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Archiv "Strukturreform: Sandkastenspiele?" (24.09.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR Psychiatrisch Verfolgte

Aber auch über den Kreis der kon- kret Betroffenen hinaus ist die Vergangenheitsbewältigung der NS-Erbgesundheitsgesetzgebung eine nicht zu überspringende Vor- aussetzung dafür, daß wir mit der erforderlichen Unbefangenheit an die Lösung der wichtigsten ethi- schen und damit ärztlichen Pro- bleme unserer Tage herangehen.

Nur so können wir uns in die Lage versetzen, bei der gegenwärtigen Euthanasie-Diskussion andere Wege als Professor Julius Hacke- thal zu gehen, die Unsicherheit und Willkür bei der heutigen Steri- lisierung behinderter Menschen zu überwinden und die noch offe- nen Fragen zum Schutz des Le- bens im Zusammenhang mit der

Schwangerschaftsunterbrechung und der Gentechnologie zu beant- worten.

Um für die heutigen Fragen die richtigen Antworten zu finden, können wir nicht bestimmte Epo- chen unserer Geschichte auslas- sen, sondern wir müssen durch unsere gesamte Geschichte hin- durchgehen, um sie zu beerben und zu verantworten.

Literatur

(1) abgedruckt in „Der Krieg gegen die psychisch Kranken", Psychiatrie-Verlag 1980; (2) „Euthanasie im NS-Staat", Fi- scher, Frankfurt 1983; (3) Westdeutscher Verlag Opladen 1985; (4) am eindrucks- vollsten „Heilen und Vernichten im Mu- stergau Hamburg", Konkret-Verlag, Hamburg 1984; (5) Die Ergebnisse dieser Tagung sind veröffentlicht in „Fortschrit- te der Psychiatrie im Umgang mit Men- schen", Psychiatrie-Verlag, Bonn 1984;

(6) Eine Dokumentation aller Stellung- nahmen zur Gütersoher Petition ist er- schienen als „Gestern minderwertig — heute gleichwertig?" im Verlag Jakob van Hoddis, Friedhofsstraße 29, 4830 Gü- tersloh, 1985; (7) Zur Zeit wird auch über die parlamentarischen Aktivitäten ein weiterer Dokumentationsabend zusam- mengestellt, der ebenfalls über den Ver- lag Jakob van Hoddis bestellt werden kann

Professor Dr. phil. Dr. med.

Klaus Dörner Westfälisches Landeskrankenhaus Hermann-Simon-Straße 7 4830 Gütersloh 1

Strukturreform

Sandkasten- spiele?

D

ie von der Bundesregierung für die kommende Legislatur- periode avisierte grundlegen- de Strukturreform in der gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) hat einen wahren Wettbewerb un- ter (berufenen und unberufenen) Pläneschmieden entfacht. Kon- kret: Ohne abzuwarten, inwieweit die Vorstellungen des Bundesar- beitsministeriums und der Sozial- und Gesundheitspolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien erste Konturen annehmen, beeil- ten sich Friedhelm Bielski und Dr.

Hans Sendler, ihres Zeichens Ge- schäftsführer bei den Bundesver- bänden der Innungs- und Be- triebskrankenkassen, einen gera- dezu „revolutionären" Schlacht- plan zur Lösung sämtlicher Struk- turprobleme der GKV in die Debat- te zu werfen. Der Testballon im Verbandsorgan des Bdl „Die Kran- kenversicherung" ist um so be- merkenswerter, als sich die Kran- kenkassen-Spitzenverbände mehr oder weniger stillschweigend mit der Krankenversicherungsabtei- lung des Bundesarbeitsministeri- ums bis zum Ende dieser Legisla- turperiode über eine schöpferi- sche „Denkpause" verständigt hatten. Das Vorpreschen der bei- den (Privat-)Autoren kann die Kas- senverbände nur unnötig in die Schußlinie bringen.

Kein Stein soll

auf dem andern bleiben ...

In der wohl mehr inoffiziell verfaß- ten „Gedankenskizze" kaprizieren sich die beiden GKV-Pläne- schmiede zumeist auf alte Kran- kenkassenforderungen. Aber auch

Unkonventionelles bis hin zu Pro- vozierendem wird als probates Mittel für eine „Strukturreform aus einem Guß" dem Gesetzgeber und den Selbstverwaltungen offeriert.

Kein Stein soll da auf dem anderen bleiben. Das bewährte Kassen- arztrecht, die Zusammenarbeit und die vertragliche Interaktion zwischen den Kassenärzten/Kas- senzahnärzten mit den Kranken- kassen sollen aus den Angeln ge- hoben werden. „Mehr Macht den Kassen", lautet schlicht — auf ei- nen Nenner gebracht — die Lo- sung. Als „verfassungsrechtlich tolerabel" werden sämtliche Maß- nahmen des Bundesgesetzgebers geradezu herbeigesehnt, die sich vorrangig auf den Einstieg der Ärzte in das Kassenarztsystem konzentrieren. Als ob die Kassen- funktionäre erst jetzt zu der glor- reichen Erkenntnis gekommen seien, wird postuliert: Jede Art von

„Arbeitsplatzgarantie" für jeden nachrückenden, niederlassungs- willigen Arzt könne es und dürfe es auch in Zukunft schon wegen der anrollenden Mediziner- schwemme nicht geben. Die ge- setzlichen Krankenkassen könn- ten jedenfalls keine Einkommens- garantie für die Gesundheitsberu- fe übernehmen; das Ärzteeinkom- men müsse ohnehin herunterge- fahren werden. Und um ja verfas- sungskonform zu argumentieren und die Gesetzestreue zu be- schwören, wollen die Kassenauto- ren drastische Zulassungsbe- schränkungen nur als „ultima ra- tio" eingesetzt wissen.

Um so mehr Dirigismus soll sich auf anderem Terrain breitmachen:

So wird als ausschließliches Zu- lassungskriterium für die Kassen- arztpraxis eine abgeschlossene mehr als drei Jahre dauernde obli- gatorische Weiterbildung für alle Ärzte propagiert. Die zweijährige Praktikumsphase als „Arzt im Praktikum", eventuell in Verbin- dung mit einer verlängerten Vor- bereitungszeit, ist den Kassenvor- denkern zu dürftig. Überhaupt soll das Übermaß des Muß und der Zwangsverpflichtung der Ärzte un- 2590 (28) Heft 39 vom 24. September 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Strukturreform KURZBERICHT

ter das kaudinische Joch der Kran- kenkassen gestellt werden: So sol- le die kassenärztliche Vergütung durch eine Art Bonus-Malus-Sy- stem am Weiterbildungsgrad und am Fortbildungseifer des Arztes orientiert werden. Vernachlässi- gung und sträfliche Mißachtung der Kassenauflagen und der ge- setzlichen Verpflichtungen sollen durch einen Honorarabschlag be- straft werden. Getreue „Pflichter- füller" sollen dagegen einen Bo- nus erhalten. Auch die Verord- nung von Arzneimitteln sowie Heil- und Hilfsmitteln soll entspre- chend durch ein kassensanktio- niertes Bonus-Malus-Anrech- nungssystem zielgerecht gesteu- ert werden. Die Autoren fordern ein strenges Einvernehmen (nicht:

„Benehmen") zu sämtlichen Maß- nahmen mit der Kassen-Selbstver- waltung.

Begrenzungsdeckel soll fester geschraubt werden Bei allem Drang zur Machtvoll- kommenheit der Kassen verwun- dert es nicht, daß ein so obskurer Vorschlag aufkreuzt: ab einem be- stimmten Grenzbetrag abgerech- neter Krankenscheine sei eine degressive Punktbewertung anzu- wenden, um so „Anreize zur Pra- xisausweitung" und zur Ausla- stung der Scheine zu bremsen.

Damit ein Kassenstein auf den an- deren im Zuge der „Strukturre- form" gesetzt werden kann, emp- fehlen die Kassenfunktionäre, den Begrenzungsdeckel bei der Be- messung der Gesamtvergütung fe- ster als bisher zu schrauben.

Selbstverständlich müsse das Ho- norarvolumen an der Grundlohn- summe der Versicherten orientiert werden; dies sei zudem „verfas- sungsrechtlich zulässig", wie die Autoren unter Anspielung auf eine wohl mehr zurechtgelegte Aus- dehnung eines Bundesverfas- sungsgerichtsurteils meinen.

Bei so viel „Freiheitlichkeit" und

„Kooperationsbereitschaft" mit dem „Partner Kassenärzte" ver- wundert es denn auch nicht, daß

die sonst auch von den Kranken- kassen hochgehaltene Arztwahl der Patienten begrenzt werden soll: Künftig solle das holländi- sche System auch hierzulande gelten und die freie Arztwahl nur auf klar definierte Primär- und Hausärzte begrenzt werden. Daß auch eine verschärfte Prüfpraxis und Regreßsanktionen in das Strukturkonzept eingebunden werden sollen, verwundert unter diesen Auspizien kaum.

Das schriftstellerische Werk der GKV-Geschäftsführer läßt nur ei- nen Schluß zu: Wenn jetzt bereits der Casus belli heraufbeschworen wird und mit systemsprengenden Forderungen Sperrfeuer im Vor- griff auf die Strukturreform gege- ben werden soll – welche Koope- rationsbereitschaft ist dann noch bei der gemeinsamen in Angriff genommenen Überarbeitung des Einheitlichen Bewertungsmaßsta- bes (EBM) zu erwarten? Was sind dann noch die im Frühjahr 1986 zwischen der Kassenärzteschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten Grundsätze für die Reform des EBM und die weitere vertrauens- volle Zusammenarbeit bei Fragen der Strukturreform in der Kran- kenversicherung wert?

Die Krankenkassen werden dazu Position beziehen müssen, um zu- mindest für die nahe Zukunft eine Klimaverschlechterung zwischen den Vertragspartnern zu vermei- den. Eine erste distanzierende Re- sonanz der Innungskrankenkas- sen liegt bereits vor... HC

ZITAT

Politiker-Lohn

„Der Politiker kommt kaum zum Zuhören, er muß immer nur reden, und Denken ist bei ihm ein reiner Grenzfall."

Dr. Heinz Riesenhuber, Bundes- minister für Forschung und Tech- nologie, Bonn, vor einer Landwir- te-Tagung

Das Bild des Arztes in der Öffentlichkeit

„Einen über die Jahre hin zöger- lichen, allmählichen Prestigever- fall" konstatierte das Institut für Demoskopie Allensbach jüngst für die Ärzteschaft. Hintergrund war die aktuelle Befragung einer re- präsentativen Zahl von Bürgern nach ihrer Wertschätzung von Be- rufsgruppen – und der Vergleich mit den Vorjahren.

Zwar liegt der Arzt danach immer noch an der Spitze der geschätz- ten Berufe. Doch das Votum der Jüngeren und der Bessergebilde- ten unter den Befragten sorgte da- für, daß von ehemals 84 Prozent (vor 20 Jahren) nur 76 Prozent blieben. Immerhin nur ein „all- mählicher Prestigeverfall" – und auch darüber könnte man ange- sichts der Zahlen durchaus strei- ten.

Differenzierter als die Allensba- cher hat Brunhild Stehr schon 1984 in ihrer Promotionsarbeit die Veränderung des Arztbildes in der Öffentlichkeit untersucht. In ihrer Arbeit widmet sie sich den Jahren 1967 bis 1972. Die Analyse dieser Zeitspanne liefert jedoch Erklä- rungsansätze für eine Entwick- lung, die sich mit den regelmäßi- gen, aber knappen Befragungen des Allensbacher Instituts höch- stens nachweisen, nicht aber be- gründen läßt.

Brunhild Stehr wertete für ihre Analyse den „Spiegel" der Jahre 1967 bis 1972 aus. Dieser Zeitraum gilt in der Geschichte der Bundes- republik als Epoche des Um- bruchs. Es scheint also durchaus berechtigt anzunehmen, daß da- mals die umfassende Kritik an ge- sellschaftlichen Zuständen auch vor der Medizin und der Ärzte- schaft kaum haltgemacht haben wird. Brunhild Stehr geht davon aus, daß Medien die öffentliche Meinung zugleich widerspiegeln und bilden. Sie hat deshalb für ih- re Untersuchung als „repräsenta- Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 39 vom 24. September 1986 (31) 2591

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