• Keine Ergebnisse gefunden

KAPITEL 7: Über vermeintliche und tatsächliche Auswirkungen der Green Card

7.4. Die Entstehung neuer Arbeitsplätze für Inländer

Wie sich Zuwanderung auf die Arbeitsmarktsituation der inländischen Arbeitskräfte auswirkt, hängt davon ab, inwiefern Zuwanderer und Einheimische Substitute oder Komplemente sind.

Je stärker die Zuwanderer Substitute für die vorhandenen Arbeitskräfte sind, um so bedrohlicher erscheinen sie für Beschäftigung und Löhne. Einen Nachteil erleiden also alle Einheimischen, die im Produktionsprozeß Aufgaben erfüllen, die substitutiv zu den Tätigkeiten der Green Card-Inhaber sind. Werden ausländische IT-Fachkräfte eingestellt, so werden in der Tendenz die Löhne jener einheimischen Spezialisten sinken, die mehr oder weniger den selben Job erfüllen bzw. wird bei rigiden Löhnen die Arbeitslosigkeit unter den substitutiven einheimischen Arbeitskräften ansteigen (Straubhaar 2002: 57f.). Um eine Abwärtsspirale der Löhne zu verhindern, ist eine Bestimmung der Green Card, daß ausländische IT-Fachkräfte mit IT-Studium zu gleichen Bedingungen eingestellt werden wie inländische Arbeitskräfte, also zu den Bedingungen die „betriebsüblich, ortsüblich oder tarifüblich“ sind (Interview BA).

Wenn kein IT-Studium vorhanden ist, findet die 51 000 €-Regelung Anwendung (vgl.

S.15f.). Die Gefahr der Arbeitslosigkeit inländischer IT-Fachkräfte aufgrund der Einstellung eines Green Card-Inhabers erscheint aufgrund der fortwährenden Bedarfssituation nicht vorhanden.

Wenn sich Zuwanderer und Einheimische hingegen im Produktionsprozeß ergänzen, bewirkt die Zuwanderung eine Erhöhung der Produktivität und Entlohnung der Einheimischen (Bauer 2000: 327). Bringen die Zuwanderer Fähigkeiten und Erfahrungen mit, die nicht direkt mit denen der Einheimischen konkurrieren, führen

sie zu einer vermehrten Nachfrage sowohl nach gering als auch nach gut qualifizierten Arbeitskräften (Bericht Unabh. Kommission: 74). Da Green Card-Inhaber eingestellt werden, weil inländische Arbeitskräfte mit entsprechenden Qualifikationen nicht auffindbar sind, sind sie auf jeden Fall als Komplemente zu betrachten.

Jeder Green Card-Arbeitsplatz erzeugt eine zusätzliche Nachfrage nach komplementären lokalen Dienstleistungen, die auch von weniger qualifizierten Einheimischen erfüllt werden können. Computerplätze müssen eingerichtet, ausgestattet, gereinigt und instand gehalten werden (Straubhaar 2000a: 134). Dieser Effekt wird noch dadurch verstärkt, daß es sich bei den Green Card-Inhabern um hochqualifizierte Fachleute handelt. Daher tragen sie in ihrer neuen Position häufig eine große Verantwortung für neue Projekte in ihrem Unternehmen. Das heißt wiederum, daß die Einstellung eines ausländischen IT-Experten zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für weitere Mitarbeiter eröffnet, da durch die Erfüllung von Aufträgen viele Folgeleistungen erforderlich sind (BMWi online; Interview BDA).

Die Beschäftigung von EDV-Spezialisten schafft also auch Arbeitsplätze in anderen Unternehmensbereichen wie Vertrieb, Marketing, Verwaltung und Produktion (SZ v.

22./23.06.02)54.

Die Wimmex-Studie kommt zu dem Ergebnis, daß ein geschaffener Green Card-Arbeitsplatz die Schaffung von 2,5 Arbeitsplätzen induziert (Wimmex 2001: 35).

Hierbei handelt es sich um Arbeitsplätze für Inländer, die sich über das ganze betriebliche Spektrum verteilen. Es entstehen also sowohl Arbeitsplätze für Niedrigqualifizierte wie auch Arbeitsplätze auf kaufmännischer Ebene (E-mailantwort Wimmex AG).

7.5. (Nicht-)Verdrängungseffekte arbeitsloser, inländischer IT-Fachkräfte

Die Tatsache, daß die Rekrutierung von bis zu 20.000 ausländischen IT-Spezialisten erlaubt wurde, steht auf dem ersten Blick im eklatanten Widerspruch zu der

54 Ein hervorragendes Beispiel ist die Hamburger Firma Olympus Winter + Ibe. Sie hat im Jahr 2001 dank der zwei Green Card-Mitarbeiter die Belegschaft um 50 neue Stellen auf 520 aufgestockt; ohne die Green Card-Card-Mitarbeiter wären nur 30 Stellen entstanden (Kuehlhorn 2001: 42).

Tatsache, daß zum gleichen Zeitpunkt über 30.000 deutsche IT-Fachkräfte arbeitslos gemeldet waren. Diese hätte man doch nachqualifizieren und dann einstellen können.

Die 31.881 Ende Februar 2000 arbeitslos gemeldeten IT-Fachkräfte ergeben sich auf der Grundlage einer Gliederung der Bundesanstalt für Arbeit, die unter dem Begriff der Fachleute Berufe wie Archivare, Fachleute für Büroelektronik, EDV-Vertriebsleute, Fachinformatiker, IT-System-Elektroniker usw. umfaßt. Dies sind Berufsgruppen, die von der Qualifizierung her nicht zu den IT-Professionals zu rechnen sind (Meyer 2000: 118; Müller 2000: 199). Lediglich 3716 DV-Fachleute mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluß waren im September 2000 in ganz Deutschland arbeitslos gemeldet (IW online (b)). Das sind etwas mehr als 10% aller arbeitslos gemeldeten IT-Fachkräfte. Und nur um diese Qualifikation geht es in der Diskussion um die Green Card.

Einige der arbeitslosen EDV-Kräfte sind auch nur kurzzeitig bei den Arbeitsämtern gemeldet und haben aber tatsächlich keine Probleme, einen Job zu finden (BDA:

Kurznachrichten 13/2000). In manchen Fällen werden die fehlende berufliche und räumliche Mobilität oder die Höhe der Lohnansprüche Ursache für die Arbeitslosigkeit sein (Straubhaar 2000a: 135). Ferner waren immerhin knapp 60%

der arbeitslosen Fachkräfte älter als 40 Jahre. Dies ist innerhalb der jungen IT-Branche ein erhebliches Handicap, weil das Wissen auch von erfahrenen Kräften relativ schnell veraltet. Hinzu kommt der ausgeprägte Kündigungsschutz für ältere Mitarbeiter, der manche Unternehmen von ihrer Einstellung abhalten mag (IW online (a)).

Inwiefern einige der arbeitslosen IT-Fachkräfte für Green Card-Stellen nachqualifizierbar sind, sollte natürlich von ihren persönlichen Merkmalen abhängig gemacht werden (Interview DGB). Ein grundsätzliches Problem aber ist es, daß die Arbeitsämter überwiegend Kenntnisse in der IT-Anwendung vermitteln, so daß die entsprechenden Personen dann, wenn überhaupt, nur im Mittelbau der Firmen eingesetzt werden können (Wirtschaftswoche Nr.12/2000). Dies ist aber nicht die Professional-Ebene, bei der es um die Green Card geht.

Hinzu kommt noch ein zeitliches Problem. Die Unternehmen brauchen heute und nicht morgen Menschen die ihnen die Aufträge sichern. Sollen Personen nachqualifiziert werden, so dauert es aus zeitlicher Perspektive zu lange, und die Aufträge können nicht erfüllt werden (Interview BDA).