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Archiv "Als Psychiater in den Niederlanden: Flaches Land – flache Hierarchien" (23.01.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 4⏐⏐23. Januar 2009 A157

S T A T U S

S

o hatte sich Dr. med. Nils Hol- lenborg das nicht vorgestellt:

ein Vorstellungsgespräch in einer Klinik in Den Haag, in dem der künf- tige Chef den Kaffee bringt, nur we- nige Fragen bezüglich der Qualifika- tion gestellt werden, er als Bewerber hoffnungslos „overdressed“ ist und man zwanglos über Arbeitsbedin- gungen, das Wohnen an der Nordsee und Sinn und Unsinn der Elektrokon- vulsivtherapie diskutiert. Die Tat- sache, dass niederländische Sprach- kenntnisse gänzlich fehlten und auch die Englischkenntnisse nicht an die seiner Gesprächspartner heranreich- ten, tat dem Ganzen keinen Abbruch.

Hollenborg bekam den Job. Seit drei Jahren praktiziert der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der gerontologisch-psychiatrischen Küstenklinik, wo er für ältere Patien- ten zuständig ist.

Dass er kein Niederländisch sprach, sei kein Problem gewesen, erklärt der 37-Jährige. Nach nur zwei Wochen eines vom Arbeitgeber be- zahlten Intensivsprachkurses, habe er die sprachlichen Grundlagen ge- habt, um sich in seiner neuen Arbeits- welt zurechtzufinden. Und es sollte noch besser kommen: Ein Jahr nach Aufnahme seiner Tätigkeit, bekam auch seine Frau, die sich bis dahin um die Versorgung und Eingliederung der Kinder gekümmert hatte, eine Stelle als Psychiaterin für chronisch Kranke bei demselben Arbeitgeber.

Die beiden sind kein Einzelfall: 2007 gingen bereits 584 Deutsche einer Arzttätigkeit in den Niederlanden nach – und der Trend hält an.

Während in Deutschland noch laut darüber nachgedacht wird, wie der Ärztemangel zu beheben sei, freut sich das Nachbarland über den Zuwachs. Das Königreich hat sich einiges einfallen lassen, um Ärzte zu rekrutieren. So gaben nicht nur die guten Möglichkeiten, in Teilzeit zu arbeiten, den Ausschlag für Hol-

lenborg, in die Niederlande zu ge- hen. Auch das relativ hohe Gehalt*, ein tariflich festgesetztes Fortbil- dungsbudget und die Zugeständnis- se, die Arbeitgeber zu machen bereit sind, lockten ihn. Bei der Suche hel- fen Personaldienstleister wie ABC- Medica, die sich als einzige Agentur darauf spezialisiert hat, deutsche Ärzte für die Psychiatrie in den Nie- derlanden zu vermitteln.

„Wir haben mit unserer Vermitt- lung eindeutig ins Schwarze getrof- fen“, sagt Agenturchef Kees van Dam. Die große Unsicherheit bei den deutschen Ärzten bezüglich künfti- ger Stellenstreichungen und Spar-

maßnahmen sei allerorten spürbar.

Aber auch die Abhängigkeit vom Medizinischen Dienst der Kranken- versicherung und die Unzufrieden- heit bei der persönlichen Karriere- planung würden immer wieder the- matisiert. Viele Fachärzte seien auch nach der Weiterbildung noch als As- sistenzarzt beschäftigt. „In Holland

ist das unmöglich“, so van Dam.

Dort arbeiteten die Psychiater gleich- berechtigt mit anderen Fachärzten zusammen. „Die Leute in Deutsch- land haben schlichtweg die Nase voll von der Hierarchie in den Kranken- häusern“, schlussfolgert van Dam.

Dass sich die Niederländer so ins Zeug legen und in Deutschland Ärz- te akquirieren, hat seinen Grund:

Dem Land fehlen rund 300 Ärzte in der Psychiatrie (Quelle: Arbeids- marktmonitor Medisch Contact).

Nach einer im Sommer 2008 durch- geführten Umfrage des Internetpor- tals von Nova-TV in 20 Einrichtun- gen sind Psychiater demnach aktuell die am meisten gesuchten Fachärzte.

„Ausländische Psychiater, junge, un- erfahrene Ärzte und teure Interims- psychiater füllen die gröbsten Lü- cken“, resümiert der Sender.

Dr. med. Leonie Becker gehört zu den ausländischen Ärzten, die als nicht weitergebildete Fachärztin für Psychiatrie die Versorgung si- chert. Seit März 2008 pendelt sie von Köln 85 Kilometer zu ihrer Stelle nahe Venlo. Die Allgemein- medizinerin leitet gleich zwei Sta- tionen in der Psychiatrie – bei einer 36-Stunden-Woche verteilt auf vier Tage („ohne Nacht- und Wochen- enddienste“). „Ich kann viel mitre- den bei der Gestaltung aus medizi-

nischer Sicht. Für verwaltungstech- nische Arbeiten steht mir ein soge- nannter Unit-Manager zur Seite, der mir den Papierkram abnimmt, medizinisches Gerät bestellt oder einen neuen Computer besorgt. Da- durch habe ich eindeutig weniger bürokratische Aufgaben“, erläutert Becker. So kann sie sich ganz auf die Arbeit mit den Patienten in der psychiatrischen Suchtklinik kon-

zentrieren. 1

ALS PSYCHIATER IN DEN NIEDERLANDEN

Flaches Land – flache Hierarchien

Während hierzulande noch laut darüber nachgedacht wird, wie der Ärztemangel zu beheben sei, rekrutieren die Niederländer deutsche Ärzte, vor allem in der Psychiatrie.

Von Köln nach Venlo sind es nur 85 Kilometer. Leo- nie Becker pendelt täglich zu ihrer Ar- beitsstätte.

In den Niederlanden habe ich eindeutig bessere Entwicklungsmöglichkeiten.

Leonie Becker

*Ein Psychiater verdient abhängig von der Dauer seiner bisherigen Facharzttätigkeit zwischen 4 550 und 8 000 Euro brutto im Monat, plus Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Fotos:Cornelia Ganitta

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A158 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 4⏐⏐23. Januar 2009

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„Auch in den Niederlanden gibt es einen großen Mangel an Fachärz- ten“, berichtet Becker, „aber man geht anders damit um.“ In Deutsch- land müssten die vorhandenen Ärz- te die fehlenden ersetzen, indem sie einfach mehr arbeiteten. In den Niederlanden herrsche hingegen der Gedanke vor, dass man für die vor- handenen Ärzte sorgen müsse, um

diese nicht zu vergraulen. Das gilt auch für ausländische Ärzte – oder gerade für diese. Das „Sorgetragen“

beginnt bereits bei der Vermitt- lung, die ABC-Medica auf Kosten des neuen Arbeitgebers betreibt.

„Kees van Dam hat mich auf das erste Bewerbungsgespräch gut vor- bereitet. Außerdem hat er mich über landesspezifische Besonderheiten

aufgeklärt – etwa darüber, dass man in den Niederlanden im ersten Ge- spräch nicht über Geld spricht“, er- innert sich die Kölnerin.

Für ihren Berufseinstieg im Nachbarland benötigte die 42-Jähri- ge diverse Qualifikationsnachweise, die Arztregistrierung in den Nieder- landen, eine Sozialversicherungs- nummer sowie die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse. Auf ihre Steuer erhält die gesuchte Spezialistin eine 30-prozentige Ermäßigung für die Dauer von zehn Jahren. Die Probe- zeit für den Jahresvertrag beträgt ei- nen Monat. Jahresvertrag? „Ja, erst nach Ablauf eines Jahres bekomme ich einen unbefristeten Vertrag“, sagt Becker, „dies ist eine auf ein Drittel aller Stellen angewandte Pra- xis in den Niederlanden und nicht nur auf Ausländer bezogen.“

Ihre beruflichen Perspektiven be- urteilt die deutsche Ärztin positiv:

„In den Niederlanden habe ich ein- deutig bessere Entwicklungsmög- lichkeiten. In Deutschland sollte ich für einen Radiologieschein rund die Hälfte selbst bezahlen, bei meiner neuen Stelle wurde mir nach nur zwei Monaten schon eine zweijähri- ge, 20 000 Euro teure Fortbildung zur Suchtmedizinerin angeboten – auf Kosten des Hauses.“

Dr. med. Axel Metzger, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, arbeitet seit gut einem Jahr in einer Klinik für psychisch Kranke nahe Amsterdam. In Deutschland kam er,

„wenn es gut lief“, bei einer 50- bis 60-Stunden-Woche inklusive 24 Stunden Wochenenddienste sowie Überstunden auf 3 200 Euro netto monatlich. In den Niederlanden ver- dient er schon bei einer Viertage- woche entschieden mehr. Wen wun- dert es, dass auch er froh ist über die Festanstellung in einer Ambulanz für chronisch Kranke. Wie seine Kollegin Becker begrüßt es Metz- ger, dass die Hierarchien viel fla- cher sind als in Deutschland. „Das Einzige, was hier nervt, sind die ewigen ,Vergaderingen‘. Das sind Teamsitzungen, die sehr Zeit aufrei- bend sind, oft ohne am Ende etwas zu bringen“, meint Metzger. Auch die Mieten seien verhältnismäßig hoch. So zahlt er für seine Dreizim- merwohnung, 60 Quadratmeter, mit Balkon 1 020 Euro warm im Monat.

Trotzdem bleibt die Erkenntnis, den richtigen Schritt getan zu haben.

Zurück wolle er nicht, sagt Metz- ger: „Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.“ Und so relaxt er weiterhin nach getaner Arbeit am nahen Nordseestrand, während Leo- nie Becker ihren Heimweg beim

„Radio-Chillout“ auf der Autobahn

genießt . n

Cornelia Ganitta

RECHTSREPORT

Ärzten ist es verboten, ihren Namen in Verbin- dung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke zu verwenden. Das hat das Berufsgericht für Heil- berufe am Landgericht München entschieden.

Der verurteilte Facharzt für Orthopädie war zunächst niedergelassen, dann anderweitig ärztlich beschäftigt und schließlich seit dem Jahr 2005 wieder als niedergelassener Ortho- päde in einer Privatpraxis tätig. Im selben Ort betreibt sein Sohn ein Gesundheitszentrum. Dort werden unter anderem Leistungen wie pulsie- rende Signaltherapie, Bioresonanztherapie, Haar- analyse, Messverfahren bei Osteoporose und oxidativem Stress sowie Ernährungsberatungen angeboten. Der ärztliche Kreisverband hatte den

Facharzt aufgefordert, zu einer möglicherweise berufsrechtlich problematischen Zusammenar- beit mit seinem Sohn Stellung zu nehmen. An- lass dazu waren entsprechende Ankündigungen in den Medien. Daraufhin erklärte der Arzt, dass es sich bei seiner Tätigkeit im Gesundheitszen- trum seines Sohnes nur um Beratung, Diagnose und Therapie in einem kleinen Umfang handele.

Sein Sohn sei Betreiber des Zentrums; gegen Miete stelle er dem Vater Räume, Apparate und auch Personal zur Verfügung. Die Tätigkeit des Sohnes beziehe sich vor allem auf den kauf- männischen Bereich.

In der Folgezeit kam es zu einem weiteren Schriftwechsel, vor allem weil es im Internet Ankündigungen gab, wonach die Tätigkeit des

Arztes nach wie vor mit dem Gesundheitszen- trum seines Sohnes verknüpft war. Zudem beschwerten sich mehrere Patienten über Ab- rechnungen auf Basis der GOÄ.

Der Arzt hat nach Auffassung des Gerichts gegen die Berufsordnung verstoßen, da die Außendarstellungen nicht der Realität entspra- chen. In diesem Fall stellten zudem unange- messene Honorarforderungen einen Verstoß im Kern des ärztlichen Verantwortungsbereichs dar. Mit einer Geldbuße von 20 000 Euro wollte das Gericht dem Orthopäden deutlich vor Au- gen führen, dass er weitere unzulässige Ver- quickungen zwischen einem Gewerbebetrieb und seiner medizinischen Tätigkeit vermeiden müsse. Sonst drohen ihm weitere Verfahren.

(Urteil vom 13. Februar 2008, Az.:BG-Ä 1/07).

RAin Barbara Berner

Unzulässige Zusammenarbeit mit einem Gesundheitszentrum

Relaxen am Nordseestrand – Axel Metzger fühlt sich wohl in den Niederlanden.

Eine Rückkehr nach Deutschland kann ich mir eigentlich

nicht vorstellen.

Axel Metzger

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