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Archiv "„Streß und Arzt“" (18.03.1976)

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Bericht und Meinung

Streßbedingte psychovegetative Dystonien und funktionelle Or- ganbeschwerden werden in allen hochzivilisierten Ländern als eine wesentliche, immer mehr an Be- deutung gewinnende Krankheits- ursache markiert. Diese Feststel- lung nahm Professor Dr. med.

Paul Kielholz, Direktor der Psych- iatrischen Universitätsklinik Ba- sel, zum Anlaß, um in seinem Festvortrag auf die wachsende Bedeutung des Phänomens

„Streß" aufmerksam zu machen.

Aus der Sicht des Psychiaters vermittelte er einen Überblick über die Auswirkungen, die die sogenannten Stressoren im psy- chischen Bereich haben können.

Die Bedeutung der starken psy- chischen, beruflichen und sozia- len Dauerbelastungen sowie Um- weltreize, denen der Mensch heu- te ausgesetzt ist und die das see- lische beziehungsweise somati- sche Gleichgewicht stören, läßt sich aus einer Enquete ermessen, die im Herbst 1973 bei niederge- lassenen Ärzten im deutschspra- chigen Raum durchgeführt wurde.

Prof. Kielholz berichtete, daß heute bereits 25 Prozent der Kranken, die einen Arzt aufsu- chen, an psychovegetativen Stö- rungen, funktionellen Organbe- schwerden, psychosomatischen Krankheiten oder an depressiven Zustandsbildern leiden. Weitere zehn Prozent sind als „Depressi- ve" einzustufen, von denen die Hälfte larvierte depressive Zu- standsbilder aufweist. Nach Über- zeugung nicht psychiatrisch spe- zialisierter Ärzte leidet jeder vier- te Kranke, der einen Arzt konsul- tiert, an psychischen oder psy- chosomatischen Störungen.

Selbstverständlich sollte die Streßbelastung und deren Folge- wirkung nach Ansicht von Prof.

Kielholz nicht überbewertet wer- den. Körperliche und seelische Dauerbelastungen seien im allge- meinen für den Gesundheitszu- stand zuträglich, solange sie ein bestimmtes, individuell allerdings sehr unterschiedliches Ausmaß nicht überschreiten. Bedenklich werde die Situation erst dann und der Arzt auf den Plan gerufen, wenn die Stressoren psychoso- matische oder psychische Stö- rungen auslösen. Eine erfolgver- sprechende Streßprophylaxe set- ze, wie bei jeder Krankheit, vor- aus, daß die Ursachen und die Entstehungsbedingungen recht- zeitig erkannt und bekämpft wer- den.

Nach Feststellungen von Kielholz überwiegen bei Frauen erschöp- fungs-depressive und ängstlich- hypochondrische Entwicklungen, bei Männern herrschen mehr psy- chosomatische Erkrankungen des kardiovaskulären Systems und Magen-Darm-Traktes vor. Der Basler Psychiater rät jedem Streßgeplagten, bei jeder zu in- tensiven Streßreaktion, die mit ei- ner psychischen Reizbarkeit ein- hergeht, die Ursache zunächst in der eigenen Person zu suchen und „vernunftgemäß" abzuwägen, ob sich der Ärger und die damit vielfach verbundene Reizbarkeit und Aggressionstendenz über- haupt lohne. Durch intellektuelle Kontrolle gelinge es oft, die Ent- stehungsbedingungen der Emo- tionen zu erkennen und ins rech- te Licht zu rücken. Bewußtes Erle- ben sowie objektives und kriti- sches Werten der Streßfaktoren könnten wesentlich dazu beitra-

gen, Distanz zu den Umweltreizen und Konflikten zu gewinnen und eine überschießende Streßreak- tion zu verhüten, sagte Kielholz.

Autogenes Training und transzen- dentale Meditation seien als Streßprophylaxe zu empfehlen, sofern diese Methoden richtig und systematisch erlernt worden seien.

Die Bekämpfung von Streßkrank- heiten sei aber wegen ihrer vor- herrschenden psychogenen Ge- nese vorwiegend eine Domäne der Psychotherapie. Dies gelte sowohl für die Prophylaxe als auch für die Behandlung. Wenn bei einer lang dauernden Streß- situation vorwiegend funktionel- le Organstörungen nachweisbar würden, gelinge es mit Hilfe der Beta-Blocker oft schlagartig, den Circulus vitiosus, der zwischen kardialer Symptomatik und Angst bestehe, zu durchbrechen. Wenn sich der Kranke bereits im Er- schöpfungsstadium befindet und wenn schon psychosomatische Krankheiten feststellbar sind, dann sei ein kombiniertes Ein- greifen mit Psycho- und Pharma- kotherapie angezeigt. Eine einsei- tige Psychotherapie sei hier ebenso verfehlt wie einseitige Pharmakotherapie, da die Kran- ken sowohl psychisch als auch körperlich behandelt werden müßten. Bei depressiven Zu- standsbildern sei die Kombina- tion von Antidepressiva und Psy- chotherapie indiziert, bei Herz- symptomen sei hingegen eine Kombination von Beta-Blockern und Psychotherapie erfolgver-

sprechend. HC

(Der Wortlaut des Vortrages von Professor Kielholz einschließlich der projizierten Darstellungen wird in der April-Ausgabe der jetzt im Deutschen Ärzte-Verlag [5000 Köln 40, Dieselstraße 2] er- scheinenden Zeitschrift „Monats- kurse für die ärztliche Fortbil- dung" veröffentlicht.)

„Streß und Arzt"

Festvortrag von Professor Paul Kielholz in Badgastein und in Davos

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom 18. März 1976 781

Referenzen

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