• Keine Ergebnisse gefunden

Die Entwicklung von Sorgen, Zukunftszuversicht und

Im Dokument P 93 -107 S (Seite 22-25)

Orientierungslosigkeit bei einzelnen Bevölkerungsgruppen Das Ausmaß an Sorgen über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung unterliegt - konjunkturabhängig - auch in den alten Bundesländern erhebli­

chen Schwankungen. 1990 machten sich nur etwa 18 Prozent der Westdeut­

schen über diese Entwicklung "große Sorgen" und noch weniger, gerade 12 Prozent, sehen ernsthafte Probleme hinsichtlich ihrer eigenen wirtschaftli­

chen Situation (Schaubild 7). Drei zentrale Ergebnisse kennzeichnen die Verteilung und Entwicklung von wirtschaftlichen Sorgen in der ostdeut­

schen Bevölkerung: Erstens, die Menschen in den neuen Bundesländern sind generell über wirtschaftliche Belange wesentlich häufiger besorgt als westdeutsche Vergleichsgruppen; dieses Ergebnis kann angesichts der an­

haltenden ökonomischen und sozialen Umbruchsituation kaum erstaunen.

Schaubild 7: Wirtschaftliche Sorgen; Zukunftszuversicht und Orientierungslosigkeit in

Zweitens, die allgemeine Lage ist besser als ihr Ruf! Diese plakative Formel läßt sich aus dem Phänomen ableiten, daß der Anteil der Befragten, die sich

"große Sorgen" um die eigene wirtschaftliche Lage machen, in Ost- und Westdeutschland meist deutlich kleiner ist als der Anteil der Personen, die um die allgemeine Entwicklung sehr besorgt sind. Offensichtlich glauben viele Deutsche, daß es den meisten anderen schlechter geht als ihnen selbst.

Die Differenz in der Einschätzung beider Bereiche wächst dabei mit zunehmendem Alter: Jüngere Befragte unter 30 Jahren sind über allgemeine und über die eigenen wirtschaftlichen Belange gleichermaßen besorgt; Be­

fragte über 60 Jahren machen sich fast doppelt soviel Sorgen um die allge­

meine Entwicklung, wie um ihre persönlichen Verhältnisse. Drittens, wirt­

schaftliche Sorgen haben bis 1991 im Osten erheblich zugenommen, sind je­

doch 1992 fast wieder auf das Niveau von 1990 zurückgefallen. Jüngere Be­

fragte sind, im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Befragungen, über wirtschaftliche Belange sogar am geringsten besorgt. Die meisten Sor­

gen machen sich 1992 Personen der mittleren Altersgruppe, die überpropor­

tional von den Veränderungen auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt betrof­

fen waren. Aber auch sie äußern bis 1992 erheblich weniger Sorgen. Das an mancher Stelle heraufbeschworene Bild einer, durch den Transformations­

prozeß, zunehmend von Sorgen und Ängsten geplagten Gesellschaft in Ost­

deutschland ist - trotz anhaltender und z.T. verschärfter ökonomischer Schwierigkeiten - in seiner allgemeinen Form also nicht aufrechtzuhalten.

Anomiesymptome geben Aufschluß über belastende psychische Stim- mungslagen in der Bevölkerung. Gefühle von "Orientierungslosigkeit" oder fehlender "Zukunftszuversicht" können als Kennzeichen mangelnder sozia­

ler Integration gelten. Trotz der - verglichen mit den westdeutschen! - insge­

samt schlechteren Lebensbedingungen und der psychischen Belastungen durch die Umorientierungsprobleme und Unsicherheiten nach dem Zusam­

menbruch des DDR-Staates zeichnete sich 1990 insgesamt ein hohes Aus­

maß an Zukunftsoptimismus bei den neuen Bundesbürgern ab. Dieser Opti­

mismus wurde durch Themenschwerpunkte und Versprechungen im Rah­

men des Wahlkampfs zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Herbst 1990 zusätzlich verstärkt. Umso größer war für viele Betroffene die Kluft zwischen den realen Entwicklungen und den in sie gesetzten Erwar­

tungen bis 1991. Ein Ergebnis hiervon war ein Rückgang an Optimismus, der sich jedoch keineswegs über alle Bevölkerungsgruppen gleich verteilte (Landua 1992c: 36ff.). Als positives Ergebnis läßt sich auch hier festhalten, daß 1992 viele Ostdeutsche ihrer eigenen Zukunft wieder zuversichtlicher entgegensehen11. Vor allem jüngere Befragte äußern sich weitaus weniger skeptisch als noch ein Jahr zuvor. Ein weiterer, wenn auch nur schwacher, Rückgang an Zuversicht ist bei älteren Personen über 60 Jahren erkennbar.

Das Gefühl, sich in den bestehenden Verhältnissen "nicht mehr zurechtzufinden" (Orientierungslosigkeit) wird nur von einer Minderheit aller Ostdeutschen geäußert - dennoch ist dieser Anteil mehr als doppelt so groß wie der westdeutsche Vergleichswert. Jugendliche Ostdeutsche äu­

ßerten dabei 1990 erwartungsgemäß weniger Schwierigkeiten als ältere Be­

fragte und finden sich in den neuen Verhältnissen bis 1992 zunehmend bes­

ser zurecht. Als "Problemgruppe" sind an dieser Stelle jedoch eindeutig Be­

fragte über 60 Jahren zu erkennen. Viele ältere Menschen stehen zum zwei­

ten Mal in ihrem Leben an einer "Wende", an einem Abschluß und einem Neubeginn (Schwitzer 1992). Das in der ehemaligen DDR angesammelte Er­

fahrungswissen im Umgang mit gesellschaftlichen Institutionen wurde mit dem Zusammenbruch des DDR-Staates weitgehend entwertet. Diese Situa­

tion belastet vor allem ältere Menschen, die bisher gewohnt waren, daß viele ihrer persönlichen Angelegenheiten von zentraler Stelle aus geregelt werden. Die notwendigen Um- und Neuorientierungsprozesse, die mit der deutschen Einheit aus gelöst wurden, werden für einen wachsenden Teil äl­

terer Menschen in den neuen Bundesländern offensichtlich nun zu einem

11 Die inhaltlichen Abweichungen zur Frage nach der erwarteten Lebenszufriedenheit in fünf Jahren (Schaubild 1) sind auf die unterschiedlichen Fragenkontexte und -inhalte zurückzuführen: Erstens, die Frage nach der erwarteten Lebenszufriedenheit bezieht sich auf einen konkreten Zeitraum (fünf Jahre); die Frage nach der Zukunftszuversicht wird hingegen allgemein formuliert ("Wenn ich an die Zukunft denke, bin ich eigentlich sehr zuversichtlich"). Zweitens, die Frage nach der erwarteten Lebenszufriedenheit wird unmittelbar in Anschluß an die Frage nach der gegenwärtigen Lebenszufriedenheit gestellt, d.h. es wird ein direkter Bezugspunkt der weiteren Bewertung vorgegeben; ein solcher Bezugspunkt existiert bei der Frage nach der Zukunftszuversicht nicht.

schwerwiegenden Problem, das sie möglicherweise ohne Unterstützung kaum noch bewältigen können. Der Umstand, daß immer weniger zuver­

sichtlich in die Zukunft sehen und bereits über die Hälfte glaubt, sich in den Verhältnissen "nicht mehr zurechtzufinden" deutet jedenfalls auf schwere Beeinträchtigungen des Wohlbefindens älterer Menschen in Ostdeutschland hin (s. hierzu Schaubild 6: "Allgemeine Lebenszufriedenheit").

Schaubild 8: Subjektive Arbeitsmarktchancen und Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes bei Erwerbstätigen

1990-West E S 3 1990-Ost

1991-Ost1982-Ost

Datenbasis: SOEP-Ost (1990-1992); SOEP-West (1990)

3.6 Die Entwicklung subjektiver Arbeitsmarktchancen von

Im Dokument P 93 -107 S (Seite 22-25)