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Archiv "Psychiater und Psychoanalytiker: Überlegungen zu unserem Stand" (04.03.1976)

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FORUM:

Psychiater

und Psychoanalytiker

„Ordnung im eigenen Haus"

BRIEFE

AN DIE REDAKTION

GESCHICHTE DER MEDIZIN:

Geburtsstätten des Pavillonkrankenhauses

BEKANNTMACHUNGEN

PERSONALIA

FEUILLETON:

Höhlenbeduinen vor nabatäischen Königsg räbern

Wir erscheinen in Cartoons, in Fernsehspielen und in Filmen. Wir werden von Werbeagenturen be- fragt, und wir beeinflussen Schrift- steller. Schauspielschulen und Schulen bildender Künste sollen von unseren Erkenntnissen und Einblicken in die menschliche Psy- che profitieren. Der Psychiater Freud ist Inbegriff einer ganzen Weltanschauung geworden. Diese Tatsache allein, aber auch der Vor- gang, wie bereitwillig Freudsche Ideen von vielen Bereichen unse- res Lebens geradezu aufgesogen wurden, das alles sagt nicht nur et- was über den Psychiater, sondern auch etwas über diese unsere heu- tige Welt aus, und es ist gefährlich!

Wir wollen festhalten: Der Psychia- ter wollte und will in erster Linie Arzt für seelisch Kranke sein. Seit- dem er sich aber in die Abgründe der menschlichen Seele, in das Un- bewußte, vertieft und damit — dank Freud — der Tiefenpsycholo-

gie verschrieben hat, ist es fast eine Ironie, daß er nicht länger zu jener kleinen Gruppe von Men- schen in der Gesellschaft zählt, über die man heimlich und mit vor- gehaltener Hand redet.

Man hat heute bereits vergessen, welche Revolutionäre und Rebellen Freud und seine einstigen Schüler waren. Sie studierten Archäologie und Mythologie, waren in alten Sprachen geübt und schrieben ei- nen hervorragenden Stil. Sie waren allesamt feurige Hitzköpfe, ein we- nig exzentrisch und nicht zuletzt sich selbst oft lästig und unbe- quem. Von ihrer Meinung besessen und entschlossen, eine allzu schnelle und leichtfertige Aufnah- me ihrer Ideen zu mißachten, wa- ren sie Kämpfer für ihre Überzeu- gungen. Und ihre Ideen liefen häu- fig gegen alles Sturm, was die Welt damals dachte und in ihren Angeln hielt.

Psychiater

und Psychoanalytiker

Überlegungen zu unserem Stand

Hans G. Preuss

Ein Psychiater und Psychoanalytiker analysiert seine Wissenschaft, seinen Berufsstand und seine Berufstätigkeit: Die Welt und die Menschen sind heute anders als zu der Zeit, als die Psychoanalyse begründet wurde; aber auch den Psychoanalytikern droht eine Ent- fremdung von dem Leben, das sie analysieren und heilen wollen, weil Routine, Neutralität, Institutionalisierung und Bürokratisierung sich eigengesetzlich verstärken. Der Psychoanalytiker aber darf ei- genes Leben, eigene Emotion und eigenes Engagement nicht ver- gessen.

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Die Welt heute sieht anders aus.

Massenvernichtungslager und die Möglichkeiten eines Atomkrieges haben sie beinahe aus den Angeln gehoben. Wir sind verwirrt von der Auflösung alter Weltreiche und der Bildung neuer Machtblöcke, von der Wandlung alter Lebensweisen und -weisheiten sowie Glaubens- vorstellungen. Jeder Mensch teilt die Hoffnungen und Leiden, die zu seinem Zeitalter gehören. Das heu- tige ist nicht das Zeitalter der Ver- nunft oder der Aufklärung, sondern eines, das wir längst das Zeitalter der Angst nennen. Jedes Jahr bringt Probleme, von denen wir noch vor zehn Jahren nicht ge- träumt hätten.

Kulturen verändern sich ganz radi- kal, Werte verschieben sich, auch die Krankheitsbilder ändern sich (so sind beispielsweise Fälle von Hysterie, wie sie Freud zu An- fang dieses Jahrhunderts be- schrieb, heute kaum mehr anzu- treffen). Eine Art von Unschuld ist verlorengegangen; die Menschen sind weniger suggestibel, weniger naiv, statt dessen „abartig" und

„krank". Sie suchen nach Hilfe in den verschiedensten Richtungen und gelangen so an den Arzt der Seele.

Der Psychiater stellt fest, daß der Mensch heute mehr denn je ein- sam ist, furchtsam und kaum noch

imstande zu lieben. Er möchte sei- nem Mitmenschen näherkommen, weil er mit sich selbst nichts anzu- fangen weiß, doch er ist schon zu unbezogen und steht schon zu ab- seits, um sich in Beziehung setzen zu können.

Der Psychiater beginnt den Zwie- spalt in seiner Ambivalenz zu er- fahren, zu erleben, daß autono- me Selbstbehauptung und Zuwen- dung in intimer Vereinigung sich auszuschließen scheinen. Auf der Suche nach Nähe verlangt er nach Wissen und Erkenntnis, und auf der Suche nach Erkenntnis findet er die Psychologie. Sie wird leicht- fertig zum Ersatz für Liebe, für In- timität. Unsere kulturellen und son- stigen Erzeugnisse reden eine be- redte Sprache davon.

Psychiatrie und Psychoanalyse Die Psychiater unserer Tage — wir, die wir uns tagaus, tagein in endlos scheinender Geduld dem seelisch Kranken zuwenden — ste- hen diesem Anspruch in totaler Überforderung gegenüber. Freud und sein Kreis sind abgetreten und gehören bereits der Medizinhisto- rie an. Ihre Hinterlassenschaft ist noch nicht ausgeschöpft. Ihr langer Kampf fand nur zögernd Widerhall in einer Gesellschaft, an 'deren Grundfesten sie rütteln wollten, ohne vielleicht wahrhaft zu er- schüttern. Heute erst, auf der Woge revolutionärer Verände- rungsbestrebungen, lesen die Mas- sen ihre Schriften, deklarieren sie als „modern" und „progressiv", ohne zu wissen, daß sie ihnen da- mit ihren eigentlichen Wert abspre- chen. Schnellfertig. werden sie zu ideologischen Waffen umge- schmiedet gegen alles, was nach Krebsgeschwulst aussieht, meist aber doch „nur" regelrechtes, or- ganisches Wachstum ist.

Die bis vor kurzem ertönten Klagen über die Rückstände in der Ent- wicklung eines psychoanalytischen Denkens der deutschen Psychiatrie gegenüber , der amerikanischen sind bereits einer positiven Bewer- tung des langsamen und bedacht- samen Prozesses gewichen. Der tosende Beifall, den die Psycho- analyse heute in unserem Lande findet, macht uns Psychiater — und gerade die Psychoanalytiker unter ihnen — unsicher, rigider und zurückhaltender nach außen.

Nach innen werden wir von Rivali- täten und Streitigkeiten untereinan- der zerrissen und in Lager gespal- ten. Starr machende Überempfind- lichkeiten können uns schnell er- zürnen und verhärten, indem wir uns hinter Schulmeinungen kon- fliktgeladener Ideen verschanzen.

Wir gebrauchen die Eigennamen von Psychoanalytikern wie Freud, Jung, Adler, Reich und Schultz- Hencke, um geringfügige oder grö- bere Unterschiede in Betonungen und Theorie zu beschreiben. Die Öffentlichkeit ist interessiert, doch

verständlicherweise verwirrt. Um es getrost zu bekennen: Wir Psych- iater sind es nicht weniger.

Wissenschaftlichkeit

Die Psychoanalyse — wie die Psy- chologie — kämpft noch immer um ihre Wissenschaftlichkeit. Dabei geht es ihr einerseits darum, nicht als die private Meinung weniger Forscher zu gelten, sondern sich im Feuer der öffentlichen Kritik durchzusetzen und Allgemeingülti- ges zu präsentieren, das von der Öffentlichkeit angenommen werden kann und als „Wahrheit" über- zeugt. Denn Wissenschaft geht es um die Wahrheit. Andererseits möchte sie die Welt verwandeln und zu einem neuen Weltbewußt- sein beitragen. Das verschafft ihr einen Status in der Gesellschaft, der zweifellos mächtiger ist, als es dem einen oder anderen prakti- ziernden Analytiker lieb sein kann.

Andere wiederum verwenden diese Macht oder mißbrauchen sie gar.

Noch nie war Wissenschaft SO

mächtig wie heute, noch nie war die Grenze ihres Mißbrauches so nahe wie seit dem Zünden der Atombombe. Der soziale Status des Psychoanalytikers hat un- mißverständlich damit zu tun, wieweit es gelingt, die Wis- senschaftlichkeit der Psychoanaly- se unter Beweis .zu stellen, das heißt zu beweisen, daß die Ergeb- nisse ihrer Forschung nicht bloße Vorstellungen, Hypothesen und Konzeptionen in den Gehirnen ih- rer Ausüber bleiben, sondern in den Bereich der Wirklichkeit, der naturwissenschaftlichen Realität vordringen.

Wie einst Freud selbst, so hören wir Psychoanalytiker unseren Pa- tienten zu in der Isolation unserer Sprechzimmer, ohne einen Zeugen, und nehmen alles auf und an, was diese uns zu sagen haben. Wir nehmen es als eine „Realität", als die innere Realität des Seelischen.

Dieser Vorgang der Beobachtung kennt keine objektivierenden Me- thoden, wie sie von der Wissen- schaft gefordert werden. Die Er- scheinungsbilder, die wir sehen,

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haben uns erst nach Methoden su- chen fassen, die sie zu erklären, zu deuten vermögen. Jedoch — und das ist von großer Bedeutung — haben diese Methoden ihre Lehr- barkeit und damit auch ihre Wis- senschaftlichkeit unter Beweis ge- stellt. Die wissenschaftlichen Me- thoden wandeln sich und passen sich an die zu erforschenden Phä- nomene an. Sie können aber nur verwandelt werden, um Carl Fried- rich von Weizäcker zu zitieren, von einem Forscher, der wie Freud

— am tiefsten von dieser Sache er- griffen ist, und zwar auch nur dann,

„wenn er gleichzeitig sich selbst so zu objektivieren vermag, daß er das, was er dort gesehen und neu entwickelt hat, lehren kann, daß er es durchsetzen kann in der legiti- men Arena der wissenschaftlichen Öffentlichkeit".

Neue Ideen, neue Konzeptionen über die Realität unseres Seins brauchen also ihre Abstützung durch Institutionen der Wissen- schaft und ihre Anerkennung in der Gesellschaft. Es war für die Psychoanalyse ein notwendiger Kampf, aus dem Getto der Isolie- rung gegenüber Wissenschaft und Universität herauszukommen, in das sie hineingetrieben worden war, nicht zuletzt durch rassisti- sche Beweggründe im Dritten Reich, mehr aber durch tiefenpsy- chologisch begründbare Wider- stände gegenüber ihren Lehren von der Verdrängung der Sexuali- tät. Doch was ist seit dieser Wand- lung geschehen?

Institutionalisierung und Bürokratisierung

Beginnen wir mit unseren Tagun- gen und Konferenzen. Fast jede Woche flattern uns ihre Einladun- gen ins Haus. Seiten in unseren Fachzeitschriften sind mit den Wie- dergaben und Auszügen ihrer Vor- träge angefüllt. Wollten wir die Kongresse alle besuchen oder ihre Referate lesen, wir würden kostba- re Zeit benötigen, und wir können es uns eigentlich nicht leisten, sol- che Zeit allzu bereitwillig unseren Patienten wegzunehmen. Wer von

uns kann es mit dieser monatli- chen Flut von sorgfältigen, nicht selten wiedergekäuten Studien auf- nehmen? Gelegentlich halten wir dennoch den Atem an, wenn wir beim Überfliegen der Seiten, hung- rig nach neuen Erkenntnissen, eine fast bescheiden und verbor- gen anmutende Monographie ent- decken, die wirklich etwas auszu- sagen hat. Als Psychotherapeuten sollten wir nicht allein in enger Be- rührung mit unseren Patienten sein, sondern müssen den Kontakt mit den Kollegen pflegen und in Verbindung mit den Fortschritten der Wissenschaft stehen.

Wir brauchen Zeit ...

Doch ebenso wichtig, wenn nicht von größerer Bedeutung wäre es, mit dem breiten Spektrum aller menschlichen Aktivitäten, dem Le- ben in seiner Vielgestalt der Kon- takte und der sich wandelnden Ausdrucksweisen in Verbindung zu bleiben. Wir brauchen Zeit, um ein Theaterstück zu sehen oder ein Gedicht zu lesen, Freundschaften zu pflegen, die eigene Erlebnisbrei- te immer wieder selbst neu zu er- fahren. Jedoch wir sitzen täglich auf unseren Stühlen wie angebun- den, hinter der Couch, im Kreis der Gruppe, hören und reden über Stunden ohne Ende. Dies ist si- cherlich ein Problem für Menschen vieler Berufe. Doch für uns, die wir so intim mit Menschen zu tun ha- ben, die von uns erwarten, daß wir am Puls des Lebens, nicht nur ih- res Lebens, bleiben und wach sind für die Gefahren und Ängste, die uns alle bedrohen, kann dieser Zu- stand geradezu verhängnisvoll sein.

Es scheint mir, daß psychoanaly- tische Institutionen und Gesell- schaften, ebenso wie die psychia- trischen allzu früh zu Bürokratien werden, zu schnell dem Formalen nachgeben und Detail betonen. All- zu schnell sind sie bereit, den in sie gestellten Erwartungen nachzu- kommen. Solche Willfähr beginnt bereits spürbare Rückwirkungen zu haben. Wo Antworten auf Fragen zu geben sind, aber wirkliches Wis-

sen noch fehlt, entwickelt sich nicht selten der fragwürdige Bedarf nach mehr Mitteln, mehr Geldzu- wendungen aus öffentlicher Hand, nach großzügiger Regelung durch staatliche Unterstützung und För- derung wissenschaftlicher Pro- gramme.

Da wir nun aber in der Tat drin- gend mehr Geld für die Ausbil- dung des notwendigen Nachwuch- ses brauchen, für neu zu gründen- de und weiterzuentwickelnde Aus- bildungsinstitute sowie Behand- lungsprogramme, so kann leicht ein Teufelskreis entstehen: Mehr Geld finanziert neue, weitgehend spezialisierte Projekte, die wohl viel Interessantes zutage fördern, aber wenig über weniges aussa- gen, das unserer Zielsetzung ge- recht wird. Und es kann leicht ge- schehen, daß solche Projekte die Oberhand bekommen, die es ver- mögen, mehr Mittel zu mobilisieren und zugleich die Institutionen zu vergrößern, anstatt dem Menschen zu helfen, der auf unsere Hilfe war- tet.

Wir argumentieren über Nichtigkei- ten und Zufälligkeiten wie die, ob unsere Patienten sitzen oder liegen sollten, ob wir Geschenke anneh- men oder ablehnen oder ihre Brie- fe unbeantwortet lassen sollten, mehr noch über methodische Diffe- renzen wie über die Unterschiede von Psychoanalyse und Psycho- therapie, ob diese „analytisch orientiert" ist oder nicht, über Vor- und Nachteile, wenn wir einen Pa- tienten allein oder zusammen mit seinem Ehegatten sehen, ob Ein- zel- oder Gruppentherapie die The- rapie der Wahl ist, oder vielleicht eine Kombination von beiden.

Stundenlang können wir darüber debattieren, ob wir Medikamente zusätzlich während einer Psycho- therapie geben sollten und auf wel- che Weise. Denn es ist eine Tatsa- che, daß wir, je näher wir der Bü- rokratisierung und Institutionalisie- rung kommen, um so mehr zu raffi- nierten Wortspielen neigen.

Vielleicht sind wir schon zu weitge- hend institutionalisiert und können

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den Prozeß nicht mehr aufhalten.

Wir sollten uns dabei an Freud er- innern, was er in geistvollen Brie- fen über seine Entdeckungen an seine engen Freunde schrieb, oder vielleicht auch an Wilhelm von Röntgen, wie er seine Entdeckun- gen machte und sie der Welt mit- teilte, oder an Renö Spitz, wie er zu seinen epochemachenden Fun- den kam und mit welch einfachen Sätzen er sie niederschrieb, alles in einer so schlichten und kreati- ven Weise und alles mit so wenig Bürokratie und Geld.

Seelische Prozesse — materielle Mechanismen?

Ein weiterer Problemkreis ist zwei- fellos verwurzelt in der Art und Weise, wie wir Psychotherapeuten unsere Arbeit verrichten, und wie sie uns abverlangt wird.

Wir arbeiten mit Menschen, die un- ter ihren Gedanken und Gefühlen leiden, die ängstlich zu Bett gehen und erwachen, die ihren Arbeits- platz mit Bangen aufsuchen, ob sie den Anforderungen gewachsen sind, die im Umgang mit den Mit- gliedern ihrer Familie, mit Freun- den und echten oder vermeintli- chen Feinden verzagen oder ver- zweifeln. Obwohl wir uns als Wis- senschaftler fühlen, müssen wir feststellen, daß Gedanken und Ge- fühle des Menschen nicht so leicht verstanden oder gar beeinflußt werden können wie z. B. Atome.

Das Gehirn ist zwar der Ort, in dem Gedanken gefaßt und Eindrücke von der Umwelt empfangen werden können. Es besteht letztlich aus ei- nem Aggregat von Atomen und Molekülen. Es wird einmal die Zeit kommen, da wir mehr wissen wer- den, wie alles zelluläre Leben im Organismus kontrolliert und trans- formiert wird. Dann werden viel- leicht alle Zellen des Gehirns in ih- ren spezifischen Funktionen be- kannt sein. Was wir jetzt das Ich oder das Es, das Bewußtsein oder das Unbewußte nennen, wird dann vielleicht verstanden werden als zelluläre Aktion, biochemische oder biophysikalische Aktivität. Die Logik über das Wesen aller Dinge

läßt vorausahnen, daß wir einmal in der Lage sein werden, Ideen und Gefühle zu ordnen und neu ein- zuordnen, vielleicht sogar zu ver- ordnen. Die Kybernetik lehrt uns, daß die Zukunft bereits begonnen hat durch Gehirnmaschinen, die Denkprozesse nachmachen. Aber auch die Drogen, die emotionale Zustände hervorrufen oder spezifi- sche Stimmungslagen beeinflussen können wie Depressionen, zeigen uns, daß seelische Prozesse letzt- lich Mechanismen von etwas Mate- riellem sind. C. F. von Weizäcker folgert daraus, daß in der Psyche vielleicht Gesetzmäßigkeiten vor-

liegen, die gerade darum Gesetz- mäßigkeiten sind, weil sie ein Aspekt der Naturgesetze sind.

Doch bis diese Vorgänge als physi- kalische oder chemische Prozesse nicht gänzlich erforscht sind und das Gehirn restlos „aufgeklärt" ist, wird auch die Psychiatrie so prag- matisch oder empirisch sein wie die Medizin.

Soziales Feld

In Zusammenarbeit mit Soziologen studieren Psychoanalytiker und Gruppendynamiker, wie Menschen in Gemeinschaften leben, was sie miteinander erleben und wie sie miteinander auskommen. Die Grup- pe als therapeutisches Medium hat sich aus diesen Beobachtungen entwickelt. Wir haben neue Mög- lichkeiten kennengelernt, Men- schen mit bestimmten Problemen zu erreichen, denen wir bislang hilf- los gegenüberstanden. Oft können wir Krankheiten verstehen, ohne sie ebenso leicht behandeln zu können. Mit Drogen kann der Psychiater seelische Leiden, Ver- letzungen und Ängste mildern, ohne allerdings Lösungen zu erzie- len, einfach nur um Ruhe zu spen- den und dem kranken Geist zu er- möglichen, psychotherapeutische Hilfe zu suchen. Einige — viel zu wenige — Krankenhäuser bieten sorgfältig geplante „Therapeuti- sche Gemeinschaften" an, wo sich neue mitmenschliche Beziehungen entwickeln können, Refugien, die dem Kranken medizinische und psychotherapeutische Hilfe zu-

gleich — einzeln oder in der Grup- pe — gewähren. Beratungsstellen und poliklinische Einrichtungen, die nur wenige Mitarbeiter haben (obgleich die Nachfrage ständig wächst), bieten tägliche Hilfe für eine Vielzahl von seelischen Stö- rungen und Geisteskrankheiten an.

Kinder kommen zu psychologisch geleiteten Beratungsstellen, die dem Studium und der Behandlung frühkindlicher emotionaller Störun- den dienen. Sind auch die Ursachen nicht immer angehbar und zu besei- tigen, so sind doch die Ergebnisse der Behandlung oft beträchtlich.

Während die Versager leider im so- zialen Blickfeld bleiben, so wird manchmal die Vielzahl von hoff- nungslosen Menschen, denen ge- holfen werden kann, übersehen, gerade wegen ihrer Genesung.

Dennoch ist es nicht unwahr- scheinlich, daß unsere gegenwärti- gen Aufgaben und Probleme der Psychotherapie zurücktreten wer- den gegenüber größeren, je besser wir mit diesen umgehen lernen. Die großen Anstrengungen der Wissen- schaftler, die Neurophysiologie der Emotionen ausfindig zu machen, können uns letztlich in das Orwell- sche Dilemma einer Gesellschaft führen, in der „Physiker des Gei- stes" die Gedanken ändern und die Gefühle nach ihrem Belieben kon- trollieren können.

Erstarrung der Gefühle und leere Worte

Doch glaube ich, daß es nicht nur unsere Arbeit ist, die uns zu den- ken Anlaß gibt, als vielmehr unsere eigene Haltung, unsere Einstellung zu den Problemen unseres Berufs oder mehr noch zu uns selbst, und wie wir mit den Anforderungen an uns fertig werden. Jeden einzelnen Psychotherapeuten, jeden Psychia- ter müssen die institutionellen Rigi- ditäten in irgendeiner Weise beein- trächtigen. Sie formen, ja deformie- ren seine Gedanken, färben seine Worte und Gefühle und bremsen sein Vermögen, Patienten zu be- handeln. Wir werden Opfer dessen, was wir am meisten fürchten. Un- sere eigene Sensibilität stirbt ab.

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Wir nehmen nicht mehr länger al- les das wahr und auf, was uns be- rühren sollte und dessentwegen wir diesen Beruf gewählt haben.

Wir fürchten die Erstarrung der Gefühle, den Tod des Herzens, ei- nes jeden Herzens, nicht nur unse- rer Patienten, sondern auch des ei- genen.

So können wir heute in der Ausbil- dung zum Psychiater den „organi- sierten" Menschen mit all den Pro- blemen einer verheerenden Konfor- mität erkennen. Unabhängiges, au- tonomes Denken, das verwegen in Neuland vorstoßen möchte und das Risiko des Abenteuerlichen nicht scheut, hat abgenommen. Psychia- trische und psychoanalytische Aus- bildung sind immer formaler ge- worden, allein ausgerichtet auf den Erwerb von Zertifikaten und Diplo- men, Zusatztiteln und Befähigungs- ausweisen, die gegenüber Kran- kenkassen zu Honorarforderungen berechtigen. Statt hierarchische Strukturen abzubauen, werden neue Hierarchien errichtet.

Einige der besten Leute in den frü- hen Jahren der Psychoanalyse wa- ren noch Künstler wie Erik Erikson, Lehrer wie Aichhorn in Wien und Zulliger in Bern, oder Menschen wie Anna Freud, die weder formale Ausbildung noch Beruf hatten, je- doch Motivationen so persönlich wie die, schlicht die Tochter eines genialen Vaters zu sein. Heute sind wir besessen von einem Streben nach Status als Wissenschaftler, nach wissenschaftlicher Anerken- nung durch Erklimmung sich über- steigernder Ausbildungsebenen.

Der junge Kandidat der Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Psy- choanalyse wird beherrscht von oft sinnlosen Forderungen. Da sind noch mehr Vorlesungen, noch mehr Supervision, noch mehr Ana- lysestunden, Prüfungen und Zu- satztitel. Bald sollen wir auch einen Facharzt für Psychoanalyse be- kommen. Schließlich wird unser Beruf nur noch attraktiv werden für Leute, die solche Praktiken schät- zen. Waren es einmal die von Neu- gier und Forschungsdrang Beses-

senen und Kühnen, so sind es bald nur die ehrgeizig Sorgfältigen, gut Angepaßten und „Bescheinigten".

Wenn so Erstarrung um sich greift und das Herz nur um seiner selbst willen zu schlagen scheint, werden wir schlechthin zur Karikatur unse- rer selbst. Wir gleiten in wortreiche und doktrinäre Klischees hinein, die nur noch Zerrbilder von uns, aber kaum mehr uns selbst wieder- geben. Unsere Zeitschriften und unsere Sprechgewohnheiten wer- den mit farbigem Jargon und Tri- vialitäten angereichert, die kaum einen Aussagewert mehr erkennen lassen. Oft wird diese sogenannte Fachsprache als kurzer und direk- ter Weg zum Verständnis einer komplizierten Mitteilung entschul- digt, indem man sich auf die Auto- rität der symbolischen Kommunika- tion in den Wissenschaften beruft.

Doch müssen wir uns fragen, ob wir mit solch fremdartiger und be- fremdender Sprache noch die Sor- gen und Befürchtungen, Ängste und Nöte, Verzweiflungen und Sehnsüchte im einzelnen Men- schen verstehend erfassen und ausdrücken können. Je länger die Worte und je schwülstiger und ver- worrener die Konzeptionen wer- den, um so mehr schwinden aus ih- nen das menschliche Leiden und die Versuchungen des Menschen, verblassen Liebe und Haß, ver- schwimmen Gefühle wie Neid und Eifersucht, wie Rache und Terror zu bloßen Abstraktionen, die kei- nem etwas bedeuten, selbst — oder gerade weil — sie bald in al- ler Munde sind.

Fort sind die klaren, manchmal auch strengen, aber immer sensi- blen Worte von guter Bedeutung und dem Sinn für das Echte, Reale.

Freud nannte Dostojewski den größten Psychologen aller Zeiten, und noch lange vor ihm schrieb Euripides in seiner Medea von der Verletzlichkeit der Geisteskranken.

Vielleicht können wir nicht erwar- ten, daß wir das Leiden unserer Patienten mit der bewegenden Ge- nauigkeit und Poesie beschreiben, die der Dichter für die Lady Mac-

beth, den Hamlet oder den König Lear gebrauchte. Doch wie können wir die Hilferufe von Menschen ver- stehen und weitervermitteln, wenn wir sie emotionslos und unver- ständlich weitertragen, so daß we- nige Eingeweihte sie hören und noch weniger Menschen sie nach- empfinden können.

Entfremdung und Isolation

Wenn unsere Gefühle erkalten und unsere Sprache frostig wird, dann ist unsere Entfremdung vollständig.

Das Gewahrsein, daß wir in einer unverläßlichen Welt leben, oft ein- sam und daher von einer Psychia- trie angezogen als einem Platz für menschliche Kontakte, ließ uns wohl zu einem kühlen Vernunftden- ken mit seinen Abstraktionen grei- fen, ein trügerischer Ersatz letzt- lich für echte Begegnungen, die wir uns einmal wünschten. Wir erken- nen solche Entfremdung in allen Bereichen des beruflichen Lebens.

Sie bedroht uns alle.

Cartoons stellen uns Psychothera- peuten dar, wie wir von den Wohl- habenden ausgenommen werden, und wie wir ein Umgekehrtes tun.

Statistiken verdeutlichen, wie we- nig Menschen von uns erreicht werden, und wie sehr wir Teil einer Klasse und eines Klassensystems sind.

Getrennt von uns sind alle die vielen gestörten Menschen außer- halb der großen Städte von der Nordsee bis zum Rand der Alpen.

Weit weg von uns sind die Betrun- kenen und die verwahrlosten Ju- gendlichen in der Wildnis der Großstädte. Entfernt sind die Ar- men, Kriminellen und Süchtigen, sosehr uns Lippenbekenntnisse darüber hinwegtäuschen wollen.

Obgleich die Krankenkassen und sozialen Versicherungsträger die Psychotherapie und Psychoanalyse in ihre Leistungen einbeziehen, und obgleich es heute schon psy- chotherapeutische Kliniken für vie- le gibt, die auch von der Öffentlich- keit unterstützt werden, so sind doch die Wartelisten lang, und wir sind allzu leicht und allzu oft nur

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erreichbar für die auserwählten wenigen gewisser Vororte und Wohnbezirke.

Es gab Zeiten in Deutschland wie die ersten Jahre nach dem Kriege, da waren Theologen und Philoso- phen, Künstler und Naturwissen- schaftler in enge Tuchfühlung zum Psychiater gekommen, und jeder teilte sich dem anderen aus in- nerer Notwendigkeit mit. Der Psych- iater und Philosoph Karl Jas- pers rührte an die Fragen von Schuld und Glauben, die uns alle berührten, der Dichter und Philo- soph Jean-Paul Sartre schrieb über die Psychiatrie und die Emotionen des Menschen. Der Theologe Paul Tillich appellierte an den Mut zum Sein und — wie Sartre verstand er die Angst des Menschen als eine Notwendigkeit seiner Existenz und nicht nur als pathologisches Phä- nomen. Der Physiker und Philo- soph Carl Friedrich von Weizäcker stellte Fragen an die Tiefenpsycho- logie, die heute vielleicht eine noch größere Aktualität besitzen dürf- ten.

Neue Tabus

Der junge Psychiater und Psycho- analytiker von heute überschreitet seine Grenzen nur selten, wenn überhaupt. In Fachkreisen rümpft man die Nase, wenn Worte wie Lie- be, Hoffnung und Glauben fallen, und von einem Psychoanalytiker wird allenfalls gefordert, daß er die Grenzen zur Soziologie offenhält.

Religion und Philosophie sind un- versehens zu Tabus erklärt wor- den. Während alte Tabus fallen — wie die der Sexualität —, werden so neue aufgerichtet. Wir geraten erneut in eine Isolation, wenn wir nicht ständig unsere Grenzen über- schreiten. Wir werden isoliert durch eine willkürliche Definition, mit der wir unseren Arbeitsbereich einengen.

Doch unser Arbeitsfeld ist und bleibt die Conditio humana, und wir täten gut, wenn wir wieder mit Phi- losophen und Theologen unserer Zeit sprechen würden über das Wesen und das Schicksal des Men-

schen oder mit einem Heinrich Böll oder Max Frisch. Vielleicht sind wir noch zu furchtsam und zu unsicher, um zu erkennen, wer wirklich unser Nächster, unser Bru- der ist.

Poetische Einsicht

und Bereitschaft zum Wagnis Liegt es daran, daß wir mehr und mehr verlernt haben, uns als ganze Menschen zu begreifen? Wenn wir wirklich leben — mit Herz und Ver- stand —, werden wir klar und ver- ständlich reden und Einbahnstra- ßen meiden, werden wir erleben und nachvollziehen können, was wir mit Übertragung und Wider- stand und Gegenübertragung mei- nen. Irgendwie müssen wir es wie- der schaffen, poetische Einsicht mit der Kunst unseres ärztlichen Handwerkes, das Rationale mit dem Intuitiven zu verbinden, die kühle Distanz des Forschers mit der Leidenschaft und Zuneigung des Freundes zu vereinen, der im Innersten betroffen ist.

Hier scheint mir die Herausforde- rung in unserem Beruf zu liegen, die so alt wie die deutsche Ge- schichte unseres Heilberufes ist.

Ihr können wir nur begegnen, wenn wir die Bereitschaft zum Risiko, zum Wagnis und zum spontanen Einfall besitzen. Natürlich kennen wir alle die Furcht vor der Unge- wißheit, das Unbekannte zu riskie- ren. Wenn wir von einem Patienten gefordert werden, der uns Rätsel aufgibt, dann könnten wir das Ge- heimnis und die Herausforderung des Einmaligen meiden, indem wir unsere verfügbaren Klassifikatio- nen und Terminologien allzu be- reitwillig nutzen und damit an dem wirklichen Leiden der Seele vorübergehen. Dann ergreifen wir nur, was wir begreifen wollen, be- stätigen uns selbst mehr, als daß wir hilfreiche Bestätigung vermitteln.

Wenn wir uns selbst mehr Freiheit zugestehen und mehr loslassen würden, könnte vielleicht mehr zu- tage treten, als uns lieb wäre. Doch was wissen wir schon von dem ei- gentlichen Geben und Nehmen in

den vielen abgeschirmten Sprech- zimmern der Psychotherapeuten?

Wer spricht schon darüber, Patien- ten und Therapeuten, über die Be- gegnung zwischen ihnen beiden, die einbezogen sind in einen Pro- zeß, den wir Psychotherapie nen- nen! Dem Skeptiker, der den Wert einer Psychotherapie in Frage stellt, wird entweder mit der be- kannten Zurückhaltung des Teil- nehmers eines geschlossenen Sy- stems begegnet, der jede Nachfor- schung als suspekt ablehnt, oder mit einem Schwall halbwissen- schaftlicher Weisheiten, die im Raume stehenbleiben, ohne be- weisbar oder widerlegbar zu sein.

Probleme der Identifikation oder Identität werden nicht gelöst durch professionelle Arroganz oder durch Zugehörigkeit zu immer mehr Berufsverbänden oder die Er- richtung und Ausübung von Ritua- len. Die bedeutungsvolle therapeu- tische Beziehung zwischen uns und unseren Patienten wird viel- mehr hergestellt durch unser Sein, weniger durch unser Tun. Eben das erfordert von uns ebensoviel innere Freiheit und Aufrichtigkeit wie von unseren Patienten, und ebensoviel Vertrauen unsererseits, wie wir im Verlaufe der Therapie von unseren Patienten erwarten.

Die Einmaligkeit

des individuellen Lebens gegenüber totalitären Lebensansprüchen

Wenn ein Patient seine Probleme an uns heranträgt, dann können wir sie nicht zuletzt deshalb verste- hen, weil sie den Problemen vieler anderer Patienten ähnlich sind und sich zu Konzeptionen und Abstrak- tionen verarbeiten lassen. Dennoch steht dieser Patient mitten in einem Leben, seinem Leben, das auf viele Weisen anders ist als das anderer Menschen, deren Schicksal wir kennen. Auch bringen wir uns selbst, und nur uns selbst, mit. Jede Begegnung in unserem langen Ar- beitstag verläuft anders, und unse- re Behandlungsmethoden unter- scheiden sich auf viele subtile Wei- sen von denen unserer Kollegen.

Wenn wir in unserer Welt ständig

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mit dem Einfluß totalitärer Lebens- ansprüche konfrontiert werden, so ist es gerade für uns wichtig, uns der Einmaligkeit des individuellen Menschen und unserer selbst als Therapeuten zu versichern.

Wenn wir unseren Patienten ge- genübertreten, dann begegnen wir ihnen auch mit unserem Leben, das nicht nur von Mitgefühl, Empa- thie und Liebe erfüllt ist, sondern auch von Ärger, Enttäuschung und Leiden. Wir wissen, daß wir von un- seren Patienten viele ihrer irratio- nalen, verstellten und verdrängten Gedanken und Gefühle aufnehmen müssen, die ursprünglich gegen El- tern, Geschwister, Lehrer u. a. ge- richtet waren. Wir wissen auch, daß unsere Patienten — bewußt und unbewußt — versuchen, aus uns heraus manche der Einstel- lungshaltungen dieser früheren Be- zugspersonen zu entlocken. Doch wir müssen neutral bleiben, beson- ders zu Beginn eines manchmal langen therapeutischen Prozesses, so daß unsere Patienten in der Übertragung auf uns noch einmal das Leiden durchleben können, das sie in ihrer Kindheit geprägt hat — nun aber in Gefühlsbezo- genheit zu uns, dem Therapeuten.

Doch diese Neutralität kann allzu leicht zu einer vollständigen An- onymität verwandelt werden, wenn wir versuchen, uns hinter der Couch zu verstecken und vor dem Patienten zu verbergen. Indem wir das tun, verlängern wir gerade die- se Isolation, die oftmals verant- wortlich ist für die Schwierigkeiten unserer Patienten. Und wenn wir darauf bestehen, werden sie aus dieser Beziehung heraus zwar viele Deutungen bekommen, aber wenig Wärme und Vertrauen.

Unser eigenes Leben, das Leben des Therapeuten, ist zweifellos ein wichtiger Teil dieses therapeu- tischen Prozesses. Das hat uns nicht zuletzt die Lehranalyse ins Bewußtsein gebracht. Unsere Ge- fühle, unsere eigenen Schwierigkei- ten und Probleme, die Freuden und Leiden in unserer eigenen Kindheit

— bewältigt in diesem Prozeß —, das sind für uns die ausgebildeten

„Instrumente" des Wissens, Teil der formalen Ausbildung und Tra- dition, was für den Chirurgen ver- gleichsweise die Hände sind. Auch sie sind responsiv auf seine künst- lerische, schöpferische und sensiti- ve Intuition als Mensch. Aber das wichtigste Werkzeug des Psycho- therapeuten ist er selbst, sein Le- ben. Wir sind ausgebildet und vor- bereitet darauf, uns selbst zu ge- ben, aufzunehmen und anzuneh- men, zu erleben, zu reflektieren und zu konfrontieren, zu deuten und herausgefordert zu werden.

Wir sehen, hören und reden durch den Geist, unsere Erinnerungen, unsere Person. Es geschieht durch unsere Emotionen, daß wir Werk- zeuge sind, die sich zuwenden und aufnehmen, wie sich Hände ein- ander zustrecken und berühren.

Wir können nicht viele Probleme des Lebens lösen. Wir sind keine Giganten, zu denen wir 'manchmal gemacht werden, aber auch nicht ohnmächtig dem menschlichen Leiden gegenüber. Wir können hof- fen, daß aus der Ich-Du-Beziehung zu unseren Patienten immer wieder etwas Neues entsteht, etwas von einem kleinen Happening, für das es sich immer wieder einzusetzen lohnt. Wir müssen wachsam sein, nicht auszutrocknen und die Fri- sche des Geistes zu verlieren, be- reit, mit anderen zu lächeln und auch über uns selbst. Über dem ständigen Studium sollten wir nicht verlernen zu leben, zu lieben, aber auch zu weinen, wenn es uns schmerzt. Wir sollten weniger zu reden, statt dessen mehr zu erfah- ren trachten durch das Leben. Es wäre zu hoffen, daß wir es wagen könnten, uns selbst voll zu akzep- tieren und uns frei darzubieten ei- ner herausfordernden und angster- füllten Zeit und ihren unruhigen und ruhelosen Menschen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans G. Preuss Facharzt für Nervenkrankheiten

— Psychotherapie —, Psychoanalytiker Schäftlarnerweg 36 8026 Ebenhausen/Isartal

„Ordnung im eigenen Haus"

Anmerkungen zur gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise

Ferdinand Oeter und Dietrich Oeter

Jede Ware und jede Dienst- leistung haben ihren Preis.

Dieser Preis wird dort ver- schleiert, wo staatliche Ge- schenke an Sondergruppen ebenso die Rationalität un- seres Wirtschaftssystems zer- stören, wie sie andererseits die öffentliche Moral unter- graben. Wie dem entgegen- gesteuert werden könnte, er- läutern die ärztlichen Auto- ren an zwei Beispielen: im ersten Teil des Aufsatzes am

„Straßenverkehr", im zweiten Teil hinsichtlich der „Fami- lienbesteuerung und Alters- versorgung". Ihr Schluß:

Selbst bei fehlendem Wirt- schaftswachstum, ja sogar bei sinkendem Bruttosozial- produkt könnte durch Ord- nung im eigenen Haus eine effektive Steigerung der viel- zitierten Lebensqualität er- reicht werden.

1. Menschheit am Wendepunkt

„Aus zunächst kaum erkannten An- fängen (hat) sich in den vergange- nen Jahrzehnten eine völlig neue Gefahr für das Leben der Mensch- heit entwickelt. Diese steigt mit je- dem Jahr unheilvoller neben der Drohung eines atomaren Weltbran- des empor: ... auch ohne einen

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