A-2677
M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 42, 22. Oktober 1999 (57) eingeschränkten Dehnbarkeit der
Dura erfolgt nicht nur eine alleinige Kraniektomie, sondern auch eine Du- raeröffnung mit Erweiterungsplastik.
Das entnommene Knochensegment, das eingefroren aufbewahrt bleibt, wird nach sechs bis zwölf Wochen wie- der eingesetzt (Abbildung 1a, b). So ist eine Ausdehnung des geschwolle- nen Hirngewebes nach außen gewähr- leistet und die unter der Kompression verminderte Hirndurchblutung kann sich wieder verbessern. Die Kompli- kationsrate der Operation ist sehr niedrig und umfaßt im wesentlichen Infektionen, subdurale oder epidurale Hämatome und raumfordernde Li- quorkissen.
Wann soll
dekomprimiert werden?
Kürzlich wurden die Ergebnisse einer offenen, prospektiven Dekom- pressionsstudie aus Heidelberg veröf- fentlicht (30), in der bei 63 Patienten mit malignem Mediainfarkt Trepana- tionen durchgeführt und die Ergeb- nisse mit einer historischen Kontroll- gruppe verglichen wurden. Die Resul- tate waren insgesamt ermutigend, sank doch die Mortalität deutlich von 78 Prozent auf 27 Prozent bei dekom- primierten Infarktpatienten. Die Wir- kung der Trepanation beschränkte sich aber nicht nur auf die Überle- benswahrscheinlichkeit, sondern führ- te bei den Überlebenden auch kli- nisch zu einem akzeptablen Resultat:
So zeigte die Mehrheit nach drei Mo- naten nur eine leichte bis mäßiggrade Behinderung, höhergradige Pflegebe- dürftigkeit konnte weitgehend ver- hindert werden. Von den 63 operier- ten Patienten wurden 31 Patienten frühzeitig, das heißt innerhalb der er- sten 24 Stunden trepaniert, während 32 Patienten später, erst als ultima ra- tio einer Operation unterzogen wur- den. Die Tabelle bietet einen Über- blick über die wichtigsten Daten die- ser Studie. Hierbei fällt zunächst auf, daß unter früher Trepanation eine deutlich niedrigere Mortalitätsrate bestand (16 Prozent versus 34,4 Pro- zent) und diese Patientengruppe zu einem weit geringeren Teil Zeichen der Herniation, also anisokore, unila- teral erweiterte, lichtstarre Pupillen,
ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT
aufwies. Die Zeit, die der Patient auf der Intensivstation verbringen mußte, war signifikant kürzer, und auch die resultierende Behinderung, wie sie im Barthel-Index erfaßt wird, wies einen Trend zu einem besseren Ergebnis nach frühzeitiger Dekompression auf.
Alle Patienten, die so früh operiert wurden, konnten in ihr gewohntes so- ziales Umfeld integriert werden (Ta- belle, Abbildung 2, Grafik 3).
Vor dem Hintergrund, daß der natürliche Verlauf eines malignen Me- diainfarktes aus Kenntnis der ersten CT-Aufnahmen und der klinischen Verschlechterung mit Bewußtseins- störung weitgehend vorhersagbar ist,
erscheint es vernünftig, eine Dekom- pression so frühzeitig wie möglich vor- zunehmen, also noch bevor klinische Zeichen der beginnenden Herniation auftreten. Werden die oberen Anteile des Hirnstammes erst komprimiert, bleiben ischämische Schäden in diesem Bereich im Falle des Überlebens nicht aus, was sich auch aus der stärkeren Behinderung der Patienten in der spä- ten Trepanationsgruppe niederschlägt.
Wir danken unseren Kollegen aus der Abtei- lung für Neuroradiologie der Universität Hei- delberg, besonders Herrn Prof. Dr. Klaus Sartor und Herrn Priv.-Doz. Dr. Olav Jansen, für wert- volle Hinweise bei der Erstellung dieses Artikels und für die andauernd gute Zusammenarbeit
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-2670–2677 [Heft 42]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Schwab Neurologische Klinik
der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg
Therapie der Hirndruckkrise 1. Osmotherapeutika
– Mannitol 20 Prozent 250 ml – Hyperhaes 100 ml
2. Hyperventilation – pCO230–35 mmHg 3. THAM
1 mmol pro kg als Bolus über zehn min, dann 0,3 mmol pro kg/Stunde
Ziel: pH-Wert von 7,5–7,55 4. Barbiturate
Thiopental 0,25 g (gegebenen- falls wiederholt)
Beobachtungen ließen vermuten, daß bei Patienten mit terminaler Nie- reninsuffizienz häufiger Karzinome auftreten als in der Normalbevölke- rung. Eine epidemiologische Auswer- tung von 831 804 Patienten mit termi- naler dialysepflichtiger Niereninsuffi- zienz untermauert dies. Statt der zu er- wartenden Zahl von 21 185 Tumorer- krankungen wurden tatsächlich 25 044 Tumore beobachtet, dies entsprach ei- nem um den Faktor 1,18 erhöhten Ri- siko. Das höchste relative Risiko (RR) wiesen junge Patienten unter 35 Jahre auf (RR = 3,6). Betroffen waren vor allem Nieren (RR = 3,6), Blase (RR = 1,5) sowie Schilddrüse und andere en- dokrine Organe (RR = 2,28). Gehäuft
traten Karzinome auf, bei denen Virus- infektionen als ursächlich angesehen werden. Die klassischen Tumoren von Lunge, Darm, Prostata, Mamma und Magen waren gleichhäufig wie in der Normalbevölkerung. Die Autoren un- terstreichen das erhöhte Krebsrisiko bei terminaler Niereninsuffizienz und sehen Parallelen zu Krebserkrankun- gen nach Organtransplantation. acc Maisonneuve P et al.: Cancer in patients on dialysis for end-stage renal disease: an international collaborative study. Lancet 1999; 354: 93–99.
Mr. P. Maisonneuve, Division of Epide- miology and Biostatistics, European In- stitute of Oncology, Via Ripamonti 435, 20141 Mailand, Italien.