Seite eins
Psychotherapeutengesetz
(K)ein Ende in Sicht
L
ieber ein Ende mit Schrek- ken als ein Schrecken ohne Ende: Mag sein, daß die„Gesundheits"-politiker der Ko- alition so bei den parlamentari- schen Abschlußberatungen über das geplante Psychotherapeuten- gesetz gedacht haben. Nur, ein gu- tes Ende ist dies gewiß nicht, wenn neuere Erkenntnisse über die ambulante psychotherapeuti- sche Versorgung nicht mehr be- rücksichtigt werden.
Eine qualitative und quantita- tive Bedarfsdeckung ist nämlich nicht ohne weiteres durch eine Er- höhung der Anzahl zugelassener Therapeuten zu erreichen. Ganz im Gegenteil: Die bisher vorlie- genden Daten zeigen erhebliche Ungleichgewichte bei der psycho- therapeutischen Versorgung auf lokaler und regionaler Ebene.
Eine Fortsetzung der bisheri- gen Praxis der weitgehend unge- steuerten Niederlassung hätte-zu- nächst zur Folge, daß die derzeit schon besser versorgten Gebiete künftig noch mehr Zulauf von An- bietern psychotherapeutischer Leistungen erhalten, während sich an der Versorgungssituation von Problemgebieten wenig ändern würde. Und: als Folge der gegen- wärtig geplanten Budgetierung dürfte die zu erwartende Punkt-
wertsenkung zu einem gravieren- den Qualitätsverlust führen, bezie- hungsweise ist die Aufstockung des Budgets bereits jetzt absehbar.
Dringend erforderlich ist da- her eine „spezifische Bedarfspla- nung Psychotherapie", die lokale und regionalspezifische Nachfra- ge-, Struktur- und Effektivitätsda- ten berücksichtigt. Vorschläge hierfür liegen auf dem Tisch, wer- den aber offenkundig ignoriert.
Dies ist um so unverständlicher, als der Bundesminister selbst das sogenannte Koblenzer Modell för- dert, das eindrucksvoll belegt, wie eine gute Kooperation und Koor- dination zu einer bedarfsgerechte- ren Versorgung beiträgt.
Interdisziplinäre Kooperati- on und verbesserte Information und Organisation führen zu der Erkenntnis: Trotz regionaler Un- gleichgewichte gibt es — gemes- sen an der Nachfrage der Patien- ten nach Psychotherapie — keine manifeste Unterversorgung. Der
„objektive" Bedarf an zusätzli- chen psychotherapeutischen Lei- stungen kann nur so zuverlässiger ermittelt werden.
Doch die positiven Effekte ei- ner funktionierenden Kooperati- on drohen durch die Aufsplittung der psychotherapeutischen Ver- sorgung in zwei getrennte Systeme
(ärztliches bei den Kassenärztli- chen Vereinigungen, psychologi- sches bei den Krankenkassen) wieder verloren zu gehen. Es wird auf eine gemeinsame Bedarfspla- nung, Niederlassungsteuerung und Zulassung beziehungsweise Ermächtigung durch die gemein- same Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen verzichtet.
Warum diese Erkenntnisse negiert werden, ist schlicht unver- ständlich. Will sich die Politik nicht mehr damit beschäftigen, weil sie froh ist, endlich dieses
„ungeliebte Kind" auf den Weg gebracht zu haben? Oder sollte es letztendlich nur darum gehen, an- geblich „verkrustete Strukturen"
im Gesundheitswesen aufzubre- chen und zugleich Ruhe an der Psychotherapeuten-Front herzu- stellen? Sollte für den Gesetzge- ber hingegen das Interesse an ei- ner qualitativ hochstehenden und bedarfsgerechten psychothera- peutischen Versorgung im Vor- dergrund stehen, müssen erfor- derliche Änderungen noch mög- lich sein. So sollte zumindest die Option auf eine „spezifische Be- darfsplanung Psychotherapie"
durch eine Forschungsklausel im Gesetz verankert werden.
Dr. med. Reinhard Antpöhler Dr. phil. Peter Löcherbach
HIV-Hilfsfonds Gedämpfte Freude
p
arlamente wie der Bun- destag sind keine Gre- mien, die rasch Entschlüs- se fassen und diese zügig umset- zen lassen. Um so erfreulicher wir- ken Gegenbeispiele. Ein solches scheint der Hilfsfonds für Men- schen zu sein, die sich durch Blut oder Blutprodukte mit dem HI- Virus infiziert haben (vgl. dazu Heft 3/1994). Der Bundestag hat diesem Fonds relativ schnell zuge- stimmt und 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt.Anfang Februar waren be- reits 600 Anträge eingereicht. Mit 1 500 bis 1 800 rechnet die zustän- dige Deutsche Ausgleichsbank.
Die Mehrzahl der Antragsteller sind, wie erwartet, Hämophile. Al- le anderen Infizierten müssen be- reits Ansprüche in außergerichtli- chen Vergleichen durchgesetzt oder bei Gericht anhängig ge- macht haben.
Die Freude über die rasche Hilfe läßt nach, wenn man in Ta- geszeitungen gleich neben den
Berichten über den Fonds liest, daß die Deutsche AIDS-Hilfe in diesem Jahr mit einem um zehn Prozent gekürzten Etat auskom- men muß. Auch die beiden AIDS- Stiftungen mußten erhebliche Streichungen hinnehmen. Rainer Jarchow, Vorstandsvorsitzender der Deutschen AIDS-Stiftung, hat dies schon Ende letzten Jahres an- gesprochen. Er warnte vor einer Unterscheidung in „schuldig" und
„unschuldig" Infizierte — aus gu- tem Grund. th Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 6, 11. Februar 1994 (1) A-305