jedem Patienten gleichermaßen.

Dieser philosophisch-philanthropi- sche Urgrund jeder Beziehung zwi- schen Arzt und Patient, auch der pädagogischen, erfährt seine Ak- zentuierung durch den „Arzt als Pädagogen". Es ist die Würde des Patienten als Mensch, an die der Arzt als Pädagoge appellieren und die er respektieren muß. Der Arzt sollte also — wie es in früheren Jahr- hunderten als Ruhmestitel galt —

„medicus et philosophicus" sein.

Pädagogik als Bestandteil ärztlicher Bildung

Der Arzt kann der pädagogischen Dimension seines Wirkens nur dann geredht werden, wenn er in seiner Aus- und Fortbildung entsprechend geschult wird. So wie Psychologie, Soziologie und Geschichte sollte auch die Pädagogik Bestandteil der ärztlichen Aus- und Fortbildung werden.

Der Arzt kann nur dann zum Erzie- her seiner Patienten sowohl in deren kranken als auch in deren gesunden Tagen werden, wenn er es lernt, „bei strenger Konsequenz und in völliger Besonnenheit an die Regel zugleich die wahre Forderung des individuel- len Falles ganz und gerade zu tref- fen" (Herbart).

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Dr. theol.

Johannes Meinhardt

Medizinal- und Studiendirektor Bertholdstraße 30

6415 Petersberg-Fulda

Krebsfrüherkennung 1973 und 1974

Erfolge und Probleme

Ein Bericht des Battelle-Instituts

und des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung

Friedrich Wilhelm Schwartz, Hermann Holstein

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung legt die Ergeb- nisse der Krebsfrüherkennungsuntersuchungen für Frauen und Män- ner der Jahre 1973 und 1974 vor: Band VI der Schriftenreihe des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesre- publik Deutschland — E. Herwig, Krankheitsfrüherkennung Krebs, Frauen und Männer, Bericht des Batteile-Instituts für das Zentralinsti- tut, Köln 1977. Erstmals bestand für 1974 die Möglichkeit, nach Erst- und Wiederholungsuntersuchungen sowie die Befunde bzw. Befund- häufigkeit in dieser ersten „Screening-Stufe" nach untersuchten Or- ganbereichen zu differenzieren. Allerdings kann die Dokumentation erst in beschränktem Umfang Beiträge zum Nachweis oder zur Ver- besserung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Früherken- nungsuntersuchungen liefern. Wie bei der vorausgegangenen Unter- suchung der Zahlen des Jahres 1972 erfolgte die Aufarbeitung der Ergebnisse mit Hilfe des Battelle-Instituts in Frankfurtne

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