• Keine Ergebnisse gefunden

KAPITEL 6: Beurteilung des Ausmaßes der Zuwanderung ausländischer IT-Fachkräfte

6.1. Ausmaß der Zuwanderung der ausländischen IT-Fachkräfte

Zum Stichtag 31.07.2002 waren 12.478 Arbeitserlaubnisse an ausländische IT-Fachkräfte zugesichert worden (BA 2002a).

In nachfolgender Tabelle ist die Zahl der zugesicherten Arbeitserlaubnisse in 2-Monats-Abständen zusammengefaßt. Die letzte Spalte macht deutlich, wie viele Arbeitserlaubnisse im Vergleich zum vorigen Stichtag neu zugesichert worden sind.

zugesicherte Arbeitserlaubnisse

Veränderung gegenüber vorigem Stichtag

bis 29.09.2000 2140 + 2140

bis 24.11.2000 3442 + 1302

bis 26.01.2001 4996 + 1554

bis 30.03.2001 6397 + 1401

bis 25.05.2001 7484 + 1087

bis 27.07.2001 8668 + 1184

bis 28.09.2001 9659 + 991

bis 30.11.2001 10.415 + 756

bis 31.01.2002 10.994 + 579

bis 31.03.2002 11.497 + 503

bis 31.05.2002 11.984 + 487

bis 31.07.2002 12.478 + 494

Quelle: BA 2002a, Stand 31.07.2002

Abb. 10: Zugesicherte Arbeitserlaubnisse im zeitlichen Verlauf

Es lassen sich deutlich mehrere Phasen unterscheiden. Während gleich in der ersten Woche nach Inkrafttreten der IT-ArGV und IT-AV etwa 400 Arbeitserlaubnisse zugesichert worden sind, hat sich ein Durchschnitt von etwa 200 Zusicherungen pro Woche bis Mitte 2001 herauskristallisiert. Bis Ende des Jahres 2001 wurden in etwa

100 Arbeitserlaubnisse pro Woche zugesichert. Seitdem werden nur noch ca. 250 Arbeitserlaubnisse monatlich zugesichert (vgl. BA 2002a).

Die bis zum 31.07.2002 zugesicherten Arbeitserlaubnisse verteilen sich folgendermaßen auf die 16 Bundesländer:

Bundesland zugesicherte

Arbeitserlaubnisse

Anteil

Baden-Württemberg 2437 19,5%

Bayern 3340 26,8%

Berlin 375 3,0%

Brandenburg 62 0,5%

Bremen 32 0,3%

Hamburg 370 3,0%

Hessen 2867 23,0%

Mecklenburg-Vorpommern 20 0,2%

Niedersachsen 179 1,4%

Nordrhein-Westfalen 1924 15,4%

Rheinland-Pfalz 259 2,1%

Sachsen 314 2,5%

Sachsen-Anhalt 17 0,1%

Saarland 117 0,9%

Schleswig-Holstein 113 0,9%

Thüringen 52 0,4%

Quelle: BA 2002a, Stand 31.07.2002

Abb. 11: Zugesicherte Arbeitserlaubnisse nach Bundesländern

Knapp 70% aller Green Card-Inhaber werden in drei Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern und Hessen) beschäftigt. Sie konzentrieren sich außerdem auf wenige Städte. So arbeiten über ein Drittel aller Green Card-Inhaber entweder in München oder in Frankfurt am Main (Bundesregierung: Bericht ix_73914).

Faßt man die zugesicherten Arbeitserlaubnisse nach westlichen und östlichen44 Bundesländern zusammen, ergibt sich folgendes Bild45:

zugesicherte Arbeitserlaubnisse

Anteil

westliche Bundesländer 11.638 93,3%

östliche Bundesländer 840 6,7%

gesamt 12.478 100%

Quelle: BA 2002a, Stand 31.07.2002

Abb. 12: Zugesicherte Arbeitserlaubnisse nach westlichen und östlichen Bundesländern

Nur jeder fünfzehnte Green Card-Inhaber arbeitet in den neuen Bundesländern.

Auch wenn zu lesen ist, daß die Verteilung der Green Cards weitgehend der Konzentration der IT-Unternehmen in bestimmten Bundesländern entspricht (z.B.

Bundesregierung: Bericht ix_73914 oder BMAS 2001: 5) und auch die Interviewpartner sich darin einig waren (vgl. Anhang C), so ist diese Aussage etwas zu relativieren. Die Green Card-Inhaber können nämlich auch in Betrieben außerhalb der IT-Branche arbeiten, was auch für 36,4% von ihnen der Fall ist (vgl. S. 51).

Deshalb sollte man zum Vergleich die Städte bzw. Arbeitsamtbezirke betrachten, die einen erheblichen Anteil aller IT-Fachleute in Deutschland beschäftigen. 1999 waren in 10 Arbeitsamtbezirken knapp 44% aller IT-Fachleute in Deutschland tätig und zwar in folgenden:

Beschäftigte Anteil

München 34.500 9,3%

Frankfurt am Main 22.700 6,1%

Hamburg 20.000 5,4%

Berlin 17.700 4,8%

Stuttgart 15.300 4,1%

Nürnberg 12.900 3,5%

44 Die östlichen Bundesländer sind Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

45 Die Zahlen weichen etwas von denen der BA ab, da die BA drei Berliner Arbeitsämter (Nord, West und Südwest) den westlichen Bundesländern zurechnet (vgl. Briefantwort BA). Aufgrund der geographischen Lage Berlins erscheint aber die Zurechnung aller sechs Berliner Arbeitsämter auf die östlichen Bundesländer logischer.

Düsseldorf 12.500 3,4%

Köln 11.000 2,9%

Hannover 8300 2,2%

Darmstadt 7700 2,1%

gesamt 1.626.000 43,8%

Quelle: Dostal 2001: 13, Stand 1999

Abb. 13: IT-Beschäftigte in Deutschland: Arbeitsamtbezirke mit den höchsten Beschäftigtenzahlen

Die Konzentration der Green Card-Inhaber auf München46 und Frankfurt am Main und die westlichen Bundesländer reflektiert durchaus diese Verteilung. Aber wieso werden in Hamburg und Berlin nur ein geringer Anteil (je 3%) der Green Card-Inhaber beschäftigt, und in den neuen Bundesländern nur insgesamt 6,7%? Nach Meinung der BDA sind Hamburg und Berlin dermaßen attraktive Städte, daß genügend deutsche IT-Fachkräfte für eine Tätigkeit dort zur Verfügung stehen (Interview BDA). Der DGB weist darauf hin, daß in den neuen Bundesländern der Ausbildungsstand an den Universitäten sehr gut ist, so daß viele Personen, die dort studiert haben, und örtlich gebunden sind, auch dort bleiben, so daß kein Bedarf an ausländischen IT-Fachkräften herrscht (Interview DGB). Diese Aussagen mögen eine gewisse Erklärungskraft haben, stichhaltiger erscheint jedoch die Einschätzung des BITKOM. Demnach verfügen Hamburg, Berlin und die neuen Bundesländer nicht über IT-Cluster, d.h. Orte, an denen überproportional viele IT-Beschäftigte arbeiten.

In Hamburg und Berlin sind selbstverständlich relativ viele Personen im IT-Bereich beschäftigt, weil das in Millionenstädten, die zudem wichtige Dienstleistungszentren sind, auch nötig ist, aber es sind nicht überproportional viele wie z.B. in München (Interview BITKOM). Da nun einmal 63,6% der Green Card-Inhaber in Betrieben des Wirtschaftszweigs „Datenverarbeitung und Datenbanken“ arbeiten (vgl. S. 51) ist es logisch, daß man sie überwiegend in den deutschen IT-Clustern wiederfindet.

Wer ist tatsächlich neu eingereist?

Daß 12.478 Arbeitserlaubnisse bis zum 31.07.2002 zugesichert worden sind, bedeutet nicht, daß auch 12.478 ausländische IT-Spezialisten neu nach Deutschland zugewandert sind. Dieser Punkt wird in der öffentlichen Diskussion zu wenig

46 München ist mittlerweile Europas größter Technologiestandort und beherbergt 18.000 IT-Firmen (Kuehlhorn 2001: 38).

beachtet. Gerade die Bundesregierung arbeitet nämlich mit den Zahlen der zugesicherten Arbeitserlaubnisse und spricht dabei von Green Card-Inhabern, so daß es leicht zu Mißverständnissen kommt47. Auch die Presse macht den Unterschied nicht deutlich.

Wie bereits erklärt, ersetzt die Zusicherung der Arbeitserlaubnis für die ersten drei Monate der Beschäftigung die endgültige Arbeitserlaubnis48 (siehe S. 15f.). Das bedeutet, daß sich zwischen der Zusicherung der Arbeitserlaubnis und ihrer Erteilung einiges ereignen kann, was dazu führt, daß eine einmal zugesicherte Erlaubnis dann doch nicht erteilt wird. Zum einen folgt nicht auf jede Zusicherung eine Einreise und Arbeitsaufnahme. Es kann nämlich sein, daß die IT-Fachkraft nach Erhalt der Zusicherung dann doch kein Visum beantragt und gar nicht nach Deutschland einreist, z.B. weil sich seine Familie geweigert hat, mitzuziehen. Zum anderen führen Beschäftigungen, die in den ersten drei Monaten wieder aufgelöst werden auch nicht zu der Erteilung einer Arbeitserlaubnis. Die IT-Fachkraft kann aus unterschiedlichsten persönlichen Gründen (Probleme mit dem neuen Arbeitsumfeld, mit dem deutschen Essen, Heimweh usw.) wieder ausreisen (Interview BA; Interview ZAV).

Insgesamt wurden bis zum 31.07.2002 11.259 Arbeitserlaubnissen erteilt:

Zugesicherte Arbeitserlaubnisse 12.478 Erteilte Arbeitserlaubnisse 11.259

Quelle: BA 2002a, BA 2002b, Stand 31.07.2002 Abb. 14: Erteilte Arbeitserlaubnisse

Von dieser Tatsache abgesehen, wird es ebenfalls als Zusicherung einer Arbeitserlaubnis verbucht, wenn einer ausländischen IT-Fachkraft erneut eine

47 Siehe z.B. Bundesregierung: Artikel ix_61070_1276: „bislang haben 10.054 hochqualifizierte IT-Spezialisten aus aller Welt in deutschen Unternehmen Arbeit gefunden“. Ende Oktober 2001 bezifferte sich die Zahl der zugesicherten Arbeitserlaubnisse auf 10.054. Oder auch Gerd Andres, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesarbeitsminister: „Hier haben inzwischen über 12.000 ausländische IT-Spitzenkräfte die Möglichkeit genutzt, über die Green Card nach Deutschland zu kommen“ (BMAS: SPI 03/2002).

48 Von der Ausstellung der Zusicherung bis zur Erteilung der Arbeitserlaubnis kann sogar bis zu einem halben Jahr vergehen.

Das liegt daran, daß die Zusicherung für eine Arbeitsaufnahme innerhalb von drei Monaten ab dem Datum der Ausstellung gilt und daß die Zusicherung ab der Arbeitsaufnahme für drei Monate die Arbeitserlaubnis ersetzt (BMAS 2002).

Arbeitserlaubnis ausgestellt wird, bzw. wenn eine erstmalig zugesicherte Arbeitserlaubnis verlängert wird. Ersteres ist der Fall, wenn die IT-Fachkraft den Arbeitsplatz wechselt, und letzteres ist der Fall, wenn der Arbeitgeber einen ursprünglich auf weniger als fünf Jahre befristeten Vertrag verlängert (siehe Kap.

2.5.). Für eine erstmalige Beschäftigung wurden bis zum 31.07.2002 lediglich 8908 Arbeitserlaubnisse erteilt.

Erteilte Arbeitserlaubnisse davon:

11.259

erstmalige Beschäftigung 8908

erneute Beschäftigung 1845

Fortsetzung der Beschäftigung 506

Quelle: BA 2002b, Stand 31.07.2002

Abb. 15: Erteilte Arbeitserlaubnisse: erstmalige/ erneute/ Fortsetzung der Beschäftigung

Letzten Endes wurden also durch die Green Card 8908 ausländische IT-Fachkräfte neu und für länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt.

Davon hatten 853 einen deutschen Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluß (vgl.

Mailantwort BA; BA 2002b). Da diese mit großer Wahrscheinlichkeit unmittelbar nach ihrem Studium die Arbeit als IT-Fachkraft aufgenommen haben, sind es also weit weniger als 8900 ausländische Fachkräfte, die bis dato nach Deutschland eingereist sind. Eine Zahl von knapp über 8000 erscheint da realistischer.

Die Wimmex-Studie kommt ferner zu dem Ergebnis, daß 5-10% der heutigen Green Card-Inhaber bereits zuvor unter einer anderen Rechtsgrundlage in Deutschland angestellt waren (Wimmex 2001: 37), so daß sich die Zahl der neu eingereisten ausländischen Fachkräfte noch mehr reduzieren würde.

Fälle von Mißbrauch der Green Card sind natürlich schwer nachzuweisen, es scheint aber einige zu geben. Offensichtlich haben einige indische Firmen unter dem Deckmantel einer deutschen Niederlassung einige indische IT-Fachkräfte nach Deutschland geholt, und verleihen diese weiter, obwohl dies verboten ist (vgl. S. 11).

Auch gibt es wohl deutsche Firmen, die die Green Card benutzen, um die Kommunikation mit ausländischen Niederlassungen zu beschleunigen, und

ausländische Kollegen über die Green Card für nur wenige Monate nach Deutschland holen (Interview ZAV). Schließlich gibt es auch einige Unternehmen, die sich unter der Bezeichnung IT-Experte jene Fachkräfte aus dem Ausland holen, die sie brauchen, auch wenn es keine IT-Kräfte sind (Kuehlhorn 2001: 45). Eine Quantifizierung der Mißbrauchsfälle ist natürlich unmöglich. Es soll nur darauf hingewiesen werden, daß sich die Zahl der tatsächlich eingereisten ausländischen IT-Fachkräfte möglicherweise noch mehr reduziert.