Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 5|
4. Februar 2011 A 187Z
um „Jahr der Pflege“ hat Bundesgesundheits - minister Philipp Rösler (FDP) 2011 erklärt. Eine richtige Einschätzung, wie sich nun herausstellt: Kaum geht der Januar zu Ende, ist die Diskussion um eine Re- form der gesetzlichen Pflegeversicherung schon in vol- lem Gange. Ob sich Rösler den Start in das neue Jahr allerdings so vorgestellt hatte, darf man getrost bezwei- feln. Denn Anlass zu der Debatte sind die Äußerungen des CSU-Bundestagsabgeordneten Johannes Singham- mer. Der hatte erklärt, die schwarz-gelbe Koalition wolle nun doch keine private Pflege-Zusatzversiche- rung einführen. Es gehe nicht mehr um eine individuel- le Vorsorge, sondern alle Versicherten sollten gemein- sam eine Kapitalreserve ansparen. Das werde von allen Koalitionspartnern so gesehen.Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Eine an- gekündigte Finanzreform, eine blockierende CSU und am Ende vermutlich eine Beitragserhöhung. Tatsäch- lich weckt die Diskussion Erinnerungen an den Streit um die Kopfpauschale in der Krankenversicherung.
Kaum ist der beigelegt, da hängt der Haussegen von Schwarz-Gelb schon wieder schief. Offenbar ist es je- doch nicht allein die CSU, die Zweifel an einem grund- legenden Systemwechsel hat. So muss man zumindest die Äußerungen des Pflegeexperten Willi Zylajew (CDU) interpretieren. Es sei „höchst unwahrschein- lich“, dass es zu einer individuellen Pflege-Zusatzversi- cherung komme. Die Formulierungen im Koalitions- vertrag seien im Übrigen „hinreichend unpräzise“.
Unpräzise? Das kann man eigentlich so nicht stehen lassen. Union und FDP vereinbarten im Koalitions - vertrag, zusätzlich zum bestehenden Umlageverfahren eine Kapitaldeckung einzuführen. Diese müsse „ver- pflichtend, individualisiert und generationengerecht“
ausgestaltet sein. Das klingt relativ eindeutig und hatte in der privaten Versicherungswirtschaft bereits für gute Laune gesorgt. Denn es wäre ein Zwang zur Zusatzver- sicherung. Daher ist auch der Name „Pflege-Riester“
nicht zutreffend. Denn wer für seine Altersvorsorge
„riestert“, tut das ja freiwillig.
Singhammers Vorpreschen hat Rösler offenbar über- rascht. Er ließ über seinen Sprecher mitteilen, zur Fi- nanzierung habe es noch keine Beratungen gegeben.
Grundlage für diese sei dann der Koalitionsvertrag. Das klingt allerdings eher so, als hätte da jemand ganz leise auf den Tisch gehauen. Kein Wunder: Die FDP ist an- geschlagen. Die CSU nutzt das erneut aus, um sich als das soziale Gewissen der Koalition zu profilieren.
Diskussionsbedarf gibt es reichlich: Sollen alle das Risiko für Pflegebedürftigkeit gemeinsam tragen?
Wenn es eine individuelle Vorsorge gäbe, wie teuer und bürokratisch wäre ein Sozialausgleich? Dass die Koali- tionäre ihren Streit nun aber schon wieder in den Me- dien austragen, spricht nicht für ihre Lernfähigkeit.
Ausgerechnet an dem Tag, als Singhammers Vorschlag über die Nachrichtenticker lief, kündigte der bayerische Gesundheitsminister, Markus Söder (CSU), an, Bayern wolle den Pflegeberuf aufwerten und ihn verkammern.
Genau wie Ärzte oder Apotheker sollen im Freistaat künftig die Pflegekräfte ihre Belange selbst organisieren.
Auch wenn Kammern Ländersache sind und man sich fragen muss, ob man eine solche Institution für Pflege- kräfte wirklich braucht, setzt der Vorstoß Rösler unter Druck. Denn er hat im „Pflegedialog“ bisher nur Ge- spräche mit den Pflegeverbänden geführt. Söder signa- lisiert: Die in Berlin reden nur, wir in Bayern tun was.
PFLEGEVERSICHERUNG
Vorstoß aus Bayern
Dr. med. Birgit Hibbeler
Dr. med. Birgit Hibbeler Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik