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Archiv "Die Situation der Psychiater in Rumänien: Der Krieg der Psychiater" (27.11.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

BLICK INS AUSLAND

I

n der früheren Tschechoslowakei, in Rumänien, der ehemaligen DDR und in Kuba wurde Psych- iatrie politisch mißbraucht. Waren es früher allenfalls Einzelfälle, die den Menschenrechtsorganisationen aus diesen Ländern zu Ohren kamen, so weist eine sich langsam bildende Bi- lanz nun doch auf systematischen Mißbrauch hin.

Die Rumänen hatten, nach den Sowjetrussen, wohl am meisten unter der Perversion des Faches zu leiden.

Viele hundert Fälle ungerechtfertigt in psychiatrische Anstalten gesperr- ter Dissidenten, kritischer Bürger, Nörgler oder leichter psychisch Kranker, denen die Krankheit die Zunge lockerte für ein aufmüpfiges politisches Wort, gehen auf das Kon- to der allmächtigen Securitate.

1977 erreichten erste Mitteilun- gen des Schriftstellers Paul Goma über rumänische Kliniken, in denen gesunde Oppositionelle zwangsbe- handelt würden, den Westen. Sie standen damals im Schatten der viel dramatischeren Nachrichten aus der Sowjetunion. Im gleichen Jahr pran- gerte Dr. Ion Vianu in Rumänien solche Mißbrauchsfälle an.

Ende 1977 veröffentlichte auch amnesty international erstmals die Ergebnisse sorgfältiger Recherchen in einer Dokumentation von 32 Fäl- len psychiatrisierter „Gewissensge- fangener". Anfang der 80er Jahre entwickelte sich eine besondere Va- riante dieser Usancen, indem nun bei bevorstehenden politischen, sportlichen und kulturellen Großver- anstaltungen störungsverdächtige Bürger prophylaktisch zu Hunderten für mehrere Wochen psychiatrisiert wurden. Ein anderer Reformpsychi- ater, Dr. Tuculescu, Präsident der Vereinigung freier Psychiater Rumä- niens (AFPR), wäre fast selbst ein Opfer der Politpsychiatrie geworden.

Als er Anfang der 80er Jahre, damals noch Chefpsychiater im Gesund- heitsministerium, Kollegen und In- stitutionen des politischen Miß- brauchs ihres Fachs bezichtigte, ver- lor er seine Stellung und entging nur knapp der Einweisung in eine An- stalt.

Nach dem Sturz des Diktators sollte alles anders werden. Aber eine Stunde Null des Neubeginns war der

rumänischen Psychiatrie offenbar nicht vergönnt. Es begann, was in- zwischen zum „Krieg der Psychiater"

ausgeartet ist. Nicht nur, daß sich die stationären Einrichtungen in einem desolaten Zustand befanden. Seit 1923 war kein neues Nervenkranken- haus gebaut worden; es fehlte an al- lem. Schlimmer noch war die Polari- sierung der rumänischen Ärzte. Ken- ner der lokalen Verhältnisse versi- chern immer wieder, daß die Securi- tate auch heute noch ein Geheimim- perium unterhält.

Reaktionäre Kräfte weiter am Werk

Für die Psychiatrie bedeutet dies, daß die alte Garde des psychia- trischen Establishments noch an der Macht ist. Sie hat sich in der Gesell- schaft rumänischer Psychiater (APR) zusammengefunden, einem nach liberalen Kriterien reaktio- nären Verein. Fortschrittliche Psych- iater haben sich dagegen um Dr. Tu- culescu in der 1990 von ihm gegrün- deten AFPR geschart. Diese Verei- nigung hat sich unter anderem die Schaffung einer rechtsstaatlichen Ethik, die Enthüllung des politischen Mißbrauchs der Psychiatrie in Ru- mänien und die Entschädigung und Rehabilitierung seiner Opfer zum Ziel gesetzt. Die Regierung reagiert nur sehr zögernd auf diese Aktivitä- ten, hat aber bereits einige Opfer re- habilitiert. Auch gibt es heute in Ru- mänien keine Fälle des politischen Mißbrauchs der Heilkunde mehr.

Starke reaktionäre Kräfte versuchen aber nach wie vor, das Rad der Ent- wicklung anzuhalten.

In zehn Folgen der Regierungs- kreisen nahestehenden Zeitung „Di- minuata" („Morgen") gossen die Gegner der AFPR Anfang des Jah- res 1992 auf mehr als fünfzig Seiten Spott und Hohn über die vermeint- lich falsch diagnostizierenden und den Ruf der Nation schädigenden Kollegen der Reformpartei aus. Es

folgte eine zusätzliche Schmähsen- dung im regierungsnahen Fernse- hen, zur besten Sendezeit.

Als es der AFPR gelang, die li- berale Presse für ihre Proteste und Gegendarstellungen zu gewinnen, nahmen die Schikanen andere For- men an. Die Dres. Tuculescu und Romila und andere Miglieder der AFPR sahen sich ständigen anony- men Anrufen und Drohbriefen ob- szönen und erpresserischen Inhalts ausgesetzt. Morddrohungen häuften sich. Ein zweifacher Mordanschlag auf einen Journalisten aus Craiova, der erklärt hatte, er sei im Besitz wichtiger Dokumente über den Miß- brauch der Psychiatrie, zeigt den Ernst der Lage. Der Mann wurde in seiner Wohnung das Ziel zweier Ge- wehrschüsse, die ihn knapp verfehl- ten. Kurz darauf verfolgte ihn ein Pkw auf den Gehsteig und versuchte, ihn zu überfahren.

Bei einem Kongreß der interna- tionalen Vereinigung „M6decins du Monde" Ende Mai in Bukarest soll die Kritik eines deutschen Teilneh- mers, hier werde der wichtige Aspekt der rumänischen Politpsychiatrie in der Vergangenheit unterschlagen, zu wütenden verbalen Ausfällen ge- führt haben. Wohl im Zusammen- hang mit diesem Zwischenfall ging die APR nun offen zum Gegenan- griff über. Dr. Gorgos, nach Dr. Tu- culescu „eines der vier Stuhlbeine, auf denen die alte rumänische Psych- iatrie ruhte", verklagte Tuculescu beim medizinischen Standesgericht wegen angeblicher Verleumdungen der Psychiatrie und des Landes und forderte den Entzug seiner Appro- bation. Diese Aktion könnte sich sehr wohl gegen ihre Urheber wen- den. Allzu drückend erscheinen die Beweise für den Mißbrauch des Fachs in der Vergangenheit. Die Frage nach den Schuldigen und ihrer Entmachtung ist nicht mehr aus der Diskussion zu verdrängen. Letzter Höhepunkt der Eskalation: Ende Mai fand Dr. Tuculescu die Tür zu seinem Appartement mit roter Farbe

Die Situation der Psychiater in Rumänien

Der Krieg der Psychiater

Dt. Ärztebl. 89, Heft 48, 27. November 1992 (25) A1-4073

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beschmiert. Darunter lag ein Brief mit den Worten: „Wir werden Sie vernichten!"

Die offizielle deutsche Psychia- trie, die sich allzu lange gegenüber dem Mißbrauch ihres Fachs in der Sowjetunion zurückgehalten hatte, sollte jetzt den mutigen Kampf ihrer rumänischen Kollegen gegen die Un- terdrückung überfälliger Reformen und für die Aufdeckung des früheren Mißbrauchs unterstützen und sich dem Protestschreiben des Präsiden- ten der Berliner Ärztekammer, Dr.

In Frankreich redet der Finanz- minister ein gewichtiges Wörtchen bei der Gestaltung der staatlich kon- trollierten Pharmapreise mit. Zwar erstellt das Sozialministerium die — nach Therapiegruppen gestaffelte — Liste erstattungsfähiger Präparate (mit Erstattungsquoten von 40, 70, 80 und 100 Prozent), doch ohne Zu- stimmung des Finanzministers fließt kein Geld. Für nicht erstattungsfähi- ge Mittel gilt freie Preisbildung.

2000 Präparate auf der Positivliste

Von den 4200 Arzneimittelspe- zialitäten (8500 Darreichungsfor- men) am französischen Markt stehen rund 2000 auf der Positivliste. Krite- rien für die Aufnahme in diese Liste sind neben der Zulassung weitere Qualitätsnachweise (Verbesserung der Therapie) und ein Nachweis der Preiswürdigkeit (Einsparung von Be- handlungskosten).

Die Preise werden von einer Kommission auf Kostenbasis begut- achtet, zu deren Ermittlung der Her- steller Dossiers mit technischen und wirtschaftlichen Daten vorlegen muß. Ohne Einigung über den Her- stellerabgabepreis, der zwischen mehreren Ministerien und dem

Ellis Huber, anschließen, in dem es heißt: „Ich bin zutiefst betroffen über diesen Vorfall, weil er die Be- rufsfreiheit aller Ärzte bedroht. Es ist eine der höchsten Pflichten einer demokratischen Regierung, die Frei- heit der ärztlichen Tätigkeit zu schützen."

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Helmut Bieber Gufidauner Straße 8a/0 W-8000 München 90

Pharma-Unternehmen verhandelt wird, werden Arzneimittel nicht in die Positivliste aufgenommen

Die Entscheidung über die Hö- he der Selbstbeteiligung wird im glei- chen Verfahren getroffen. Der Selbstbeteiligungssatz ist auf der

„Vignette" (einer Banderole auf der Arzneiverpackung) mit Preis und Mehrwertsteuer anzugeben. Er rich- tet sich nach dem Krankheitsbild.

Ende 1990 senkte Paris die Mehrwertsteuer auf Arznei von 5,5 Prozent auf 2,5 Prozent, um die Mit- tel für die Kassen billiger zu machen.

Jetzt droht die Regierung mit einer Senkung der Pharmapreise um 2,5 Prozent, falls die Industrie sich wei- gert, stärker an der Kostendämpfung mitzuwirken: So ist sie aufgefordert, ihre Marketingausgaben zu reduzie- ren und den Ärzten zu helfen, preis- günstigere Mittel zu verschreiben.

Gleichzeitig hob Paris die Werbe- und Marketingsteuer von fünf auf sieben Prozent an.

Die Regierung spricht davon, das britische System der PPRS (Pharmaceutical price regulation scheme) in Frankreich einzuführen.

Firmen, die für Forschung und Wis- senschaft viel investieren, könnten dann höhere Verkaufspreise fordern als solche, die unwirtschaftliche oder wissenschaftlich überholte Mittel an-

bieten. Im März 1991 setzte die Re- gierung alle Arzneimittel gegen Mü- digkeit auf die Negativliste, um die Kassenausgaben um weitere Millio- nen Francs zu senken. Der Minister kann auch ohne Konsultation der Kommission über die Aufnahme, Ablehnung oder Streichung eines Präparates der Positivliste entschei- den sowie die Höhe der Selbstbetei- ligung und die Härtefallregelungen verändern.

Generika spielen in Frankreich eine untergeordnete Rolle. Denn:

Sie haben nur eine Chance, auf die Positivliste zu kommen, wenn sie Ko- stenvorteile gegenüber Originalprä- paraten aufweisen, was bei dem niedrigen französischen Preisniveau schwer ist.

Die Marktzulassung ist in Frankreich, wie in Italien, auf fünf Jahre begrenzt und kann verlängert werden. Zusätzlich hat ein Großteil der in die Positivliste aufgenomme- nen Mittel nur eine befristete Ein- tragung und muß nach etwa zwei Jahren die „r6inscription" beantra- gen. Die Behörde nutzt dieses Ver- fahren in der Regel zu neuen Preis- verhandlungen mit dem Hersteller, um bei guten Verkaufsergebnissen den Preis zu senken.

Frankreich: wichtiger Pharma.-Exporteur

Die Zahl der Arzneimittelher- steller ist in den vergangenen 30 Jah- ren etwa auf die Hälfte geschrumpft und lag 1989 bei 358 Firmen mit mehr als 73 000 Beschäftigten. Rund 20 Prozent der Mitarbeiter waren als Pharmaberater tätig. Der Produkti- onswert der Branche wird für 1990 auf rund 76,6 Milliarden Francs be- ziffert (1989: 70 Milliarden Francs, was etwa 21 Milliarden DM ent-

spricht). Frankreich zählt neben der Bundesrepublik, den USA, Großbri- tannien und der Schweiz zu den gro- ßen Pharma-Exportländern. Der Außenhandelsüberschuß hat 1989 bei 8,4 Milliarden Francs gelegen.

Die Arzneimittelausgaben betrugen im gleichen Jahr annähernd 90 Milli- arden Francs, wovon etwa 42 Milliar- den Francs durch die Kasse erstattet wurden. rco

Frankreich: Die Gestaltung der Pharmapreise

Kein Geld ohne Zustimmung des Finanzministers

A1-4074 (26) Dt. Ärztebl. 89, Heft 48, 27. November 1992

Referenzen

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