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Archiv "Undankbare Aufgabe" (26.08.1996)

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P O L I T I K KOMMENTAR

Was macht ein Autoverkäufer, wenn ein Kunde ihm Geld auf den Tisch legt und nach einem zufrieden- stellenden Wagen verlangt? Ohne Präzisierung der Wünsche, etwa zu Platzangebot, Benzinverbrauch und Farbe, würde der Verkäufer in der Auswahl leicht danebengreifen und letztlich einen unzufriedenen Kunden haben.

Diese Situation haben wir im Ge- sundheitswesen. Das, was man bezah- len will, wird genannt: Beitragsstabi- lität soll die Ausgaben für das Ge- sundheitswesen bestimmen. Nicht aber definiert wird bislang, was man haben will. Dabei gibt es vieles: Transplantationen und Dialyse für alle, deren Organe versagen (bei vielen von uns werden Herz, Lungen oder Nieren im Alter aufhören zu funktionieren), Herzkathe- ter und Bypass-Operationen, Hüftersatz, ein dicht geknüpf- tes Notarzt-Rettungswesen, kurze Wartezeiten, Wachs- tumshormonbehandlung ge- gen Kleinwuchs und das Al- tern, Zweibettzimmer in allen Krankenhäusern, Partizipati- on an der medizinischen Wei- terentwicklung, dichte psycho- soziale Betreuung. Damit sind einige der kostenträchtigen Faktoren genannt.

Die Kranken, die gesund werden, und die Gesunden, die gesund bleiben wollen, sind die Wähler, deren Vertre- ter im Bundestag sitzen. Es sind die Versicherten, die in demokratisch ge- wählten Gremien der Krankenkassen bestimmen können, was Sache ist.

Der Bundestag und die Krankenkas- sen müssen festlegen, was sie für das vorhandene Geld haben wollen.

Nicht jedoch darf dies Aufgabe der Ärzte sein, und zwar aus zwei Grün- den: Ärzte profitieren selbst und un- mittelbar von der Anwendung des- sen, was sie verschreiben. Ärzte müs- sen Anwälte ihrer Patienten, die mit Vertrauen und mit einem Behand- lungsauftrag zu ihnen kommen, sein.

Sie sind nur begrenzt auch für die Fi- nanzierbarkeit des Gesundheitssiche- rungssystems zuständig.

Fordert man Beitragsstabilität – es gibt wichtige volkswirtschaftliche Argumente dafür, die Ausgaben für das Gesundheitswesen zu begrenzen –, dann muß analysiert werden, was man sich für das vorhandene Geld leisten kann. Dazu gehört auch, daß über- prüft wird, ob die Ressourcen wirt- schaftlich verwendet werden, ob die Ärzte zuviel verdienen und ob die Krankenhäuser sparsam wirtschaften.

Dann könnten die Betroffenen – die sowohl Einzahler als auch Lei- stungsempfänger sind – sagen, ob es ihnen paßt.

Bei uns geschieht aber anderes.

Ich bin als Arzt im Krankenhaus tätig, und ich bin von dem unredli- chen und potentiell schädlichen Dis- kussionsduktus betroffen und ver- letzt. Betrachten wir die Kranken- hauskosten:

Die Personalkosten liegen bei 70 bis 75 Prozent. 1990 wurde viel über den Pflegenotstand geklagt. Es wurde eine Pflegepersonalregelung erlassen, die eine stufenweise Aufstockung des Pflegepersonals vorsah. Heute gibt es mehr Krankenschwestern als im Jahr 1990, und es gibt keinen Pflegenot- stand mehr. Hierin liegt der Haupt- faktor für die Ausgabensteigerung im Krankenhaussektor. Das wissen der Bundesminister für Gesundheit und die Krankenkassen. Aber bei ihrem

„kesseltreibenartigen“ Beklagen der Krankenhauskosten wird das nicht er- wähnt. Das ist unredlich.

Die Krankenhäuser wirtschaften 1996 immer noch mit dem für 1992 vereinbarten Budget, erhöht um die tarifrechtlich bedingten Gehaltsstei- gerungen, ohne Zunahme, ohne Berücksichtigung auch der gestiege- nen Lebenshaltungskosten. Auch das wissen der Bundesgesundheitsmini- ster und die Krankenkassen, auch das fällt unter den Tisch.

In der geltenden dualen Kran- kenhausfinanzierung sind die Länder für lang- und mittelfristige Finan- zierungsmaßnahmen verantwortlich.

Das betrifft Bau- und Instandhal- tungsmaßnahmen und Geräte. Die Länder haben wenig Geld und haben in den vergangenen drei Jahren auf diesem Gebiet kaum etwas ge- tan. Das ist bekannt, aber es wird von den Diskussionspart- nern verschwiegen.

Man muß es nur oft genug sagen, und dann wird es schon allgemein geglaubt: „Die Krankenhäuser sind die be- deutenden, egoistischen, un- verantwortlichen, preistreibe- rischen Geldverschwender.“

Diese Behauptung ist falsch.

Richtig hingegen ist die Aussage, daß eingreifende Kurskorrekturen nötig sind, weil das Gesundheitssiche- rungssystem sonst einem Fiasko entgegensteuert. Die Zahl der Leistungsempfänger nimmt zu, wofür Zuwanderung und Verschiebung der Altersstruktur hauptsächlich verantwortlich sind.

Das therapeutische Angebot wird breiter und besser (die Klagen, daß die Gesundheit der Bevölkerung im- mer schlechter werde, sind falsch).

Entweder werden wir deutlich mehr für die Medizin ausgeben müs- sen, oder wir werden die Leistungen beschränken müssen. Es wird auf letz- teres hinauslaufen.

Dazu können die Ärzte in der Behandlung der Patienten verpflich- tet werden, und sie werden sich dann auch daran halten. Inhalte und Aus- maß der Beschränkung zu definieren obliegt denen, die die Leistungen be- zahlen und erhalten. Ihre Vertreter stehen vor einer sehr schwierigen und undankbaren Aufgabe.

Prof. Dr. med. Karl Ernst von Mühlendahl, Osnabrück

A-2127 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 34–35, 26. August 1996 (19)

Undankbare Aufgabe

Karikatur: Mester, in: Die Rheinpfalz

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