Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 276. Juli 2007 A1999
M E D I Z I N
blasenkarzinom bei entsprechenden Beschwerden dif- ferenzialdiagnostisch stets in Betracht gezogen wer- den. Hinsichtlich der Anmerkung zu Benzidin kann be- stätigt werden, dass die Verwendung von Benzidin im Rahmen des Nachweises von okkultem Blut früher üb- lich war. Die mit dieser Anwendung verbundene Expo- sition gegen Benzidin ist jedoch im Allgemeinen als eher gering einzustufen.
Die auf einer großen persönlichen Erfahrung beru- hende Zuschrift von Herrn Dr. Stasik hat die Autoren sehr gefreut. Aufgrund der Beschränkungen bei Text- länge und Anzahl der Literaturstellen konnte auf seine Erstbeschreibung und das auf dem Kongress der Inter- national Commission on Occupational Health 2000 in Singapur präsentierte Follow-up (2) nicht speziell hin- gewiesen werden. Die Exposition gegen 4-Chlor-o-to- luidin war, nach gegenwärtigem Kenntnisstand, vor al- lem bei der Produktion mit einem höheren Harnblasen- karzinomrisiko verbunden, wie Zahlen von Produkti- onsstandorten in mehreren Ländern belegen (3).
LITERATUR
1. Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin.
Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland:
Reiseassoziierte Infektionskrankheiten im Jahr 2005. 2006; 37:
323.
2. Stasik MJ, Konietzko J, Godlewski A, Fortak W: Current studies of 4-chloro-o-toluidine and chlordimeform carcinogenicity. 26th International Congress on Occupational Health, 27th August – 1st September 2000, Singapore. Scientific Programme and Abstracts 311.
3. Abbott PJ: Chlordimeform. World Health Organisation, Geneva.
Environmental health criteria 1998; 199: 112–3.
(www.inchem.org/documents/ehc/ehc/ehc199.htm).
Prof. Dr. med. Klaus Golka Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund Ardeystraße 67
44139 Dortmund
Interessenkonflikt
Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Edi- tors besteht.
zu dem Beitrag
Somatoforme Störungen und Funktionsstörungen
von Dr. med. Nina Sauer, Prof. Dr. med. Wolfgang Eich, in Heft 1–2/2007
DISKUSSION
Fehlen tut jedem irgendwas
Man muss nur unterscheiden zwischen dem, was ein Patient hat, und dem, was ihm fehlt: Fehlen tut jedem irgendwas, aber eine Krankheit hat glücklicherweise nicht jeder. Es war die Gleichsetzung dieser genau diametralen Befunde – haben versus fehlen – , die im Modell einer „psychosomatischen Medizin“ zu jener ausufernden Pathologisierung des Alltagslebens ge- führt hat, die unser Sozialversicherungssystem heute so überfordert, dass man über Rationierungen nach- denkt. Und das, obgleich hellsichtige Experten wie Karl Jaspers schon in den 1950er-Jahren davor warn- ten, subjektives Leiden mit objektivem Erleiden gleichzusetzen, weil damit die auf Objektivität basie- rende Kompetenz des Arztberufes untergraben würde.
Den zitierten Patienten fehlt etwas, und sie leiden.
Doch: „Nobody is perfect“ – wenn wir damit weiterma- chen, alles therapieren zu wollen, was jemandem fehlt, dann haben wir bald nur noch Kranke. Und die hätten wir dann selber herbeidefiniert, indem wir „Störun- gen“ mit Krankheit gleichsetzen, denn ungestörtes Leben gibt es nicht – jede neue Lebenserfahrung
„stört“ den vorangehenden Status. Ich will solches
Leiden damit nicht kleinreden, aber es ist gleichwohl keine ärztliche Sache: Subjektives lässt sich nicht im Sinne von „Diagnosen“ objektivieren – denn „wenn Subjekte zu Objekten der Selbst- und Fremderfahrung werden, verlieren sie eo ipso das, was sie zu Subjekten macht“ (1). So lange niemand das Leib-Seele-Pro- blem gelöst hat, ist deshalb der Terminus „psychoso- matisch“ nichts als eine suggestive Leerformel, und sein Gebrauch in der praktischen Medizin führt in eben jene Uferlosigkeit, die unser Gesundheitswesen sprengt.
LITERATUR
1. Spaemann R: Das Natürliche und das Vernünftige. München: Piper 1987; 52.
Dr. med. Wolfgang E. Reuber Sollinger Straße 24 83317 Rückstetten
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.
Die Autoren haben auf ein Schlusswort verzichtet.