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Archiv "Gesundheits-Strukturreform/Ärzte: Für flexible Vertrags- und Leistungsstruktur" (21.04.1995)

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Foto: Bundesbildstelle, Bonn

Regierungshotel Petersberg: Schauplatz der Seehofer-Gespräche POLITIK

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ie Repräsentanten der Bun- desärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) sicherten bei der zweiten Gesprächsrunde auf dem Bonner Petersberg der Regie- rungskoalition und dem Bundesge- sundheitsministerium zu, den näch- sten Reformschritt im Konsens und enger Koordination mit den Kran- kenkassen zu gehen. Dabei müßten auch unkonventionelle Reform-Op- tionen zur Debatte stehen. Allerdings müßten zunächst Modellversuche in Gang gesetzt werden, um die Prakti- kabilität solcher vor allem die Ver- tragsstrukturen flexibilisierender Re- gelungen zu testen. Die Bereitschaft zur Mitwirkung seitens der Ärzte- schaft ist an drei Voraussetzungen ge- knüpft:

— Es muß Start- und Wettbe- werbsgleichheit innerhalb der ge- meinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen gewähr- leistet sein.

—Der Selbstverwaltung muß ein ausreichendes Instrumentarium zur Gewährleistung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung in den einzelnen Leistungsbereichen zugestanden werden. Die ärztliche Selbstverwaltung könne nur für das in Obligo genommen werden, was sie unmittelbar und selbst zu verantwor- ten hat und damit auch selbst zu steu- ern imstande ist (Arzneimittelbudget).

—Der Umfang der Sicherstellung für die ambulante Versorgung darf nicht durch eine institutionelle Öff- nung der Krankenhäuser für die am- bulante Versorgung eingeschränkt werden. Es könne nicht angehen, daß ausgerechnet der teuerste Sektor des Gesundheitswesens, die Krankenhäu- ser, für weitere ambulante Behand- lungsmaßnahmen weit geöffnet wer- den und sich als „Gesundheitszen- tren" zu Lasten des ambulanten Sek- tors ausdehnen dürfen.

Eine uniforme, durchgehende Selbstbeteiligung der Versicherten an den ärztlichen Leistungskosten (am- bulant und stationär) in Höhe von z. B. 10 Prozent lehnt die Ärzteschaft ab. Eine generelle Selbstbeteiligung der Versicherten dürfe nicht als neue

„Geldschöpfung" und Erschließung neuer Finanzierungsquellen zu La- sten der Kranken, Dauerbehand-

AKTUELL

lungsbedürftigen und sozial Schwa- chen aktiviert werden. Allerdings sei eine moderate, sozial austarierte Di- rektbeteiligung dort sinnvoll, wo sich eine positiv steuernde Wirkung ent- falten kann (Arznei- und Hilfsmittel- versorgung; Kuren). Die politisch an- gestrebte langfristige Stabilisierung der Krankenkassenfinanzen könne auch durch eine modifizierte Bei- tragsgestaltung erreicht werden, etwa durch eine Flexibilisierung des Lei- stungsangebots im so-

genannten Wahllei- stungssektor mit ent- sprechender individu- eller Beitragsgestal- tung beim Arbeitneh- meranteil.

Eine durchgehen- de Direktbeteiligung bei den ärztlichen Lei- stungen sei wegen der Abgrenzungsproble- matik und der Prakti- kabilität nicht sinnvoll.

Der Zugang zum Arzt dürfe nicht von der Zahlungsfähigkeit der

Patienten abhängig gemacht werden (Gefahr der Verschleppung von Krankheiten u. a.). Ein zu hoher Selbstbehalt wäre sozialpolitisch nicht vertretbar und politisch nicht durchsetzbar; ein niedriger Selbstbe- halt würde kaum steuern und die Mengenkonjunktur nicht einschrän- ken. Eine Differenzierung der Selbst-

beteiligung nach Erstkontakt und Folgeleistungen oder präventiver und kurativer Medizin ist aus der Sicht der BÄK und KBV weder praktikabel noch wegen des zu erwartenden ho- hen Verwaltungsaufwandes opportun.

Unverzichtbare Voraussetzung für das Funktionieren der ambulan- ten ärztlichen Versorgung ist für die Ärzteschaft die Beibehaltung des Kollektivvertragsystems, verbunden mit dem Angebot, soweit dies medizi-

nisch sinnvoll ist, differenziertere Versorgungs- und Vergütungsstruktu- ren mit einzelnen Kassenarten zu ver- einbaren (diese Marschrichtung wird offenbar auch von Bundesgesund- heitsminister Horst Seehofer und den Krankenkassenverbänden favori- siert). Seehofer geht davon aus, daß Krankenkassen und Kassenärztliche

Gesundheits-Strukturreform/Ärzte

Für flexible Vertrags- und Leistungsstruktur

Für die Ärzteschaft sind eine gestufte, möglichst durchlässige und integrierte (verzahnte) Ver- sorgung sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor der fachärztlichen Versorgung so- wie eine darauf abgestellte Organisationsstruktur des ärztlichen Dienstes im Krankenhaus un- verzichtbare Voraussetzungen für eine systemgerechte Weiterentwicklung des Gesundheitswe- sens. Allerdings müßten dazu noch die rechtlichen, vertraglichen und finanziellen sowie die planungsmäßigen Voraussetzungen geschaffen werden. Prinzipiell müßten die Rahmenbedin- gungen der Planungsgrundlagen sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Sek- tor verändert und Vertragsstrukturen mit dem Ziel gebildet werden, eine sektorenübergreifen- de Planung zu installieren. Nur dadurch könnten mehr Wirtschaftlichkeit und eine hochstehen- de Qualität der ärztlichen Versorgung in allen Bereichen gesichert und gefördert werden.

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 16, 21. April 1995 (17) A-1139

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POLITIK

Vereinigungen weiter wie bisher mit der Durchführung originärer staatli- cher Aufgaben beauftragt werden und daher als öffentlich-rechtliche Körperschaften strukturiert sein müßten. Privatrechtliche Einzelver- träge vertrügen sich mit einem sol- chen System grundsätzlich nicht. Des- halb müsse am Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen für die ambulante vertragsärztliche Versorgung festgehalten werden — auch zur Gewährleistung der politi- schen Vorgabe finanzieller Rahmen- bedingungen und zur Durchsetzung der Qualitätssicherung.

Eine Ausgliederung von Ärzten aus der Leistungsberechtigung auf Grund der bestehenden Kassenzulas- sung sei mit dem System öffentlich- rechtlicher Körperschaften ebenso- wenig vereinbar wie eine willkürliche Beitragsdifferenzierung innerhalb des Pflichtleistungskatalogs der Kran- kenversicherung.

Aus der Sicht der Ärzteschaft müsse dagegen die Einräumung von Wahltarifen für alle Versicherten für bestimmte Versorgungsstrukturen zulässig sein. Falls das Kostenerstat- tungssystem wahlweise gegenüber dem sonst dominierenden Sachlei- stungsprinzip eingeführt wird, müsse die volle Transparenz der geleisteten Kostenerstattungen durch die Kran- kenkassen gegenüber den Kas- senärztlichen Vereinigungen gewähr- leistet werden. Anderenfalls seien die Auswirkungen der über Kostener- stattung in Anspruch genommenen Leistungen auf die Gesamtkosten der ambulanten ärztlichen Behandlung nicht überprüfbar. Individuelle Bei- tragsrückgewähr sei denkbar (kein Vorab-Bonus).

Vorgeschlagen wird die Durch- führung eines Modellversuchs, um das Inanspruchnahmeverhalten der Versicherten und das Leistungsgeba- ren der Vertragsärzte zu prüfen, wenn die Rahmenbedingungen geändert und die Vertragskonditionen flexibili- siert werden.

Nach dem BÄK/KBV-Vorschlag soll die Inanspruchnahme des Fach- arztes durch den Hausarzt stets im Sachleistungsverfahren erfolgen.

Nimmt der Versicherte direkt den Facharzt innerhalb der fachärztlichen Versorgung in Anspruch, tritt an die

AKTUELL

Stelle des Sachleistungssystems (von Ausnahmen abgesehen) das Kosten- erstattungsprinzip. Dabei soll die Li- quidation des Arztes gegenüber dem Versicherten auf der Grundlage eines vereinbarten EBM-Punktwertes er- folgen, der zwischen KBV und den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbart worden ist. Die Kostenerstattung der Krankenkasse gegenüber dem Versi- cherten soll demgegenüber zum je- weiligen Sachleistungs-Vergütungs- satz erfolgen. Ausnahmen von diesem Prinzip sollten für bestimmte Arzt- gruppen gelten, bei denen die vorhe- rige Inanspruchnahme des Hausarz- tes aus medizinischen Gründen nicht verlangt werden kann.

Kooperative Praxisstrukturen

Massagen sollten nicht generell aus dem Leistungskatalog gestrichen werden. Es sollten Massagen jedoch indikationsbezogen auf der Grundla- ge eines Behandlungsplanes für eine gezielte physikalische Therapie als Leistung der Krankenkassen gewährt werden. Bei der Versorgung mit Bril- len und Hörgeräten, die auf Grund fachärztlicher Verordnung abgegeben werden, sollen die Kassenleistungen auf eine Zuschuß-Zahlung be- schränkt werden, die sich auf die Standardversorgung erstreckt. Bei Hilfsmitteln sei eine sozial verträgli- che Eigenbeteiligung angebracht.

Bei der Qualitätssicherung soll die verfaßte Ärzteschaft (Ärztekam- mern/KVen) gemeinsam mit den Krankenkassen (unter Umständen auch mit den Krankenhausträgern) eine gleichberechtigte Kooperation vereinbaren.

Durchgängig soll der Grundsatz

„so viel ambulante Krankenversor- gung wie möglich, so viel stationäre Versorgung wie nötig" beibehalten und durch kooperative Praxisstruktu- ren ergänzt werden. Die Kranken- häuser sollten von ihrer bisher domi- nierenden Anstaltsfunktion mit hierarchischen und dreigegliederten Führungsstrukturen auf das Teamarzt- modell in jenen Kliniken umgestellt werden, in denen dies möglich ist, oder in neu aufzubauenden Klinikbe-

reichen. Die Arbeitsteilung, Abstim- mung und Vertretung soll durch einen Teamarztvertrag mit Zustimmung des Krankenhausträgers geregelt werden.

Die bisherige Organisations- und Letztverantwortung des leitenden Klinikarztes soll ein gewählter, vom Krankenhaus bestätigter Sprecher der Teamärzte übernehmen.

Das Belegarztwesen und Praxis- kliniken sollen in der Regel in der Grund- und Regelversorgung instal- liert werden. Voraussetzung: Zulas- sung von Vertragsärzten mit Vertrags- arztsitz im Krankenhaus bei funktio- naler fachlicher Ausrichtung (Radio- logie, Strahlentherapie, Labormedi- zin, Pathologie, Nuklearmedizin) mit vereinbarter Leistungserbringung für stationär zu versorgende Patienten.

Das Integrations-Modell der Ärzte- schaft beinhaltet zugleich eine koope- rative Nutzung von Geräten und Ope- rationseinrichtungen durch niederge- lassene Krankenhausärzte. Angestell- te Krankenhausfachärzte sollten nach Bedarfsgrundsätzen (wie bisher) zur Teilnahme an der fachärztlichen Ver- sorgung ermächtigt werden.

Im ambulanten Sektor sollen ver- schiedene Modellversuche gestartet werden. Prinzipiell soll die freie Arzt- wahl mit KV-Berechtigungskarte oder Privatbehandlung (Kostener- stattung) oder Überweisung eines Haus- oder anderen Facharztes vor- gesehen werden. Ein Modellversuch beinhaltet die hausärztliche Versor- gung mit Sachleistungssystem oder di- rekt via Kostenerstattungsverfahren mit Liquidation nach einem zwischen KBV und Kassenverband auf EBM- Basis vereinbarten Punktwert. Ein weiterer Modellversuch impliziert ei- ne zeitlich befristete Wahl des Haus- arztes und eine spezialärztliche Be- treuung in der Regel nur auf hausärzt- liche Überweisung.

Zwei alternative Modellversu- che: Einholung einer fachärztlichen Zweitmeinung vor Krankenhausein- weisung bei bestimmten Indikatio- nen, gegebenenfalls über einen finan- ziellen Anreiz für Konsilien mit quali- fizierten Ärztinnen/Ärzten. Weiterer alternativer Modellversuch: finanziel- le Anreize für die Abrechnung auf Überweisung durch angehobene Ge- bühr für den Arztbrief.

• Dr. Harald Clade A-1140 (18) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 16, 21. April 1995

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