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KAPITEL 5: Empirische Befunde rund um die Green Card

5.6. Verhalten der am Green Card-Verfahren beteiligten Organisationen

Große Unternehmen haben bei der Rekrutierung von ausländischen IT-Fachkräften den Vorteil, daß sie weltweit präsent sind. Sie können also die Personalabteilung der jeweiligen Landesniederlassung in den Such- und Auswahlprozess mit einbeziehen.

Auch haben sie die Möglichkeit, zusammen mit professionellen Anbietern Recruitingmessen vor Ort durchzuführen und zu Schlüsseluniversitäten spezielle Beziehungen aufzubauen (Hillebrand 2001: 60). Entsprechende Kontaktmessen haben in Indien stattgefunden (Interview BITKOM). Kleine und mittelständische Unternehmen hingegen sind in zahlreichen interessanten Märkten nicht vor Ort vertreten und können Bewerber deshalb nicht kostengünstig in Augenschein nehmen (DIHK Pressemitteilung 25.9.). Wie in Kap. 2.4. bereits ausführlich beschrieben, können sie aber – von der privaten Arbeitsvermittlung abgesehen – die Online-Börse der BA (mit oder ohne Zuhilfenahme der Dienstleistungen der IOM) nutzen oder auf die Unterstützung der AHKen zurückgreifen.

Wie genau die Vermittlung der heutigen Green Card-Inhaber stattgefunden hat, ist schwer zu sagen, da hierüber keine Statistik erhoben wurde. Fest steht nur, daß vom 01.08.2000 bis 30.06.2001 private Vermittler insgesamt 192 IT-Fachkräfte aus Nicht EU/ EWR-Ländern vermittelten. Der ZAV, die in Konkurrenz zu den privaten Vermittlern steht, gelang es, bis zum 27.05.02 die Zahl von 870 ausländischen IT-Fachkräften entweder über die Online-Börse oder über Kontakte zu Arbeitgebern zu vermitteln (ZAV 2002). In Anbetracht der Zahlen scheint die Mehrheit der Beschäftigungsverhältnisse über den direkten Kontakt zwischen Unternehmen und Bewerbern zu entstehen, was der BITKOM bestätigt (Interview BITKOM).

Zusicherung der Arbeitserlaubnis

Die Bundesanstalt für Arbeit hat mit ihrem Dienstblatt Runderlaß 37/2000 (BA 2000, BA 2002) konkrete Anweisungen an die 181 deutschen Arbeitsämter gegeben, so daß die Vergabe der Arbeitserlaubnisse in allen Arbeitsamtbezirken identisch verläuft. Die Arbeitsämter haben bei Vorliegen der erforderlichen Unterlagen innerhalb einer Woche zu entscheiden, ob eine Arbeitserlaubnis zugesichert wird (§ 7

IT-ArGV). Sowohl die BA wie auch der BITKOM bestätigten, daß dies in der Regel der Fall ist (Interview BA; Interview BITKOM).

Innerhalb dieser einwöchigen Frist müssen die Arbeitsämter u.a. auch die Qualifikation der ausländischen IT-Fachkräfte beurteilen. Das kann im Einzelfall sehr schwierig sein, da oftmals sowohl die Art als auch die Qualität von Ausbildungsgängen und Arbeitserfahrung landesspezifisch sind und daher nicht oder nur teilweise international vergleichbar sind42 (Golder 1999: 77f.). Da eine umfassende Prüfung deutlich mehr als eine Woche Zeit erfordern würde, werden pauschal das Vorhandensein von 12 Jahren schulischer Bildung und 2-3 Jahren Studium im IT-Bereich als Erfüllung der Voraussetzungen angesehen (Interview ZAV).

Bis 31.07.2002 wurden 255 Anträge auf Zusicherung einer Arbeitserlaubnis abgelehnt.

Zugesicherte Arbeitserlaubnisse 12.478 Ablehnung der Zusicherung einer

Arbeitserlaubnis

255

Quelle: BA 2002a, Stand 31.07.2002 Abb. 9: Abgelehnte Arbeitserlaubnisse

Diese Ablehnungen verteilen sich sowohl regelmäßig über die Staatsangehörigkeiten der ausländischen Fachkräfte, über die Bundesländer, wo die entsprechenden Anträge gestellt worden sind als auch über die Zeit (vgl. BA 2002a). Es ist demnach davon auszugehen, daß die Anträge auf Zusicherung einer Arbeitserlaubnis aus rein objektiven Gründen abgelehnt werden43. Dabei scheinen die Gründe für eine Ablehnung eher bei dem antragstellenden Arbeitgeber als bei der ausländischen

42 So gibt es alleine in Indien ca. 2900 Institute unterschiedlichster Art, die Diplome im Bereich der Informationstechnologie ausstellen (Interview ZAV).

43 Die Zusicherung (und auch Erteilung) einer Arbeitserlaubnis wird verweigert, wenn (vgl. S.15f.):

- die ausländische Fachkraft über keinen Hochschul- oder Fachhochschulabschluß mit Schwerpunkt Informations- und Kommunikationstechnologie verfügt und der Arbeitgeber nicht bereit ist, ein Bruttojahresgehalt von mindestens 51.000 € zu zahlen

- die Stelle durch eine inländische oder EU-Fachkraft besetzt werden kann

- der Arbeitgeber ungünstigere Entlohnungs- oder Arbeitsbedingungen anbietet als für vergleichbare hochqualifizierte deutsche Arbeitskräfte.

Fachkraft zu liegen. Es gab öfters Fälle, in denen Arbeitgeber versuchten, für die ausländische IT-Fachkraft weniger zu zahlen als für Inländer, oder sich weigerten, 51.000 € Bruttojahresgehalt zu zahlen wenn die Fachkraft keinen akademischen Abschluß im IT-Bereich erreicht hatte. Auch gab es Fälle, in denen der Arbeitgeber kein Stellenprofil nennen wollte, so daß das Arbeitsamt keine individuelle Vorrangprüfung durchführen konnte. In all diesen Fällen mußte entsprechend den Anweisungen die Arbeitserlaubnis verweigert werden (Interview BA).

Insgesamt hat die Bundesanstalt für Arbeit es geschafft, durch die Green Card-Regelung ihr Image bei den Arbeitgebern aufzupolieren. Vertreter der Wirtschaft bewerten die Umsetzung der Green Card-Regelung durch die BA als „vorbildliche Dienstleistung“ (BMAS 2002). Daß die Arbeitsämter sich in der Lage zeigen, innerhalb von nur einer Woche beantragte Arbeitserlaubnisse zuzusichern, kommt den Bedürfnissen der Arbeitgeber entgegen.

erneute Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis

Die Aufenthaltserlaubnis wird auf die Dauer der Beschäftigung befristet (siehe S. 17).

Fällt die Beschäftigung weg, geht auch die Aufenthaltserlaubnis verloren. Die ausländische IT-Fachkraft braucht aber eine Aufenthaltserlaubnis, um nach einer neuen Arbeit zu suchen und gegebenenfalls Arbeitslosengeld empfangen zu können.

Dazu ist sie berechtigt, solange der maximal mögliche Aufenthalt von fünf Jahren nicht abgelaufen ist. Offensichtlich hängt es aber sehr stark vom Ermessen der jeweiligen Ausländerbehörden ab, inwiefern die ausländische IT-Fachkraft mit einer neuen Aufenthaltserlaubnis rechnen kann; oftmals kommen diesbezüglich Rückfragen an die BA und in Einzelfällen muß die BA im Interesse der ausländischen Fachkraft intervenieren. Die Schwierigkeiten kommen dabei hauptsächlich von den Bundesländern, die die Blue Card-Regelung eingeführt haben (S. 17), da diese ihnen erlaubt, Green Card-Inhaber nach drei Monaten Arbeitslosigkeit aus Deutschland auszuweisen. Dies steht klar im Widerspruch zu der Green Card und die BA erkennt nur die Green Card-Regelung an (Interview BA; Interview ZAV). Selbst wenn es in Einzelfällen Probleme gegeben hat (vgl. Schulz 2002), scheint es doch eher die Ausnahme zu sein, daß ausländische IT-Fachkräfte aufgrund von Arbeitslosigkeit

aus Deutschland ausgewiesen werden, nicht zuletzt dadurch, daß sie in der Regel schnell wieder eine Anschlußbeschäftigung finden (siehe S. 78).

5.7. Zusammenfassung

Es lassen sich zwei große IT-Zuwanderergruppen unterscheiden: die Osteuropäer und die Südasier. Erstere waren aufgrund der Schlußfolgerungen aus den Migrationstheorien in derartiger Anzahl zu erwarten, letztere hingegen nicht. Alle kommen in erster Linie nach Deutschland, um eine interessante Tätigkeit auszuüben.

Zwei Bestimmungen der Green Card verhindern das Zustandekommen von Verträgen mit manchen Wunschkandidaten: die Befristung der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis auf fünf Jahre und das einjährige Arbeitsverbot für den Ehepartner. Obwohl Deutschland eine gute Lebensqualität zu bieten hat, kann die Ausländerfeindlichkeit ebenfalls Wunschkandidaten abhalten. In der Regel kommen die Einstellungen durch die direkte Kontaktaufnahme zwischen Unternehmen und Bewerber zustande.

KAPITEL 6: Beurteilung des Ausmaßes der Zuwanderung