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Sozialstrukturelle Entwicklungen UND WAHRGENOMMENE LEBENSQUALITÄT

in Ostdeutschland 1990-1992 Detlef Landua

AG Sozialberichterstattung Wissenschaftszentrum Berlin

für Sozialforschung (WZB) Berlin - August 1993

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Einheit und zum Anliegen des Beitrags... 1

2. Informationen zur Datenbasis ... 3

3. Wohlfahrtsentwicklung in Ostdeutschland: Eine

Einschätzung aus der Sicht der Bevölkerung ... ... 4 3.1 Eine Gesamtbilanz: Die Entwicklung der

allgemeinen Lebenszufriedenheit... 4 3.2 Die Entwicklung der Zufriedenheit mit

einzelnen Lebensbereichen... ... 7 3.3 Zusammenhänge zwischen objektiven Lebens­

bedingungen und subjektiven Bewertungen: Zwei Beispiele... 11 3.4 Zufriedenheiten einzelner Bevölkerungsgruppen... 19 3.5 Die Entwicklung von Sorgen, Zukunftszuversicht und

Orientierungslosigkeit bei einzelnen Bevölkerungsgruppen... 20 3.6 Die Entwicklung subjektiver Arbeitsmarktchancen

von Erwerbstätigen und Arbeitslosen... 23 4. Sozialer Wandel in Ostdeutschland - Ausmaß und F o lg e n ... 25 4.1 Veränderungen der Struktur einzelner sozialer

Lagen in Ostdeutschland: Eine Ü bersicht... 26 4.2 Erwerbsbeteiligung einzelner Altersgruppen und

Erwerbsabsichten von Nichterwerbstätigen und Arbeitslosen... 32 4.3 Veränderungen objektiver Lebensbedingungen

einzelner sozialer Lagen in Ostdeutschland... 35 4.4 Subjektive Wohlfahrtspositionen einzelner Gruppen

von Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen... 40

5. "Gewinner" und "Verlierer" im ostdeutschen

Transformationsprozeß: Ein Abgrenzungsversuch... 47

6. Zusammenfassung und A usblick... ... 50

Literaturverzeichnis... ... 53

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1. Einleitung: Bemerkungen zum Stand der deutschen Einheit und zum Anliegen des Beitrags

1993 geht die deutsche Einheit in ihr drittes Jahr. Ein eher nostalgischer Rückblick wird für viele dabei auf einen schon fast vergessenen Ausschnitt deutsch-deutscher Geschichte fallen: Vom "Wahnsinn" der Nacht des Mau­

erfalls, von der "inneren Freude" am 3. Oktober 1990 ist nicht mehr viel geblieben. Vielmehr zeichnet sich zunehmend deutlicher ab, daß es einfa­

cher war, das alte System der DDR abzuschütteln, als das heruntergewirt- schaftete Land wieder aufzubauen. Die 'Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion" hat nicht in kurzer Zeit die Kräfte des Marktes freisetzen kön­

nen. Ein dem westdeutschen vergleichbares ’Wirtschaftswunder" ist bislang ausgeblieben. Nur mit Hilfe massiver öffentlicher Transferzahlungen sind die Realeinkommen in Ostdeutschland schon während des ersten Jahres der Vereinigung gestiegen. Die eigentliche Spaltung aber manifestierte sich am Arbeitsmarkt; Millionen Menschen im Ostteil der Republik verloren in kur­

zer Zeit ihren Arbeitsplatz und ein großer Teil der verbliebenen Erwerbstä­

tigen wird nur noch von aufwendigen arbeitsmarktpolitischen Programmen gestützt. Hinter den umfangreichen Verschiebungen der Berufs- und Erwerbsstruktur in Ostdeutschland verbergen sich für viele Betroffene gra­

vierende erwerbsbiographische Brüche, die zu einer erheblichen Umorien­

tierung von Lebensperspektiven zwingen.

Doch die Folgen der deutschen Einheit beschränken sich längst nicht nur mehr auf den Ostteil des Landes. Die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Entwicklungstendenzen in den alten und neuen Bundeslän­

dern nehmen zu. Immer deutlicher ist zu erkennen, welche Umverteilungs­

wirkungen aus dem öffentlichen Finanzbedarf zur Sanierung der neuen Bundesländer in Westdeutschland entstehen: Verschärft durch die interna­

tionale Kapitalknappheit und die erhöhte Kapitalnachfrage aus anderen ost­

europäischen Ländern wird der Finanzbedarf zum Aufbau der neuen Bun­

desländer auch jenen West-Bürgern zusätzliche Belastungen auferlegen, de­

ren Eigenheime hypothekenfinanziert sind und deren Konsum von "Gütern des gehobenen Bedarfs" sich oft auf Kredite stützt. Die erhöhte Besteuerung von Verbrauch und Einkommen sind, trotz der vorangegangenen gegen­

teiligen Versicherungen wahlkämpfender Politiker, heute nur noch in ihrer Zusammensetzung und ihrem Umfang strittig. Schließlich wird der ge­

steigerte Bedarf an Transferleistungen im Rahmen des sozialen Sicherungs­

systems dazu führen, daß die in der Geschichte des bundesdeutschen Sozialstaates teilweise mühsam ausgehandelten und brüchigen Gleich­

gewichte zwischen Beitragszahlungen, Anspruchsberechtigungen und Ko­

sten ins Wanken geraten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß davon jene Bundesbürger besonders getroffen werden, die als sozial Marginali- sierte bereits heute verstärkt auf Leistungen des Sozialstaates angewiesen

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sind. Die Finanzierung der deutschen Einheit steht mit der vorläufigen Eini­

gung im Rahmen des "Solidarpakts" keineswegs auf sicherem Fundament Die weitere soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung des wiedervereinten Deutschlands muß deshalb mit vielen Fragezeichen ver­

sehen werden. Insbesondere von manchen Sozialforschern wird dabei Ende 1992 zwar noch nicht von einem "Scheitern der deutschen Einheit" gespro­

chen, wohl aber von einer schweren Einigungskrise. Symptome dieser Krise werden dabei keineswegs nur im wirtschaftlich-industriellen Niedergang Ostdeutschlands gesehen. Vielmehr sei im Rahmen der staatlichen Vereini­

gung beider Teilgesellschaften sowohl die politisch-kulturelle, als auch die soziale Integration Ostdeutschlands nicht gelungen; die Deutschen seien drei Jahre nach der Einheit "kulturell-mental" tiefer gespalten als in der Zeit der Existenz der Mauer (Reißig 1993:1 Iff.). Verfolgt man die Schlagzeilen der Massenmedien, so wird dieser Eindruck teilweise bestätigt. Die Men­

schen in Ostdeutschland erscheinen in vielen Darstellungen in ihrer Gesamtheit als verunsichert, verängstigt, politisch entfremdet und zutiefst frustriert. Zunehmende Ungleichheiten, soziale Ausgrenzungsprozesse, wachsende Arbeitslosigkeit und Armut führen angeblich dazu, daß - trotz materieller Verbesserungen der Lebenslage und vieler neu gewonnener Freiheiten - die Mehrheit der Ostdeutschen immer unzufriedener werde.

Doch sind diese Aussagen und Eindrücke auch noch bei näherer Betrach­

tung, oder für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen haltbar? Handelt es sich bei den beschriebenen Befunden lediglich um Anzeichen für ein vor­

übergehendes "Stimmungstief" oder sind es Kennzeichen einer tiefergehen­

den Krise von Struktur und Inhalten des ostdeutschen Transformationspro­

zesses? Der folgende Beitrag zur Sozialberichterstattung in den neuen Bun­

desländern beinhaltet die empirische und vergleichende Aufarbeitung bestimmter Aspekte des Transformationsprozesses in Ostdeutschland zwi­

schen 1990 und 1992. Grundlage dieser Analysen sind Ergebnisse von reprä­

sentativen Bevölkerungsumfragen. Transformation, sozialer Wandel und ihre Folgen werden hier deshalb vor allem aus der Perspektive von Indivi­

duen und Haushalten analysiert. Die Auswertungen der Daten des "Sozio- ökonomischen Panel" konzentrieren sich dabei vor allem auf die Dauerbe­

obachtung der Wohlfahrtsentwicklung der Bevölkerung und des gesell­

schaftlichen Wandels in Ostdeutschland1.

1 Neben dem SOEP sind die Umfragen der "Wohlfahrtssurveys" bewährte Instrumente der Sozialberichterstattung (Habich /Zapf 1993). Ihre Zielsetzung liegt vor allem in der gleichzeitigen Erfassung objektiver Lebensbedingungen und deren subjektiven Bewertung seitens der Bevölkerung. Bereits im November 1990 wurde der erste Wohl- fahrtssurvey (1990-Ost) in den neuen Bundesländern durchgeführt (Landua 1991). Im Frühjahr 1993 konnte das Projekt des ersten, gesamtdeutschen "Wohlfahrtssurvey 1993”

erfolgreich abgeschlossen werden (Infratest 1993). Erste Auswertungen dieser Umfrage werden in Kürze erscheinen. Mit der vorliegenden Arbeit ist es möglich, den von den Wohlfahrtssurveys nicht erfaßten Zeitraum zwischen 1991 und 1992 in Form eines

"Sozialberichts" äbzudecken.

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Erstens soll versucht werden, durch Verwendung von subjektiven Indikatoren und damit aus der Sicht der betroffenen Bürgerinnen in den neuen und alten Bundesländern, eine bilanzierende Bewertung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland bis Mitte 1992 vorzu­

nehmen.

Zweitens soll - aus der Perspektive einer Makroanalyse der Gesamtge­

sellschaft - Umfang und Richtung des sozialen Wandels in Ostdeutschland zwischen 1990 und 1992 nach vollzogen werden. Hierzu wird ein Modell

"sozialer Lagen" verwendet das zentrale Elemente der Sozialstruktur Deutschlands enthält.

2. Informationen zur Datenbasis

Die Datenbasis der folgenden Auswertungen bildet das "Sozio-ökonomi- sche Panel" (SOEP). Das SOEP ist eine Längsschnittuntersuchung privater Haushalte in Deutschland und wird im jährlichen Rhythmus seit 1984 bei denselben Haushalten, Personen und Familien in der Bundesrepublik durchgeführt (SOEP-West). 1984 hatte die erste Datenerhebung einen Um­

fang von rund 6.000 Haushalten, bzw. mehr als 12.200 Personen (ab dem 16.

Lebensjahr). Die wichtigsten Themenbereiche der Studie betreffen die Ver­

änderungen der Haushaltszusammensetzung, die Erwerbsbeteiligung und die berufliche Mobilität. Darüberhinaus werden aber auch Informationen zur Zufriedenheit und zu Werteinstellungen erhoben. Für viele Themenbe­

reiche liegen deshalb sowohl Angaben zu den objektiven Lebensbedingun­

gen als auch zu deren subjektiven Wahrnehmungen vor. 1990, unmittelbar vor der "Währungs- Wirtschafts- und Sozialunion", wurde die Umfrage auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausgeweitet (SOEP-Ost). Im Juni 1992 nah­

men über 4000 Personen (ab dem 16. Lebensjahr) in rund 2000 Haushalten an der dritten Ost-Befragung teil (Schupp/ Wagner 1991; Hanefeld 1987).

Damit ist die Möglichkeit gegeben, eine Auswertung zur sozialen-, ökono­

mischen- und zur Wohlfahrtsentwicklung in Ostdeutschland auf bevölke­

rungsrepräsentativer Basis vorzunehmen2.

2 Zu Vergleichszwecken zwischen der ost- und westdeutschen Bevölkerung werden in allen Ausführungen die Angaben ausländischer Mitbürgerinnen nicht angeführt.

(6)

3. Wohlfahrtsentwicklung in Ostdeutschland: Eine Einschätzung aus der Sicht der Bevölkerung

Den Inhalt dieses Kapitels bilden folgende Fragen: wie ist die Bevölkerung in den neuen Bundesländern mit den Folgen des sozialen Umbruchs seit 1990 fertig geworden? Wie bewerten die neuen Bundesbürger die stattge­

fundenen Veränderungen ihrer Lebensumstände im einzelnen? Lassen sich bestimmte Gruppen identifizieren, die bei den Umstellungsprozessen be­

sondere Probleme hatten? Die entsprechenden Angaben der westdeutschen Befragten werden - soweit vorhanden - als Vergleichswerte mitangeführt.

Schaubild 1: Gegenwärtige und erwartete Lebenszufriedenheit in fünf Jahren

West: 1990 Ost: 1990 1991 1992 (West-88) Ost: 1990 1991 1992

Mean: 7 3

6.6 6.0 6.1 Mean: (? g )

7.5 72 6.9

"0"

(ganz und gar unzufrieden)

Skala der Zufriedenheit von:

bis

. " 1 0 "

(ganz und gar zufrieden) Werte:

"10“

"8-9" -

"5-7“ -

"0-4" -

CZ3 (W<wt-88~) O rt-9l

EE3 o»t-9o

■ i Osl-92

' Daten des Wohlfahrtssurvey 1988!

6 0 40 20 0 20

ln Prozent

40 60 80

West-90 E323 O«t-S0

Oat-91 ■■ Ost-82

Datenbasis: SOEP-Ost 1990-1992; SOEP-West 1990

3.1 Eine Gesamtbilanz: Die Entwicklung der allgemeinen Lebenszufriedenheit

Die in der Wohlfahrtsforschung oft verwendete Frage nach der "allgemei­

nen Lebenszufriedenheit" ist ein guter Indikator für die zusammenfassende Bewertung aller persönlichen Lebensbedingungen. Aber nicht nur die wahr­

genommene Qualität dieser Bedingungen gehen in die Bewertungsangaben

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mit ein. Neben den eigenen Erwartungen und Ansprüchen in bestimmten Lebensbereichen sind hier auch soziale Vergleichsprozesse von Bedeutung, etwa mit bekannten Personen oder - im Falle der neuen Bundesbürger - mit den Lebensbedingungen der Westdeutschen. Auf die Frage,

"wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?'1

antworteten Ost- und Westdeutsche 1990 sehr unterschiedlich (Schaubild 1).

Auf einer Skala von 0 ("ganz und gar unzufrieden") bis 10 ("ganz und gar zufrieden") äußerten sich die westdeutschen Befragten mehrheitlich eher zufrieden (Skalenbereich "6-10"). Nur sechs Prozent gaben an, mit den eige­

nen Lebensumständen - alles in allem - eher unzufrieden zu sein (Skalenbe­

reich "0-4"). Dieses hohe Niveau ist in Westdeutschland dabei über die letz­

ten 10 Jahre im Bevölkerungsdurchschnitt weitgehend stabil geblieben (Landua 1992a). In der ehemaligen DDR lag die allgemeine Lebenszufrie­

denheit mit einem Durchschnittswert von 6.6 bereits 1990 deutlich nied­

riger. Die Gesamtbevölkerung im Osten wies damit in der globalen Bilan­

zierung ihrer Lebensverhältnisse ein Zufriedenheitsniveau auf, wie es im Westen überwiegend bei typischen Problemgruppen (Arbeitslose; alleinle­

bende, einsame Ältere; dauerhaft gesundheitlich Beeinträchtigte) anzutref­

fen ist. Die Ursachen für dieses Wohlfahrtsdefizit lagen zum einen sicherlich in den schlechten materiellen Lebensumständen, die als "Erbe" zentralisti­

scher Planwirtschaft in der DDR hinterblieben waren. Aber auch das hohe Ausmaß an psychischen und emotionalen Beeinträchtigungen, Unsicherhei­

ten und Sorgen über die eigene Zukunft, die nach dem schnellen Zusam­

menbruch des mehrheitlich abgelehnten aber mit seinen Ordnungsmustem und "Arrangements" doch gewohnten und vertrauten DDR-Staates weit ver­

breitet waren, drückte sich in den niedrigen Zufriedenheiten aus.

Das niedrige Niveau der allgemeinen Lebenszufriedenheit hatte sich bis 1991 nochmals verschlechtert. Nur noch etwa die Hälfte der Ostdeut­

schen war zu diesem Zeitpunkt mit den eigenen Lebensumständen eher zu­

frieden. Das in dem Durchschnittswert von 6.0 enthaltene Ausmaß an Unzufriedenheit in den neuen Bundesländern mußte vom Standpunkt der Wohlfahrtsforschung als alarmierend bezeichnet werden. Ein vergleichbares Ausmaß an Unzufriedenheit in der Gesamtbilanz aller Lebensumstände wurde in der zurückliegenden Dekade in Westdeutschland nie beobachtet.

Die Ursachen für diesen umfassenden Stimmungseinbruch schienen nicht nur im Zusammenhang mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit zu stehen.

Auch kontinuierlich erwerbstätige Personen berichteten zunehmend über Beeinträchtigungen ihres subjektiven Wohlbefindens. Neben enttäuschten Erwartungen in bezug auf den bisherigen Verlauf des ostdeutschen Trans­

formationsprozesses, bildeten allgemein zunehmende Ängste und Sorgen

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hinsichtlich der weiteren Entwicklung den Hintergrund für diesen deutli­

chen Rückgang der Zufriedenheit (Landua 1992b).

Als insgesamt durchaus positives Signal kann festgehalten werden, daß sich die Gesamtbewertung aller Lebensumstände in Ostdeutschland zwischen 1991 und 1992 nicht weiter verschlechtert hat. Der Durchschnitts­

wert der allgemeinen Lebenszufriedenheit ist 1992 sogar leicht gestiegen (6.1). Dies war angesichts der fortdauernden und sich teilweise noch ver­

schärfenden ökonomischen Krise in den neuen Bundesländern nicht unbe­

dingt zu erwarten. Für eine inhaltliche Deutung dieses Gesamtbefundes reicht die alleinige Betrachtung des Bevölkerungsdurchschnitts jedoch nicht aus, sondern muß um die Analyse von Verteilungsangaben ergänzt werden.

Die jeweiligen Antwortmuster zeigen, daß sich die Lebenszufriedenheit keineswegs auf hohem, sondern auf niedrigem Niveau stabilisiert: Die Zahl der Befragten mit hohen Zufriedenheitswerten ("8-10") geht auch zwischen 1991 und 1992 weiter zurück. Zugenommen haben vielmehr die Anteile der­

jenigen Personen, die 1992 einen Zufriedenheitswert zwischen "5" und "7"

angaben. Das Muster der Antwortverteilungen deutet damit auch für 1992 auf eine völlig andere Wohlfahrtsstruktur zwischen alten und neuen Bun­

desbürgern hin. Als positive Entwicklung bei der Verteilung von Zufrieden­

heitswerten zeichnet sich ab, daß der zwischen 1990 und 1991 deutlich gestiegene Anteil der "eher Unzufriedenen" (Skalenbereich: "0-4") bis 1992 wieder kleiner geworden ist. Nur noch etwa jeder sechste Ostdeutsche ist zu diesem Zeitpunkt mit seinem Leben eher unzufrieden. Dennoch liegt dieser Anteil noch fast dreimal so hoch wie derjenige im Westteil Deutschlands.

Krisensituationen beeinflussen auch die individuellen Einschätzungen der eigenen Zukunftsperspektiven. Die Frage nach der "erwarteten Lebens­

zufriedenheit in fünf Jahren" gibt Aufschluß darüber, ob die Befragten - aus­

gehend von ihrer momentanen Lage - ihre eigenen Zukunftsperspektiven eher optimistisch oder eher pessimistisch einschätzen. 1990, kurz vor der Währungsunion, fanden sich anhand dieses Indikators in Ostdeutschland deutliche Anzeichen für einen weitverbreiteten Optimismus. Die überwie­

gende Mehrheit der neuen Bundesbürger glaubte, daß ihre Gesamt­

bewertung aller Lebensumstände in fünf Jahren deutlich besser ausfallen würde als 1990. Sowohl der Durchschnittswert (7.5), als auch die Muster der Antwortverteilungen waren durchaus mit den westdeutschen Werten ver­

gleichbar3. In diesen optimistischen Zukunftserwartungen kam die Hoff­

nung vieler Ostdeutschen auf eine zumindest mittelfristige Verbesserung ihrer Lebensumstände zum Ausdruck. Offensichtlich herrschte das Empfin­

den vor, daß man sich nur in einer Talsohle befindet und eine gewisse

3 Die Werte zur allgemeinen Lebenszufriedenheit in fünf Jahren beziehen sich für West­

deutschland auf Angaben aus dem ’Wohlfahrtssurvey 1988". Es ist darauf hinzuweisen, daß die Zufriedenheitsangaben zwischen SOEP und Wohlfahrtssurveys durch die Wirkung eines "Paneleffekts" in Niveau und Verteilung nicht völlig problemlos vergleichbar sind (Landua 1993a).

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"Durststrecke" zu durchlaufen habe. Es ist weiterhin davon auszugehen, daß durch diesen ausgeprägten Zukunftsoptimismus die verbreitete Unzu­

friedenheit mit den bestehenden Lebensbedingungen zumindest teilweise kompensiert werden konnte. Um so mehr war zu befürchten, daß diese Stimmung in Resignation Umschlägen würde, wenn in absehbarer Zeit keine Verbesserungen wahrnehmbar sein sollten. In der Tat haben die Be­

fragten in den neuen Bundesländern bis 1992 ihre Zukunftserwartungen deutlich zurückgenommen (6.9). Eine mehrheitlich resignative Grundein­

stellung läßt sich allerdings hieraus noch nicht ableiten. Der Anteil der Per­

sonen, die erwarten, daß sie in fünf Jahren mit ihrem Leben eher unzu­

frieden sind ("0-4"), ist zwischen 1990 und 1992 kaum größer geworden.

Dieser Anteil lag 1992 nur bei ca. neun Prozent. Vielmehr wurden vor allem sehr hohe Zukunftserwartungen (Extremwert: "10") auf ein niedrigeres Niveau zurückgenommen. In diesen Veränderungen dürften sich jedoch weniger resignative, als vielmehr realistischere .und vorsichtigere Einschät­

zungen der eigenen Zukunftsperspektiven widerspiegeln.

3.2 Die Entwicklung der Zufriedenheit mit einzelnen Lebensbereichen

Nach der Darstellung der Entwicklung eines globalen Indikators zur Bewer­

tung aller relevanten Lebensumstände stellt sich immittelbar anschließend die Frage, wie die ostdeutsche Bevölkerung seit 1990 den Zustand und die Verhältnisse in einzelnen Lebensbereichen bewertet. Aus Untersuchungen zur subjektiven Wohlfahrtsforschung ist bekannt, daß in Westdeutschland ein insgesamt hohes Zufriedenheitsniveau besteht. Es gibt kaum Teilbe­

reiche, in denen der Anteil der "Unzufriedenen" über dem der "Zufriede­

nen" liegt. Trotz dieses insgesamt hohen Wohlfahrtsniveaus streuen die Bewertungen mehrerer Lebensbereiche beträchtlich und einzelne Bevölke­

rungsgruppen bewerten ein und denselben Lebensbereich teilweise unter­

schiedlich (Statistisches Bundesamt 1992, Teil II).

Im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland konnte bereits kurz nach der deutschen Einheit gezeigt werden, daß sich innerhalb einer Bewer­

tungshierarchie von Bereichszufriedenheiten kaum nennenswerte Unter­

schiede finden lassen: Auch in Ostdeutschland stehen Familie und Partner­

beziehungen an der Spitze einer Rangordnung der Zufriedenheiten; die öffentliche Sicherheit und der Umweltschutz werden auch in den neuen Bundesländern am schlechtesten bewertet. Als Hauptunterscheidungsmerk­

mal zwischen Ost- und Westdeutschen zeichnete sich 1990 ein allgemein niedrigeres Niveau fast aller Zufriedenheitswerte im Osten ab (Habich/

Landua/ Seifert/ Spellerberg 1991:27ff.).

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Schaubild 2: Zufriedenheit mit Lebensbereichen: 1990-1992

West-90 K 3 Ost-90 l ü Ost-91 W Ost-92

Datenbasis: SOEP-West (1990); SOEP-Ost (1990-1992)

Wie aber hat sich dieses Ost-West-Gefälle der Zufriedenheiten mit einzelnen Lebensbedingungen von 1990 bis 1992 entwickelt? Auch im Sozio-ökonomi- schen Panel werden jährlich eine Reihe von Zufriedenheitsfragen zu einzel­

nen Lebensbereichen gestellt. Die Entwicklung der Zufriedenheiten in den neuen Bundesländern bis zum Sommer 1992 wird durch die Gegenüberstel­

lung mit den vorhandenen westdeutschen Vergleichs werten von 1990 besonders augenfällig (Schaubild 2).

Erwartungsgemäß verbessert hat sich die Bewertung der Ostdeutschen hinsichtlich des "Angebots an Waren und Dienstleistungen". Die Versor­

gungslage wurde hier 1990 im Vergleich zu allen angeführten Lebensberei­

chen noch am schlechtesten bewertet (3.1). Allerdings sind auch 1992 mehr als ein Viertel der Befragten mit dem bestehenden Angebot "eher unzu­

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frieden" und der niedrige Durchschnittswert von 5.9 weist ebenfalls auf ein nach wie vor bestehendes Versorgungsdefizit in diesem Bereich hin. Die steigende Zufriedenheit mit dem Warenangebot muß allerdings in ihrer wohlfahrtsrelevanten Bedeutung hinterfragt werden, denn es ist davon aus­

zugehen, daß Verbesserungen der Angebotsseite mit entsprechend steigen­

den Konsumwünschen einhergehen. Ob letztere jedoch befriedigt werden körmen, hängt vor allem von den finanziellen Möglichkeiten der Personen und Haushalte ab. Die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen und mit dem eigenen Lebensstandard ist also auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Bewertung des Umweltzustands hat sich bis 1992 ebenfalls kon­

tinuierlich verbessert; dennoch äußert hier nach wie vor über die Hälfte der Ostdeutschen Unzufriedenheit. Die gestiegenen Zufriedenheiten in diesem Bereich dürften allerdings keineswegs nur auf die Wirkung konkreter Maß­

nahmen zum Umweltschutz zurückzuführen sein, sondern finden ihre Ur­

sache auch in den - zumindest ökologisch nutzbringenden - Nebenfolgen zahlreicher industrieller Betriebsstillegungen in den neuen Bundesländern.

Die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit gehört zu den wenigen Bereichszufriedenheiten, in denen erwartungsgemäß weder auffällige Ost- West-Unterschiede erkennbar sind, noch bemerkenswerte Niveauveränder­

ungen bis 1992 stattgefunden haben4.

Über 70 Prozent der Westdeutschen waren 1990 mit dem Einkommen ihres Haushalts "eher zufrieden"; in Ostdeutschland war dies nur bei we­

niger als der Hälfte aller Befragten der Fall. Die durchschnittliche Zufrie­

denheit mit dem Haushaltseinkommen in der früheren DDR lag damit be­

reits zu diesem Zeitpunkt auf einem niedrigen Niveau (5.5). Angesichts des bereits ungewöhnlich hohen Ausmaßes an Unzufriedenheit ist hervorzuhe­

ben, daß die eigene Einkommenssituation - im Rahmen der Maßnahmen zur 'Währungs-, Wirtschafts-, und Sozialunion" - bis 1991 von vielen Ostdeut­

schen noch schlechter bewertet wurde: Der Anteil der "eher Unzufriedenen"

lag zu diesem Zeitpunkt mit rund 40 Prozent deutlich über dem der "eher Zufriedenen". Ein Großteil der ostdeutschen Bevölkerung äußerte damit ge­

rade in einem der Bereiche hohe Unzufriedenheit, der für ihr Wohlbefinden zugleich als einer der wichtigsten anzusehen ist (Landua 1992c: Kap. 2).

Diese schlechtere Bewertung kann insofern erstaunen, als für die Haushalte in Ostdeutschland zwischen 1990 und 1991 eine reale - d.h. preisbereinigte - Verbesserung ihrer Einkommenssituation um durchschnittlich rund 10 Pro­

zent zu erkennen war (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 1992).

Die Diskrepanz zwischen der Entwicklung objektiver Lebensverhältnisse und ihrer subjektiven Bewertung ist sicherlich nicht nur vor dem Hinter­

grund überhöhter Ansprüche und Erwartungen zu sehen. Vielmehr führten

4 In diesem Ergebnis dokumentieren sich damit auch Hinweise für die Validität von Zu­

friedenheitsfragen zur Messung von Wohlfahrt selbst in unterschiedlichen Kulturkrei­

sen und Gesellschaftssystemen.

(12)

die sich rapide verändernden Preisstrukturen zu verbreiteten Unsicherhei­

ten in der ostdeutschen Bevölkerung darüber, ob das bestehende Einkom­

mensniveau mit den steigenden Lebenshaltungskosten Schritt halten würde.

Das ebenfalls sinkende Niveau der Bewertung des eigenen Lebensstandards bestätigt zusätzlich den Eindruck eines wachsenden Gefälles zwischen Ost und West hinsichtlich der Zufriedenheit mit zentralen materiellen Lebens­

bedingungen - zumindest bis 1991. Von 1991 auf 1992 hat sich die Einkom­

menszufriedenheit vieler Bürgerinnen in den neuen Bundesländern leicht verbessert und die Zufriedenheit mit dem eigenen Lebensstandard hat sich, entsprechend hierzu, zumindest nicht weiter verschlechtert. Das bestehende Wohlfahrtsgefälle zwischen Ost und West ist in diesen Bereichen jedoch nach wie vor beeindruckend. Die Gründe für die verbesserte Einkommens­

zufriedenheit Hegen zum einen sicherlich in den in diesem Zeitraum real um 12 Prozent gestiegenen Haushaltseinkommen (Globus Kartendienst Oa- 1269, 48. Jg., 14. Juni 1993; Ma-1077, 48. Jg., 1. März 1993) und zum anderen in der wachsenden (subjektiven) Sicherheit darüber, in welchem Verhältnis sich Preise und Einkommen entwickeln.

Das Niveau der Arbeitszufriedenheit wies 1990 noch keine größeren Ost-West-Unterschiede auf: Mehr als drei Viertel aller ostdeutschen bzw.

über 80 Prozent aller Westdeutschen waren mit ihrer Arbeit "eher zufrie­

den". Auch in diesem Teilbereich zeichnete sich bis 1991 im Osten ein deut­

licher Bewertungseinbruch ab, dessen Ursachen vor allem in der wachsen­

den Zahl "irregulärer" Beschäftigungsverhältnisse - wie Kurzarbeit - zu su­

chen waren. Veränderungen der Arbeitszufriedenheit fanden damit eine ih­

rer wichtigsten Ursachen in der Zunahme wahrgenommener Arbeitsplatz­

unsicherheit (Landua 1992b:34f.). Auch die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit ist bis 1992 wieder deutlich gestiegen und hat fast das Niveau von 1990 erreicht. Dabei ist zu beachten, daß in diesem Zeitraum die Zahl der Erwerbstätigen in Ostdeutschland stark gesunken ist und 1992 demnach nur noch eine bestimmte "Auswahl" von Erwerbstätigen sich zu dieser Frage äußerte. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Zahl der Kurzarbeiter bis 1992 zurückgegangen ist und die zunehmend an Bedeutung gewinnenden ABM-Stellen von den Betroffenen keineswegs nur negativ bewertet werden.

Die Wohnungsversorgung in der ehemaligen DDR wies bereits vor 1989 erhebliche Defizite und Probleme auf (Hinrichs 1992). Diese Defizite fanden 1990 in der - im deutsch-deutschen Vergleich - niedrigeren Zufrie­

denheit vieler Ostdeutschen mit der eigenen Wohnung ihre Entsprechung.

Die Wohnverhältnisse gehörten allerdings zu denjenigen Lebensbereichen im Ostteil Deutschlands, deren Bewertungsniveau bis 1991 keine nennens­

werten Veränderungen erkennen ließ. Der Zufriedenheitsrückgang zwi­

schen 1991 und 1992 ist nicht zuletzt im Zusammenhang mit mehreren Mietpreiserhöhungen zu sehen, die die Wohnverhältnisse zum Teil wenig verbessern konnten (s. Kapitel 3.3).

(13)

Zusammenfassend ergibt sich damit hinsichtlich der Entwicklung der Zufriedenheit mit einzelnen Lebensbereichen bis 1992 ein unterschiedliches Bild. Einzelne Bereiche, wie beispielsweise die Zufriedenheit mit dem eige­

nen Gesundheitszustand, blieben erwartungsgemäß von den sich rapide verändernden Lebensbedingungen unbeeinflußt. Zu den Bereichen, die seit 1990 kontinuierlich besser bewertet werden, gehört das Angebot an Waren und Dienstleistungen und die Bewertung des Umweltzustands. Die Woh­

nungszufriedenheit hat sich erst zwischen 1991 und 1992 verschlechtert, ge­

hört aber mit einem Durchschnittswert von 6.6, zusammen mit der Arbeits­

zufriedenheit (6.8), zu denjenigen Bereichszufriedenheiten, die von den neuen Bundesbürgerinnen noch relativ gut bewertet werden. Die Bewertun­

gen vieler materieller Lebensbedingungen (Arbeit, Einkommen, Lebensstan­

dard) lassen über die drei Erhebungszeitpunkte hinweg eine "J-Kurve" er­

kennen: Ausgehend von dem bereits 1990 niedrigen Niveau ist bis 1991 ein deutlicher Zufriedenheitsrückgang erkennbar, dem bis 1992 wieder eine leichte Verbesserung folgte. Das größte Ausmaß an Unzufriedenheit findet sich dabei - nach wie vor - bei der Bewertung der Einkommensverhältnisse.

Insgesamt liegen die Bewertungen der Zustände in vielen der angeführten Lebensbereiche auch 1992 noch deutlich unter dem westdeutschen Niveau.

Das bestehende Wohlfahrtsgefälle ist zum Teil allerdings kleiner geworden.

3.3 Zusammenhänge zwischen objektiven Lebensbedingungen und subjektiven Bewertungen: zwei Beispiele

Die Analyse des Zusammenhangs zwischen objektiven Lebensbedingungen und subjektiven Bewertungen ist nicht nur unter wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkten von Interesse. Sie erleichtert darüberhinaus Aussagen zur Beschreibung des sozialen Wandels - hinsichtlich der Versorgungslage der Bevölkerung und der Entwicklung sozio-ökonomischer Differenzierung und Ungleichheit. Auch die Identifizierung sozialer Problemgruppen wird durch die kombinierte Auswertung objektiver und subjektiver Wohlfahrts­

indikatoren gestützt (Riede 1989). Im folgenden sollen diese Aspekte für Ostdeutschland am Beispiel der Bereiche "Einkommen" und "Wohnen" ein­

gehender behandelt werden.

(14)

Tabelle 1: Einkommen und Einkommenszufriedenheit - statistische Eckdaten

1990-W est

J a h r d e r Befragung:

1990-O st 1991-O st 1992-O st

Bedarfsgewichtetes

Haushaltsnettoeinkommen'*);

- M ittelw ert

- S ta n d a rdabw eichung

1798-, 1044-,

811-, 271-,

976-, 366-,

1201-, 441-, Einkommenszufriedenheit:

- M ittelw ert 6 .8 5.5 4.8 5.0

- S tandardabw eichung 2 .1 9 2.47 2.3 8 2.14

1) A ngaben 1990-O st in ‘ Mark* d e r DDR; a n d e re W erte in DM.

Datenbasis: SOEP-West 1990; SOEP-Ost 1990 bis 1992.

A. Einkommensniveau, -Verteilung und -Bewertung

Tabelle 1 enthält statistische Eckdaten für das Einkommensniveau, die Ein­

kommensverteilung und -Zufriedenheiten in West- und Ostdeutschland. Für die Analyse der Verteilung des Haushaltsnettoeinkommens muß allerdings die unterschiedliche Größe der Haushalte (d.h. die Zahl der Haushaltsmit­

glieder) mitberücksichtigt werden, da ansonsten von der unrealistischen Annahme auszugehen wäre, daß - bei gleichem Haushaltseinkommen - bei­

spielsweise ein Einpersonenhaushalt über identische Einkommensressour­

cen verfügt wie ein Fünfpersonenhaushalt. Aber auch das "Pro-Kopf-Ein­

kommen" im Haushalt eignet sich als Indikator zur Erfassung von Einkom­

menspositionen nur bedingt, da es unterstellt, daß ein Fünfpersonenhaus­

halt genau das fünffache Einkommen benötigt, um das gleiche Wohlstands­

niveau zu erreichen wie ein Einpersonenhaushalt. Zweifellos entsteht mit wachsender Haushaltsgröße ein zunehmender Einkommensbedarf, doch dieser wächst nicht proportional zur Haushaltsgröße, sondern eher degressiv da mehrere Personen gemeinsam oft billiger wirtschaften können als bei getrennter Haushaltsführung. Über die Gewichtung, die dabei den einzelnen Haushaltsmitgliedern zukommt, gibt es jedoch eine breite Diskus­

sion. Die hier verwendete Gewichtung des Haushaltsnettoeinkommens ist relativ einfach und basiert auf zwei Annahmen: Erstens, daß alle Haushalts­

mitglieder ihre gesamten Einkommen in einen gemeinsamen "Pool" einbrin- gen, aus dem alle erforderlichen Ausgaben bestritten werden und zweitens, daß beim gemeinsamen Wirtschaften im Haushalt Einsparungen entstehen.

Unterstellt wird, daß ein Zweipersonenhaushalt das l,7fache eines Einper­

sonenhaushalts benötigt und ein Dreipersonenhaushalt das 2,3fache. Für

(15)

jede weitere Person im Haushalt erhöht sich das Vielfache um 0,5 Einheiten pro Person5.

Die allgemeine Einkommensentwicklung in Ostdeutschland läßt sich demnach wie folgt beschreiben: Das durchschnittliche Einkommensniveau stieg bis 1992 insgesamt deutlich an6, es erreichte 1992 einen Mittelwert von 1201.- DM. Mittelwerte informieren jedoch nur über einen wichtigen Aspekt von Verteilungen, nämlich über deren zentrale Tendenz; sie geben keinen Aufschluß über den Grad der Homogenität bzw. Heterogenität der Werte.

Will man die Einkommensverteilung unter dem Aspekt sozio-ökonomischer Differenzierung betrachten, ist es notwendig, auf Streuungswerte zurückzu­

greifen. Die Standardabweichung basiert auf den quadrierten Abweichun­

gen aller Meßwerte von ihrem arithmetischen Mittel, sie ist also eine alge­

braische Funktion sämtlicher Meßwerte einer Verteilung. Aus diesen Wer­

ten läßt sich folgern, daß das Ausmaß an sozio-ökonomischer Differenzie­

rung in Ostdeutschland insgesamt erheblich zugenommen hat. Bestimmte Kennzeichen der früheren DDR-Gesellschaft, nämlich relativ niedrige Ein­

kommensniveaus mit geringer Einkommensdifferenzierung, haben sich demnach in kurzer Zeit verändert. Beide Dimensionen, Einkommensniveau und -differenzierung, liegen jedoch noch weit unter den entsprechenden westdeutschen Vergleichs werten. Beispielsweise lag das durchschnittliche (bedarfsgewichtete) Haushaltseinkommen Mitte 1992, den Angaben des SOEP zufolge, im Ostteil Deutschlands bei rund 67% des westlichen Ein­

kommensniveaus.

Die graphische Darstellung von Schaubild 3 unterteilt die Bevölkerung in Ost- und Westdeutschland entlang ihrer Einkommensschichtung in je­

weils fünf gleichgroße Gruppen7. Für jedes dieser Quintile wird die durch­

schnittliche Einkommenszufriedenheit und für das oberste und unterste Quintil zusätzlich das durchschnittliche "bedarfsgewichtete Haushaltsnetto­

einkommen" angeführt. Dabei zeigt sich zunächst erwartungsgemäß, daß einerseits in Ost- und Westdeutschland die Zufriedenheit von der Zugehö­

rigkeit zu den jeweiligen Einkommensquintilen bestimmt wird. Anderer­

seits bleibt das Ost-West-Gefälle der Zufriedenheiten für jedes Einkom- mensquintil prinzipiell erhalten. Gleichzeitig wird deutlich, daß die "J-

5 Diese Gewichtungen entsprechen weitgehend einem früheren Vorschlag der OECD.

Andere Äquivalenzskalen basieren beispielsweise auf den Regelsatzproportionen der Sozialhilfe. In ihnen kommt neben der "pool-Annahme” und der "Einsparannahme” bei gemeinsamen Wirtschaften noch die Annahme hinzu, daß die Bedürfnisse einzelner Haushaltsmitglieder vom Lebensalter abhängig sind.

6 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes und Berechnungen des DIW betrugen 1992 die durchschnittlichen Brutto-monatsverdienste in Ostdeutschland 63 Prozent des Westniveaus. Die Kaufkraft der verfügbaren Einkommen pro Einwohner stieg in den neuen Bundesländern zwischen 1991 und 1992 um 12.2 Prozent (Globus Kartendienst 1993,14. Juni, Oa-1269).

7 Im obersten Einkommensquintil befinden sich entsprechend 20 Prozent der Bevölker­

ung mit den höchsten Einkommen; im untersten Quintil 20 Prozent der Bevölkerung mit den niedrigsten Einkommen.

(16)

Kurve" des Verlaufs der Einkommenszufriedenheit in Ostdeutschland sich für alle Quintilsgruppen feststellen läßt. Der Zufriedenheitsrückgang von 1990 bis 1991 war demnach also keineswegs nur das Resultat der schlechte­

ren Bewertungen einkommensschwacher Gruppen.

Schaubild 3: Einkommensquintile und -Zufriedenheit in Deutschland 1990-1992 (Bedarfsqewichtetes

Hausnaltsnetto- einkommen) Oberstes Quintil 5.

1 West-90

L Ost-90

Ost-91

B i

Ost-92

4.

2.

Unterstes Quintil 1.

8 20 40

Mittelwert Prozent

Datenbasis: SOEP-Ost 1990-1992; SOEP-West 1990

Dennoch ist das Wohlfahrtsgefälle, vor allem zwischen den Personen im obersten und untersten Einkommensquintil, durchaus bemerkenswert Ein wichtiges Ergebnis ist dabei, daß sich die Abstände der durchschnittlichen Einkommen zwischen diesen beiden Quintilen von 1990 bis 1992 erheblich vergrößert haben. 1990 betrug die Differenz noch 752,- Mark; 1992 waren es bereits 1157,- DM. Aber auch hinsichtlich der Bewertung ihrer Einkom­

mensverhältnisse finden sich in beiden Gruppen auffällige Unterschiede:

Während die 20 Prozent der Ostdeutschen mit den höchsten Einkommen für 1991 nur einen relativ schwachen Zufriedenheitsrückgang erkennen

(17)

lassen und dieses Bewertungssdefizit bis 1992 wieder weitgehend ver­

schwindet, ist die schlechtere Bewertung der eigenen Einkommensverhält­

nisse von 1990 auf 1991 gerade bei jenem Fünftel der Bevölkerung beson­

ders stark ausgeprägt, die über die niedrigsten Einkommen verfügen. Das schlechte Bewertungsniveau bleibt dabei für diese Gruppe bis 1992 weitge­

hend bestehen. Sowohl die zunehmenden Einkommensabstände zwischen dem obersten und dem untersten Quintil, als auch die erkennbaren Verän­

derungen der jeweiligen Zufriedenheiten bestätigen nicht nur den Eindruck einer anhaltenden Differenzierung der ostdeutschen Gesellschaft entlang ihrer Einkommensschichtung, sondern können darüberhinaus möglicher­

weise als Indizien für einen beginnenden Polarisierungsprozeß in den neuen Bundesländern verstanden werden.

Naheliegend ist nun die Frage, welche Bevölkerungsgruppen von die­

sen Prozessen besonders betroffen sind. Für eine vorläufige Beantwortung dieser Frage werden in Schaubild 3, im Rahmen eines Kontrastgruppenver­

gleichs, für 1991 und 1992 die Anteile an "Arbeitslosen" und "Westpend­

lern"8 für jedes Einkommensquintil ausgewiesen. Dabei zeigt sich, daß fast jeder siebte Ostdeutsche, der 1991 dem obersten Quintil zuzurechnen war, im Westteil Deutschlands arbeitete. Dieser Anteil geht mit jedem niedrige­

ren Quintil zurück. In Westdeutschland zu arbeiten, stellte demnach 1991 für viele Ostdeutsche eine gute Chance dar, zu den "Spitzenverdienern" in den neuen Bundesländern zu zählen. Dies hat sich bis 1992 teilweise geän­

dert. Zwar ist auch zu diesem Zeitpunkt der Anteil der Westpendler im obersten Einkommensquintil am stärksten ausgeprägt, aber dieser Anteil ist 1992 mit rund acht Prozent erheblich kleiner als noch ein Jahr zuvor (14%).

Offensichtlich bietet der ostdeutsche Arbeitsmarkt mittlerweile verbesserte Optionen, um (bestimmten) Bevölkerungsgruppen den Zugang zu hohen Einkommenspositionen zu ermöglichen9.

Die Anteile der Personen in Ostdeutschland, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren, sind bis 1992 dramatisch angestiegen (Kapitel 4.1). Die so­

zialstaatlichen Maßnahmen und Auffangmechanismen waren kaum in der Lage zu verhindern, daß die betroffenen Personen und ihre (Familien-) Haushalte in die unterste Einkommensschicht abgesunken sind. Arbeitslose Personen befinden sich vor allem im untersten Einkommensquintil, obwohl

8 Angeführt werden für jedes Quintil die Anteile jener Personen, die in einem Haushalt lebten, in dem im Befragungsmonat mindestens ein Haushaltsmitglied arbeitslos war, bzw. in Westdeutschland arbeitete.

9 Bei der Interpretation dieses Befundes ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Zahl der ’West-Pendler" im SOEP zwischen 1991 und 1992 leicht zurückgegangen ist. Eine mögliche Ursache des rückläufigen Anteils an Westpendlem in einzelnen Einkommens- quintilen könnte deshalb auch in veränderten Größenproportionen zu finden sein. Eine zusätzliche Analyse des Verhältnisses zwischen den durchschnittlich erzielten Erwerbs­

einkommen von Beschäftigten in Ostdeutschland und "West-Pendlern” bestätigt jedoch das Ergebnis verbesserter Einkommenspositionen auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt.

(18)

sich selbst im obersten Quintil noch Betroffene finden. Der Anteil der Arbeitslosen im untersten Fünftel ist dabei bis 1992 auf 30 Prozent gestie­

gen. Auch wenn es sicherlich eine Reihe von Gründen für den Abstieg in den unteren Bereich der Einkommensschichtung gibt, so ist doch klar er­

kennbar, daß Arbeitslosigkeit zu den Hauptfaktoren gehört, die trotz sozialer Abfederungsmaßnahmen Personen und Haushalte in den neuen Bundesländern zu sehr niedrigem Einkommen oder sogar zu Armut führen (Hauser u.a. 1993),

Schaubild 4: Quintilsanteile des bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen

%

E S Ost-90 E S Ost-91 B Osl-92 West-90 Datenbasis: SOEP-Ost 1990-1992; SOEP-West 1990.

Hat sich also das Ausmaß an Einkommensungleichheit (und damit an sozia­

ler Ungleichheit) in Ostdeutschland zwischen 1990 und 1992 bereits dra­

stisch erhöht? Die bisher vorgestellten Ergebnisse lassen hierauf keine schlüssige Antwort zu. Besser eignet sich die Darstellung der Einkommens­

anteile in einzelnen Einkommensquintilen10. Dabei wird ermittelt, wie groß

10 Damit wird bewußt zwischen "sozialer Differenzierung" und "sozialer Ungleichheit"

unterschieden. Sozial verankerte Unterschiede in der Bevölkerung, wie sie sich etwa aus der beruflichen Arbeitsteilung oder aus alters- und geschlechtsspezifischen Besonder­

heiten ergeben, führen nicht notwendigerweise zu sozialer Bevorrechtigung bzw.

Benachteiligung. Soziale Differenzierung auf egalitärer Basis ist durchaus möglich.

Soziale Ungleichheit liegt überall dort vor, wo die Möglichkeiten des Zugangs zu allge­

mein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern/ Positionen in dauerhafter Weise eingeschränkt sind und dadurch die Lebenschancen der betroffenen Personen oder Gruppen beeinträchtigt bzw. begünstigt werden (Kreckel 1992:13ff.).

(19)

der Anteil jedes Fünftels am Gesamteinkommen ist. Die Verteilungen von Schaubild 4 liefern jedoch keine Hinweise, die für einen deutlichen Anstieg der Einkommensungleichheit in Ostdeutschland sprechen (s. auch Headey u.a. 1993). Der Einkommensanteil des untersten Quintils stieg zwischen 1990 und 1992 von 11.7% auf 12.1%; der Anteil des obersten Quintils stieg ebenfalls eher schwach von 28.9% auf 31.4%. Weiterhin kann festgehalten werden, daß die Einkommensungleichheit westdeutscher Haushalte noch deutlich über der von ostdeutschen Haushalten liegt. Auch die ungleiche Verteilung in der Bundesrepublik ist in den letzten vier Jahrzehnten er­

staunlich stabil geblieben (Ballerstedt/ Glatzer 1979; Geißler 1992:53).

Schaubild 5: Beurteilung der Miethöhe und der Wohnungszufriedenheit in Deutschland 1990 bis 1992

In Prozent

Q D 1990-West 1990-Ost ■ ■ 1992-Ost Datenbasis: SOEP-Ost 1990-1992; SOEP-West 1990

B. Wohnungsmieten, ihre Bewertung und Wohnungszufriedenheit

Die Tragbarkeit der Wohnungskosten war ein wichtiges Ziel der Gesell­

schaftspolitik der ehemaligen DDR, die im Bereich der Grundbedürfnisse eine breite Versorgung sicherstellen wollte. Die zulässigen Mietpreise wur­

den staatlich festgelegt, hielten an niedrigen Quadratmeterpreisen fest und führten zu entsprechend geringen Mietbelastungen der Haushaltseinkom­

men der DDR-Bürgerinnen. Die Mieten erreichten ein Prozent bis - in Ein­

zelfällen - 10 Prozent des Haushaltseinkommens (AG Sozialberichters tat-

(20)

tung 1990:40ff.). Die tatsächlich höheren Kosten mußten deshalb ander­

weitig getragen werden. Bis 1992 hatten sich die Wohnkosten in den neuen Bundesländern entsprechend mehr als vervierfacht und sich damit dem westdeutschen Niveau bereits erheblich genähert (Globus Kartendienst Fb- 1244, 48. Jg., 1. Juni 1993). Dabei ist zusätzlich zu beachten, daß der Anteil an Mietwohnungen in Ostdeutschland weit über dem westdeutschen Anteil liegt (Hinrichs 1992; Berger u.a. 1993:Kap. 6). Steigende Mieten stellen die Kostenseite der Wohnverhältnisse dar; die Nutzenseite könnte nicht zuletzt in verbessertem Wohnkomfort - beispielsweise durch bessere technische Ausstattungen - ihre Entsprechung finden. Eine Möglichkeit, beide Kompo­

nenten in Beziehung zu bringen, liegt in der Verwendung von subjektiven Indikatoren zur Bewertung dieses Wöhlfahrtsbereichs durch die befragten Personen. Schaubild 5 stellt die durchschnittliche Wohnungszufriedenheit von Mietern und Wohnungseigentümern in Ost- und Westdeutschland ge­

genüber und weist darüber hinaus auf den Einfluß der Beurteilung der Miethöhe auf die Wohnungszufriedenheit von Mietern hin.

In Ost- und Westdeutschland sind Wohnungseigentümer mit ihrer Wohnung deutlich zufriedener als Personen, die eine Mietwohnung nutzen.

Ein Grund dafür ist, daß die Wohnungen der Eigentümer im Durchschnitt auch größer sind (Frick/ Lahmann 1992:504f.). Die sinkende Wohnungszu­

friedenheit in den neuen Bundesländern entwickelt sich allerdings unab­

hängig von bestehenden Eigentumsverhältnissen. Erwartungsgemäß fiel die Beurteilung der Miethöhe 1990 in der ehemaligen DDR noch sehr positiv aus. Nicht einmal jeder achte Befragte gab an, die entsprechenden Kosten seien "etwas" oder gar "viel zu hoch". Der Anteil der Mieter, die diese finan­

ziellen Belastungen für "etwas zu hoch" halten hat sich bis 1992 zwar ver­

doppelt, aber der Anteil der Personen, die die eigene Miete als "viel zu.

hoch" bewerten, liegt nach wie vor unter fünf Prozent. Mehr als die Hälfte der befragten Mieter hält ihre Belastungen 1992 für "angemessen" und immerhin noch jeder fünfte stuft diese als "günstig" oder "sehr günstig" ein.

Die Mietpreissteigerungen in den neuen Bundesländern fallen in der Bewer­

tung der meisten Befragten bis 1992 also noch keineswegs negativ aus dem Rahmen des ökonomisch Vertretbaren. Dennoch ist zu erkennen, daß die gesunkene Wohnungszufriedenheit in direktem Zusammenhang mit der (wahrgenommenen) Entwicklung der Mietpreise steht: Diejenigen Mieter, die ihre Mieten als "angemessen" oder "günstig" einstufen, sind mit ihrer Wohnung überdurchschnittlich zufrieden - ihr Anteil an allen Befragten ist jedoch bis 1992 kleiner geworden. Diejenigen, die diese Kosten als "zu hoch"

beurteilen, sind mit ihrer Wohnung vergleichsweise unzufriedener - ihr Anteil ist gestiegen und fällt in der Gesamtbewertung stärker ins Gewicht.

(21)

Schaubild 6: Durchschnittliche Zufriedenheiten bei einzelnen Bevölkerungsgruppen

8 6 4 2 0 2 4 6 8

Mittelwert

lee o -W w t E S 3 is s o -o « S 3 1 8 6 1 -0 0 H i 1892-0«

1990-West E S 3 1990-Oet

1991-Ost 1992-Ost

Datenbasis: SOEP-Ost (1990-1992); SOEP-West (1990)

3.4 Zufriedenheiten einzelner Bevölkerungsgruppen

Wie bewerten einzelne Bevölkerungsgruppen in Ostdeutschland die Verän­

derungen ihrer Lebensbedingungen? Zur Beantwortung dieser Frage wer­

den in Schaubild 6 für Männer und Frauen sowie für einzelne Alters­

gruppen die durchschnittlichen Zufriedenheiten mit drei wichtigen materi­

ellen Lebensbereichen sowie mit dem Leben insgesamt angeführt. Die Le­

bensverhältnisse werden zwischen 1990 und 1992 von einzelnen Gruppen keineswegs gleich beurteilt. Die allgemeine Entwicklung der Arbeitszufrie­

denheit zeigt für einzelne Bevölkerungsgruppen allerdings keine neimens­

werten Unterschiede: Die Bewertung der Arbeitssituation fiel 1991 deutlich schlechter aus als noch ein Jahr zuvor und stieg bis 1992 wieder an. Nen­

nenswerte Differenzen im Zufriedenheitsniueflu sind hier zwischen erwerb­

stätigen Männern und Frauen nicht zu erkennen, wohl aber zwischen ein­

zelnen Altersgruppen. Vor allem die kleiner werdende Gruppe älterer Erwerbstätiger über 60 Jahren bewertet ihr Arbeitsverhältnis zu allen drei Befragungszeitpunkten vergleichsweise positiv.

(22)

Die durchschnittliche Wohnungszufriedenheit in der jüngsten Alters­

gruppe hat sich, anders als bei älteren Befragten, bis 1992 sogar leicht ver­

bessert; dennoch weist das relativ niedrige Zufriedenheitsniveau hier auf ein nach wie vor bestehendes Versorgungsproblem mit angemessenem Wohnraum gerade bei jüngeren Ostdeutschen hin. Die Ursache für die eher stabile Zufriedenheit in diesem Bereich kann, neben Verbesserungen der Wohnsituation, auch in dem Umstand zu suchen sein, daß ein Teil der Ju­

gendlichen noch im Haushalt der Eltern lebt und von den Mietpreissteige­

rungen nur indirekt betroffen ist. Die Bewertung der Einkommensverhält­

nisse liegt auch 1992 weit unter dem westdeutschen Niveau, aber fast alle Gruppen äußern in diesem Bereich wieder etwas höhere Zufriedenheits­

werte. Lediglich die Einkommenszufriedenheit bei älteren Befragten bleibt nahezu unverändert. Sie bewerten die finanziellen Ressourcen ihrer Haus­

halte insgesamt am besten. Hierzu tragen sicherlich nicht nur die gestiege­

nen Renten, sondern auch die vergleichsweise geringeren materiellen An­

sprüche älterer Menschen in Ostdeutschland bei (Landua/ Spellerberg/

Habich 1991 :Kap. 3.1). Bei der Entwicklung der allgemeinen Lebenszufrie­

denheit in Ostdeutschland bestätigt sich die bereits im Gesamtdurchschnitt erkennbare Stabilisierung auch für einzelne Bevölkerungsgruppen. Ledig­

lich ältere Befragte über 60 Jahre bewerten die Gesamtheit ihrer Lebensum­

stände von 1990 bis 1992 kontinuierlich schlechter. Sie liegen jedoch nach wie vor über dem Niveau jüngerer Befragter. Eine Erklärung für die sin­

kende Lebenszufriedenheit älterer Menschen in Ostdeutschland steht zweifellos im Zusammenhang mit persönlichen Belastungen, die durch den Transformationsprozeß ausgelöst wurden. Hinweise auf Art und Umfang solcher Belastungen sollen im folgenden Abschnitt gegeben werden.

3.5 Die Entwicklung von Sorgen, Zukunftszuversicht und

Orientierungslosigkeit bei einzelnen Bevölkerungsgruppen Das Ausmaß an Sorgen über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung unterliegt - konjunkturabhängig - auch in den alten Bundesländern erhebli­

chen Schwankungen. 1990 machten sich nur etwa 18 Prozent der Westdeut­

schen über diese Entwicklung "große Sorgen" und noch weniger, gerade 12 Prozent, sehen ernsthafte Probleme hinsichtlich ihrer eigenen wirtschaftli­

chen Situation (Schaubild 7). Drei zentrale Ergebnisse kennzeichnen die Verteilung und Entwicklung von wirtschaftlichen Sorgen in der ostdeut­

schen Bevölkerung: Erstens, die Menschen in den neuen Bundesländern sind generell über wirtschaftliche Belange wesentlich häufiger besorgt als westdeutsche Vergleichsgruppen; dieses Ergebnis kann angesichts der an­

haltenden ökonomischen und sozialen Umbruchsituation kaum erstaunen.

(23)

Schaubild 7: Wirtschaftliche Sorgen; Zukunftszuversicht und Orientierungslosigkeit in Deutschland 1990-1992

Anteil "Großer Allg, wirtschattl,

Entwicklung

Sorgen* um die:

Eigene wirtschaft­

liche Situation Insgesamt: - -

Geschlecht:

Männer - -

Frauen - -

Altersgruppen:

-30 Jahre - -

C 3 1968-WMt E i2 ! 1 9 9 1 -0 «

E S 3 i» 9 o o « i

■ I 1 9 9 2 0 « Datenbasis: SOEP-Ost (1990-1992); Wohlfahrtssurvey 1988 31 -6 0 Jahre

61 + Jahre - -

i 60 5 0 4 0 30 2 0 10 0 10 2 0 30 4 0 50 60

In Prozent

1990-W e« 19ÖÖ-O«t

E S i 9 9 i - o «1992-Ost

Datenbasis: SOEP-Ost (1990-1992); SOEP-West (1990)

Zweitens, die allgemeine Lage ist besser als ihr Ruf! Diese plakative Formel läßt sich aus dem Phänomen ableiten, daß der Anteil der Befragten, die sich

"große Sorgen" um die eigene wirtschaftliche Lage machen, in Ost- und Westdeutschland meist deutlich kleiner ist als der Anteil der Personen, die um die allgemeine Entwicklung sehr besorgt sind. Offensichtlich glauben viele Deutsche, daß es den meisten anderen schlechter geht als ihnen selbst.

Die Differenz in der Einschätzung beider Bereiche wächst dabei mit zunehmendem Alter: Jüngere Befragte unter 30 Jahren sind über allgemeine und über die eigenen wirtschaftlichen Belange gleichermaßen besorgt; Be­

fragte über 60 Jahren machen sich fast doppelt soviel Sorgen um die allge­

meine Entwicklung, wie um ihre persönlichen Verhältnisse. Drittens, wirt­

schaftliche Sorgen haben bis 1991 im Osten erheblich zugenommen, sind je­

doch 1992 fast wieder auf das Niveau von 1990 zurückgefallen. Jüngere Be­

fragte sind, im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Befragungen, über wirtschaftliche Belange sogar am geringsten besorgt. Die meisten Sor­

gen machen sich 1992 Personen der mittleren Altersgruppe, die überpropor­

tional von den Veränderungen auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt betrof­

fen waren. Aber auch sie äußern bis 1992 erheblich weniger Sorgen. Das an mancher Stelle heraufbeschworene Bild einer, durch den Transformations­

prozeß, zunehmend von Sorgen und Ängsten geplagten Gesellschaft in Ost­

deutschland ist - trotz anhaltender und z.T. verschärfter ökonomischer Schwierigkeiten - in seiner allgemeinen Form also nicht aufrechtzuhalten.

(24)

Anomiesymptome geben Aufschluß über belastende psychische Stim- mungslagen in der Bevölkerung. Gefühle von "Orientierungslosigkeit" oder fehlender "Zukunftszuversicht" können als Kennzeichen mangelnder sozia­

ler Integration gelten. Trotz der - verglichen mit den westdeutschen! - insge­

samt schlechteren Lebensbedingungen und der psychischen Belastungen durch die Umorientierungsprobleme und Unsicherheiten nach dem Zusam­

menbruch des DDR-Staates zeichnete sich 1990 insgesamt ein hohes Aus­

maß an Zukunftsoptimismus bei den neuen Bundesbürgern ab. Dieser Opti­

mismus wurde durch Themenschwerpunkte und Versprechungen im Rah­

men des Wahlkampfs zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Herbst 1990 zusätzlich verstärkt. Umso größer war für viele Betroffene die Kluft zwischen den realen Entwicklungen und den in sie gesetzten Erwar­

tungen bis 1991. Ein Ergebnis hiervon war ein Rückgang an Optimismus, der sich jedoch keineswegs über alle Bevölkerungsgruppen gleich verteilte (Landua 1992c: 36ff.). Als positives Ergebnis läßt sich auch hier festhalten, daß 1992 viele Ostdeutsche ihrer eigenen Zukunft wieder zuversichtlicher entgegensehen11. Vor allem jüngere Befragte äußern sich weitaus weniger skeptisch als noch ein Jahr zuvor. Ein weiterer, wenn auch nur schwacher, Rückgang an Zuversicht ist bei älteren Personen über 60 Jahren erkennbar.

Das Gefühl, sich in den bestehenden Verhältnissen "nicht mehr zurechtzufinden" (Orientierungslosigkeit) wird nur von einer Minderheit aller Ostdeutschen geäußert - dennoch ist dieser Anteil mehr als doppelt so groß wie der westdeutsche Vergleichswert. Jugendliche Ostdeutsche äu­

ßerten dabei 1990 erwartungsgemäß weniger Schwierigkeiten als ältere Be­

fragte und finden sich in den neuen Verhältnissen bis 1992 zunehmend bes­

ser zurecht. Als "Problemgruppe" sind an dieser Stelle jedoch eindeutig Be­

fragte über 60 Jahren zu erkennen. Viele ältere Menschen stehen zum zwei­

ten Mal in ihrem Leben an einer "Wende", an einem Abschluß und einem Neubeginn (Schwitzer 1992). Das in der ehemaligen DDR angesammelte Er­

fahrungswissen im Umgang mit gesellschaftlichen Institutionen wurde mit dem Zusammenbruch des DDR-Staates weitgehend entwertet. Diese Situa­

tion belastet vor allem ältere Menschen, die bisher gewohnt waren, daß viele ihrer persönlichen Angelegenheiten von zentraler Stelle aus geregelt werden. Die notwendigen Um- und Neuorientierungsprozesse, die mit der deutschen Einheit aus gelöst wurden, werden für einen wachsenden Teil äl­

terer Menschen in den neuen Bundesländern offensichtlich nun zu einem

11 Die inhaltlichen Abweichungen zur Frage nach der erwarteten Lebenszufriedenheit in fünf Jahren (Schaubild 1) sind auf die unterschiedlichen Fragenkontexte und -inhalte zurückzuführen: Erstens, die Frage nach der erwarteten Lebenszufriedenheit bezieht sich auf einen konkreten Zeitraum (fünf Jahre); die Frage nach der Zukunftszuversicht wird hingegen allgemein formuliert ("Wenn ich an die Zukunft denke, bin ich eigentlich sehr zuversichtlich"). Zweitens, die Frage nach der erwarteten Lebenszufriedenheit wird unmittelbar in Anschluß an die Frage nach der gegenwärtigen Lebenszufriedenheit gestellt, d.h. es wird ein direkter Bezugspunkt der weiteren Bewertung vorgegeben; ein solcher Bezugspunkt existiert bei der Frage nach der Zukunftszuversicht nicht.

(25)

schwerwiegenden Problem, das sie möglicherweise ohne Unterstützung kaum noch bewältigen können. Der Umstand, daß immer weniger zuver­

sichtlich in die Zukunft sehen und bereits über die Hälfte glaubt, sich in den Verhältnissen "nicht mehr zurechtzufinden" deutet jedenfalls auf schwere Beeinträchtigungen des Wohlbefindens älterer Menschen in Ostdeutschland hin (s. hierzu Schaubild 6: "Allgemeine Lebenszufriedenheit").

Schaubild 8: Subjektive Arbeitsmarktchancen und Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes bei Erwerbstätigen

1990-West E S 3 1990-Ost

1991-Ost1982-Ost

Datenbasis: SOEP-Ost (1990-1992); SOEP-West (1990)

3.6 Die Entwicklung subjektiver Arbeitsmarktchancen von Erwerbstätigen und Arbeitslosen

Seit Mitte 1990 steht für Erwerbstätige in Ostdeutschland zunehmend das Risiko des Arbeitsplatzverlustes im Vordergrund. Das vorhandene Ausmaß an Sorgen um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes ist deshalb nicht nur für das Verhalten der Arbeitnehmer von Bedeutung, sondern hat darüber hinaus auch Einfluß auf ihr subjektives Wohlbefinden. Das Ausmaß der Be­

drohung durch den möglichen Verlust des Arbeitsplatzes, hängt nicht zu­

letzt davon ab, wie Erwerbstätige ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt

(26)

einschätzen. Das Bewußtsein, über Alternativen zu verfügen und wieder eine neue Arbeitsstelle finden zu können, bietet Sicherheit und die Voraus­

setzung dafür, die eigenen beruflichen Interessen durchzusetzen. Schaubild 8 stellt beide Aspekte, subjektive Arbeitsmarktchancen und die wahrge­

nommene Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes, für Ost- und Westdeut­

sche gegenüber.

Jeweils weniger als 20 Prozent aller erwerbstätigen Deutschen erwar­

teten 1990, vor einem "praktisch unmöglichen" Problem zu stehen, falls sie nach einem möglichen Arbeitsplatzverlust gezwungen wären, sich nach ei­

ner neuen und gleichwertigen Stelle umzusehen. Besonders jüngere Be­

fragte in Ost und West waren in dieser Hinsicht besonders zuversichtlich.

Aber die überwiegende Mehrheit aller Westdeutschen war sich zu diesem Zeitpunkt zugleich sicher, mit diesem Problem nicht konfrontiert zu wer­

den. Nur etwa sieben Prozent machten sich entsprechend "große Sorgen"

um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Anders als im Westen waren bereits 1990, d.h. noch bevor Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit zu einem politischen und sozialen Hauptproblem im Ostteil Deutschlands wurden, rund 40 Pro­

zent der Erwerbstätigen in der ehemaligen DDR um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes sehr besorgt. Dies waren Hinweise für eine frühzeitig skepti­

sche Einschätzung der Entwicklung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt. Bis 1991 hatte sich dieses pessimistische Stimmungsbild weiter verschlechtert.

Fast die Hälfte aller Personen, die zu diesem Zeitpunkt noch erwerbstätig waren, machte sich nun "große Sorgen" um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes. Gleichzeitig hatten sich jedoch auch die subjektiven Arbeits­

marktchancen der Erwerbstätigen erheblich verschlechtert. Fast jeder dritte Ostdeutsche glaubte zu diesem Zeitpunkt, nach einem möglichen Verlust seines Arbeitsplatzes so gut wie keine Chance mehr bei einer Stellensuche zu haben. Vor allem Frauen und ältere Befragte schätzten dabei ihre eigenen Chancen besonders schlecht ein.

Bei den "Arbeitsplatz-Sorgen" und bei der Wahrnehmung der eigenen Arbeitsmarktchancen von Erwerbstätigen zeichnet sich bis 1992 eine deut­

lich verbesserte Einschätzung in den neuen Bundesländern ab. Besonders jüngere Erwerbstätige, die ihre berufliche Qualifizierung z.T. bereits im wiedervereinten Deutschland abgeschlossen haben, beurteilen ihre Mög­

lichkeiten relativ positiv und machen sich um die Sicherheit ihres Arbeits­

platzes 1992 sogar noch weniger Sorgen als die entsprechende Vergleichs­

gruppe von 1990. Ältere Erwerbstätige sehen ihre Arbeitsmarktchancen ebenfalls wieder in einem günstigeren Licht, sie bleiben jedoch in ihrer Ein­

schätzung deutlich skeptischer als zwei Jahre zuvor. Erwerbstätige Frauen unterscheiden sich auch 1992 hinsichtlich beider Aspekte negativ von männlichen Erwerbstätigen. Die nach wie vor heikle Arbeitsmarktlage er­

werbstätiger Frauen in den neuen Bundesländern spiegelt sich in den An­

gaben der Befragten deutlich wieder.

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