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Archiv "Arztsprechstunden online: Zum Doktor per Video-Chat" (30.01.2015)

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A 166 Deutsches Ärzteblatt

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30. Januar 2015

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ür das Computermagazin Chip zählt der „Online-Doktor“ zu den „Medizintrends 2015“. Hinter- grund ist ein Projekt des US-ameri- kanischen IT-Konzerns Google, bei dem Internet user, die ihre Krank- heitssymptome in die Suchmaschi- ne eingeben, direkt einen Arzt per Video-Chat kontaktieren können.

Noch in diesem Jahr soll für dieses Angebot ein Netzwerk aus Ärzten bereitstehen: „Dr. Google“ scheint nahezu unvermeidlich.

Der Konzern will damit nach ei- genen Angaben auf das verbreitete Phänomen der „Cyberchondrie“ rea- gieren – der Online-Variante der Hy- pochondrie. Gemeint ist die Selbst- diagnose per Internet, die bei einigen Menschen Angstzustände verschlim- mert oder zu der Befürchtung führt, schwer erkrankt zu sein, indem etwa der harmlose Kopfschmerz als Hirn- tumor gedeutet wird. Der Dienst wird zunächst in Kalifornien und Massachusetts getestet und ist vor- erst kostenfrei. „Selbst wenn sich der Service nicht durchsetzt, bleibt der Trend, dass ein Mediziner für Diag- nose und Behandlung nicht mehr zwingend physisch anwesend sein muss“, prognostiziert Chip.

Hierzulande stoßen solche Ange- bote auf Skepsis. „Der Klick im In- ternet kann den Arztbesuch nicht er- setzen“, warnte Bundesgesundheits- minister Hermann Gröhe zu Jahres- beginn in der Bild-Zeitung mit Blick auf das Phänomen der Selbst- diagnose im Netz. In Deutschland wäre ein solcher Service, wie ihn Google anbietet, wohl kaum er- laubt, weil das ärztliche Berufsrecht die ausschließliche Fernbehandlung untersagt (siehe DÄ, Heft 43/2014).

„Ärztinnen und Ärzte dürfen indivi- duelle ärztliche Behandlung, insbe- sondere auch Beratung, nicht aus- schließlich über Print- und Kommu- nikationsmedien durchführen. Auch

im Interesse des Patienten sein. Vor diesem Hintergrund sehen wir An- gebote wie DrEd äußerst skep- tisch“, urteilte Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK). Basis für das Vertrauensverhältnis zwi- schen Arzt und Patienten sei der persönliche Kontakt. Hinzu kom- men aus Sicht der BÄK auch da- tenschutzrechtliche Bedenken, da der Server mit den sensiblen Patientendaten in Großbritannien steht (3 Fragen an . . .).

Mobile Patienten

Stoppen lässt sich der Trend zu me- dizinischen Online-Diensten in Zei- ten weltweiter Vernetzung und ver- fügbarer Technik wohl nicht mehr:

So ist DrEd von britischen Auf- sichtsbehörden zugelassen. Auch beruft sich das Unternehmen auf die im Jahr 2011 in Kraft getretene EU-Richtlinie zur Patientenmobili- tät, wonach Patienten ihre medizi- nischen Leistungserbringer inner- halb des europäischen Raumes frei wählen können. In Ländern wie der Schweiz (Kasten Medgate) oder Großbritannien können Patienten bei telemedizinischen Verfahren ist

zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt“, heißt es in der (Muster-)Berufsord- nung in § 7 Abs. 4.

Aufregung um DrEd

Für einiges Aufsehen sorgte daher die Ende 2011 gestartete virtuelle Arzt- praxis DrEd (www.dred.com), weil sie dieses Verbot missachtet: Das von London aus agierende Unternehmen wendet sich an Selbstzahler-Patien- ten in Deutschland, Österreich, Groß- britannien und der Schweiz und bie- tet neben der Konsultation per E-Mail und Telefon auch den virtuel- len Arztbesuch per Video-Chat an.

Das Portal konzentriert sich vor allem auf Krankheiten, die mit ei- nem hohen Schamfaktor verbunden sind, wie etwa Erektionsstörungen, Verhütung oder Geschlechtskrank- heiten – vielen Betroffenen fällt der virtuelle Arztbesuch leichter. Weite- re Grün de für die Inanspruchnah- me: der Zeit-, Komfort- und Mobi- litätsfaktor. „Die meisten Patienten haben die Warterei in vollen Warte- zimmern satt. Die Hälfte unserer Patienten nutzt außerdem ein Mo- bilgerät für den Arztbesuch und kontaktiert uns von unterwegs zum Beispiel per Smartphone“, berichtet David Meinertz, Gründer und Ge- schäftsführer von DrEd. Auch kä- men zunehmend Anfragen von Pa- tienten aus ländlichen Regionen.

Sprechstunden und Diagnose- stellung sind für den Patienten kos- tenfrei, erst bei einer Behandlung, etwa durch das Ausstellen eines Re- zepts, fallen Kosten an. Die Patien- ten können sich die Rezepte nach Hause senden lassen oder dort auch gleich per Versandapotheke die Me- dikamente entgegennehmen.

„Diagnose und Behandlung al- lein über das Internet können nicht ARZTSPRECHSTUNDEN ONLINE

Zum Doktor per Video-Chat

Kommunikation über das Internet wird zunehmend wichtig für Ärzte und Patienten. Videosprechstunden, Zweitmeinungsportale und soziale Medien erweitern die Palette der Austauschmöglichkeiten.

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30. Januar 2015 A 167 aktionsmodellen in Zukunft mit ein-

beziehen“, so der Telematikexperte.

Sichtbares Zeichen dieser Ent- wicklung: Inzwischen gibt es auch einige deutsche Plattformen, wie et- wa Patientus, Arztkonsultation.de oder das Portal der Selbstzahlerme- dizin „free-med“, die sich mit On- line-Sprechstunden im E-Health- Markt positionieren wollen – unter Einhaltung der berufsrechtlichen Rahmenbedingungen.

Die Vorteile für Patienten sind offensichtlich: Sie können sich lan- ge Wege und Wartezeiten oder nicht barrierefrei zugängliche Praxen er- sparen. Aber auch Ärzte könnten davon profitieren, meint Nicolas Schulwitz, Geschäftsführer der An- fang Oktober 2014 gestarteten Pa- tientus GmbH, Lübeck, die über die Plattform www.patientus.de medi- zinische Sprechstunden per Video- konferenz ermöglicht. „Mitmachen kann jeder deutsche Arzt mit Fach- arztapprobation, der in seiner Pra- xis Sprechstunden anbietet. Im Un- terschied zu DrEd versteht sich un- ser Dienst als Unterstützung im Praxisbetrieb, es gibt keinen Online- Arzt bei uns“, erklärt Schulwitz.

Knapp hundert Ärzte, überwie- gend Fach-, aber auch einige Haus- ärzte, nutzen inzwischen gegen eine monatliche Gebühr den Dienst als zusätzliche Option im Arzt-Patien-

Nach dem Start der ersten Anbieter von virtuellen Arztsprechstunden auch in Deutschland – steht uns ein Wildwuchs solcher Angebote bevor?

Bartmann: Die Zahl der Ange- bote wird vermutlich zunächst weiter zunehmen. Entscheidend für die Durchsetzung werden die Benutzerfreundlichkeit und vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein. Da- tenschutz und Datensicherheit sind bei diesen Angeboten auch sehr wichtig – so darf zum Bei-

spiel der Provider des Services keinen Zugang zu patientenbe- zogenen Informationen haben.

Was sollten Ärzte, die ei- nen solchen Dienst für ihre Patienten anbieten wollen, beachten?

Bartmann: Neben berufs- und haftungsrechtlichen Konformi- tätsprüfungen sollte jeder po- tenzielle Anbieter genau prüfen, ob der Nutzen für alle Beteilig- ten sowie Aufwand und Erlös in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.

Welche Chancen und Risiken bieten virtuelle Arzt-Patienten- Kontakte?

Bartmann: Bei Bestandspatien- ten bietet sich vor allem die Chance, den Praxisbetrieb zu entzerren und ein Verlaufsmoni- toring und Verlaufsbesprechun- gen für beide Seiten zeitökono- mischer umzusetzen. Unnötige Wege- und Wartezeiten für Pa- tienten können so vermieden werden.

Ärztliche Präsenz und direk- te Interaktion sind aber auch in Zukunft unverzichtbar.

3 FRAGEN AN . . .

Dr. med. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Telematik - ausschusses der Bundesärztekammer

schon seit geraumer Zeit rund um die Uhr per Telefon oder Internet ei- nen Arzt konsultieren. Die großen Krankenversicherungen förderten dort die Ferndiagnosen und Be- handlungen, Deutschland hinke in diesem Bereich der Entwicklung hinterher, argumentiert DrEd. Und:

Es besteht offensichtlich eine Nach- frage. „Wir behandeln mehrere Hundert Patienten am Tag, davon circa hundert aus dem deutschspra- chigen Europa“, sagt Meinertz.

Deutsche Patienten müssen den- noch nicht auf ausländische Ange- bote von Google, DrEd und Co.

ausweichen, um online einen Arzt zu kontaktieren. Weil das Berufs- recht nur die „ausschließliche“

Fernbehandlung über Kommunika- tionsmedien untersagt, sind grund- sätzlich auch hierzulande Diagnose und Therapie per Internet möglich, sofern sie in einen Behandlungs- kontext eingebettet sind, der auch einen unmittelbaren Arzt-Patienten- Kontakt einschließt.

„Im Erstkontakt darf der Arzt zu allgemeinen Fragen des Patienten Stellung nehmen und Auskünfte et- wa über Therapiemöglichkeiten, Kostenübernahme und den Behand- lungsverlauf erteilen“, erläutert der

Lange Wege und Wartezeiten sind beim virtuellen Arzt- kontakt kein Thema mehr. Auch Men- schen mit Behin - derungen können davon profitieren.

Foto: iStockphoto

Medizinrechtsanwalt Sebastian Vorberg, Vorstand des Bundesver- bands Internetmedizin. Bei beste- henden Arzt-Patienten-Konstella- tionen seien darüber hinaus auch fortführende Diagnose- und Thera- piebesprechungen möglich. Ebenso ist ihm zufolge auch die ärztliche Zweitmeinung per Video-Sprech- stunde möglich: „Sie stellt keine in- dividuelle Behandlung oder Bera- tung dar, sondern die Begutachtung einer durch einen anderen Arzt er- stellten Diagnose“, meint der Jurist.

Er ist davon überzeugt, dass die pauschale Ablehnung solcher Dienste künftig einer differenzier- ten Regulierung weichen wird.

Schon heute gehe es rechtlich nur noch um das „Wie“ und nicht um das „Ob“ der Internetmedizin, schreibt er in seinem Blog.

Eigene Dynamik

Ärztliche Online-Dienste hätten sich am jeweils geltenden Berufsrecht zu orientieren, stellt Dr. med. Franz- Joseph Bartmann klar, Vorsitzender des Telematikausschusses der BÄK.

Gleichwohl müsse das Berufsrecht die jeweilige Realität ärztlicher Berufsausübung berücksichtigen.

„Und diese wird, wie im gesamten übrigen gesellschaftlichen Umfeld, elektronische Kommunikations- dienste in unterschiedlichen Inter-

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30. Januar 2015 ten-Kontakt. Im Unterschied zum

ungeschützten Skypen wird bei Pa- tientus eine direkte, mehrfach ver- schlüsselte Peer-to-Peer-Verbin- dung aufgebaut, die ohne Nutzung von Streaming-Servern auskommt.

Für die Videokonferenz loggen sich Arzt und Patient über ihren Web- browser in einen geschützten Be- reich ein. Das Video wird nicht auf- gezeichnet. Über ein Notizfeld im Browser kann der Arzt wesentliche Punkte des Gesprächs dokumentie- ren und in seiner Praxis-EDV ab- speichern. Arzt und Patient können während der Sitzung auch gemein- sam Dokumente und Bilder, wie et- wa Röntgenaufnahmen, ansehen.

Ein wesentlicher Einsatzbereich ist nach Angaben von Schulwitz die Rückfrage-Sprechstunde für Be- standspatienten. Diese Option werde vor allem für die OP-Nachsorge, für Kontrolluntersuchungen, das Wund- management und die Besprechung von Laborergebnissen genutzt. „Fra-

gen lassen sich oft viel schneller im Video-Chat klären, als wenn der Patient extra in die Praxis kommt, die Abwicklung ist zügiger“, erläu- tert Schulwitz.

Rückfrage-Sprechstunde Einige Ärzte bieten diese Möglich- keit beispielsweise eine halbe Stun- de vor der regulären Sprechstunde an. Die Patienten können entweder über die Plattform Patientus oder auch über die Website des Arztes

„live“ einen Termin buchen und sich direkt dazuschalten. „Der Arzt kann so den Andrang in seinem Wartezimmer minimieren und ist für Patienten, die das Internet ohne- hin für medizinische Recherche nutzen, direkt erreichbar“, so Schulwitz. Für eine Folgesprech- stunde per Videokonferenz erhalten die Patienten eine Termin-TAN per E-Mail oder Terminkarte. Wie beim Online-Banking wählt sich der Pa- tient damit zur vereinbarten Zeit auf

der Plattform ein und landet direkt im virtuellen Wartezimmer.

Eine weitere Anwendung ist der Erstkontakt für ein allgemeines In- formationsgespräch zwischen Arzt und Patient. „Ausgeschlossen ist dabei aber in jedem Fall die finale Diagnostik“, betont Schulwitz. So- gar anonyme Kontakte seien mög- lich, so könne der Patient seine Ka- mera ausschalten.

Der Arzt entscheidet selbst, wie er die Video-Sprechstunde berech- net – ob er sie privat oder wie eine telefonische Beratung als Leistung der gesetzlichen Krankenversiche- rung abrechnet, oder ob er den Erst- kontakt zur Patientengewinnung als kostenfreie Erstinformation anbie- tet. Eine eigene EBM-Ziffer für die Beratung per Videotelefonie gibt es noch nicht. Darüber hinaus könnte künftig auch die ärztliche Zweit- meinung stärker nachgefragt wer- den, da mit dem geplanten Versor- gungsstärkungsgesetz das Recht

Medgate: Seit 15 Jahren führt das medizini- sche Callcenter und Telemedizinzentrum in der Schweiz medizinische Telefon- und Internetbera- tung mit speziell geschulten Ärzten durch. Diese müssen hierfür eine Zusatzqualifikation erwer- ben und jährlich erneuern. 98 Prozent der Arzt- Patienten-Kontakte laufen per Telefon, berichtet Cedric Berset, Marketingleiter bei Medgate. Dies sei das gewohnte und besonders niedrigschwel- lige Medium für die Patienten und insbesondere für akute Themen gut geeignet. Der Dienst wird über die Krankenversicherungen abgerechnet.

Im Rahmen von alternativen Versicherungsmo- dellen können Patienten zudem Rabatte erhal- ten, wenn sie Medgate als Gatekeeper nutzen.

Webdoctor: Nur etwa ein Prozent der An- fragen (circa 3 000 Anfragen jährlich) nutzen das „Webdoctor“-Angebot, eine asynchrone telemedizinische Sprechstunde über das Inter- net, bei der medizinische Fragen innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden. Die Nachfra- ge hierfür sei nicht wirklich gestiegen, meint Berset. Das Angebot eigne sich zudem eher nicht für akute Themen, sondern zum Beispiel für Zweitmeinungen. Bei Haut- oder Augenver- änderungen kann der Betroffene auch Fotos per Mail oder Medgate-App an das Telemedi- zinzentrum zur Bildbefundung übermitteln.

Netcare: Seit zweieinhalb Jahren wird ge- meinsam mit dem Schweizerischen Apotheker- verband pharmaSuisse zusätzlich eine Video- sprechstunde erprobt. Hierbei sucht der Patient zur Erst abklärung eine Apotheke auf und kann dort bei Bedarf über ein sicheres hochauflö- sendes Videosystem zusätzlich einen Tele-Arzt konsultieren. Je nach Befund kann dieser auch ein Rezept ausstellen und per Fax an den Apo- theker schicken, so dass der Patient sein Me- dikament direkt mit nach Hause nehmen kann.

Ab diesem Jahr können alle Apotheken des

Landes den Dienst anbieten. Zudem ist die Zu- sammenarbeit mit Medgate-Ärzten nicht mehr Pflicht, sondern die Apotheken können auch mit lokalen Ärzten zusammenarbeiten.

Die Auswertung der mehr als 5 000 Bera- tungen im Rahmen des Pilotprojekts ergab, dass Harnwegsinfektionen (circa 40 Prozent der Fälle) und Konjunktivitis (25 Prozent) die häufigsten Beratungsanlässe waren. 73 Pro- zent der Fälle konnten abschließend in der Apotheke geklärt werden, in 20 Prozent der Fälle wurde ein Telemediziner eingeschaltet.

Foto: Medgate/pharmaSuisse

MEDGATE UND DAS PROJEKT NETCARE IN DER SCHWEIZ

Medgate-Arzt bei der Videokonsultation mit Patientin und Apothekerin

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30. Januar 2015 A 169 auf eine Zweitmeinung weiter aus-

gebaut und als gesonderte Sachleis- tung in der vertragsärztlichen Ver- sorgung verankert werden soll.

Auf Zweitmeinungen hat sich et- wa die Medexo GmbH, Berlin, spe- zialisiert. Sie ist aus dem Portal vor sicht-operation.de hervorgegangen, das 2011 als Initiative einiger Ortho- päden und Chirurgen gestartet war mit dem Ziel, Patienten überflüssige Operationen zu ersparen. Über das Portal (www.medexo.com) können sich Patienten ein ärztliches Zweit- gutachten von unabhängigen Spe- zialisten einholen. Hierzu füllen sie Fragebögen aus, registrieren sich und können anschließend relevante Unterlagen, wie Bilder und Befun- de, über ihr Benutzerkonto hochla- den. Sind die Unterlagen vollstän- dig, erhalten sie innerhalb von sie- ben Werktagen, in dringenden Fäl- len auch schneller, eine Zweitmei- nung. Künftig sollen auch Videobe- ratungen angeboten werden, wenn nach der Erstellung eines Gutach- tens noch Klärungsbedarf besteht.

Zweitmeinung im Fokus

„Wir sind nicht angetreten, um Operationen zu verteufeln, sondern um Indikationsqualität zu schaf- fen“, sagt der Geschäftsführer des Unternehmens, Dr. med. Jan-Chris- toph Loh, und begründet damit auch die Namensänderung nach dem Neustart des Unternehmens im Jahr 2012. Inzwischen hat Medexo ein Netzwerk aus mehr als 80 Zweitmeinungsspezialisten aufge- baut, die 17 medizinische Fächer abdecken. Zudem sind 26 Kranken- kassen und Versicherungen unter Vertrag, die die Kosten für den Ser- vice für ihre Versicherten überneh- men. Der Anteil der Selbstzahler für diesen Dienst liegt Loh zufolge bis- lang nur zwischen zehn und 15 Pro- zent. Dennoch verzeichnet er eine deutliche Zunahme der Nachfrage bei Ärzten, Patienten und Kosten- trägern, nicht zuletzt durch die poli- tischen Diskussionen zum Thema.

Insgesamt wurden über das Por- tal bisher mehr als 600 Fälle ausge- wertet, davon 400 allein im vergan- genen Jahr. Die Ergebnisse der Eva- luation seien weitestgehend kons- tant, betont Loh: Nur knapp ein

Drittel der Zweitgutachten bestätig- ten die Therapieempfehlung, in et- wa 53 Prozent der Fälle raten die Gutachten von einer geplanten Operation ab, und 16 Prozent der Beurteilungen empfehlen eine an- dere Operation. Die Nachbefragung im Rahmen eines einjährigen Case Managements ergab eine „außeror- dentlich hohe Compliance von 86 Prozent, und wiederum 88 Prozent der adhärenten Patienten berichten auch von einer Verbesserung ihres Gesundheitszustandes“, sagt Loh.

Ein ähnliches Angebot speziell für Krebspatienten, bei denen die Situation schwierig zu beurteilen ist oder mehrere Therapieoptionen be- stehen, stellt die Health Manage- ment Online (HMO) AG unter www.krebszweitmeinung.de zur Verfügung. Der Service umfasst die Vorstellung der Krankengeschichte bei einem interdisziplinären Tumor- board, das den Fall beurteilt und ei- ne Therapieempfehlung abgibt. Ein persönlicher Case Manager legt hierzu für den Patienten eine elek- tronische Patientenakte an, unter- stützt ihn beim Sammeln und Spei- chern der erforderlichen medizini- schen Unterlagen und erteilt an- schließend einem Arzt der Tumor- konferenz den Zugang zur Akte. Die Empfehlung der Tumorkonferenz wird in der Akte hinterlegt. Dort kann sie der Patient abrufen und mit seinem Arzt besprechen.

Immer mehr Krankenkassen und Versicherungen nutzen das Portal, um diese zusätzliche Dienstleistung anzubieten. „Aktuell können bereits fünf bis sechs Millionen Versicherte den Dienst kostenfrei in Anspruch nehmen“, erklärt Horst Walther, Arzt und Informatiker bei HMO.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Zusammenarbeit mit derzeit 25 Tu- morboards, weit mehr als die Hälfte angesiedelt an Universitätskliniken und verteilt über ganz Deutschland.

„Uns erreichen täglich mehrere An- fragen, die wir an die Tumorboards weiterleiten, die für das spezielle Krankheitsbild die höchste Kompe- tenz aufweisen. 90 Prozent der Be- sucher sind Versicherte von koope- rierenden Krankenkassen, zehn Prozent sind Selbstzahler“, erzählt Walther. Da die Prüfung jedes Falles

zeitaufwendig sei und Kosten ver- ursache, sei das Ziel, möglichst vie- le Krankenkassen einzubinden, er- läutert Walther. Die Erfahrungen:

Die weit überwiegende Anzahl der Patienten sei mit dem Dienst „hoch- zufrieden“, aus der Überzeugung heraus, alle Informationsmöglich- keiten ausgeschöpft zu haben, um für sich zu einer optimalen Thera- pieentscheidung zu kommen.

Videos gegen Cyberchondrie

„Medizin ist Kommunikation“, meint der Hamburger Klinikarzt Dr.

med. Johannes Wimmer. Er hat sich als „Doktor Johannes“ einen Namen als Online-Arzt gemacht (www.dok tor-johannes.de) gemacht. Aller- dings behandelt er keine Patienten im Netz, sondern fühlt sich für Auf- klärung und verständliche medizini- sche Informationen zu häufigen Er- krankungen zuständig, nicht zuletzt, um der Cyberchondrie entgegenzu- wirken. Dafür nutzt er vor allem Vi- deos, aber auch andere soziale Me- dien wie Twitter und Facebook.

Ärzte können sich ihm zufolge durch Vorabinformationen im Inter- net Freiräume verschaffen und da- durch mehr Zeit für ihre Patienten gewinnen. Patienten hingegen kön- nen per Internetvideo viele grund- sätzliche Informationen über Be- schwerden, Untersuchungen, Ope- rationen oder Diagnosen in Ruhe zu Hause einholen, statt unter Stress beim Arztbesuch.

Fazit: Die Arzt-Patienten-Kom- munikation wird vielfältiger. Für

„Doktor Johannes“ wie für die übri- gen Dienste gilt jedoch: Den per- sönlichen Arztbesuch können sie nur ergänzen – für die individuelle Behandlung auch des informierten Patienten bleibt weiterhin der Arzt

vor Ort zuständig.

Heike E. Krüger-Brand

Umfrage zur Online-Sprechstunde video.aerzteblatt.de

www.aerzteblatt.de/video61573

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