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Archiv "Ersatzdrogen" (04.02.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

D

er Vorstand der Bun- desärztekammer nimmt erneut nach Be- ratung im Wissen- schaftlichen Beirat und eines Arbeitskreises „Ausweichdro- gen" zu der Frage der Ersatzdrogen in der Behandlung von Drogenab- hängigen Stellung. Auf die voraus- gegangenen Stellungnahmen auf dem 87. Deutschen Ärztetag 1984 in Aachen und die Entscheidung des 89. Deutschen Ärztetages 1986 in Hannover wird hingewiesen.

r Anlaß zu der

Stellungnahme sind:

• die erneute Diskussion um die Verabreichung von sucht- erhaltenden Ersatzdrogen an Drogenabhängige (Methadon beziehungsweise Levo-Metha- don),

© die Tatsache, daß Drogen- abhängige eine wesentliche Ri- sikogruppe für AIDS darstel- len, da sie sowohl Opfer wie Verbreiter der HIV-Infektion sind,

• die immer wieder eingelei- teten Strafverfahren gegen Ärzte, die Drogenabhängigen ambulant Ersatzdrogen ver- ordnen.

Nach allen vorliegenden wis- senschaftlichen Erkenntnissen ist die Drogensucht ein langfristiger Krankheitsprozeß, der in besonde- rer Weise individuelle Faktoren ein- bezieht. Dieser Prozeß verläuft dann günstiger, wenn alle geeigneten the- rapeutischen Mittel eingesetzt wer- den, die suchtstoff-freien Zeiten zu vergrößern. Das oberste therapeuti- sche Prinzip in der Behandlung von Drogenabhängigen muß daher das Ziel bleiben, auf der Basis von Dro- genabstinenz, unterstützt durch so- zio- und psychotherapeutische Maß- nahmen, eine Stabilisierung der Per- sönlichkeit zu bewirken und eine weitgehende soziale Selbständigkeit herbeizuführen. Man stellt dieses zentrale therapeutische Prinzip zur Behandlung Drogenabhängiger in Frage, wenn erneut Substitutions- programme unter dem Etikett soge- nannter „medikamentengestützter Rehabilitation" befürwortet wer- den.

Ersatzdrogen sind solche, die von Drogenabhängigen dann einge- setzt werden, wenn ihr bevorzugtes Suchtmittel, zum Beispiel Heroin, nicht mehr oder nicht ausreichend verfügbar ist. Dazu gehören alle Ab- hängigkeit erhaltenden Arzneimittel wie Opioide einschließlich kodein- und dehydrokodeinhaltige Fertig- arzneimittel, Barbiturate, Benzodia- zepine, Psychostimulanzien und Ap- petitzügler sowie Clomethiazol (Distraneurin®) und Alkohol.

Die seit 25 Jahren vorliegenden Erfahrungen mit Drogen-Ersatzpro- grammen, wie zum Beispiel Metha- don, sind in den verschiedenen Län-

dem unter bestimmten und unter- schiedlichen Zielvorstellungen ge- wonnen worden. Alle bisher vorlie- genden Ergebnisse berechtigen nicht zu der Annahme, daß dadurch we- sentliche Änderungen der Sucht er- möglicht werden. Die überwiegende Zahl der Drogenabhängigen wird von solchen Programmen nicht er- reicht. Zugleich bleiben diese häufig nicht bei der Ersatzdroge allein, son- dern greifen auch auf weitere Sucht- stoffe, zum Beispiel Opiate, aber auch Alkohol und Tranquilanzien zurück. Das Ersatzmittel führt zu ei- ner Ausweitung des Abhängigkeits- verhaltens. Dadurch wird die Poly- toxikomanie gefördert, die wegen additiver Effekte oder fehlender Kreuztoleranz in manchen Fällen das Leben des Süchtigen bedroht.

Es besteht die Gefahr, daß nicht Drogenfreiheit erzielt, sondern le- benslanger Bedarf an Suchtmitteln erzeugt und unterhalten wird.

Das Betäubungsmittelgesetz macht die Verschreibung und die Vergabe von Betäubungsmitteln da- von abhängig, daß ihre Anwendung ärztlich begründet ist und der beab- sichtigte Zweck auf eine andere Weise nicht erreichbar ist. Eine so- ziale Zielsetzung, wie zum Beispiel Verringerung der Kriminalität, ist damit nicht vereinbar. Selbst wenn mit Hilfe solcher Programme in Ein- zelfällen eine soziale Integration möglich ist, wie vorliegende Unter- suchungen zeigen, kann daraus doch nicht gefolgert werden, daß dies ein wesentlicher Schritt in der Behand- lung der Drogenabhängigen ist. Die Abhängigkeit wird in der Regel durch den Arzt verfestigt, wenn die- ser abhängigkeiterhaltende Arznei- mittel verordnet.

Weltweit nimmt die Zahl der HIV-positiven Drogenabhängigen zu. Sie sind eine bedeutsame Risi- kogruppe. Auch wenn es schwierig und problematisch ist, Drogenab- hängige mit rational ausgerichteten Appellen zu erreichen, muß auf ver- schiedenen Wegen versucht werden, vor dem gemeinsamen Benutzen von Spritzen und Nadeln (needle sharing) zu warnen und auf die gro- ßen Gefahren promiskuitiven Se- xualverhaltens hinzuweisen. Durch das Sexualverhalten im Bereich der

Ersatzdrogen

Stellungnahme des gemeinsamen Arbeitskreises des Wissenschaftlichen Beirates und des

Ausschusses „Psychiatrie, Psychotherapie und Psychohygiene" der Bundesärztekammer

A-244 (64) Dt. Ärztebl. 85, Heft 5, 4. Februar 1988

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FÜR SIE REFERIERT

Drogenszene und über die Beschaf- fungsprostitution bei Männern und Frauen besteht auch Gefahr für die übrige Bevölkerung. Auch wenn im Einzelfall denkbar, ist wissenschaft- lich bisher nicht nachzuweisen, daß die Beschaffungsprostitution durch Verabreichen von Ersatzdrogen re- duziert wird. Die Teilnahme an Sub- stitutionsprogrammen bietet keine Gewähr für die Einstellung des pro- miskuitiven Sexualverhaltens.

Drogenabhängige sind intensiv über die AIDS-Erkrankung aufzu- klären. Manches spricht dafür, daß Drogenfreiheit den Verlauf der Er- krankung positiv beeinflußt. Bei Drogenabhängigen, die nicht zu ei- ner Entzugsbehandlung bereit sind, ist der Gebrauch von Einmal-Spritz- bestecken dringend zu empfehlen.

Gegen die Abgabe von Einwegsprit- zen bestehen keine Bedenken. Bei uneinsichtigen HIV-positiven dro- genabhängigen Prostituierten sind die seuchen- und unterbringungs- rechtlichen Maßnahmen anzuwen- den.

Im Einzelfall kann eine Indika- tion für Methadon oder ein anderes Opioid meist unter kontrollierten Bedingungen vorliegen. Diese Ein- zelfälle sind zum Beispiel

❑ Drogenabhängige mit lebensbe- drohlichen Zuständen im Entzug,

❑ Drogenentzug bei schweren kon- sumierenden Erkrankungen,

❑ Drogenentzug bei opioidpflich- tigen Schmerzzuständen,

❑ Drogenabhängige am Ende der Schwangerschaft beziehungsweise unter der Geburt.

❑ Drogenabhängige AIDS-Kranke mit fortgeschrittener manifester Er- krankung.

Solche Behandlungen sollen nur von in der Therapie von Drogenab- hängigen erfahrenen Ärzten in Insti- tutionen und unter strenger Kontrol- le erfolgen.

Die Beschränkungen der Me- thadon-Behandlung auf Einzelfälle und die Ablehnung genereller Me- thadon-Programme müssen zu einer

Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten für Drogenabhängige Anlaß geben: Offener Zugang zu Drogenberatungsstellen, frühzeitige Diagnostik, individuelle Therapie- planung, Verbesserung in der Quali- fikation des therapeutischen Perso- nals, stärkere Verzahnung von am- bulanten und stationären Behand- lungsprogrammen.

Kontrollierte Substitutionsver- suche sollten nur zugelassen werden, wenn hohe fachliche Qualifikation der Durchführenden, empirisch wis- senschaftliche Qualität der Ver- suchsplanung und Strenge der Durchführung gesichert sind.

Weiterhin sollte die Forschung über den Einsatz von Medikamen- ten zur aktiven Rückfallprophylaxe (zum Beispiel Naltrexon) verstärkt und sollten die bisherigen Erfahrun- gen überprüft werden.

Mitglieder des gemeinsamen Arbeitskreises

„Ersatzdrogen" des Wissenschaftlichen Beira- tes und des Ausschusses „Psychiatrie, Psy- chotherapie und Psychohygiene der Bundesärz- tekammer":

Prof. Dr. J. Gerchow

Direktor des Zentrums der Rechtsmedizin der Universität Frankfurt

Prof. Dr. K. Heinrich

Direktor der Rheinischen Landesklinik — Psychiatrische Klinik der Universität — des Landschaftsverbandes Rheinland, Düssel- dorf

Prof. Dr. P. L. Janssen (federführend) Leitender Landesmedizinaldirektor, Westfälisches Landeskrankenhaus Dort- mund

Dr. K.-H. Kimbel

Geschäftsführer der Arzneimittelkommis- sion der deutschen Ärzteschaft, Köln Prof. Dr. W. Poser

Zentrum Psychologische Medizin, Abtei- lung Psychiatrie, Göttingen

Frau Dr. I. Retzlaff

Frauenärztin, Vorsitzende des Ausschus- ses „Psychiatrie, Psychotherapie und Psy- chohygiene" der Bundesärztekammer, Lübeck

Priv.-Doz. Dr. K.-L. Täschner

Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Klinik des Bürgerhospitals, Stuttgart Priv.-Doz. Dr. H. Waldmann

Leiter des Krankenhauses für Drogenab- hängige, München

Prof. Dr. K. Wanke

Direktor der Universitäts-Nervenklinik Homburg, Saar

Defäkationssynkope kann multiple

Ursachen haben

Synkopen, denen eine gastroin- testinale Ursache zugrunde liegt, sind relativ selten. So wird vereinzelt über Schlucksynkopen berichtet, wo es in Verbindung mit einem Schluck- akt zum Auftreten eines intermittie- renden totalen atrioventrikulären Blocks oder einer Synkope gekom- men ist. Zumeist lag als Grunder- krankung eine Achalasie, ein diffu- ser Ösophagospasmus oder ein Zen- kersches Divertikel vor.

Die Autoren berichten über ein Kollektiv von 20 Patienten, bei de- nen es einmalig (elf) oder mehrmals (neun) zu Defäkationssynkopen kam. Das Durchschnittsalter lag bei 59 Jahren. 14 Patienten waren im Bett gelegen, davon neun einge- schlafen, bevor sie einen Defäka- tionsdrang verspürten. Die klinische Durchuntersuchung ergab bei zwei Patienten eine gastroenterologische, bei drei eine kardiale Erkrankung, in einem Fall lag eine transitorische Ischämie vor. Bei drei weiteren Pa- tienten dürfte es sich um eine ortho- statische Hypotonie gehandelt ha- ben, doch ließ sich immerhin bei elf Patienten keine primäre Ursache finden. Bei einer zweijährigen Ver- laufsbeobachtung wurden bei zehn Patienten weitere Synkopen beob- achtet, in der Mehrzahl allerdings ohne vorausgegangene Defäkation.

Sieben Patienten verstarben wäh- rend der Beobachtungszeit an chro- nischen Grundkrankheiten.

Offensichtlich handelt es sich bei der Defäkationssynkope um ein vielschichtiges Phänomen, das eine sorgfältige Untersuchung des Pa- tienten nach sich ziehen sollte. W

Kapoor, W. N., Peterson, J., Karpf, M.:

Defecation syncope. A Symptom with multiple etiologies. Arch. intern. Med.

146: 2377-2379, 1986

Division of General Medicine, Depart- ment of Medicine, University of Pitts- burgh, 190 Lothrop St., Pittsburgh PA 15261

Dt. Ärztebl. 85, Heft 5, 4. Februar 1988 (65) A-245

Referenzen

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