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Archiv "Auf der Suche nach dem Tiermodell AIDS: Of Mice And Men" (28.07.1988)

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an hätte sich gewünscht, daß die Intelligenteren unter den Tierversuchs- gegnern dabei gewesen wären: Sie hätten erleben können, mit welchem Ernst und mit welcher Intensität Wissenschaftler darum ringen, die Frage der Übertragbar- keit der Ergebnisse von Tierversu- chen auf den Menschen zu klären.

Die Rede ist von einem Treffen, das die in der AIDS-Forschung koope- rierenden Unternehmen Bayer und Hoechst organisiert haben — ein Treffen zwischen Forschern aus Amerika, Frankreich, Island und der Bundesrepublik Deutschland, die auf der Suche nach dem Tiermo- dell für die Prüfung von AIDS-Me- dikamenten sind.

Es ging unter dem Vorsitz von Prof. Luc Montagnier (Paris) wirk- lich wie in dem alten Steinbeck- Buch von Mäusen bis Menschen:

Mäuse, Katzen, Ziegen, Schafe, Pferde, Kühe, Makaken, Schimpan- sen und Menschen leiden unter Er- krankungen, die durch Lentiviren hervorgerufen werden. Es sind ganz verschiedene Erkrankungen — aber die Viren haben eines gemeinsam:

Sie benötigen zur Vermehrung die Reverse Transkriptase. Und dies be- deutet, daß man ein Medikament, von dem man die Hemmung der Re- versen Transkriptase erhofft, theo- retisch an der Maus ebenso prüfen kann wie am Menschen. Hier also ist die Übertragbarkeit des Tierver- suchs auf den Menschen primär ge- geben.

Leider ist es letztendlich so ein- fach auch nicht — aber einige Ergeb- nisse gibt es doch schon. Ein Bei- spiel: Es ist beim Katzen-Leukämie- Virus (ein Onkovirus, das aber Im- mundefizienz herbeiführt, bevor es onkogen wirken kann) nachgewie- sen, daß eine Behandlung mit dem heutigen Standard-AIDS-Medika- ment AZT eine hundertprozentige Prophylaxe bewirkt, wenn sie eine Stunde nach der Inokulation be-

ginnt. Eine überraschende Bestäti- gung für die mehr gefühlsmäßige Entscheidung mancher Chirurgen in unserem Lande, Mitarbeiter, die sich eine Stichverletzung zugezogen haben, nicht nur mit Alkohol oder Jod zu behandeln, sondern auch prophylaktisch mit AZT zu versor- gen — sozusagen als „Pille danach".

Aber gerade bei der Katze gibt es auch das Beispiel für die Nicht- oder nur Teilübertragbarkeit der Versuchsergebnisse: Mit einem an- deren Nukleosid-Analagon (ddC) kann man Katzen behandeln, ohne daß neurotrope Nebenwirkungen auftauchen. Beim Menschen aber gibt es diese unerwünschten Wir- kungen sehr wohl.

Natürlich „gipfeln" die Tiermo- delle beim Schimpansen. Er läßt sich mit HIV infizieren, ohne — so glaub- te man bisher — an AIDS zu erkran- ken. Das scheint allerdings ein Irr- tum zu sein — man hat die Inkuba- tionszeit nicht abgewartet, als man diesen voreiligen Schluß zog: In At- lanta gibt es heute zwei Schimpan- sen, die nach jahrelanger Infizierung eine der AIDS-Symptomatik ent- sprechende Verminderung der T4- Zellen zeigen sowie das Verschwin- den der p21-Antikörper — beim Menschen Vorzeichen für das Auf- treten des ausgeprägten AIDS-Bil- des.

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elches Tiermodell ist nun am meisten hilf- reich? Da spielt der Zeitfaktor eine Rolle.

Mit Mäusen bekommt man sehr schnell Resultate bei der Testung neuer Medikamente. Bei Schafen oder Ziegen (Maedi-Visna-Virus beim Schaf beziehungsweise Arthri- tis-Enzephalitis-Virus der Ziege) dauert es länger. Andererseits: Bei der Ziege gibt es Veränderungen nach der Infektion, die schnell, leicht und exakt meßbar sind, näm- lich die Schwellung des Knöchelge- lenks durch die Arthritis. Zwei Hin-

weise tauchten in der Diskussion auf: In den USA gibt es heute in ver- schiedenen Laboratorien etwa hun- dert Schimpansen in unterschiedli- chem Infektionszustand — man kann also gezielt denjenigen Schimpansen heraussuchen, an dem man einen er- folgsverdächtigen Stoff prüfen will.

Und: Makaken sind fast ebenso na- he am Menschen wie Schimpansen.

Sollte man — so Prof. Hunsmann, Leiter des Göttinger Primatenzen- trums — sich nicht daran machen, Rhesusaffen zu klonieren, um mög- lichst schnell eine standardisierte Reihe von Versuchstieren zu haben?

Was man bei Mäusen ohne Klonie- rung in einigen Monaten erreichen konnte, nämlich die Züchtung einer absolut standardisierten, immer re- produzierbar reagierenden Linie, das würde bei Rhesusaffen ohne die Technik der Klonierung noch einige tausend Jahre dauern. Wir brau- chen, so eine amerikanische For- scherin, eine „battery" infizierter Affen in verschiedenen Stadien der Infektion, und das müssen eben nicht ausschließlich Schimpansen sein.

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as Bemühen ging in dieser Diskussion immer wieder dahin: Welche Tierversu- che brauchen wir über- haupt? Wenn sich ein Stoff in der er- sten Stufe bewährt — muß er von Mäusen über Katzen, Schafe, Zie- gen, Kühe, Pferde und Affen durch- probiert werden, ehe er am Men- schen eingesetzt wird? Die Lücke zwischen In-vitro-Versuch und klini- schem Versuch muß überbrückt werden, aber mit dem geringsten Aufwand, der nötig ist. Das ist nicht nur eine ethische Frage — das kostet auch ungeheure Mengen Geld! Und es geht deshalb darum, die unum- gänglichen Tierversuche (vor allem mit Mäusen) so effektiv zu machen, daß man so bald wie möglich zum klinischen Versuch übergehen kann

Die bisherigen Versuche haben zweierlei ergeben: Es gibt zwei

„Points of no return". In die Virus- replikation kann man nicht mehr eingreifen, wenn die Integration der RNA in die DNA der Wirtszelle be- gonnen hat — dann hilft die Hem- mung der Reversen Transkriptase

Auf der Suche nach dem Tiermodell

AIDS: Of Mice And Men

Dt. Ärztebl. 85, Heft 30, 28. Juli 1988 (51) A-2159

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nicht mehr. Und jegliche Virusbe- kämpfung hört auf, wenn die Repli- kation der Viren im Knochenmark begonnen hat. Deshalb stellt sich jetzt die Frage: Können wir auf dem Wege der Nukleosid-Antagonisten noch weiter kommen? Das Teufli- sche am HIV ist doch, daß es eine lange Latenzzeit ohne klinische Symptome gibt — und nach dieser Latenzzeit ist es mit AZT und ddA, ddC, ddI und was sonst noch zu spät. Im Tiermodell weiß man, wann infiziert worden ist, und man setzt die möglichen Medikamente eine Stunde, vier Stunden oder drei Tage nach der Inokulation ein. Das aber hat mit dem Menschen, der sich vor vier Jahren bei einem gelegentlichen

Sexualkontakt infiziert und die pas- sagere Lymphadenopathie gar nicht bemerkt hat, nicht mehr viel zu tun.

Vielleicht ist der Bereich der Nu- kleosid-Antagonisten schon ausge- reizt — man muß völlig neu mit der Suche beginnen: nach Medikamen- ten, die die „blown-up"-Infektion beherrschen können, und nach Vak- zinen, die eine Infektion überhaupt verhindern. Bei Mäusen gab es das schon, bevor AIDS bekannt war — so Prof. Hunsmann. Man hatte damals äußerst reines Glykoprotein von den Rezeptoren an der Virusoberfläche gewonnen und dies als Impfstoff be- nutzt — mit großem Erfolg.

Die Begegnungen zwischen ko- operierenden Pharmaherstellern

und universitären Wissenschaftlern sollen fortgesetzt werden. Es geht nicht mehr, daß jeder für sich und allein vor sich hinforscht. Bei der hier referierten Veranstaltung waren fünf Tiermodelle nebeneinanderge- stellt worden, und immer wieder wurde die Frage gestellt: Welches Modell ist das bessere? Es gab keine eindeutigen Antworten, aber es wurde deutlich: Der uralte Antago- nismus zwischen universitärer Grundlagenforschung und industri- eller Anwendungsforschung besteht nicht mehr — beides ist ineinander verflochten und voneinander abhän- gig, auch was die industrielle For- schungsförderung angeht.

Walter Burkart

Lysetherapie mit rt-PA:

Neue Studien untermauern den Nutzen

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ine Hospitalsterblichkeit von drei Prozent — das ist das beste Ergebnis, das je mit einer Ly- setherapie des frischen Herzinfark- tes erzielt worden ist. Es ist das Er- gebnis einer kürzlich publizierten Untersuchung (Lancet 1988, 197-203) der Europäischen Studien- gruppe für rt-PA (recombinant tis- sue plasminogen activator). Vergli- chen wurde in dieser Studie eine Nur-Lysetherapie mit einer Kombi- nation aus Lyse plus sofortiger PTCA (perkutane transluminale Koronarangioplastik). Der Ausgang der Studie spricht für die Lyse mit rt- PA und gegen die sofortige PTCA:

Die Hospitalsterblichkeit betrug drei Prozent nach alleiniger Lyse und sieben Prozent bei kombinier- tem Vorgehen.

Das Konzept, das man mit der frühen PTCA verfolgt hat, ist ein- leuchtend. Zum einen sollten dieje- nigen Gefäße, die nach der medika- mentösen Lysetherapie noch ver- schlossen sind, innerhalb der ent- scheidenden ersten Stunden mecha- nisch eröffnet werden. Und zum an- deren sollte sofort die hochgradige Reststenose beseitigt werden, die bei der Mehrzahl der Patienten ver- bleibt und als eine der Hauptursa- chen für den Wiederverschluß des Infarktgefäßes angesehen wird.

Das unerwartete Abschneiden der invasiven Behandlung ist in er-

ster Linie auf die hohe Komplika- tionsrate zurückzuführen, mit der die Ballondilatation im Akutstadium des Myokardinfarkts behaftet ist.

Fatalerweise steht gerade die Reok- klusion, die durch die PTCA verhin- dert werden soll, unter den Kompli- kationen der mechanischen Inter- vention an erster Stelle.

Neben der Reokklusion sind die zerebralen Blutungen ein ungelöstes Problem bei der Lysetherapie. Die Ätiologie konnte erst durch die An- wendung von rt-PA genau geklärt werden: Die zerebralen Blutungen entstehen durch die Auflösung „gut- artiger` nämlich abdichtender Thromben in den Hirngefäßen und nicht etwa — wie früher angenom- men wurde — infolge eines durch die Lysetherapie induzierten Hämosta- sedefektes. Deshalb ist das fibrin- und damit thrombusspezifische rt- PA von dieser Komplikation ebenso betroffen wie die unspezifische Streptokinase, die zu einem wesent- lich stärkeren Abfall der systemi- schen Gerinnungsparameter führt.

Alle Bemühungen, die für eine zere- brale Blutung prädisponierenden Risikofaktoren einzugrenzen, sind

bislang fehlgeschlagen. Das Risiko unter rt-PA liegt in den Studien der Europäischen Forschungsgruppe im Mittel um ein Prozent.

Risiko: auch abdichtende Thromben werden gelöst

Ein ganz entscheidender, weil die Langzeitprognose determinie- render Parameter zur Beurteilung einer Infarkttherapie ist die globale linksventrikuläre Auswurffraktion.

Verschiedene in den vergangenen Monaten publizierte Studien doku- mentieren, daß die Lysetherapie mit rt-PA die Funktion des linken Ven- trikels günstig zu beeinflussen ver- mag. So wurde in einer plazebokon- trollierten Studie von Guerci et al.

die Auswurffraktion bis zum zehn- ten Tag nach Infarkt um 3,6 ± 1,3 Prozent verbessert, während in der Plazebogruppe dagegen eine Ver- schlechterung um 4,7 ± 1,3 Prozent zu verzeichnen war. Weiterhin ent- wickelten die mit rt-PA behandelten Patienten deutlich seltener eine Herzinsuffizienz, deren Inzidenz lag bei 14 gegenüber 33 Prozent. vi A-2160 (52) Dt. Ärztebl. 85, Heft 30, 28. Juli 1988

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