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Archiv "Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Neuer Vorstand verspricht neuen Kurs in der Berufspolitik" (26.03.1993)

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Beifall für einen Senkrechtstarter: Dem Kölner Neurologen Dr. Winfried Schone gelang auf Anhieb der Sprung an die Spitze der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Neuer Vorstand verspricht

neuen Kurs in der Berufspolitik

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat einen neuen Vorstand. An der Spitze steht jetzt Dr. Winfried Schone, Neurologe aus Köln und Vorsitzender der Kassenärztli- chen Vereinigung Nordrhein. Der neue Zweite Vorsitzen- de der KBV heißt Dr. Peter Schwoerer, Allgemeinarzt aus Titisee-Neustadt und Vorsitzender der KV Südbaden.

Schone und Schwoerer stehen für einen Kurswechsel in der Politik der Kassenärzteschaft.

ut zwei Stunden nach Beginn der konstituierenden Sitzung der KBV-Vertreterver- sammlung waren die Würfel gefal- len. Die Spannung, die bis dahin fast greifbar im Sitzungssaal des Kölner SAS-Hotels gelegen hatte, löste sich in Beifall auf. Noch nie zuvor war ei- ne Wahl zum Vorsitzenden der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung derart dramatisch verlaufen wie die- se. Und: Dem Sieger der Wahl war auf Anhieb sozusagen der Durch- marsch an die Kassenarzt-Spitze ge- lungen, ohne bereits ein Vorstands- mandat innegehabt zu haben.

So wirkte Dr. Winfried Schorre auch fast ein wenig verlegen, als die Delegierten ihm zum Sieg gratulier- ten. Wenngleich dem Kölner Neuro- logen und Psychiater im Vorfeld der Vertreterversammlung durchaus gu- te Chancen eingeräumt worden wa- ren, so bedeutete die Wahl Schorres für viele dennoch eine faustdicke Überraschung. Denn selbst nach dem ersten Wahlgang war das Er- gebnis noch völlig offen.

Drei Kandidaten waren dabei ins Rennen gegangen: Neben Schorre der KV-Vorsitzende aus Südbaden, Dr. Peter Schwoerer, und der bis da- hin amtierende Zweite Vorsitzende der KBV, Dr. Otfrid P. Schaefer aus Hessen. Während auf Schwoerer 33 Stimmen entfielen, konnte Schaefer mit 38 Stimmen eine Stimme mehr verbuchen als Schorre. Die Entschei- dung mußte in einer Stichwahl zwi- schen Schaefer und Schorre fallen.

Doch es kam anders. Dr. Horst Kohne, alter und neuer Vorsitzender der Vertreterversammlung, ließ die Delegierten nach der Auszählung der Stimmen in der Stichwahl wis- sen: „Das Ergebnis hängt an einer Stimme. Und diese Stimme können die drei Juristen in c[er Wahlkommis- sion nicht eindeutig zuordnen." Die- ser eine, unleserliche Stimmzettel mußte für ungültig erklärt werden, was ein Patt zwischen den beiden Kandidaten bewirkte. Die Frage war nun: Losentscheid oder Wiederho- lung des Wahlganges? Dazu Kohne:

„Ich glaube, in der derzeitigen Situa- tion wäre das Losverfahren das

schlechteste. Aus diesem Grunde schlage ich Ihnen eine Wiederholung des Wahlganges vor."

Die Vertreterversammlung folg- te dem Vorschlag einstimmig, und die Wahl begann aufs neue. Wenig später stand dann das endgültige Er- gebnis fest: Dr. Winfried Schorre setzte sich mit 58 gegenüber 49 Stim- men gegen Dr. Otfrid P. Schaefer durch.

Auch bei der Wahl zum Zweiten Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mußte Schaefer sich schließlich geschlagen geben.

Dr. Peter Schwoerer erzielte gleich im ersten Wahlgang mit 68 Stimmen die absolute Mehrheit. Damit stand fest: Die beiden wichtigsten Positio- nen im neuen KBV-Vorstand wur- den neu besetzt — eine Weichenstel- lung auch für die übrigen Wahl- gänge.

Aus der alten Führungsriege ge- lang lediglich Dr. Ulrich Oesing- mann der erneute Einzug in den KBV-Vorstand. Bereits einige Tage

Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993 (17) A1-845

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Nach der Entscheidung: Dr. Otfrid P. Schaefer im Ge- spräch mit Dr. Peter Schwoerer, dem neuen KBV-Vize

Die Delegierten der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben in Köln einen neuen Vorstand gewählt.

Neben Dr. jur. Rainer Hess (KBV-Hauptgeschäftsführer, Köln) von links nach rechts: Dr. med. Wolf-Rüdiger Rudat (KV Thüringen, Internist aus Jena), Dr. med. Roderich Nehls (KV Berlin, Internist aus Berlin-Reinickendorf), Dr. med. Wolfgang Mohr (KV Nord-Württemberg, Inter- nist aus Holzgerlingen), Dr. med. Ulrich Oesingmann (KVWestfalen-Lippe, Allgemeinarzt aus Dortmund-Asseln), Dr, med. Winfried Schor- re (Erster Vorsitzender, KV Nordrhein, niedergelassener Neurologe und Psychiater aus Köln), Dr. med. Peter Schwoerer (Zweiter Vorsit- zender, KV Südbaden, Arzt für Allgemeinmedizin aus Titisee-Neustadt), Dr. med. Oliver Funken (KV Nordrhein, leitenderArzt aus Bonn, au- ßerordentliches Mitglied), Dr. med. Klaus Penndorf (KV Sachsen-Anhalt, Chirurg aus Magdeburg) Fotos (4): Bernhard Eifrig

vor der Vertreterversammlung hatte der westfälische KV-Vorsitzende er- klärt, nicht mehr um das Amt des KBV-Vorsitzenden kandidieren zu wollen. Warum er diesen Entschluß faßte, gab Oesingmann vor der Ver- treterversammlung folgendermaßen zu Protokoll:

Signal an die Bonner Politik

„Ich habe bewußt auf eine Kan- didatur für ein führendes Amt im Vorstand verzichtet, weil die Ärzte- schaft durch die Wahlen in den Län- der-KVen gezeigt hat, daß sie einen Wechsel wünscht. Mit meiner feh- lenden Kandidatur für ein Spitzen- amt will ich auch der Politik signali- sieren, daß man so mit ei-

nem Berufsstand nicht umgehen darf. Wer im- mer glaubt, Falschdar- stellungen in der Öffent- lichkeit für sich bean- spruchen zu können und damit einen Keil in die Interessen einer Berufs- gruppe treibt, muß durch einen anderen Vorstand erfahren, worum es geht!"

Die Botschaft an die Adresse von Bundesge- sundheitsminister Horst Seehofer kam an — zu- mindest bei den Dele- gierten, die bei dieser

Aussage demonstrativen Applaus spendeten. Gleichwohl mußte der Mann, der die letzten vier Jahre an vorderster Front gestanden hatte, zwei Anläufe unternehmen, um er- neut einen Vorstandssitz zu erhal- ten. Bei der Wahl um den dritten Beisitzer setzte sich anstelle Oesing- manns der KV-Vorsitzende aus Nord-Württemberg, Dr. Wolfgang Mohr, in der Stichwahl durch. Erst bei der Abstimmung um die Position des vierten Beisitzers gelang dem ehemaligen KBV-Vorsitzenden der Einzug in den Vorstand.

Ganze vier Mal trat Dr. Eckhard Weisner an, am Ende aber vergeb- lich. Weisner, der sich vor einigen Wochen noch bei den Wahlen zum KV-Vorsitz in Schleswig-Holstein

hatte behaupten können, erhielt kein neues Mandat. Statt dessen schaff- ten außer den bereits Genannten den Sprung in die Führungsriege:

Dr. Lothar Wittek, Bayern (1. Beisit- zer), Dr. Klaus Penndorf, Sachsen- Anhalt (2. Beisitzer), Dr. Roderich Nehls, Berlin (5. Beisitzer), Dr.

Wolf-Rüdiger Rudat, Thüringen (6.

Beisitzer), und Dr. Oliver Funken, Nordrhein (7. Beisitzer und zugleich Vertreter der außerordentlichen Mitglieder).

Mit Penndorf und Rudat wähl- ten die Delegierten gleich zwei Ver- treter der neuen Bundesländer in das höchste Führungsgremium der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung. Dr. Klaus Penndorf, von Hau- se aus Chirurg, hat bereits relativ kurz nach der Wende im alten Vor- stand der KBV mitgearbeitet und sich dort für die Interessen seiner niedergelassenen Kollegen aus den neuen Ländern stark gemacht. Sein Ansatz für die kommende Legisla- turperiode: „Wir müssen bereit sein, die Ärzteschaft zu politisieren — als Kontrapunkt einer an Unbeweglich- keit kaum zu überbietenden Ministe- rialbürokratie."

Daß dies gelingen kann, davon ist der Magdeburger Arzt überzeugt.

Zu den Delegierten sagte er: „Mein Optimismus begründet sich in der unmittelbar nach der Wende zwi- schen Ihnen und uns praktizierten und fortdauernden Solidargemein- schaft."

A1-846 (18) Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993

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Wahl-Marathon: VV-Vorsitzender Dr. Horst Kohne (r.) und KBV-Hauptgeschäftsführer Dr. Rainer Hess Solidarität nach innen und ge-

schlossenes Auftreten nach außen:

Das ist auch der übergeordnete Leit- faden der neuen KBV-Führung. Dr.

Schorre sieht die Kassenärzteschaft an einem berufspolitischen Wende- punkt. Die gegenwärtige Situation, so der Kölner Neurologe, gleiche ei- nem Scherbenhaufen. „Wir sollten nicht versuchen, nur die Scherben zu kitten", forderte der neue Mann an der Spitze. „Es reicht nicht aus, im- mer weiter am EBM herumzubasteln oder es als Erfolg zu verkaufen, daß der Herauswurf aus der Kassenarzt- praxis von 65 auf 68 Jahre hinausge- zögert wurde. Wir müssen einen neuen Anfang machen!"

Der Weg in die Zukunft, so Schorre, bestünde aus ernst gemein- ten reformerischen Ideen

und Konzepten. Konzep- te, die die Möglichkeiten der modernen Medizin ebenso berücksichtigen wie die sozialen und wirt- schaftlichen Gegebenhei- ten einer sich ständig ver- ändernden Welt. Der neue KBV-Vorsitzende wörtlich: „Wir müssen endlich aus der Ärzte- schaft heraus der Öffent- lichkeit klar machen, daß ,dieses unser bewährtes System' in weiten Teilen eben wohl doch nicht mehr den Erfordernissen

unserer gesellschaftlichen Anforde- rungen entspricht und — was Ge- sundheitswesen im Jahr 2000 sein kann. Dabei dürfen wir gegebenen- falls auch vor der In-Frage-Stellung bisheriger Inhalte und Strukturen nicht zurückschrecken."

Als vorrangiges Ziel einer refor- merischen Neugestaltung bezeichne- te Schorre die maßgebliche Beein- flussung der Politik. Nur so könne verhindert werden, daß ein zweites Seehofer-Gesetz (das bereits ange- kündigt ist) weiter und tiefer in die Sackgasse der gesundheitspoliti- schen Planwirtschaft führe. Unter dem Applaus der Delegierten erkär- te der neue Mann an der Spitze sei- nen festen Willen zur kollegialen Kooperation und zur entschlossenen Vertretung der gesamten Vertrags- ärzteschaft nach außen.

„Der neue Vorstand", betonte Schorre, „muß den Ärzten ihre ärzt- liche Freiheit einschließlich einer angemessenen Vergütung ihrer Ar- beit zurückgewinnen." In der Ziel- setzung und wohl auch in der Frage der dazu notwendigen Strategie sind sich beide neuen Vorsitzenden einig.

So machte Dr. Peter Schwoerer die

„jahrzehntelange Appeasement-Po- litik" der Ärzte mitverantwortlich für das gegenwärtige Desaster der Ge- sundheitspolitik und das zerstörte ärztliche Selbstwertgefühl. Auch die Angst vor eigenen Konzeptionen und innerärztlichen Auseinanderset- zungen habe zu der momentanen La- ge geführt.

Allerdings: Dem neuen Vor- stand bleibt wenig Zeit, sich zu fin-

den und die politischen Vorstellun- gen zu formulieren. Schorre und Schwoerer stehen vor Aufgaben, die alles andere als einfach sind. Das Gesundheitsstrukturgesetz ist gera- de ein Quartal in Kraft, und schon denkt der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen im Auftrag Seehofers über neue Reformschritte nach.

Und: Anfang Mai tagt die KBV- Vertreterversammlung im Vorfeld des 96. Deutschen Ärztetages. Spä- testens dann müssen die Grundzüge der neuen Politik erkennbar sein.

Vielleicht ist es diese Aussicht, die Dr. Winfried Schorre zum Ab- schluß der denkwürdigen Vertreter- versammlung in Köln sagen ließ:

„Ich hoffe, daß wir die Dramatik des Tages jetzt umsetzen können in die Dynamik des Alltages." Josef Maus

Gentechnikgesetz wird neu gefaßt

Mitte November 1992 forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, das bestehende Gentechnik- recht zu novellieren. Nun liegt ein entsprechender Referentenentwurf vor. Danach geht es vor allem dar- um, den Umgang mit der Gentechnik in Industrie und Forschung „von sachlich nicht erforderlichen und da- mit unverhältnismäßigen Beschrän- kungen zu befreien", wie es in der Begründung heißt. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß einige Re- gelungen an geltendes EG-Recht an- gepaßt werden müssen. Konkret ent- hält der Referentenentwurf folgende wichtige Änderungen:

Es wird klargestellt, daß das Gesetz keine Gültigkeit für die An- wendung gentechnisch veränderter Organismen am Menschen hat. In der Erläuterung heißt es dazu: „Da- mit sind die Bereiche der Prävention (z.B. Biovaccine), der Diagnostik (z.B. Marker-Experimente) und der Therapie (z.B. somatische Genthera- pie) beim Menschen — soweit sie die unmittelbare Anwendung betreffen

— ausgenommen." Nicht ausgenom- men seien hingegen in vitro- Teilschritte der Verfahren, die der unmittelbaren Anwendung von gen- technisch veränderten Mikroorganis- men am Menschen vorausgehen oder folgen können.

O

Die Anmelde- und Genehmi- gungsverfahren werden erleichtert.

So soll beispielsweise in Zukunft auch für gentechnische Anlagen zu gewerblichen Zwecken, in denen Ar- beiten der Sicherheitsstufe 1 (kein Risiko) vorgenommen werden, statt einer Genehmigung lediglich eine Anmeldung ausreichen. Für Geneh- migungen von gentechnischen Anla- gen der Sicherheitsstufe 2 (geringes Risiko) zu Forschungszwecken soll die Frist verkürzt werden. Dafür wird auf die Beteiligung der Zentra- len Kommission für die Biologische Sicherheit verzichtet, sofern eine vergleichbare Arbeit von ihr bereits eingestuft worden ist.

Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993 (19) A1-847

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