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Die Green Card für IT-Fachkräfte : Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektive arbeitsmarktbedingter Zuwanderung in Deutschland

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Academic year: 2022

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Diplomarbeit

Die Green Card für IT-Fachkräfte:

Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektive arbeitsmarktbedingter Zuwanderung in Deutschland

Birte Steinfatt Hechtgang 16 78464 Konstanz Tel. 07531/808665

E-mail: Bsteinfatt@gmx.de Matrikel Nr. 01/406157

Fachbereich für Politik- und Verwaltungswissenschaft Lehrstuhl für Arbeitspolitik

1. Gutachter: Prof. Dr. Berndt Keller 2. Gutachter: Prof. Dr. Volker Schneider

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INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... S. III ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... S. IV

TEIL A

KAPITEL 1: Einführung... S. 1 1.1. Problemstellung und Ziele... S. 2 1.2. Methode ... S. 3 KAPITEL 2: Die deutsche Green Card... S. 6 2.1. Gründe für die Notwendigkeit der Green Card... S. 6 2.2. Die Green Card im Kontext des „Sofortprogramms der Bundesregierung

und der IuK-Wirtschaft zur Deckung des IT-Kräfte Bedarfs in Deutschland“ ... S. 7 2.3. Die IT-ArGV und die IT-AV sowie weitere rechtliche Regelungen, die die

ausländischen IT-Spezialisten und ihre Familien betreffen... S. 8 2.4. Vermittlung der ausländischen IT-Fachkräfte... S. 13 2.5. Die Erteilung der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis... S. 15 2.6. Abgrenzung von der amerikanischen Green Card ... S. 18 2.7. Zusammenfassung... S. 18 KAPITEL 3: Die Green Card im Kontext des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe... S. 20 3.1. Bestimmungen zur arbeitsmarktbedingten Zuwanderung im internationalen

Vergleich ... S. 21 3.2. Zusammenfassung... S. 24

TEIL B

KAPITEL 4: Migrationstheoretische Überlegungen zur Green Card ... S. 25 4.1. Einleitung... S. 25 4.2. Die Humankapitaltheorie ... S. 26 4.3. Die Neue Ökonomie der Migration ... S. 30 4.4. Die Netzwerktheorie ... S. 31 4.5. Standortattraktivität ... S. 33 4.6. Studien zur Migration hochqualifizierter Arbeitskräfte ... S. 35 4.7. Zusammenfassung... S. 38 KAPITEL 5: Empirische Befunde rund um die Green Card ... S. 40 5.1. Merkmale der Green Card-Inhaber ... S. 40

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5.2. Motive der Green Card-Inhaber ... S. 45 5.3. Was ausländische IT-Fachkräfte daran hindert, sich für eine Green Card

zu bewerben... S. 48 5.4. Merkmale der Unternehmen, die Green Card-Inhaber einstellen ... S. 50 5.5. Besondere Aspekte, die Unternehmen berücksichtigen müssen... S. 52 5.6. Verhalten der am Green Card-Verfahren beteiligten Organisationen ... S. 54 5.7. Zusammenfassung... S. 57 KAPITEL 6: Beurteilung des Ausmaßes der Zuwanderung ausländischer

IT-Fachkräfte... S. 58 6.1. Ausmaß der Zuwanderung der ausländischen IT-Fachkräfte ... S. 58 6.2. Beurteilung der Nutzung der Green Card... S. 64 6.3. Zusammenfassung... S. 69 KAPITEL 7: Über vermeintliche und tatsächliche Auswirkungen der Green

Card ... S. 70 7.1. Stellungnahme der Sozialpartner ... S. 70 7.2. Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen... S. 72 7.3. Auswirkung auf die betriebliche Aus- und Weiterbildung ... S. 73 7.4. Die Entstehung neuer Arbeitsplätze für Inländer... S. 74 7.5. (Nicht-)Verdrängungseffekte arbeitsloser, inländischer IT-Fachkräfte ... S. 75 7.6. Auswirkung auf das deutsche Sozialversicherungssystem... S. 77 7.7. Zusammenfassung... S. 79

TEIL C

KAPITEL 8: Lehren aus der Green Card ... S. 80 8.1. Bilanz der arbeitsmarktbedingten Zuwanderung in Deutschland und

Empfehlungen ... S. 80 8.2. Die Green Card als Wegweiser für das Zuwanderungsgesetz ... S. 86 8.3. Entwicklungsperspektive der arbeitsmarktbedingten Zuwanderung in

Deutschland ... S. 91 8.4. Alternativen zur arbeitsmarktbedingten Zuwanderung... S. 92 8.5. Zusammenfassung... S. 94 KAPITEL 9: Fördert die Green Card den brain drain? ... S. 95 9.1. Brain drain oder brain gain? ... S. 95 9.2. Ausblick ... S. 97 LITERATURVERZEICHNIS... S. 99 INTERNETQUELLEN ... S. 110

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1 ... Green Card-Inhaber nach Geschlecht... S. 40 Abb. 2 ... Ausländer aus Drittstaaten in Deutschland: häufigste

Staatsangehörigkeiten... S. 41 Abb. 3 ... Green Card-Inhaber nach Staatsangehörigkeiten... S. 42 Abb. 4 ... Green Card-Inhaber nach Kulturräumen ... S. 43 Abb. 5 ... Green Card-Inhaber mit deutschem Hochschul-/ Fachhochschul-

abschluß ... S. 44 Abb. 6 ... Green Card-Inhaber mit einem Bruttojahresgehalt von mind.

51.000 €... S. 46 Abb. 7 ... Wirtschaftszweig der Unternehmen, die Green Card-Inhaber

beschäftigen ... S. 51 Abb. 8 ... Beschäftigtenzahl der Betriebe, die Green Card-Inhaber

eingestellt haben ... S. 51 Abb. 9 ... Abgelehnte Arbeitserlaubnisse... S. 55 Abb. 10 ... Zugesicherte Arbeitserlaubnisse im zeitlichen Verlauf ... S. 58 Abb. 11 ... Zugesicherte Arbeitserlaubnisse nach Bundesländern ... S. 59 Abb. 12 ... Zugesicherte Arbeitserlaubnisse nach westlichen und östlichen

Bundesländern ... S. 60 Abb. 13 ... IT-Beschäftigte in Deutschland: Arbeitsamtbezirke mit den

höchsten Beschäftigtenzahlen... S. 61 Abb. 14 ... Erteilte Arbeitserlaubnisse... S. 62 Abb. 15 ... Erteilte Arbeitserlaubnisse: erstmalige/ erneute/ Fortsetzung der

Beschäftigung... S. 63

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abb. ... Abbildung Abs. ... Absatz Abt. ... Abteilung AG ... Arbeitgeber

AHK ... Auslandshandelskammer

ArGV... Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer ASAV... Anwerbestoppausnahmeverordnung

AufenthG ... Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet

AuslG... Ausländergesetz

BA... Bundesanstalt für Arbeit

BDA ... Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände

BITKOM...Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien

BMAS ... Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung BMBF ... Bundesministerium für Bildung und Forschung BMI ... Bundesinnenministerium

BMWi... Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BPB ... Bundeszentrale für politische Bildung

BVMW ... Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft bzw. ... beziehungsweise

ca. ... circa

DAG... Deutsche Angestelltengewerkschaft DGB... Deutscher Gewerkschaftsbund d.h. ... das heißt

DIHK... Deutscher Industrie- und Handelskammertag DIHT ... Deutscher Industrie- und Handelstag

DIW ... Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DV ... Datenverarbeitung

EU ... Europäische Union

EWR ... Europäischer Wirtschaftsraum f. ... folgende

ff. ... fortfolgende

FAZ... Frankfurter Allgemeine Zeitung

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FreizügG/ EU... Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern GG... Grundgesetz

ggf. ... gegebenenfalls

HWWA... Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv

IAB... Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit IOM... International Organization for Migration

IT ... Informations- und Kommunikationstechnologie

IT-ArGV...Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie

IT-AV...Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hochqualifizierte Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie

IuK ... Informations und Kommunikations- IW ... Institut der deutschen Wirtschaft Köln

iwd ... Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln IZA... Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit

Kap. ... Kapitel Kfz ... Kraftfahrzeug mind. ... mindestens o.ä. ... oder ähnliches

OECD ... Organization for Economic Cooperation and Development S. ... Seite

SGB... Sozialgesetzbuch sog. ... sogenannte

SZ... Süddeutsche Zeitung u.a. ... unter anderen u.ä. ... und ähnliches Unabh. ... Unabhängige usw. ... und so weiter usw. ... und so weiter u.U. ... unter Umständen vgl. ... vergleiche

vs. ... versus

ZAV ... Zentralstelle für Arbeitsvermittlung z.B. ... zum Beispiel

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KAPITEL 1: Einführung

Zu Anfang des Jahres 2000 klagte die Hälfte aller Westdeutschen und ein Drittel der ostdeutschen Unternehmen aus der Informations- und Kommunikationstechnologie (IT) über Fachkräftemangel (Magvas/ Spitznagel 2000: 8). Für die offenen Stellen standen kurzfristig keine geeigneten Bewerber zur Verfügung. Diese Situation führte dazu, daß Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der CeBit in Hannover am 23.02.2000 eine Debatte anstieß, die bis dato in dieser Form in Deutschland noch nicht stattgefunden hatte. Er schlug vor, ausländische IT-Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Dieser Vorschlag mündete in zwei Verordnungen, der IT- ArGV (Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie) und der IT-AV (Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie), denen das Bundeskabinett bereits am 31.05.2000 zustimmte1 (Welsch 2000: 1474ff.).

Die IT-ArGV und die IT-AV traten am 01.08.2000 in Kraft und bilden eine Ausnahme zu dem seit 1973 bestehenden Anwerbestopp. Auf ihrer Grundlage kann ausländischen IT-Spezialisten aus Nicht-EU-Ländern eine befristete Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von bis zu fünf Jahren erteilt werden, was in der gegenwärtigen Diskussion als „Green Card“ bezeichnet wird (Martin/ Werner 2000a:1). Die erste Green Card wurde unter großer Medien-Resonanz von Bundesarbeitsminister Walter Riester persönlich an den 25-jährigen Indonesier Harianto Wijaya2 ausgehändigt (Internet World 10/2000: 66).

Die Green Card soll eine schnelle und unbürokratische Zulassung ausländischer IT- Fachkräfte ermöglichen (Betrieb und Wirtschaft 17/2000: 744). Allerdings ist die Zahl der Zulassungen auf maximal 20.000 ausländische IT-Fachkräfte begrenzt. Bis zum 31.07.2002 waren 12.478 Arbeitserlaubnisse an ausländische IT-Fachkräfte zugesichert worden (BA 2002a).

1 Da Verordnungen Rechtsquellen der Exekutive sind, konnte das oft langwierige, parlamentarische Gesetzgebungsverfahren vermieden werden (Katz 1996: 216).

2 Wijaya hat sein Studium an der Technischen Hochschule in Aachen mit der Note 1,0 beendet. Ohne die Green Card-Regelung hätte er die Bundesrepublik Deutschland wieder verlassen müssen (SZ v. 31.07.00).

(8)

1.1. Problemstellung und Ziele

Die Green Card stellt den ersten Schritt Deutschlands in Richtung arbeitsmarktbedingte Zuwanderung dar, also eine Zuwanderung die den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts entspricht. Die Erfahrungen, die mit der Green Card gesammelt werden, geben Anhaltspunkte darüber, welche Vor- und Nachteile Deutschland und die Green Card-Regelung besitzen, wenn es darum geht, gewünschte Arbeitskräfte anzuziehen. Die sorgfältige Analyse der Auswirkungen der Green Card auf die deutschen Unternehmen, den Arbeitsmarkt und das Sozialversicherungssystem ermöglicht außerdem eine Versachlichung der Debatte über arbeitsmarktbedingte Zuwanderung. Dies ist jetzt, zwei Jahre nachdem die erste Green Card vergeben worden ist und nachdem schon über 12.000 Arbeitserlaubnisse an ausländische IT-Fachkräfte zugesichert worden sind, endlich möglich. In vorliegender Diplomarbeit werden empirische Ergebnisse dargestellt und reflektiert, damit fundierte Aussagen über Erfolge, Probleme und Auswirkungen der Green Card getroffen werden können.

Die Verfasserin möchte mit dieser Diplomarbeit einen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung im Bereich der Migration hochqualifizierter Arbeitskräfte3 leisten. Trotz der Wichtigkeit dieser Migrationsströme für die internationale Wirtschaft sind Studien über Gründe und Auswirkungen der Zuwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften selten. Das liegt sicherlich mit daran, daß Migrationsbewegungen zwar grundsätzlich registriert werden, doch selten in einer Art und Weise, durch die der akademische und berufliche Werdegang der Zuwanderer nachvollzogen werden kann. Auch gibt es keine international vergleichbaren Daten über Bestände und Bewegungen an hochqualifizierten Arbeitskräften (vgl. Guellec/ Cervantes 2002: 72f.;

Salt 2000). Mit Einführung der Green Card für IT-Spezialisten wurden in Deutschland Daten über hochqualifizierte Arbeitskräfte erhoben. Dadurch wird eine Fallstudie in dem weitgehend unerforschten Bereich der Migration Hochqualifizierter möglich.

Diese Diplomarbeit hat somit einen explorativen Charakter. Sie dient der Beschreibung, Hypothesengenerierung und in Ansätzen der Überprüfung von

3 In Anlehnung an die Definition des „Canberra Manual“ der OECD, ist jemand hochqualifiziert, wenn:

- er einen universitären oder äquivalenten Abschluß vorweisen kann, oder wenn

- er keinen solchen Abschluß hat, aber in einer berufliche Stellung tätig ist, die solch eine Qualifikation normalerweise erfordert (Guellec/ Cervantes 2002: 72).

(9)

Hypothesen (vgl. Schnell et al. 1995: 240) über die Green Card. Die politische Entstehungsgeschichte der Green Card hingegen, wie sie typischerweise durch eine Policy-Analyse untersucht wird, ist nicht Gegenstand der Arbeit.

1.2. Methode

Zur Erfüllung oben genannter Ziele werden sowohl sekundäre als auch primäre Informationsquellen verwendet, die im folgenden aufgelistet sind.

Sekundäre Informationsquellen:

− bis dato unveröffentlichte Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit

- Statistik 63-1 der Bundesanstalt für Arbeit über „Zugesicherte Arbeitserlaubnisse für hochqualifizierte ausländische IT-Fachkräfte nach der IT-ArGV“ (BA 2002a) - Statistik über „Erteilte Arbeitserlaubnisse für hochqualifizierte ausländische IT-

Fachkräfte nach der IT-ArGV“ (BA 2002b)

− Informationen der Bundesregierung und der beteiligten Ministerien zur Green Card (aus dem Internet sowie aus diversen Broschüren), davon maßgeblich

- der erste Bericht „Monitoring des IT-Sofortprogramms“ (BMAS 2001a)

- der noch zu erscheinende zweite Bericht „Monitoring des IT-Sofortprogramms“

(BMAS 2002)

- die Broschüre „Das IT-Programm der Bundesregierung - Informationen für ausländische IT-Fachkräfte und Unternehmen“ (BMAS 2001b)

- der Bericht „Zuwanderung gestalten – Integration fördern“ der Unabhängigen Kommission Zuwanderung (Bericht Unabh. Kommission 2001)

− Wimmex-Studie

Studie, die anläßlich des 6-monatigen Bestehens der Green Card durchgeführt wurde und in deren Rahmen bundesweit 420 Unternehmen und 480 Green Card- Inhaber befragt worden sind (Wimmex 2001)

(10)

− umfassendes sekundäres Literaturmaterial, darunter vor allem wissenschaftliche Artikel aus verschiedenen Literaturdatenbanken4

− weiteres Informationsmaterial wie die aktuelle Tagespresse oder Informationsschriften von verschiedenen Organisationen

Primäre Informationsquellen:

Als primäre Informationsquellen dienen fünf Experteninterviews, die in folgenden Organisationen stattfanden:

- BA (Bundesanstalt für Arbeit)

- ZAV (Zentralstelle für Arbeitsvermittlung) - DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund)

- BDA (Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände

- BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien)5.

Die Durchführung der Experteninterviews stellt die eigene Datenerhebungsleistung dar und ist als zentraler Bestandteil der Arbeit zu sehen. Die Interviews trugen maßgeblich erstens zur Informationsgewinnung und zweitens zur vorläufigen Verifikation bzw. Falsifikation der Hypothesen bei.

Die jeweiligen Gesprächspartner6 in oben genannten Organisationen verfügen über exklusives Wissen zu Sachverhalten, die mit der Green Card in Zusammenhang stehen und können somit als Experten betrachtet werden. Die Interviews erfolgten in teilstrukturierter Form, um den Gesprächspartnern die Gelegenheit zu geben, eine begründete Einschätzung und Bewertung des erfragten Sachverhalts abzugeben (vgl. Deeke 1995: 9ff.). Die für die Untersuchung relevanten Themenkomplexe, die im Gespräch behandelt werden sollten, waren in einem Leitfaden (siehe Anhang C)

4 Es handelt sich um die Literaturdatenbanken BLISS (betriebswirtschaftliche Literatur), FITT (Wirtschaftspresse), ECONIS (Literaturdatenbank für Wirtschaft und Wissenschaft), HWWA (Wirtschaftsdatenbank für Wissenschaft und Praxis), IFO (ifo Literaturdatenbanken), SOLIS (sozialwissenschaftliche Literatur), FORIS (Forschungsprojekte), ABI-Inform (Literaturdatenbanken für Betriebswirtschaft), PAIS (Public Affairs Information Service) und WAO (World Affairs Online).

5 Der BITKOM ist der bedeutendste Bundesverband im Bereich der IuK-Wirtschaft und repräsentiert 1250 Unternehmen bzw.

700.000 Mitarbeiter im BDI (Homepage BITKOM).

6 Wer die Gesprächspartner waren, können die Gutachter im Anhang C nachlesen.

(11)

enthalten. Durch die Vorformulierung der Fragen wurde eine systematische Informationsgewinnung garantiert (Vogel 1995: 74ff.)7.

Vorgehensweise:

In Teil A der Diplomarbeit wird der zu untersuchende Gegenstand - die Green Card - beschrieben und in dem allgemeineren Kontext des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe dargestellt.

In Teil B findet die Bestandsaufnahme der bis zum 31.07.2002 vergebenen Green Cards statt. Dabei werden Hypothesen aus den Migrationstheorien abgeleitet und empirischen Befunden rund um die Green Card gegenübergestellt. Auch werden das Ausmaß der Zuwanderung ausländischer IT-Fachkräfte sowie mögliche Auswirkungen der Green Card untersucht.

In Teil C werden die in Teil B herausgearbeiteten Ergebnisse zusammengefaßt und reflektiert. Hier wird ebenfalls auf die Entwicklungsperspektive arbeitsmarktbedingter Zuwanderung in Deutschland eingegangen und überlegt, ob die Green Card zum

„brain drain“ beiträgt.

7 Anhand der Transkripte im Anhang C können die Gutachter die Interviews kritisch nachvollziehen.

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KAPITEL 2: Die deutsche Green Card

2.1. Gründe für die Notwendigkeit der Green Card

Im Jahr 2000 boomte die IT-Wirtschaft: die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich stieg im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent auf 1,7 Millionen Beschäftigte an.

Dennoch gab es nach einer Erhebung des BITKOM 75.000 Stellen, für die kaum geeignete Bewerber zur Verfügung standen. Im IT-Fachkräftedialog des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit wurde gar von 113.000 offenen Stellen gesprochen. Ursache für diesen Fachkräftemangel war hauptsächlich die Tatsache, daß von den deutschen Hochschulen keine entsprechenden Arbeitskräfte abgegangen waren. 1999 schlossen beispielsweise lediglich 7000 Informatiker ihr Hochschulstudium ab (Presse- und Informationsamt 2000a; Greifenstein 2001: 12).

Unternehmen mit Fachkräftemangel sehen sich durch die Rekrutierungsengpässe in ihrem Wachstum und ihrer Konkurrenzfähigkeit gefährdet. Meist müssen sie deswegen neue Aufträge ablehnen, leiden unter Produktionsengpässen und müssen zu höheren Kosten Produkte und Dienstleistungen extern zukaufen (Lenske/ Werner 2001: 47). Der akute Fachkräftemangel in der IT-Branche bedrohte aber nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung in der IT-Branche selbst, sondern auch in anderen Bereichen. In der Tat hatte die Informations- und Kommunikationstechnologie in den 90er Jahren eine Entwicklung genommen, von der branchenübergreifende Wachstumsimpulse ausgelöst wurden. Der IT-Bereich galt somit als Antrieb des Konjunkturaufschwungs und als Schlüssel zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Der zu Beginn des Jahres 2000 festgestellte Fachkräftemangel in der IT-Branche drohte also, das gesamte wirtschaftliche Wachstum in Deutschland zu hemmen. Damit verbunden war die Gefahr, daß Deutschland den technologischen Anschluß in einer sich rasch entwickelnden Zukunftsbranche verlieren würde (Presse- und Informationsamt 2000a).

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2.2. Die Green Card im Kontext des „Sofortprogramms der Bundesregierung und der IuK-Wirtschaft zur Deckung des IT-Kräfte Bedarfs in Deutschland“

In Anbetracht des akuten Bedarfs an IT-Fachkräften reagierten die Bundesregierung und die IuK-Wirtschaft (Informations- und Kommunikationswirtschaft) im März 2000 mit einem „Sofortprogramm zur Deckung des IT-Kräfte Bedarfs in Deutschland“.

Primäres Ziel dieses Programms ist es, den vorhandenen Mangel an IT-Fachkräften möglichst schnell abzubauen, um so die mit der Entwicklung der IuK-Wirtschaft verbundenen Chancen für wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung nutzen zu können. Zu diesem Zweck dienen vielfältige Maßnahmen zur Stärkung des inländischen IT-Fachkräfteangebots aber auch der erleichterte Zugang von ausländischen IT-Spitzenkräften, damit sowohl kurzfristig, wie auch mittel- und langfristig, der Arbeitskräftebedarf an IT-Personal gedeckt werden kann (BMAS 2001a: 3).

Der Schwerpunkt des Sofortprogramms liegt bei zusätzlichen Ausbildungsplätzen, mehr Umschulung und Weiterbildung und dem Ausbau des IT-Studienangebots an den Hochschulen, damit der Bedarf an Mitarbeitern in den IT-Berufen auf Dauer von Fachkräften aus dem Inland befriedigt werden kann (BMAS 2001a: 24). Bis zum Jahr 2005 sollen zusätzlich 250.000 Arbeitnehmer für IT-Aufgaben gewonnen werden.

Hierfür hat die Wirtschaft erhebliche Anstrengungen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung zugesagt. So haben sich die Unternehmer verpflichtet, ihre Ausbildungskapazitäten im IT-Bereich zu erhöhen (bis 2003 auf 60.000 statt der bereits im Bündnis für Arbeit zugesagten 40.000 Plätze) und durch geeignete Maßnahmen das Interesse der jungen Menschen an einer Ausbildung und Tätigkeit in der IT-Branche zu verstärken. Auch die innerbetriebliche Weiterbildung soll in Hinblick auf internetrelevante Technologien erheblich und nachweisbar gesteigert werden. Die Bundesanstalt für Arbeit wird über die Arbeitsämter ebenfalls ihre IT- Weiterbildungsmaßnahmen ausdehnen, und zwar von 36.000 (ursprünglich geplante) auf 40.000 Teilnehmer. Die Vermittlungs- und Weiterbildungs- anstrengungen der Arbeitsämter werden sich auf arbeitslose IT-Fachkräfte8 und Ingenieure konzentrieren. Ferner sollen ein IT- und medienspezifisches

8 Trotz des großen Bedarfs an IT-Fachkräften waren Anfang 2000 über 31.000 IT-Spezialisten in Deutschland arbeitslos gemeldet (Welsch 2000: 1477).

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Weiterbildungssystem und regionale Netzwerke zur Gewinnung von Fachkräften zügig aufgebaut werden. Schließlich starten Bundesregierung und Bundesländer auch eine Offensive im Hochschulbereich, um die Zahl der Studienplätze im IT- Bereich zu erhöhen sowie zusätzliche Lehrkapazitäten zu schaffen (vgl. Presse- und Informationsamt 2000b: 3ff.).

Eben geschilderte Maßnahmen können den erheblichen Bedarf an IT-Fachkräften erst mittel- bis langfristig befriedigen, da die neu geschulten bzw. ausgebildeten Arbeitskräfte erst nach einer gewissen Zeitspanne auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind. Daher war es erforderlich, die Einreise von hochqualifizierten IT-Spezialisten zu ermöglichen, damit der festgestellte Bedarf der IT-Wirtschaft auch kurzfristig gedeckt werden kann. Zu diesem Zweck wurden zwei Verordnungen erlassen: die IT-ArGV (Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie) und die IT-AV (Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie). Sie entstanden explizit zur Deckung eines aktuellen, vorübergehenden Bedarfs an hochqualifizierten IT-Fachkräften (siehe §1 IT-ArGV). Beide Verordnungen traten am 01.08.2001 in Kraft und gelten in ihren wesentlichen Teilen bis 31.07.2008. Sie bieten die gesetzliche Grundlage, auf der für IT-Spitzenkräfte ein zeitlich begrenzter Aufenthalt in Deutschland ermöglicht wird. In der Öffentlichkeit sind die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse, die mit diesen Verordnungen verknüpft sind, unter der Bezeichnung „Green Card“ bekannt geworden (BMAS 2001a: 4).

2.3. Die IT-ArGV und die IT-AV sowie weitere rechtliche Regelungen, die die ausländischen IT-Spezialisten und ihre Familie betreffen

Personen aus anderen Staaten der Europäischen Union genießen in Deutschland absolute Freizügigkeit, das heißt, daß sie jederzeit eine Arbeit in Deutschland aufnehmen können. Für Bürger aus Nicht-EU-Staaten (sogenannte Drittländer) hingegen, ist eine Zuwanderung zu Arbeitszwecken seit dem Anwerbestopp von 1973 nur noch für besondere Tatbestände und in der Regel nur für einen befristeten

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Zeitraum möglich9 (Bericht Unabh. Kommission: 16). Dabei gelten besondere Bestimmungen für Staatsangehörige der USA, Kanadas, Israels, Australiens, Neuseelands, Japans und der Schweiz (Ochel 2000a: 9).

Um unter den Paradigma des Anwerbestopps besonderen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht werden zu können, ist das Recht des Arbeitsmarktzugangs von zahlreichen Ausnahmeregelungen durchsetzt, die in der Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (ArGV) für den Zugang vom Inland und der Anwerbestoppausnahmeverordnung (ASAV) für den Zugang vom Ausland verankert sind (Bericht Unabh. Kommission: 59).

Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt ist eine Aufenthaltsgenehmigung.

Das geltende Ausländergesetz unterscheidet vier Arten von Aufenthaltsgenehmigungen (§ 5 AuslG), die an zum Teil strenge Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft sind:

- die Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG), die grundsätzlich befristet und nicht an einen bestimmten Aufenthaltszweck gebunden ist,

- die Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG), die zeitlich und räumlich uneingeschränkt gilt,

- die Aufenthaltsbewilligung (§ 28 AuslG), die zweckgebunden und längstens zwei Jahre gültig ist, und

- die Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG), die das Bleiberecht aus humanitären und anderen Gründen gewährt.

Daneben existieren noch die Titel für Asylbewerber (Aufenthaltsgestattung) und für Bürger der Europäischen Union (Aufenthaltserlaubnis-EG). Insgesamt ist damit das Ausländergesetz unübersichtlich und überkompliziert (Bericht der Unabh.

Kommission: 276).

Für die befristete Beschäftigung neueinreisender Arbeitnehmer aus Drittstaaten ist in den meisten Fällen die Aufenthaltsbewilligung vorgesehen. Sie ist der Aufenthaltsstatus von ausländischen Auszubildenden und Studenten, Besuchern und Werkvertragsarbeitnehmern (Rittstieg 2001: 12f.). Die Aufenthaltsbewilligung gilt „nur

9 Für den Arbeitsmarktzugang von Angehörigen aus Drittstaaten gilt das Grundprinzip des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“

(Bericht Unabh. Kommission: 59).

(16)

für einen bestimmten, seiner Natur nach einen nur vorübergehenden Aufenthalt erfordernden Zweck“ (§ 28 Abs.1 AuslG). Sie ist zeitlich dem Aufenthaltszweck entsprechend befristet, wird längstens für zwei Jahre erteilt und wird längstens für zwei Jahre verlängert, „wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann“ (§ 28 Abs.2 AuslG). Die Aufenthaltsbewilligung darf nicht für einen anderen Aufenthaltszweck erneut erteilt werden, und eine Aufenthaltserlaubnis darf frühestens ein Jahr nach der Ausreise wieder beantragt werden (§ 28 Abs.3 AuslG). Fällt der Aufenthaltszweck weg, etwa die befristete Beschäftigung oder das Studium, muß der Ausländer ausreisen. So müssen viele hochqualifizierte Arbeitskräfte Deutschland wieder verlassen, obwohl sie vielleicht dringend von den Unternehmen gebraucht werden.

Die Green Card bietet eine Sonderregelung für Fachkräfte der IuK-Technologie. Sie bildet eine Ausnahme zum geltenden Anwerbestopp und eröffnet inländischen Arbeitgebern und hochqualifizierten IT-Spezialisten aus Drittländern eine ganz neue Perspektive in Hinsicht auf eine Beschäftigung in Deutschland (BDA:

Kurznachrichten 13/2000). Auch durchbricht die IT-AV die gesetzliche Systematik des AuslG, denn nun sollen Aufenthaltserlaubnisse auch für den zeitlich begrenzten Aufenthaltszweck der Beschäftigung als IT-Fachkraft erteilt werden. Eine solche Bindung ist nach dem Gesetz nur bei Aufenthaltsbewilligungen zulässig (Rittstieg 2001: 13).

Die wesentlichen Eckpunkte zur Erteilung einer Green Card sind die folgenden (vgl.

Betrieb und Wirtschaft 17/2000: 744):

- die Zulassung erstreckt sich auf maximal 20.000 ausländische IT-Fachkräfte.

Nach der Arbeitsaufnahme von zunächst 10.000 IT-Fachkräften mußte geprüft werden, ob weiterhin Bedarf bestehe10 (§ 5 IT-ArGV).

- als Fachkräfte11 gelten zum einen Personen, die über eine abgeschlossene Hochschul- oder Fachhochschulausbildung mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie verfügen, und zum anderen

10 Die Zahl von 10.000 zugesicherten Arbeitserlaubnissen wurde am 31.10.01 erreicht und der weitere Bedarf an ausländischen IT-Fachkräften durch das Bundesarbeitsministerium festgestellt (Bundesregierung: Artikel ix_61070_1276).

11 vgl. mit der Definition von Hochqualifizierten nach der OECD S.2

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Personen, die unter Umständen keinen akademischen Abschluß haben, aber deren Qualifikation auf dem IT-Gebiet durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über ein Bruttojahresgehalt von mindestens 51.000 € nachgewiesen wird12 (§ 2 IT-ArGV).

- die Arbeitserlaubnis kann für alle IT-Berufe erteilt werden, aber auch nur für diese: beispielsweise ist die Beschäftigung als System-, Internet- und Netzwerkspezialist, als Software- und Multimediaentwickler, als Programmierer, als Entwickler von Schaltkreisen und IT-Systemen oder als Fachkraft für IT- Consulting möglich (§ 3 IT-ArGV).

- Ausländer, die ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie in Deutschland absolviert haben, können nach erfolgreichem Studienabschluss ebenfalls eine Beschäftigung als IT-Fachkraft aufnehmen (§ 4 IT-ArGV).

- die Arbeitserlaubnis des ausländischen IT-Spezialisten ist auf die Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses, längstens jedoch auf fünf Jahre befristet; innerhalb dieser Zeit kann der Arbeitgeber gewechselt werden (§ 6 IT-ArGV). Die erstmalige Arbeitserlaubnis im Rahmen des IT-Fachkräfteprogramms muß innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Programms beantragt werden, also bis spätestens 31.07.2003 (BMAS 2001b: 5).

- erlaubt ist nur eine unselbständige Erwerbstätigkeit (§ 1 IT-AV). Sollte der ausländische IT-Spezialist dennoch nach der Einreise vorhaben, ein eigenes Unternehmen zu gründen, kann im Einzelfall und auf entsprechenden Antrag diese Einschränkung aufgehoben werden (BMAS 2001b: 12). Außerdem ist die Beschäftigung eines IT-Spezialisten als Leiharbeitnehmer verboten (BA 2000: 4).

Der Familiennachzug bestimmt sich nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Bestimmungen der §§ 17-22 Ausländergesetz (AuslG). Somit ist auch dem Ehepartner und den Kindern der IT-Fachkraft eine sofortige Einreise gestattet, sofern

12 Dabei muß es sich um ein verbindliches Gehaltsangebot handeln. Die Vereinbarung eines geringeren Grund-/Festgehalts plus leistungs- oder projektorientierter Zulagen oder sonstiger geldwerter Vorteile reicht nicht aus (BA 2000: 6).

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die Ehe bereits bei der Einreise bestand. Es muß lediglich nachgewiesen werden, daß der Familie eine entsprechend große Wohnung in Deutschland zur Verfügung steht (BMAS 2001b: 12f.).

Der Ehepartner des IT-Spezialisten darf nach einem Jahr Aufenthalt in Deutschland eine bezahlte Beschäftigung aufnehmen. Dann nämlich kann er eine Arbeitserlaubnis (§ 285 SGB III) beantragen. Die Arbeitserlaubnis kann uneingeschränkt gelten, oder sie kann „befristet und auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige oder Bezirke beschränkt werden“ (§ 285 Abs.5 SGB III). Die Erteilung der Arbeitserlaubnis liegt im Ermessen des Arbeitsamts und ist längstens drei Jahre gültig. Nach zwei Jahren ehelicher Lebensgemeinschaft in Deutschland hat der Ehepartner allerdings Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung (§ 286 SGB III), die unbefristet und uneingeschränkt gilt.

Die ausländischen IT-Fachkräfte müssen in der Regel vom Arbeitgeber mit Aufnahme der Beschäftigung bei der Einzugsstelle (Krankenkasse) angemeldet werden und sind gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit und in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden wie bei deutschen Arbeitnehmern jeweils zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen. IT-Fachkräfte mit einem Jahresgehalt über der Versicherungspflichtgrenze können sich einer privaten Krankenversicherung anschließen. Der Arbeitgeber ist darüber hinaus verpflichtet, den IT-Spezialisten bei einer Berufsgenossenschaft gegen Unfall zu versichern; die Beiträge zur Unfallversicherung trägt der Arbeitgeber allein (BMAS 2001b: 9f.).

Ausländische Arbeitnehmer, die aus Staaten kommen, mit denen Deutschland kein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat, können nach dem Ausscheiden aus der deutschen Versicherungspflicht und nach Ablauf einer Wartefrist von zwei Jahren die Hälfte der geleisteten Rentenversicherungsbeiträge auf Antrag erstattet bekommen. Arbeitnehmer, die mindestens fünf Jahre in Deutschland beschäftigt waren und damit die Mindestversicherungszeit für eine Altersrente (ab dem 65.

Lebensjahr) erfüllt haben, können eine Rentenzahlung in ihrem Heimatstaat erhalten.

Ausländische Arbeitnehmer aus Staaten, mit denen Deutschland Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat (z.B. Ungarn, Kroatien), können die

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Wartezeit von fünf Jahren auch durch Zusammenrechnung von Versicherungszeiten in Deutschland und in ihrem Heimatstaat erfüllen. Sie erhalten dann eine Altersrente aus den deutschen Versicherungszeiten (BMAS 2001b: 10f.).

2.4. Vermittlung der ausländischen IT-Fachkräfte

Seit dem 20.06.2000 hat die Bundesanstalt für Arbeit (BA) eine Vermittlungsbörse für IT-Fachkräfte im Internet eingerichtet13. Dort können sich interessierte IT- Spezialisten direkt mit ihren biographischen und beruflichen Daten vorstellen und ihr Know-how in verschiedenen Kategorien14 selbst bewerten (BMAS 2001b: 5).

Die Eingabe der Bewerberangebote ist nicht auf IT-Fachkräfte aus Drittländern beschränkt, da der Bedarf der deutschen IT-Unternehmen auch durch inländische oder EU-Fachkräfte gedeckt werden kann (BA 2000: 2). Die Profile werden täglich von Mitarbeitern des IT-Sonderteams der ZAV gesichtet. Diese geben gegebenenfalls den Bewerbern Hinweise zur Verbesserung von unvollständigen oder unpräzisen Einträgen. Vor allem aber garantieren sie die Aktualität der Bewerberprofile und entfernen solche, die nicht die einer IT-Fachkraft sind (Interview ZAV). Unter dem Stichwort „job4u“ befinden sich Profile von Green Card-Inhabern, die sich schon in Deutschland aufhalten, kurzfristig für ein Interview zur Verfügung stehen und an einer Beschäftigung interessiert sind (siehe Arbeitsamt online).

Für die Rekrutierung der Fachkräfte im Ausland ist grundsätzlich die private Arbeitsvermittlung zugelassen (§ 8 IT-ArGV). Bis zum 27.03.2002 mußte der Vermittler hierfür nach § 292 Abs.2 SGB III über eine besondere Erlaubnis verfügen;

inzwischen ist die Vermittlung völlig frei (BA 2002c: 3). Somit wurde mit Inkrafttreten der IT-ArGV das Vermittlungsmonopol der BA für Vermittlungen vom Ausland nach Deutschland aufgehoben15 (Interview ZAV).

13 Die Vermittlungsbörse für IT-Fachkräfte (unter www.arbeitsamt.de) beinhaltet folgende Grundfunktionen: Bewerberangebote einstellen und bearbeiten; Stellenangebote einstellen und bearbeiten; Bewerber suchen; Stellenangebote suchen. Die Darstellung erfolgt wahlweise entweder in Deutsch oder in Englisch, wobei eine Eingabe in allen Sprachen erfolgen kann (BA 2000: 2).

14 Zu den Kategorien zählen beispielsweise Programmiersprachen und Scripts, Betriebssysteme, Netze/Schnittstellen/

Protokolle, Datenbanken, Systemprogrammierung und –beratung, sowie Rechnerwelten (BMAS 2001a: 5).

15 Das Vermittlungsmonopol der BA innerhalb Deutschlands war bereits 1994 aufgehoben worden (Keller 1997: 447).

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Ebenfalls bis zum 27.03.2002 durften Unternehmen eine eigene Anwerbung (beispielsweise durch Inserate) in den Herkunftsländern nur dann durchführen, wenn sie dafür nach § 302 SGB III die Zustimmung des Arbeitsamts erhalten hatten. Diese konnte nur erteilt werden, wenn „sich unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer und der Interessen der deutschen Wirtschaft keine nachteiligen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt“ ergaben (§ 302 Abs.2 SGB III).

Mittlerweile ist diese Zustimmung zur Anwerbung der IT-Fachkräfte nicht mehr erforderlich (BA 2002c: 3).

Arbeitgeber können die ausgeschriebenen Stellen selbstverständlich unabhängig von der Online-Börse der BA über das Internet anbieten und nach Bewerbern suchen.

Dafür mußte bis 27.03.2002 allerdings das Stellenangebot offen gestaltet sein und sich nicht gezielt an Bewerber aus Drittstaaten richten; inzwischen ist diese Einschränkung weggefallen und das Stellenangebot kann frei formuliert werden (BA 2002c: 3).

Seit dem 25.01.2001 haben die Unternehmen die Möglichkeit, das in der Online- Börse der BA angegebene Profil der Green Card-Bewerber durch die Internationale Organisation für Migration (IOM) überprüfen zu lassen. Dieser Service erspart den Unternehmen hohen Zeit- und Kostenaufwand und vor allem Fehlentscheidungen bei der Suche nach geeigneten IT-Experten. Dies ist besonders für kleine und mittlere Unternehmen wichtig, da diese nicht über weltweite Niederlassungen verfügen. Die Länderbüros der IOM bieten folgende Dienstleistungen gegen Entgelt an:

Überprüfung der Abschlüsse der IT-Spezialisten und deren Übersetzung, Durchführung von Sprachtests, Organisation von Einstellungsgesprächen in den Herkunftsländern und Unterstützung bei der Einreise nach Deutschland. Allerdings werden nicht alle Dienstleistungen von allen Länderbüros angeboten (Arbeitsamt online).

Die deutschen Auslandshandelskammern helfen ebenfalls bei der Suche und Anwerbung von ausländischen IT-Experten. Mit ihrem Landeswissen übernehmen sie zum Beispiel die Vorauswahl der Kandidaten, beurteilen Zeugnisse und Angaben zum beruflichen Werdegang sowie die generelle Eignung für einen Aufenthalt in Deutschland (DIHK-Pressemitteilung 25.9.). Spezielle Technologie-Experten des

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Deutschen Industrie- und Handelstages, sogenannte Technology Area Manager, stehen in den für Softwareentwicklung besonders interessanten Ländern Indien, Süd- Korea, China, Mexiko und Argentinien als Ansprechpartner für mittelständische deutsche Unternehmen zur Verfügung, um sie bei der Suche geeigneter IT- Fachkräfte zu unterstützen (DIHK-Pressemitteilung 15.3.).

2.5. Die Erteilung der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis

Zwei Institutionen sind von dem Verfahren für die Zulassung ausländischer IT- Fachkräfte in besonderem Maße betroffen. Es handelt sich zum einen um das Arbeitsamt, das die Arbeitserlaubnis nach der IT-ArGV erteilt, zum anderen um die Ausländerbehörde, die über die Aufenthaltserlaubnis nach der IT-AV entscheidet.

Die Arbeitserlaubnis

Bevor die ausländische IT-Fachkraft ihre Arbeit in Deutschland aufnehmen kann, benötigt sie eine Arbeitserlaubnis (§ 285 SGB III) oder alternativ die Zusicherung dieser Arbeitserlaubnis. Die schriftliche Zusicherung der Arbeitserlaubnis ersetzt die endgültige Arbeitserlaubnis für die Dauer von drei Monaten. Spätestens drei Monate nach der Einreise muß die ausländische IT-Fachkraft dann beim örtlichen Arbeitsamt eine Arbeitserlaubnis beantragen (BMAS 2001b: 7).

In der Regel stellt erst einmal der künftige Arbeitgeber im Namen der ausländischen IT-Fachkraft bei dem örtlichen Arbeitsamt einen Antrag auf Zusicherung der Arbeitserlaubnis. Dabei muß lediglich nachgewiesen werden, daß die gewünschte Fachkraft über einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluß mit Schwerpunkt Informations- und Kommunikationstechnologie verfügt. Die Zeugnisse sollten dabei dem Arbeitsamt in deutscher, zumindest aber in englischer Sprache vorgelegt werden, da dies das Verfahren beschleunigt. Alternativ reicht eine Gehaltszusage des Arbeitgebers über ein Bruttojahresgehalt von mindestens 51.000 € (BMAS 2001b: 6f.). Darüber hinaus benötigt das Arbeitsamt eine Beschreibung der zu besetzenden Stelle inklusiv der Arbeitsbedingungen, falls die Stelle noch nicht gemeldet war (BMAS 2001b: 17).

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Das Arbeitsamt entscheidet in der Regel innerhalb von zwei Arbeitstagen, spätestens aber innerhalb einer Frist von einer Woche über die Zusicherung der Arbeitserlaubnis, wenn die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen vorliegen (§ 7 IT-ArGV). Hierbei prüft das Arbeitsamt zügig, ob der Kräftebedarf nicht durch eine inländische oder eine EU-Fachkraft gedeckt werden kann (individuelle Vorrangprüfung16), ob die Qualifikation der IT-Fachkraft ausreicht und ob der Arbeitgeber keine ungünstigeren Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen anbietet als für vergleichbare hochqualifizierte deutsche Fachkräfte (Verhinderung von sog. Dumping) (BMAS 2001b: 7). Wenn ein Unternehmen in Westdeutschland mehr als 39.600 € oder ein Unternehmen in Ostdeutschland mehr als 32.700 € Jahresgehalt garantiert (Erreichung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung), entfällt die Prüfung, ob das Gehalt den tariflichen bzw.

ortsüblichen Bedingungen entspricht. Die Erteilung einer Arbeitserlaubnis wird abgelehnt, wenn eben genannte Voraussetzungen nicht erfüllt sind (BA 2002c: 7).

Für die Beantragung der endgültigen Arbeitserlaubnis werden wiederum der schriftliche Arbeitsvertrag sowie das Einreisevisum17 der IT-Fachkraft benötigt (BMAS 2001b: 8). Die Arbeitserlaubnis wird ab dem Datum des Beschäftigungsbeginns ausgestellt. Sie wird auf die Dauer der Beschäftigung, längstens auf fünf Jahre, befristet. Wird das ursprünglich auf eine kürzere Zeit als fünf Jahre abgeschlossene Arbeitsverhältnis verlängert, muß auch eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis beantragt werden. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis wechselt, weil für jeden Arbeitgeber jeweils eine gesonderte Arbeitsgenehmigung erforderlich ist (Gaul/ Lunk 2000: 1282).

16 Die individuelle Vorrangprüfung versucht zu ermitteln, ob für einen bestimmten Arbeitsplatz ein bevorrechtigter Bewerber zur Verfügung steht. Bevorrechtigt sind Deutsche, EU-Bürger, EWR-Angehörige, Angehörige asoziierter Staaten, ausländische Arbeitnehmer mit Arbeitsberechtigung und Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung in Deutschland. Die individuelle Vorrangprüfung ist in der Regel bürokratisch und zeitaufwändig, läßt sich aber von dem Arbeitgeber insofern beeinflussen, daß er die Qualifikationsanforderungen auf den gewünschten Zuwanderer derart

„zuschneidern“ kann, daß keine bevorrechtigte Arbeitskraft in Betracht kommt (Bericht Unabh. Kommission: 61; 102f.).

Allerdings muß der Arbeitgeber, wenn er Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamts ablehnt, dies auch begründen (Interview BA).

17 Das Visum wird von der ausländischen IT-Fachkraft vor seiner Einreise bei der zuständigen deutschen Botschaft oder beim entsprechenden Konsulat beantragt. IT-Spezialisten, die neu nach Deutschland einreisen, müssen lediglich die schriftliche Zusicherung der Arbeitserlaubnis bei der Botschaft bzw. dem Konsulat vorlegen; dann wird das Visum in der Regel innerhalb weniger Tage erteilt (BA 2002c: 9).

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Die Aufenthaltserlaubnis

Ausländer, die in Deutschland arbeiten wollen, müssen sich hier legal aufhalten und bedürfen daher einer Aufenthaltserlaubnis. Diese muß die ausländische IT-Fachkraft nach der Einreise bei der örtlichen Ausländerbehörde beantragen. Dazu sind das Einreisevisum und der Arbeitsvertrag erforderlich (BMAS 2001b: 8). Die Ausländerbehörde hat bei Vorliegen der Zusicherung der Arbeitserlaubnis unverzüglich eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, es sei denn, daß Regelversagungsgründe des Ausländergesetzes vorliegen. So soll gewährleistet werden, daß keine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland bei einem Aufenthalt der IT-Fachkraft entstehen. Davon ist auszugehen, wenn die IT-Fachkraft nach den Intentionen der IT-ArGV einreist. Die Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe der IT-AV wird bei Erteilung auf die Dauer der Beschäftigung, längstens auf drei Jahre, befristet. Sie kann auf bis zu fünf Jahre verlängert werden (§ 1 Abs.1 IT-AV) (Gaul/ Lunk 2000: 1282).

Die Blue Card

Nach der Initiative des Bundeskanzlers setzte die CSU mit der sogenannten Blue Card nach. Sie wurde zunächst in Bayern, später auch in Hessen und Niedersachsen lanciert (Treibel 2001: 113; 120). Es handelt sich dabei um die Verwaltungs- anweisung der obersten Landesbehörden an die Ausländerämter, eine pauschale Zustimmung zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung für hochqualifizierte Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie zu leisten. So soll sichergestellt werden, daß die ausländischen IT-Spezialisten, die vom Arbeitsamt bereits eine Arbeitserlaubnis erhalten haben, rasch eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, und zwar ohne daß eine weitere Prüfung des öffentlichen Interesses erfolgt (Bericht Unabh. Kommission: 63f.; IT-Business News 12/2000: 11). Dabei wird das Aufenthaltsrecht direkt mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft: wenn der Green Card-Inhaber arbeitslos wird und innerhalb von drei Monaten keine neue Arbeitsstelle findet, muß er Deutschland verlassen. Die Blue Card ist damit nichts anderes als eine Green Card nach konservativem Entwurf, die den Zuzug ausländischer Fachkräfte zwar etwas vereinfacht, aber es andererseits auch schnell ermöglicht, die

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deutschen Grenzen wieder zu verschließen (vgl. Die Welt v. 07.03.01; Greifenstein 2001: 41).

2.6. Abgrenzung von der amerikanischen Green Card

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind das Herkunftsland des Begriffs „Green Card“: das entsprechende Dokument war nämlich früher in grüner Farbe. Die amerikanische Definition der Green Card ist aber eine ganz andere als die, die mit der deutschen Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für IT-Fachkräfte verbunden ist. In der Tat gibt nämlich die amerikanische Green Card Nicht-Amerikanern das Recht, auf Dauer in den Vereinigten Staaten von Amerika zu leben und zu arbeiten. Eine amerikanische Green Card erhält, wer entweder einen Amerikaner heiratet, dort Verwandte hat, einen Arbeitgeber als Fürsprecher vorweist oder in der Green-Card- Lotterie gewinnt. Mit der Green Card ist der sogenannte Immigranten Status verknüpft, der es dem Zuwanderer ermöglicht, nach fünf Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft zu beantragen (vgl. Martin/ Werner 2000b: 10; Iwd Nr.37/2000).

2.7. Zusammenfassung

Zu Beginn des Jahres 2000 wurde ein erheblicher Fachkräftemangel in der deutschen IT-Branche festgestellt, der die gesamte wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik bedrohte. Um diesen Fachkräftemangel schnellstens zu beseitigen, lancierten die Bundesregierung und die IuK-Wirtschaft ein Sofortprogramm, das die Ausbildungs-, Umschulungs-, Weiterbildungs- und Studienangebote im IT-Bereich maßgeblich erhöhen soll. Ebenfalls wurde trotz geltendem Anwerbestopp die Einreise hochqualifizierter IT-Fachkräfte aus Drittstaaten erlaubt. Die gesetzliche Grundlage hierfür bilden die am 01.08.2000 in Kraft getretenen IT-ArGV und IT-AV.

Sie ermöglichen die Erteilung einer auf maximal fünf Jahre befristeten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis an bis zu 20.000 ausländische IT-Spezialisten. Dies wurde in der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung „Green Card“ bekannt, obwohl keinerlei Ähnlichkeit mit der amerikanischen Green Card vorhanden ist. Zur Rekrutierung der ausländischen IT-Spezialisten richtete die BA eine Vermittlungsbörse im Internet ein und die private Arbeitsvermittlung bzw. Anwerbung durch die Unternehmen im Ausland wurden erlaubt. Die Bedingungen für die Erteilung der Arbeits- und

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Aufenthaltserlaubnis wurden für die ausländischen IT-Fachkräfte vereinfacht, so daß einmal angeworbene Fachkräfte schnellstens ihre Arbeit aufnehmen können.

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KAPITEL 3: Die Green Card im Kontext des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe

Wissen ist heute wie früher der entscheidende Faktor des wirtschaftlichen Fortschritts. Jedoch erneuert und vermehrt es sich immer schneller und ist dank des Internets weltweit verfügbar. Zugleich wird die Halbwertszeit des Wissens immer kürzer (BDA: AG Nr.5/2001). Die volkswirtschaftliche Bedeutung der „wissens- produzierenden“ Wirtschaftszweige nimmt zu, weil diese den traditionellen Branchen in Wachstum, Kapitalisierung und Exportfähigkeit weit voraus sind. Mehr als die Hälfte des Sozialprodukts in den größeren OECD-Ländern ist mittlerweile wissensbasiert (Bericht Unabh. Kommission: 11; 25). Dadurch hat sich eine strukturelle Änderung der Arbeitskräftenachfrage hin zu steigenden Qualifikationsanforderungen ergeben. Die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften wird damit zunehmend zum strategischen Wettbewerbsvorteil in den wissensbasierten Volkswirtschaften des 21. Jahrhunderts (Straubhaar 2001: 221).

Zuwanderung hilft, die Anpassungsprozesse an den immer rascheren Strukturwandel zu unterstützen. Zuwanderung vergrößert den Pool an Arbeitskräften, erhöht so das verfügbare Humankapital, wodurch die Kapitalrentabilität steigt und schließlich das wirtschaftliche Wachstum stimuliert wird. Diese positiven Effekte sind bei höher qualifizierten Zuwanderern besonders deutlich (Straubhaar 2002: 56ff.).

Da hochqualifizierte Arbeitskräfte knapp sind und zudem in verschiedenen Ländern gleichzeitig gebraucht werden, ist es nicht verwunderlich, daß ein weltweiter Wettbewerb um die besten Köpfe entstanden ist. Dieser wird zusätzlich dadurch verschärft, daß die Hochqualifizierten eine gestiegene Mobilitätsbereitschaft vorweisen und sich ihrer Marktchancen bewußt sind (Bericht Unabh. Kommission:

26; Hönekopp et al. 2001: 22). Insbesondere in der IT-Branche hat sich die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften derart schnell erhöht, daß es für die Unternehmen weltweit zunehmend schwer ist, geeignete Fachkräfte zu finden (Coppel et al. 2001: 18).

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3.1. Bestimmungen zur arbeitsmarktbedingten Zuwanderung im internationalen Vergleich

Die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte ist der beste Beleg für die Konkurrenzfähigkeit eines Aufnahmelandes gegenüber anderen Wirtschafts- standorten (Straubhaar 2002: 56). Sie zeigt die relative Attraktivität eines Landes im Wettbewerb um mobile Produktionsfaktoren (Martin/ Werner 2000a: 4).

Viele OECD-Länder haben auf Druck des Fachkräftemangels ihre gesetzlichen Regelungen zur Zuwanderung abgeändert, um hochqualifizierten Ausländern eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen (siehe Coppel et. al. 2001: 18). Deutschland ist mit der Green Card für IT-Fachkräfte dem allgemeinen Trend in den entwickelten Industrieländern gefolgt.

In vielen hochentwickelten Ländern wird die Einwanderungspolitik immer stärker von einer qualifikationsorientierten Selektion der Immigranten geprägt (selektive Immigrationspolitik). Dadurch wird es möglich, manche Einwanderertypen auszuschließen, während anderen Personen die Zuwanderung erlaubt ist (Glebe/

White 2001: 39; Salt 2000: 11). Insbesondere werden der Arbeitsaufnahme von hochqualifizierten Managern und Technikern internationaler Konzerne, von Wissenschaftlern und Dozenten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie von Mitarbeitern internationaler Regierungs- und Nichtregierungs- organisationen kaum Begrenzungen gesetzt (Angenendt 2000: 36).

Welche Regeln für den Zuzug hochqualifizierter Arbeitskräfte gelten, ist von Land zu Land unterschiedlich. Grundsätzlich aber handelt es sich immer um befristete Zuzüge, und die Tätigkeit, die der Zuwanderer ausüben soll, wird festgelegt. Die Spannweite hinsichtlich der weiteren Bestimmungen ist die folgende:

- Aufenthaltsdauer: einige Monate bis fünf Jahre

- Überführung in dauerhaften Aufenthalt: nicht möglich bzw. möglich - Familiennachzug: nicht gestattet bzw. möglich

- Begrenzung der Zuwanderungszahlen: keine Begrenzung bzw. jährliche Einwanderungsquoten

(vgl. Ochel 2000a: 9).

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Um die Zuwanderung zu steuern, stehen den Regierungen folgende Möglichkeiten zur Verfügung: eine allgemeine Kontingentierung mit oder ohne Losverfahren, eine Kontingentierung die nach bestimmten Merkmalsausprägungen differenziert oder ein Punktesystem (siehe Mester 2000: 219ff.).

Die Kontingentierung bezeichnet die zahlenmäßige Beschränkung der Zuwanderer, die im politischen Prozeß festgelegt wird. Bei der first-come-first-serve-Regelung (auch Windhundverfahren genannt) erfolgt die Einreise der Migrationswilligen in der Reihenfolge des Datums der Antragsstellung bis zur zugelassenen Höchstzahl.

Genau diesem Prinzip folgt die deutsche Green Card für IT-Fachkräfte. Bei Anwendung des Losverfahrens wird innerhalb eines Zeitabschnitts aus dem bestehenden Pool von Einwanderungswilligen die Anzahl von Personen ausgelost, die zur Erfüllung des Kontingentes nötig ist.

Innerhalb der Kontingente können wiederum einzelne Quoten für bestimmte Merkmalsausprägungen ausgewiesen werden. Dies führt zu einer Selektion der Zuwanderer nach qualitativen Merkmalen. So vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit, daß ein Migrationswilliger zur Einwanderung in das Zielland zugelassen wird, wenn er beispielsweise eine bestimmte Staatsangehörigkeit besitzt, einer spezifischen Berufsgruppe angehört oder jung und gut ausgebildet ist.

Punktesysteme schließlich ermöglichen eine Auswahl nach mehreren Merkmalsausprägungen und gewichten dabei die Merkmale untereinander, so daß die Möglichkeit besteht, daß „gute“ Merkmalsausprägungen „schlechte“

Ausprägungen ausgleichen. Die Erfahrungen der Länder, die das Punktesystem anwenden, zeigen, daß für die Erreichung langfristiger Einwanderungsziele eine hohe formale Qualifikation der Einwanderer, gute Sprachkenntnisse, ein geringes Alter und der Erwerb beruflicher Kenntnisse in einem technologisch modernen Umfeld die wichtigsten Voraussetzungen bilden (Ochel 2000b: 32ff.).

Der Vollständigkeit halber muß noch das Auktionsmodell erwähnt werden, das von Wissenschaftlern zwar mehrfach empfohlen worden ist, aber in der Praxis noch nie umgesetzt wurde. Bei diesem Verfahren würden die Arbeitserlaubnisse an die Unternehmen versteigert werden (Meyer 2000: 121).

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Das H-1B-Programm der USA

Das sogenannnte H-1B-Programm für hochqualifizierte Arbeitskräfte gibt es in den USA seit dem Immigration Act von 1990. Auf dessen Grundlage wird eine auf drei Jahre befristete Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Hochqualifizierte erteilt, die gegebenenfalls um drei Jahre verlängert werden kann (d.h. es sind maximal sechs Jahre Aufenthalt möglich). Voraussetzung ist, daß der Bewerber ein „bachelor degree“18 hat, und daß das einstellende Unternehmen den üblichen Lohn zahlt. Auch wird die Arbeitsmarktsituation überprüft, und das einstellende Unternehmen muß eine Gebühr entrichten, die dazu dient, die Fortbildung der Einheimischen zu unterstützen (Guellec/Cervantes 2002: 83). Familienangehörige der H-1B- Zuwanderer können in die Vereinigten Staaten mitkommen, erhalten jedoch keine Arbeitserlaubnis. Der Zuwanderer kann seine befristete Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis bei Unterstützung durch einen Arbeitgeber in eine Green Card und damit in eine Daueraufenthaltserlaubnis umwandeln (Martin/ Werner 2000a: 2f.).

Wieviele Personen durch das H-1B-Programm zugelassen werden, wird über jährliche Einwanderungsquoten kontingentiert. Anfangs war aufgrund der Bedenken der Gewerkschaften die Anzahl der jährlichen Zulassungen auf 65.000 Personen beschränkt; diese Zahl wurde aber wegen der wachsenden Arbeitskräfteknappheit in den High-Tech-Branchen 1999 auf 115.000 aufgestockt. Als sich im Verlauf des Jahres 2000 die Engpässe am Arbeitsmarkt weiter dramatisch verschärften, hat die amerikanische Regierung im Herbst 2000 das Einwanderungskontingent für Fachkräfte nochmals massiv ausgeweitet, nämlich auf 600.000 Personen für die folgenden drei Jahre, sprich 200.000 Personen pro Jahr (Welsch 2000: 1477).

Ungefähr 60% der H-1B-Visa betreffen die Hochtechnologie. Damit liefern sie einen erheblichen Teil der High-Tech-Beschäftigten19 der USA. Interessant ist, daß die Verteilung der H-1B-Visa auf die verschiedenen Nationalitäten extrem ungleichmäßig ist. 1999 gingen etwa 50% der H-1B-Visa an Inder, wobei die meisten von nur drei Hochschulen kommen, die nach amerikanischen Methoden ausbilden. 9% der H-1B- Visa gingen an Chinesen, und der Rest verteilte sich auf die unterschiedlichsten

18 Ein bachelor degree setzt normalerweise drei Jahre Hochschulstudium voraus (Martin/ Werner 2000a: 2).

19 1998 waren 4,8 Millionen Menschen in den High-Tech-Industrien beschäftigt; davon war jeder sechste ein Immigrant (Martin/

Werner 2000a: 2; De Guellec/ Cervantes 2002: 86).

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Nationalitäten, wobei jede weniger als 3% ausmachte (Guellec/ Cervantes 2002: 74;

Martin/ Werner 2000a: 2).

3.2. Zusammenfassung

Die Verfügbarkeit von Wissen und von Arbeitskräften mit einem hohen Qualifikationsniveau ist für moderne Volkswirtschaften von strategischer Bedeutung.

Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind aber knapp und zudem international mobil. Viele Industriestaaten haben deshalb Regelungen angenommen, die es ihnen ermöglichen, den Zuzug von hochqualifizierten Arbeitskräften zu vereinfachen. Das H-1B-Programm der USA und die deutsche Green Card sind Beispiele hierfür.

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KAPITEL 4: Migrationstheoretische Überlegungen zur Green Card

4.1. Einleitung

In diesem Kapitel finden verschiedene Überlegungen zur Attraktivität der Green Card für ausländische IT-Fachkräfte statt. Die Migrationstheorien bieten hierfür ein aussagekräftiges Werkzeug: aus ihnen können nämlich Hypothesen abgeleitet werden, die in Kapitel 5 einer ersten empirischen Prüfung unterzogen werden. Dabei soll ermittelt werden, inwiefern es Deutschland gelingt, mit der Green Card-Regelung ausländische IT-Fachkräfte anzuziehen, bzw. wo mögliche Mängel dieser Regelung bestehen. Da sich die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte befindet (vgl. Kapitel 3), ist es von herausragender Bedeutung zu klären, ob erstens Deutschland generell für hochqualifizierte Migranten attraktiv ist und zweitens, ob die Green Card ein gutes Instrument ist, um die gewünschten Fachkräfte anzuziehen. Es ist nämlich durchaus möglich, daß die Nachfrage der deutschen IT-Wirtschaft nach hochqualifizierten ausländischen IT- Fachkräften auf kein entsprechendes Angebot trifft. Vielleicht lohnt es sich aus Sicht eines ausländischen, migrationswilligen IT-Spezialisten mehr, in ein anderes Land als nach Deutschland zu gehen. Immerhin jeder vierte Green Card-Inhaber (24,9%) hatte sich neben Deutschland auch in einem anderen Land beworben (Wimmex 2001: 100).

Migrationstheorien gibt es viele. Sie gehen zum Teil von unterschiedlichen Annahmen aus und beleuchten jeweils andere Aspekte der Migration. Manche setzen auf der Makroebene, andere auf der Mikro- oder Mesoebene an. In Anbetracht des Untersuchungszwecks dieser Diplomarbeit scheiden die Theorien der Makroebene aus der Betrachtung aus: ihr Aggregationsniveau ist zu hoch, um die Entscheidung einer ausländischen IT-Fachkraft für Deutschland nachzuvollziehen.

Abgesehen von eben erwähnter Klassifikation der Migrationstheorien nach Ebenen, ist eine weitere Systematisierung schwierig. Einen exzellenten Überblick geben aber Massey et al. (1993) sowie Haug (2000). In dieser Diplomarbeit sollen nur diejenigen Migrationstheorien bzw. Ansätze aus der Migrationsforschung betrachtet werden, die Hinweise darüber geben könnten, warum die deutsche Green Card im

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internationalen Vergleich für eine ausländische Fachkraft attraktiv oder eben unattraktiv ist.

4.2. Die Humankapitaltheorie

Die Humankapitaltheorie ist eine Weiterentwicklung der neoklassischen Mikroökonomie. Die neoklassische Mikroökonomie geht grundsätzlich davon aus, daß Individuen rationale Entscheidungen treffen, um ihren ökonomischen Nutzen zu maximieren. Dabei werden bei Migrationsentscheidungen vor allem die Lohnhöhe und die Beschäftigungschancen berücksichtigt. Die Humankapitaltheorie berücksichtigt die Heterogenität der Individuen. Sie führt zu der Erkenntnis, daß jedes Individuum in Abhängigkeit von seinen Charakteristika die Erträge und Kosten einer Migration unterschiedlich bewerten wird. Dabei ist Migration als eine Investition in Humankapital zu sehen, dessen Erträge im Erwerbsverlauf auch in der Form langfristiger oder zukünftiger Einkommenssteigerungen erwartet werden können (Haug 2000: 5; Zimmermann et al. 2002: 11).

Die Humankapitaltheorie geht davon aus, daß Individuen die Kosten und Erträge des Lebens an verschiedenen Orten berechnen können20. Der Einzelne entscheidet sich dann für den Ort, wo seine bisherigen Humankapitalinvestitionen für ihn den größten Nutzen stiften bzw. wo er Humankapital mit späterem Nutzen akquirieren kann21 (vgl.

Molho 1986: 398f.). Gerade für hochqualifizierte Arbeitskräfte bietet die Globalisierung die Möglichkeit, weltweit nach dem Arbeitsort Ausschau zu halten, an dem ihre Investitionen in Humankapital die höchsten Erträge abwerfen werden (Straubhaar/ Wolter 1997: 174), bzw. wo sie für sie besonders interessantes Humankapital erwerben können.

Die Kosten der Migration beinhalten neben den reinen Reise- und Umzugskosten vor allem das Erlernen einer neuen Sprache, die Schwierigkeiten des Einlebens in ein neues Umfeld und in eine neue Kultur sowie die psychologischen Kosten der Trennung von Familie und Bekannten (Massey et al. 1993: 434). Je nach Individuum

20 Zur genauen Berechnung der Kosten und Erträge der Migration siehe Molho 1986: 398.

21 Da so gut wie nie alle relevanten Informationen verfügbar sind, um exakte Berechnungen zu tätigen, zieht der Einzelne nur wenige Alternativen und Faktoren in Betracht und wählt dann die Alternative aus, die für ihn am zufriedenstellsten ist (Siebert 1993: 230)

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und seinen Merkmalen (z.B. sein Risikoverhalten) fallen diese Kosten mehr oder weniger hoch aus (Münz et al. 1999: 26).

Einen wesentlichen Einfluß auf die Erträge des Migranten spielt der Grad der Transferierbarkeit des im Herkunftsland akkumulierten Humankapitals. Das Ausmaß, in dem sich die im Herkunftsland erworbenen Fähigkeiten im Zielland umsetzen lassen, hängt von der Ähnlichkeit zwischen dem Herkunfts- und dem Zielland ab.

„Ähnlichkeit“ bezieht sich hierbei nicht nur auf die Wirtschafts- und Produktionsstruktur, sondern umfaßt auch den Grad der geographischen, sprachlichen und kulturellen Nähe zwischen dem Herkunftsland und dem Zielland (Golder 1999: 74ff.).

Demnach werden sich eher Menschen aus Ländern, die Deutschland kulturell ähnlich sind, oder Menschen, die die deutsche Sprache bereits gelernt haben, für eine Zuwanderung nach Deutschland interessieren. Dies dürfte bei Angehörigen der osteuropäischen Staaten vermehrt der Fall sein, da eine kulturelle Nähe zu Deutschland vorliegt, und die deutsche Sprache verbreitet ist. Auch besitzt Deutschland für Menschen aus dem osteuropäischen Rekrutierungsraum den Vorteil räumlicher Nähe, wodurch die Kosten der Migration (u.a. die Trennung von Familien und Freunden) weniger hoch ausfallen als im Falle einer beruflichen Veränderung in Richtung USA oder Kanada. Personen hingegen, die im Rahmen ihrer Ausbildung die englische Sprache vermittelt bekommen haben, wie es z.B. bei den besser Ausgebildeten in Indien der Fall ist, werden eher weniger Interesse an Deutschland zeigen und eher in englischsprachige Länder gehen (Martin/ Werner 2000a: 4).

Der Zuwanderer muß entscheiden, inwiefern er in ziellandspezifisches Humankapital investiert. Zum ziellandspezifischen Humankapital gehören beispielsweise Sprachkenntnisse oder die Vertrautheit mit den Eigenheiten lokaler Märkte. Der Aufbau dieser Art von Humankapital ist wichtig für die Produktivität und Integrationsfähigkeit des Zuwanderers (Dustmann 2000: 13). Ziellandspezifisches Humankapital kann der Zuwanderer bereits im Herkunftsland erworben haben, z.B.

indem er einen entsprechenden Sprachkurs besucht hat. Er kann es sich aber auch erst im Rahmen der Tätigkeit und Weiterbildung im Zielland aneignen. Der Arbeitgeber wird seinerseits darauf achten, daß der Zuwanderer ziellandspezifisches

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Humankapital aufbaut und ihn zu entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen schicken, da er die volle Produktivität des Zuwanderers ausschöpfen will22.

Der Zeithorizont über den sich die Kosten und Erträge der Migration erstrecken, wird ebenfalls in die Überlegungen des Individuums mit einbezogen (Molho 1986: 399).

Eine längere antizipierte Verweildauer im Zielland vergrößert die Anreize, in ziellandspezifisches Humankapital zu investieren, da sich die sogenannte „pay-off“

Periode (Zeit, die das Individuum auf dem Arbeitsmarkt des Ziellands nach Tätigung der Investition verbringt) verlängert. Das Investitionsverhalten des Migranten hängt also maßgeblich davon ab, ob es sich um dauerhafte oder befristete Zuwanderung handelt, und wenn die Zuwanderung befristet ist, wie lange ihre Dauer ist (Golder 1999: 76ff.). Generell bieten befristete Arbeitsverträge für Zuwanderer wenig Anreize, in ziellandspezifisches Humankapital zu investieren, was sich folglich auch negativ auf die Arbeitsmarktperformance und Integrationsfähigkeit auswirkt23 (Dustmann 2000: 14). Auch das Investitionsverhalten des Arbeitgebers in das Humankapital des Zuwanderers variiert mit der Dauer des Arbeitsvertrages. Grundsätzlich wird er schon investieren wollen, um die Produktivität des Zuwanderers zu steigern. Je kürzer aber die Befristung des Arbeitsvertrags, desto niedriger wird er seine Einarbeitungs- und Weiterbildungskosten halten (Werner 1996: 41), da ansonsten für ihn „sunk costs“

entstehen (Einarbeitungs- und Weiterbildungskosten, die bei der Beendung des Arbeitsverhältnisses noch nicht amortisiert worden sind (vgl. Keller 1997: 334)).

An dieser Stelle muß daran erinnert werden, daß die Arbeitserlaubnis, die an ausländische IT-Spezialisten in Deutschland erteilt werden kann, auf maximal fünf Jahre befristet ist (siehe S. 11). Diese Tatsache werden die potentiellen Zuwanderer aus der IT-Branche bei ihrer Entscheidung, nach Deutschland oder in ein anderes Land zu gehen, berücksichtigen. Dies spielt ebenfalls bei ihren Überlegungen bezüglich Humankapitalinvestitionen und bei denen ihres Arbeitgebers eine Rolle.

22 Insgesamt wird der Erwerb von ziellandspezifischem Humankapital weder im Herkunfts- noch im Zielland in großem Umfang über das öffentliche Bildungssystem stattfinden, da durch die Globalisierung und die damit verbundene erhöhte Mobilität der Individuen immer geringere Anreize für Regierungen bestehen, das öffentliche Bildungssystem zu subventionieren (Andersson/

Konrad 2001).

23 Bestehen aber wiederum zwischen dem Ein- und Auswanderungsland große Ähnlichkeiten, dann verstärken sich selbst bei einer Befristung des Arbeitsvertrags die Anreize für den Zuwanderer, in ziellandspezifisches Humankapital zu investieren, da diese Investitionen auch bei der Rückwanderung Erträge abwerfen werden, bzw. der Migrant daraus bei seiner Rückkehr ins Heimatland einen Nutzen ziehen kann.

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