Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 48|
3. Dezember 2010 A 2365A K T U E L L
RANDNOTIZ
Petra Bühring
Der gemeine DÄ-Redakteur muss einige Male im Jahr das Berliner ICC (Internationales Congress-Centrum) aufsuchen, um über Neuigkeiten aus den ärztlichen Fachbereichen be- richten zu können. Das ICC ist ein raumschiffartiges, vielfach fensterlo- ses Ungetüm in schlechtester Sieb- zigerjahrearchitektur. Aktueller An- lass war der große Kongress der deutschen Gesellschaft für Psych - iatrie, Psychotherapie, Psychosoma-
tik und Nervenheilkunde (DGPPN) Ende November. Steigt man an der S-Bahn-Station ICC/Messe-Nord aus, leitet die Beschilderung zu- nächst hoch ans Licht, das ICC be- reits in unmittelbarer Sichtweite, um den Besucher dann durch einen Tunnel die befahrene Straße unter- queren zu lassen, die Station und ICC trennt. Eine Ampel gibt es nicht.
Dieser Tunnel ist dunkel, dreckig, ex- trem zugig und orangefarben geka- chelt. Der Tunnel wurde zeitgleich mit den fensterlosen Hallen des ICC errichtet, dessen Abriss in Berlin im- mer mal wieder diskutiert wird. Er führt direkt zu dessen Eingang und weiter ins Dunkel.
Das Durchqueren des Tunnels wird von massiven Abwehrimpulsen bestimmt. Zusammenzucken lassen auch plötzlich auftauchende Gestal- ten, die den Kongressbesuchern Flugblätter und Flyer in die Hand drücken. Viele Psychiater und Ner- venärzte, die diesen Weg über den vier Tage andauernden Kongress unzählige Male nehmen sollten, wurden dabei beobachtet, wie sie gleich über die befahrene Straße huschten, die zum Glück einen Mit- telstreifen hat.
Die DGPPN hat gerade ein neu- es Referat „Sportpsychiatrie“ ein- gerichtet – die Architekturpsycholo- gie braucht auch noch ein paar Fürsprecher.
Dunkel am Ende des Tunnels
Im Auslands- einsatz trau- matisiert: Im- mer mehr deut- sche Soldaten sind davon betroffen.
Die Bundeswehr hat nicht genü- gend Psychiater zur Behandlung der steigenden Zahl traumatisierter Soldaten. Von 42 psychiatrischen Dienstposten seien derzeit nur 24 besetzt, berichtete der „Kölner Stadt- Anzeiger“ unter Berufung auf einen vertraulichen Vermerk des Verteidi- gungsministeriums sowie einen Be- richt des parlamentarischen Staats- sekretärs Thomas Kossendey (CDU) TRAUMATISIERTE SOLDATEN
Der Bundeswehr fehlen Psychiater
an den Bundestags-Verteidi- gungsausschuss.
Die Zahl der vor allem im Auslandseinsatz traumatisier- ten Soldaten hatte mit 483 Fällen in den ersten drei Quartalen 2010 einen Höchst- stand erreicht. Dem Bericht zufolge sollten bis 2012 acht neu ausgebildete Psychiater hinzukommen. Im selben Zeitraum scheiden aber sechs Psychiater wegen Vertragsablauf oder Pensionierung aus.
In dem Vermerk heißt es, ein Aufstocken der Psychiaterstellen könne theoretisch durch das Anwer- ben qualifizierter Seiteneinsteiger realisiert werden. „Trotz intensiver Bemühungen“ gelinge dies jedoch
„nur in Einzelfällen, da der zivile Arbeitsmarkt zurzeit bessere Be- schäftigungskonditionen bietet“. afp Der Bundestag hat Ende November
den Bundeshaushalt für 2011 be- schlossen. Von den 306 Milliarden Euro, die im kommenden Jahr zur Verfügung stehen, fließen 15,8 Mil- liarden in den Gesundheitsetat. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Haus- halt des Bundesgesundheitsminis- ters Philipp Rösler (FDP) um gut zwei Prozent kleiner ausgefallen.
Der größte Teil des Gesundheits- etats – 13,3 Milliarden Euro – fließt in den Gesundheitsfonds. Zusätzli- che zwei Milliarden sind als Liqui- ditätsreserve der gesetzlichen Kran- kenversicherung vorgesehen. Sie sollen die zu erwartenden Ausgaben für den Sozialausgleich der Zu - satzbeiträge abdecken. Dieser soll die Versicherten vor Überforderung schützen. Nach der kürzlich be- schlossenen Finanzreform werden künftige Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung allein vom Arbeitnehmer getragen.
Gespart wird in Röslers Kernetat vor allem bei der Prävention: Für den Aktionsplan „Gesundheitliche HAUSHALT 2011
Leichte Kürzungen beim Gesundheitsetat
Prävention durch ausreichende Be- wegung und ausgewogene Ernäh- rung“ steht 2011 nur noch eine knappe Million zur Verfügung. Im laufenden Jahr waren es noch 4,5 Millionen Euro. Die Ausgaben für Arzneimittelsicherheit werden 2011 mit 500 000 Euro mehr als halbiert.
Mehr Geld gibt es hingegen zur Steigerung der Organspendebereit- schaft in Deutschland. Hierfür stellt das Bundesgesundheitsministerium 400 000 Euro zur Verfügung.
Koalition und Opposition nutzten die Haushaltsdebatte für erneute Wortgefechte über die gerade be- schlossene Gesundheitsreform. Rös- ler verteidigte sie: „Im Ergebnis ist das genau das, was die Menschen wollen: ein nachhaltig ausfinanzier- tes System der Krankenversiche- rung.“ SPD, Grüne und Linke war- fen ihm dagegen Versagen und ei- nen Angriff auf das Solidarsystem vor. „Sie wollen das Gesundheits- system vollends kaputtmachen“, kritisierte die Linken-Politikerin Martina Bunge. afp/mei
Foto: ddp