A 1118 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 25|
20. Juni 2014Transsexuelle: Kein Anspruch auf operative Brustvergrößerung
Gesetzlich Krankenversicherte haben keinen Anspruch auf die Versorgung mit einer beidsei- tigen Mamma-Augmentationsplastik (MAP), weil es sich dabei nicht um eine notwendige Krankenbehandlung handelt. Das hat das Bun- dessozialgericht (BSG) entschieden.
Geklagt hatte eine Frau, die nach ihrem Chromosomensatz dem männlichen Ge- schlecht zugeordnet wird. Phänotypisch wurde sie aber als Mädchen wahrgenommen und auch so erzogen. Sie lebt in der Geschlechts - identität als Frau. Unter Berufung auf Rechts- grundsätze zur Geschlechtsangleichung bei Transsexualismus verlangte sie von ihrer Kran- kenkasse, die Kosten für eine beidseitige MAP zu übernehmen. Diesen Anspruch hat das BSG
abgewiesen. Begründung: Versicherte hätten nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann An- spruch auf eine Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei versteht das Gericht unter „Krankheit“ einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geis- teszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht.
Nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit habe im Rechtssinn Krankheitswert.
Nach Auffassung des Gerichts beansprucht die Klägerin die beidseitige MAP nicht, um ei- ne Funktionsbeeinträchtigung zu heilen, zu lin- dern oder deren Verschlimmerung zu verhüten.
Ziel der gewünschten Behandlung sei es nicht, auf eine Körperfunktion einzuwirken, sondern
lediglich das äußere Erscheinungsbild zu be- einflussen. Transsexuelle gesetzlich Kranken- versicherte hätten keinen Anspruch auf ge- schlechtsannähernde operative Eingriffe, wenn sie lediglich einer optimalen Annäherung an ein Idealbild dienten. Eine Versicherte mit ei- nem Brustansatz, der die für die konfektionier- te Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A ausfülle, könne nach diesem Grundsatz keine MAP beanspruchen. Dies entspricht nach Mei- nung des Gerichts auch dem Gleichbehand- lungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.
Die Grenzziehung vermeide es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungs- rechtlichen Zugang zu kosmetischen Operatio- nen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versi- cherten von vornherein versperrt sei.
(BSG, Urteil vom 4. März 2014, Az.:
B 1 KR 69/12 R) RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Die Reform der psychotherapeuti- schen Versorgung steht auf der Agenda der Bundesregierung, der Krankenkassen, der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesärztekammer (BÄK) und der Bundespsychotherapeuten- kammer. Zu lang sind die Wartezei- ten auf einen Therapieplatz, zu un- flexibel ist das Gerüst der Richtlini- enpsychotherapie, zu willkürlich der Zugang zum Psychotherapie- verfahren. BÄK und Ärztekammer Niedersachsen wollen deshalb die Rolle der ärztlichen Psychotherapie unter die Lupe nehmen. Bei einem Symposium am 28. Juni in Hanno- PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG
Symposium zur spezifischen Rolle der Ärzte
ver soll unter anderem diskutiert werden, ob es eine spezifisch ärztli- che Form der Psychotherapie gibt, welche Berufsgruppen psychisch Kranke in welchem Umfang betreu- en und welche Versorgungsstruktu- ren sich ärztliche Psychotherapeu- ten und deren Patienten wünschen.
Unter Leitung von Dr. med. Cor- nelia Goesmann, BÄK-Beauftragte für ärztliche Psychotherapie, und Prof. Dr. med. Gabriela Stoppe, Ba- sel, äußern sich Referenten aus Psy- chiatrie, Psychosomatik und Psy- chotherapie. Information: Brigitte Bartels, Telefon: 05 11 380 26 20, brigitte.bartels@aekn.de PB Wie oft Patienten einen Arzttermin
verstreichen lassen, ohne die Praxis vorher zu informieren und wie sich das auf deren Terminmanagement auswirkt, will die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ermit- teln. Das Institut für angewandte Sozialwissenschaften infas befragt dazu in den nächsten Wochen tele- fonisch 1 000 Praxen. Die KBV wolle dazu beitragen, die Debatte um zu lange Wartezeiten auf Termi- ne beim Facharzt zu versachlichen, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzen- WARTEZEITEN AUF FACHARZTTERMINE
Umfrage zur Termintreue der Patienten gestartet
de, Dr. med. Andreas Gassen. Denn auch unzuverlässige Patienten trü- gen dazu bei, dass in den Praxen ein hoher Zeitdruck herrsche und War- tezeiten entstehen könnten.
Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass gesetzlich Krankenver- sicherte nur noch maximal vier Wo-
chen auf einen Termin beim Fach- arzt warten müssen. Zentrale Ser- vicestellen bei den Kassenärztli- chen Vereinigungen sollen die Ter- minvermittlung organisieren, not- falls zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus – zulasten der Ho- norare der Vertragsärzte. EB Terminmanage-
ment in der Praxis: Ob es unter unzuverlässigen Patienten leidet, will die KBV heraus - finden.
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