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Archiv "Gesetzliche Krankenversicherung: Umstrittene Kältekur" (21.10.2005)

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roße Koalitionen bedeuten häufig eine Politik der kleinen Schritte, heißt es. Einmal mehr war dies bei den Sondierungsgesprächen von SPD und CDU zu beobachten. Beide wollten eigentlich mithilfe ihrer Reformoptionen – Bürgerversicherung versus Gesund- heitsprämie – das Gesundheitswesen reformieren. Nun aber wird hüben wie drüben ein „dritter Weg“ ins Spiel ge- bracht, jüngst vom CSU-Vorsitzenden und designierten Wirtschaftsminister Edmund Stoiber. Wichtig sei, die Ge- sundheitskosten von den Lohnneben- kosten abzukoppeln, relativiert auch Sozialexperte Wolfgang Zöller (CSU) die Unionsreformziele. So könnte es der nächste Reformschritt im Gesund- heitswesen sein, die Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung „einzufrie- ren“. Obwohl die SPD die Lohnneben- kosten senken will, halten sich die Sym- pathien für den Vorschlag in ihren Rei- hen in Grenzen. Doch als Kompromiss müsse man dies eventuell schlucken, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. med. Marlies Volkmer.

Wenig Wirkung, viel Symbolik

Dass durch das Festschreiben des GKV- Arbeitgeberanteils tatsächlich Bewe- gung in den Arbeitsmarkt kommt, be- zweifeln Experten allerdings. Die Maß- nahme gilt eher als symbolisch. Die pa- ritätische Finanzierung der Sozialver- sicherungsbeiträge würde so endgültig zur Vergangenheit. Die Versicherten müssten künftig Beitragssteigerungen der Krankenkassen allein schultern. Für den Pressesprecher des AOK-Bundes- verbandes, Udo Barske, wäre das eine unzumutbare Belastung: „Die Versi- cherten sind durch die Praxisgebühr und den Sonderbeitrag genug belastet wor-

den. Das Einfrieren des Arbeitgeberbei- trags ist der falsche Weg.“

Auch in der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) ist man ent- schieden gegen die schwarz-roten Plä- ne. „Durch das Entkoppeln der Sozial- versicherungsbeiträge von den Löhnen wird der Kostendruck aus der Gesetz- lichen Krankenversicherung genom- men“, erklärt die VZBV-Geschäfts- führerin Prof. Dr. Edda Müller. Steigen- de Beiträge der Versicherten seien die Folge. Dass dadurch Arbeitsplätze ent- stehen, glaubt sie nicht. „In den letzten Jahren wurde die Wirtschaft bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen er- heblich entlastet. Den Abbau von Ar- beitsplätzen hat das nicht gebremst.“

Ähnlich sieht man das bei der Tech- niker Krankenkasse (TK), der dritt- größten Ersatzkasse. „Die Arbeitgeber müssen in der Pflicht gehalten werden, dass die Strukturen der GKV vernünf- tig weiterentwickelt werden“, sagt Sprecherin Dorothee Meusch. Zusätz- liche Arbeitsplätze erwartet die TK nicht. Allein der „Laborversuch Zahn- ersatz und Krankengeld“ habe die Wirt- schaft in diesem Jahr um 2,2 Milliarden Euro entlastet: „Und wo sind die Ar- beitsplätze geblieben?“

Die Hoffnung auf neue Jobs hält auch der Direktor des Instituts für Ge- sundheits- und Sozialforschung, Prof.

Dr. med. Bertram Häussler, für einen

„frommen Wunsch“. Zunächst bringe das Festschreiben der Beiträge den Ar- beitgebern keine Entlastung, sondern erst, wenn diese wieder stiegen. „Doch selbst das wird international nicht mess- bar sein, und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie wird das nicht verbessern.“ Häussler hält das Einfrie- ren dennoch für einen richtigen Zwi- schenschritt, weil so Beitragssatzsteige- rungen künftig „schmerzloser“ umge-

setzt werden könnten. Die Ausgaben seien in den letzten zehn Jahren stark im Griff gehalten worden, insbesondere bei Honoraren und Gehältern für Ärzte im ambulanten und stationären Be- reich. Ärztemangel und die Proteste der Klinikärzte verdeutlichten aber, dass es so nicht weitergehe. Darum sei das Ein- frieren ein Signal, dass man endlich die Sparbremse lockern könne. „Keine Par- tei kann dann noch schreien: ,Die Wirt- schaft wird durch die GKV belastet.‘“

Selbst die Wirtschaft verspricht sich keinen allzu großen Schub für den Arbeitsmarkt. „Wenn anstatt der not- wendigen entlastungswirksamen Re- formen in der GKV die überhöhten Ar- beitgeberbeiträge eingefroren werden, ergeben sich auch keine positiven Aus- wirkungen auf die Beschäftigung“, heißt es beim Zentralverband des Deut- schen Handwerks. Dort fordert man drastischere Einschnitte. So müssten als Übergang zu einer großen Finanzre- form die paritätischen Beiträge kräftig gesenkt werden.

Arbeitgeber: halb zufrieden

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erhofft sich immerhin „Planungssicherheit“ für die kommenden Jahre. Das aber sei nur die halbe Lösung, sagt Volker Hansen, BDA-Abteilungsleiter für den Bereich soziale Sicherung. Würden die GKV- Beiträge als Teil des Bruttolohns ausge- zahlt, würden sie nicht mehr explizit als Versicherungsbeiträge aufgeführt und künftig zur Verhandlungsmasse von Ge- werkschaftern und Arbeitgebern. An- dernfalls stiegen die GKV-Beiträge mit jeder weiteren Bruttolohnerhöhung.

Auch der Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl W. Lauter- bach (SPD) kann sich für den Plan nicht recht erwärmen. Aufgrund der drohen- den Mehrkosten würden Einkommens- starke in die private Krankenversiche- rung abwandern. Zudem würde da- durch die Binnenkonjunktur weiter ge- schwächt, weil die Nettosteigerungen der Löhne durch die steigenden GKV- Beiträge kompensiert würden. Lauter- bach geht davon aus, dass die SPD dem Festschreiben der Arbeitgeberbeiträge nicht zustimmen wird. Timo Blöß P O L I T I K

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A2832 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 42⏐⏐21. Oktober 2005

Gesetzliche Krankenversicherung

Umstrittene Kältekur

In SPD und CDU denken manche über das „Einfrieren“ der

Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung nach. Doch

nicht einmal den Arbeitgebern wird dabei warm ums Herz.

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