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Archiv "Das Dilemma der Osteoporose-Therapie: 1 Dilemma von Therapie und Diagnose" (18.10.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DI KUSSION Das Dilemma

der Osteoporose-Therapie

1 Dilemma von Therapie und Diagnose

Die Schlußfolgerungen aus dem Kongreßbericht zur Fluoridtherapie der Osteoporose (DT. ÄRZTE- BLATT 87, Heft 3/1990) werden durch die Stellungnahmen von Ringe (DT. ÄRZTEBLATT 87, Heft 9/1990) und Ziegler (DT. ÄRZTE- BLATT 87, Heft 11/1990) zurechtge- rückt. Um das von Ziegler treffend dargestellte „Dilemma der Osteopo- rose-Therapie" zu beseitigen, bedarf es allerdings nicht nur neuer und besserer Therapiestudien, sondern auch der angemessenen Berücksich- tigung eines „Dilemmas der Osteo- porose-Diagnose". Hierzu die fol- genden Stichworte:

• „Die" Osteoporose ist kei- ne Krankheitseinheit, sondern die Kurzbezeichnung für rund 20 Pro- zent sekundäre und 80 Prozent pri- märe Fälle.

• Auch die Einheitlichkeit der

„primären" Fälle ist zweifelhaft.

Dies gilt gleichermaßen für die post- menopausische, die senile und die

„idiopathische" Untergruppe. An der letzteren sind beide Geschlech- ter ebenso wie die jüngeren Lebens- alter beteiligt.

O Die eigentliche Ursache steht noch für keine dieser Unter- gruppen fest. So eindrucksvoll auch der Zusammenhang mit den weibli- chen Wechseljahren ist — als Krank- heit manifestiert er sich nur bei etwa 25 Prozent der Frauen, die in diesem Lebensabschnitt stehen. Wahr- scheinlich handelt es sich um ein multikausales Geschehen.

O Für eine kausale Therapie der Osteoporose fehlen somit die Voraussetzungen. Im Studium der Skelettinsuffizienz geht es fast nur noch um Rehabilitation. Vor diesem Stadium nutzen wir polypragmatisch unser Wissen um die Teilursachen von Osteopenie.

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Reinhard Ziegler in Heft 11/1990

• Für die Teilerfolge auch die- ser Therapie ist die Präzision der Diagnose ausschlaggebend. Die be- ste radiometrische Knochendichte- messung oder Formbestimmung ist für sich allein keine Behandlungs- grundlage. Sie bedarf der Interpreta- tion nicht nur durch Erb- und Krank- heitsvorgeschichte, biochemische und endokrinologische Parameter, sondern auch durch die Becken- kamm-Biopsie.

• Auch bei sonst typischem Osteoporose-Bild fördert nämlich die histologische Untersuchung noch in rund 30 Prozent der Fälle für Dia- gnose und Behandlung erhebliche Befunde zutage. Am häufigsten ist das (biochemisch oft erscheinungsar- me) Mischbild der „Poro-Malazie"

— notorische Gegenindikation der Fluoridbehandlung (1).

• Fluoridpräparate sind die einzigen derzeit bekannten Medika- mente, die eine histologisch nach- gewiesene Knochenneubildung bei

Osteoporose anregen. Ihre thera- peutische Breite wurde häufig über- schätzt. Nach unserer mehr als 20jährigen Erfahrung führt eine Fluorid-Intervallbehandlung mit Ta- gesdosen bis zu 50 mg FaF nie zum Anstieg der alkalischen Serumphos- phatase (2). Die (nach Ringe) von Riggs et al. beobachteten Werte wä- ren zumindest Grund zur Behand- lungsunterbrechung, wenn nicht zur Überprüfung der Diagnose.

O In den kommentierten Studi- en (Montreal) wurden die unter 5.

bis 7. genannten Umstände offenbar nicht genügend berücksichtigt. Die (in der Presse zumeist einseitig re- portierten) Ergebnisse entsprechen insoweit den Erwartungen.

• Auch bei exakter Beschrän- kung auf randomisierte Unter- gruppen von „postmenopausischer Osteoporose" wäre die statistische Vergleichbarkeit nicht nur mit der unter 3. genannten Unsicherheit be- lastet. Schon für sich allein stellen die notwendigen jahrelangen Beob- achtungszeiten schwer erfüllbare Anforderungen an die Gleichmäßig- keit der Kontrolle, die Disziplin der Kranken und den Ausschluß kompli- zierender Krankheiten oder verän- derter Umweltbedingungen.

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Diese Probleme in einer multizentrischen Studie über minde- stens sechs bis acht Jahre hinweg und bei einem Programm mit nicht weniger als fünf bis sechs Therapie- Varianten zu meistern, würde jeden- falls, wie Ziegler zu Recht betont, ei- nen bisher nicht dagewesenen orga- nisatorischen und materiellen Auf- wand erfordern. Ich fürchte, er könnte wiederum vergeblich sein, wenn es nicht gelingt, die Knochen- histologie in das obligatorische Dia- gnose-Protokoll einzubeziehen und gleichzeitig die wissenschaftliche Ur- sachenforschung der Osteoporose voranzutreiben. Bei der mit Sicher- heit zu erwartenden Zunahme der Osteoporose-Lasten werden diese Forderungen in einigen Jahren viel- leicht weniger utopisch klingen als heute. Hoffentlich werden dann bei der Organisation und Mittelvertei- lung die Prioritäten weise gesetzt.

Bis dahin sind verbindliche Behand- lungsempfehlungen, die die Zuzie- hung neuer Erfahrungen blockieren, Dt. Ärztebl. 87, Heft 42, 18. Oktober 1990 (65) A-3233

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nicht unbedenklich Dies gilt nicht allein für das Medikament Fluorid.

Literatur

1. Burkhardt, R.: Osteoporose: Pathogenese und Therapie. Schriftenreihe der Baye- rischen Landesärztekammer Band 72, 1987 2. Burkhardt, R.: Morphologische Diagnostik

bei generalisierten Osteopathien: Becken- kamm-Biopsie. DT. ÄRZTEBLATT 85, Heft 25/26, 1988

Prof. Dr. med. Rolf Burkhardt Flossmannstraße 20

8000 München 60

2 Ernährung und Bewegung

Ich halte Ihren Vorschlag für ei- ne multizentrische, nationale Osteo- porose-Studie für sehr gut. Zwei Therapieansätze kommen in Ihrem Beitrag leider nicht zur Sprache:

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Ernährungstherapie: Die Amerikaner Marsh et al. konnten bei 1600 (!) sich vegetarisch ernähren- den Frauen nach der Menopause ei- ne signifikant geringere Abnahme der Knochendichte feststellen als in der Vergleichsgruppe der „Omnivo- ren". (Vegetarian lifestyle and bone mineral density, Marsh A. G. et al.

Am. J. Clin. Nutr. 48: (1988) 837-41).

e

Bewegungstherapie: Ameri- kanische Studien zeigen, daß der Mi- neraliengehalt des Knochens durch Bewegungstherapie nicht nur gehal- ten, sondern erhöht werden kann.

(Osteoporosis: Exercise therapy, pre- and postdiagnosis, Stacey, A. T., J. Man: Phys. Ther. 12/3: (1989) 211-19 Exereise and Osteoporosis, Sinaki, M.: Arch Phys. Med. Reha- bil. 70: (1989) 220-29).

Beide Methoden sind in For- schung und Anwendung bei uns in Deutschland im Gegensatz zu den USA sehr vernachlässigt und wohl auch geringgeschätzt. Dabei handelt es sich bei beiden Verfahren um ein- fache und kostengünstige Methoden.

Und — beide Methoden haben eine Menge erwünschter Nebenwirkun- gen, wie jeder Kollege gerne bestäti- gen wird. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn auch die Diskussion sich hier- auf ausdehnen würde.

Robert Hasinger, Arzt Karlstraße 18 • 8033 Planegg

Schlußwort

Den ergänzenden Anmerkungen von Burkhardt ist breit zuzustim- men: Jegliche Osteoporose-Therapie (ob im Einzelfall oder in einer Stu- die) setzt eine komplette Differen- tialdiagnostik voraus, wobei auch die sogenannte primäre oder idiopathi- sche Osteoporose in gewissem Um- fang ein „Mischtopf" bleibt. Bei den Bemühungen einer derartigen Stu- die ist daher die exakte Charakteri- sierung der Patienten unerläßlich, um am Ende eine Differentialthera- pie zu versuchen: Welche Therapie- form hilft und welche versagt bei welchem Osteoporosetyp? Ob ein AP-Anstieg bei der Fluoridtherapie der Osteoporose günstig oder ungün- stig ist, ist zur Zeit noch nicht zu beant- worten. Bei der Planung der multizen- trischen Therapiestudie der Osteopo- rose werden wir uns zweifellos bemü- hen, die Knochenhistologie zum be- schreibenden Bestandteil des jeweili- gen Osteoporosefalles zu machen.

Auch den Anmerkungen von Herrn Kollegen Hasinger stimme ich zu: Kalziummangel ist sicherlich eine mögliche Komponente bei der Osteoporose-Entstehung; die Dun- kelziffer des tatsächlichen Beitrags zu individuellen Osteoporosegesche- hen ist jedoch hoch. Aus diesem Grunde gehen alle heutigen Thera- pien davon aus, daß die Kalziumopti- mierung dabei unabdingbar ist. Dar- über hinausausgehend ist die hoch- dosierte Kalziumgabe bei allen ver- gleichenden Studien einer der The- rapiearme.

Bewegung und Remobilisierung ist für jegliche medikamentöse Osteoporose-Therapie eine unerläß- liche Voraussetzung. Auch hier müs- sen alle Studien darauf achten, gleichartige Empfehlungen auszu- sprechen, um zusätzliche Wirkungen von Medikamenten von der „Basis- therapie" in Gestalt der Optimie- rung der Kalziumzufuhr und der Be- wegung abgrenzen zu können.

Prof. Dr. med. Reinhard Ziegler Abteilung für Innere Medizin I- Endokrinologie und Stoffwechsel Medizinische Universitätsklinik Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg

FÜR SIE REFERIERT

Zweimal

wöchentliche Behandlung der Lungentuberkulose

In die Tuberkulose-Therapie kommt nicht nur durch Entwicklung neuer Medikamente, sondern auch durch den Applikationsmodus Bewe- gung: In einer randomisierten Studie konnte gezeigt werden, daß eine Therapie, zweimal pro Woche durchgeführt, genauso effektiv ist wie die tägliche Gabe von Tuberku- lostatika.

Insgesamt 667 Patienen mit neu diagnostizierter Lungentuberkulose nahmen an der Studie teil. Sie er- hielten entweder täglich 400 mg Iso- niazid und 600 mg Rifampicin oder zweimal wöchentich 900 mg Isoni- azid und 600 mg Rifampicin über vier Monate, nachdem initial zwei Monate lang täglich Isoniazid, Ri- fampicin und Pyrazinamid appliziert worden war. Nur bei zwei Prozent der Patienten mußte die Behandlung wegen Nebenwirkungen abgebro- chen werden.

Analysiert wurden Therapiever- sagen (wenigstens eine positive Spu- tumkultur mit mehr als 20 Kolo- nien), Todesfälle (sechs Prozent ver- sus drei Prozent) und Rezidivrate (sieben Prozent versus vier Prozent).

Da sich zwischen beiden Thera- piemodalitäten kein signifikanter Unterschied finden ließ, kann we- gen der besseren Compliance die zweimal wöchentliche Behandlung durchaus empfohlen werden.

Castelo, A., J. R. B. Jardim, S. Goihman, A. S. Kalckman, M. A. Dalboni, E. A. Da Silva, R. B. Haynes: Comparison Of Daily And Twice-Weeldy Regimens To Treat Pulmonary Tuberculosis. Lancet I:

1173-1176, 1989.

Escola Paulista de Medicina, Säo Paulo, Brasilien; Institut() Adolfo Lutz, Säo Pau- lo, and McMaster University, Hamilton, Ontario, Kanada

A-3234 (66) Dt. Ärztebl. 87, Heft 42,18. Oktober 1990

Referenzen

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