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Archiv "Gesetzliche Krankenversicherung: Durch Evolution zur Revolution" (12.10.2007)

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A2764 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 41⏐⏐12. Oktober 2007

P O L I T I K

D

ie Bundesregierung, der Bundestag und viele Exper- ten sind sich einig: Deutschland hat ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitssystem mit einer hoch- wertigen Gesundheitsversorgung.

Beklagt werden aber der teilweise ineffiziente Mitteleinsatz – nicht nur an den Schnittstellen zwischen ambu- lanter und stationärer Versorgung –, Über- und Unterversorgung und er- hebliche Unterschiede der Versor- gungsqualität. Hingewiesen wird auch auf die Herausforderungen aus der zunehmenden Zahl älterer Menschen: das Generationenpro- blem. Erforderlich sei die Weiterent- wicklung des Gesundheitswesens in seinen Angebotsstrukturen und auf der Finanzierungsseite.

Die Koalitionsfraktionen setzen auf einen stärkeren Wettbewerb.

Wahltarife, größere Vertragsfreiheit der Krankenkassen, ein neues ärzt-

liches Honorierungssystem, Kosten- Nutzen-Bewertungen der Arzneimit- tel, bessere Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Sektor, Ausbau der integrierten Versorgung sowie Straffung der Verbandsstruk- turen seien die geeigneten Lösungs- ansätze.

Insbesondere sollen die Kranken- kassen eine kostengünstige Versor- gung gewährleisten und kosten- sparende Tarife anbieten. Ein Re- zept seien Selbstbeteiligungstarife, für die die Versicherten Prämien ih- rer Kasse zurückerhalten. Aus dem Bundeshaushalt soll zudem eine anteilige Finanzierung der gesamt- gesellschaftlichen Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geleistet werden: 1,5 Millar- den Euro in 2008, drei Milliarden Euro in 2009 und ab 2010 ein noch höherer Bundeszuschuss sind vor- gesehen.

Festzuhalten ist, dass die von vie- len Experten geforderte Einführung einer Kapitaldeckung in der GKV mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungs- gesetz nicht angepackt und eine Ent- scheidung zwischen Bürgerversiche- rung oder Gesundheitsprämie nicht getroffen wurden. Eine nachhaltige Lösung des Finanzierungsproblems ist somit nicht in Sicht, das Genera- tionenproblem wurde nicht gelöst.

Das Konzept ist angelehnt an außereuropäische Lösungen

Hier setzt die Arbeitsgruppe „go 360“* mit ihrem Vorschlag an, in die deutsche GKV ein persönliches Gesundheits-Sparkonto (GSK) ein- zuführen. Dieses Konzept lehnt sich an die außereuropäischen Lösungen der Medical Savings Accounts (MSA) an, die schon in Singapur und China, in Südafrika und den USA eingeführt sind und in Kanada, Australien und Malaysia vor der Tür stehen. Insbesondere können MSA einen Anreiz bieten zu mehr Eigen- verantwortung sowie zu einem kos- tenbewussteren Umgang mit den Gesundheitsleistungen und zu einer höheren Compliance der Patienten führen. Sind doch als GKV-System- schwächen ausgemacht: das „Voll- kaskosystem“, das inverse Nachfra- geverhalten, die fehlende Kosten- souveränität der Patienten, die feh- lende Transparenz, eine oft noch zu paternalistische Beziehung zwi- schen Arzt und Patient, eine arzt- induzierte Nachfrage sowie die feh- lende Compliance der Patienten.

In Abweichung von den ein- geführten außereuropäischen MSA- Systemen schlägt die Gruppe „go 360“ eine modifizierte MSA-Lösung für Deutschland vor, die evolutionär und schrittweise in das bestehende GKV-System eingeführt werden kann und die die vom Gesetzgeber

GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG

Durch Evolution zur Revolution

Die Arbeitsgruppe „go 360“ plädiert für die Einführung individueller Gesundheits-Sparkonten. Mehr Eigenverantwortung, ein höheres Kostenbewusstsein und eine bessere Compliance seien zu erwarten.

*Dr. Daniela Christ- mann, Felix Echterhoff, Prof. Dr. Günter Neubauer, Andor Poll, Dr. Manfred Richter- Reichhelm

Abhängig von der Inanspruchnahme wächst das persönliche Konto des Arbeitnehmers im Lauf der Jahre als Grundstock einer Kapitaldeckung stetig an.

GRAFIK 1

Freiwilliges Ansparprogramm

durchschnittl.

Guthaben 2010

Gesamtbeitrag 2040 Jahr

Gesundheits- sparbuch

SB max. i. H.

individuell.

Risikos

Solidarbeitrag

Versicherter Arbeitgeber

Wahltarif der GKV Einsparung

durch Wahltarif

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 41⏐⏐12. Oktober 2007 A2765

P O L I T I K

beschlossenen Neuerungen proaktiv nutzt. Der Deutsche Bundestag hat in der letzten Reform beschlossen, dass in der GKV der Patient durch Selbst- beteiligungs-Wahltarife an seinem Krankheitsrisiko beteiligt werden soll, um so die Versicherungsbeiträge senken zu können. Als Rahmenkon- zept für die Selbstbeteiligung emp- fiehlt „go 360“ das „Gesundheits- Sparkonto 360“ (GSK 360). Im Krankheitsfall wäre der zu zahlende Selbstbehalt von diesem Konto zu be- zahlen. Der Aufbau des für die Finan- zierung benötigten Guthabens kann ohne Mehrbelastung des bestehenden Gesundheitssystems erfolgen.

Zweisäuliges Ansparkonzept

Die Arbeitsgruppe empfiehlt ein zweisäuliges Ansparkonzept:

>Erste Finanzierungssäule: frei- williges Ansparprogramm. Der GKV-Versicherte wählt einen Selbst- beteiligungstarif. Die Beitragsein- sparungen zahlt er zum Teil oder ganz auf sein persönliches Gesund- heits-Sparkonto ein. Die Guthaben- höhe wird von Jahr zu Jahr durch die Wahl immer höherer Selbstbehalte optimal (siehe Grafik 1).

Nach wie vor zahlen Arbeitneh- mer und Arbeitgeber den Beitrag in die GKV ein. Die Prämie für den Selbstbehalttarif fließt an den Arbeitnehmer zurück, der sie – in der Grafik partiell – auf sein Ge- sundheits-Sparkonto einzahlt. Soli- darisch werden seine Gesundheits- ausgaben jenseits der Selbstbeteili- gungsgrenze aus der GKV finan- ziert. Abhängig von der Inan- spruchnahme wächst sein persön- liches Konto im Lauf der Jahre als Grundstock einer Kapitaldeckung stetig an.

>Zweite Finanzierungssäule:

Nachwuchsförderung als demo- grafische Rückstellung.Die zweite Säule entsteht aus einem staatlichen Förderungsprogramm für die nach- wachsende Generation (siehe Gra- fik 2). Die vom Bund zugesagten finanziellen Mittel zur Förderung der Kinder werden im Gesundheitssys- tem gebunden. Alle Kinder – sowohl jene von gesetzlich als auch jene von privat krankenversicherten Eltern – erhalten jährlich staatliche Zahlungen auf ihr individuelles Gesundheits-

konto. So steht jedem Kind des aktu- ellen Geburtenjahrgangs bei Vollen- dung des 18. Lebensjahres eine Basis für die Wahl einer hohen Eigenbeteili- gung zur Verfügung. Das GSK 360 erhält so den Charakter einer demo- grafischen Rückstellung und federt die finanziellen Effekte der zunehmen- den Überalterung der Gesellschaft ab.

Der Staat ist vor die Frage gestellt, ob er die Beitragssatzsubventionie- rung für die Erwachsenen bevorzugt oder Gesundheitssparkonten für die Kinder einführt. Er kann beispiels- weise im Jahr 15 Milliarden Euro an

Erwachsene zur Senkung ihres Bei- tragssatzes für die GKV transferieren oder jedem Kind 1 000 Euro im Jahr auf ein Gesundheitssparkonto ein- zahlen. Die erste Variante entlastet die aktiven Beitragszahler jetzt, die zweite die kommende Generation.

Das Konto: persönlich, attraktiv und zweckgebunden

Das Gesundheits-Sparkonto 360 ist ein individuelles Sparbuch, das ähn- lich einem herkömmlichen Bank- konto funktioniert. Das Konto wird von der Krankenkasse verwaltet, verzinst und kann vererbt werden.

Ist eine bestimmte Guthabenhöhe erreicht, werden dem Versicherten die Überschüsse ausgezahlt.

Das GSK 360 kann nur innerhalb des Gesundheitssystems in An- spruch genommen werden. Dabei bietet es sich an, das Konto für Zu- zahlungen bei Selbstbeteiligungs- tarifen in Anspruch zu nehmen. Dis- kutiert werden kann, ob die Bezah- lung von leistungskatalogfremden Sonderleistungen ab einer hinrei- chenden Guthabenhöhe statthaft ist.

Ein vom Versicherten eventuell gewünschter Wechsel in eine private Krankenversicherung (PKV) wird durch das Gesundheits-Sparkonto 360 unterstützt. Das Konto bietet bei

positivem Saldo die Möglichkeit, Guthaben als Altersrückstellungen zu nutzen. So kann ein GKV-Ver- sicherter fortgeschrittenen Alters den künftigen PKV-Beitrag auf ein Niveau senken, welches dem eines Früheinsteigers entspricht.

Fazit: Das jetzige Gesundheits- system kann schrittweise von der Überbeanspruchung der Solidarität zur Eigenverantwortung transfor- miert werden. Wo der Bürger seine Gesundheit selbst beeinflussen kann, verantwortet und finanziert er sie.

Für hohe Risiken steht die Solidar- gemeinschaft in der Verantwortung.

Die Generationengerechtigkeit wird

erhöht. I

Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm

Quelle: IfG Institut für Gesundheitsökonomik; Beispielrechnung Prof. G. Neubauer

GRAFIK 2

Nachwuchsförderung als demografische Rückstellung

30 000 25 000 20 000 15 000 10 000 5 000 0

Euro

1 6 11 16 Jahre

Annahmen:

15 Millionen Kinder erhalten jährlich je 1 000 Euro, der Zins beträgt 5 Prozent

28 132 Euro

Alle Kinder – sowohl jene von gesetzlich als auch jene von privat krankenver- sicherten Eltern – erhalten jährlich staatliche Zahlun- gen auf ihr individu- elles Gesundheits- konto.

Das System kann schrittweise von der Überbeanspruchung der

Solidarität zur Eigenverantwortung transformiert werden.

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