• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Freie Wahl in der Krankenversicherung" (03.08.1984)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Freie Wahl in der Krankenversicherung" (03.08.1984)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Freie Wahl in der Krankenversicherung!

Die Marktwirtschaftler nehmen sich zunehmend der gesetzlichen Krankenversicherung an. Sie be- rufen sich dabei auf die politisch weithin anerkannte Forderung nach Eigenverantwortung und kommen mit konkreten Vorschlä- gen. Ein Beispiel dafür ist die Stu- die*) von Prof. Dr. rer. pol. Walter Hamm (Volkswirtschaftler an der Universität Marburg), Dr. rer. pol.

Jens Jessen (Geschäftsführer der Landesärztekammer Rheinland- Pfalz), Privatdozent Dr. phil. Diet- rich Nord und Diplom-Wirtschafts- ingenieur Harald Pehlke {beide

Medizinisch-pharmazeutische Studiengesellschaft). ln ihr tritt klar zutage, was es heißt, die Ei- genverantwortung aus den Sann- tagsreden heraus in die Struktu- ren der gesetzlichen Krankenver- sicherung hineinzubringen. Die Lösung heißt, mit einer Schlagzei- le formuliert: strikte Beachtung des Versicheru ngsprinzips.

Während die Bundesregierung allgemein weniger Staat und mehr persönliche Freiheit prokla- miere, nähmen in der gesetzli- chen Krankenversicherung büro- kratisch verordnete Sparmaßnah- men und Einschränkung individu- eller Entscheidungsspielräume zu, klagt Prof. Hamm. Jede büro- kratische Maßnahme aber führe, da sie nie perfekt genug sei, zu weiteren bürokratischen Maßnah- men - eine "lnterventionsspira- le". Nord hält das vielberufene

"System der gesetzlichen Kran- kenversicherung" überhaupt nicht für ein eigenständiges "Sy- stem"; denn spätestens mit der einnahmeorientierten Ausgaben- politik {die er als "Kontingentie- rung von Möglichkeiten zur Be- dürfnisbefriedigung" bezeichnet) sei die gesetzliche Krankenversi- cherung an die anderen Sozialsy-

•) W. Hamm. J. Jessen, D. Nord, H. Pehlke:

Aspekte zur GKV-Strukturreform, herausge- geben von der Medizinisch Pharmazeuti- schen Studiengesellschaft e. V., Gustav Fi- scher Verlag, Stuttgart/New York, 1984, 99 Seiten

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

steme gefesselt worden. Damit habe sie ihre Selbststeuerungsfä- higkeit verloren. Eine andere hei- lige Kuh der Sozialpolitik sticht Hamm an: Die Krankenversiche- rung sei nicht einmal sozial, denn tatsächlich finanzierten sozial schwächere Mitglieder die wohl- habenderen mit.

Soweit einige charakteristische Auszüge aus der Zustandsbe- schreibung. Nun zum Rezept, der Rückkehr der Krankenversiche- rung zur Versicherung im stren- gen Sinn: Hamm plädiert für eine Versicherungspflicht, nicht aber für eine Pflichtversicherung. Er will also, daß sich jeder gegen schwere gesundheitliche Risiken versichern muß, es ihm aber weit- gehend freigestellt sein soll, den Versicherungsträger zu wählen und den Umfang der über die Grundsicherung hinausgehenden Absicherung zu bestimmen.

Hamm schlägt nicht nur Wahl- möglichkeiten zwischen den ver- schiedenen Versicherungsträgern vor, sondern fordert auch die ein- zelnen Kassen auf, Wahlmöglich- keiten unter verschiedenen Tari- fen zu eröffnen.

Die Krankenversicherung soll auf die echte Versicherung zurückgeführt werden

Dietrich Nord ist es vor allem um die Wiederherstellung der Selbst- steuerungsfähigkeit zu tun; er for- dert vor allem, Leistungsangebot und Finanzgebaren der gesetzli- chen Krankenversicherung aus der Politik herauszulösen. Die Versicherten müßten ferner die Folgen ihres Handeins erkennen können, das bedeute, daß die Krankenversicherung auf ihre ei- gentlichen Aufgaben zurückge- führt werden müsse. Das Verhal- ten der Versicherten solle "durch Geld und Information" gesteuert werden, "als Ausgleich dafür, daß in Großgruppen wie der Versi- chertengemeinschaft eine durch soziale Kontrolle aufrechterhalte- ne Solidarität nicht existieren kann".

KURZBERICHTE

Der Grundlinie der Studie, die ge- setzliche Krankenversicherung auf eine echte Versicherung zu- rückzuführen und folglich von nicht versicherungsgemäßen Auf- gaben zu befreien, folgt auch Jes- sen und stößt damit gleich gegen eine weitere heilige Kuh: den von der gesetzlichen Krankenversi- cherung praktizierten Familienla- stenausgleich. Der gehöre in die Familienpolitik und die sei Sache des Staates. Die beitragsfreie Ver- sicherung der Kinder sei mithin nicht Sache der Solidargemein- schaft, sondern der Steuerzahler.

Jessen stört auch, daß die Kran- kenversicherung der Rentner "in unzumutbarem Maße von den so- zial Schwächeren finanziert wird".

Rentenpolitik sei ebenfalls nicht Aufgabe einer Krankenversiche- rung. Rentner sollten nur Mitglied der gesetzlichen Krankenversi- cherung sein, wenn sie einen ih- rer Leistungsfähigkeit vor Renten- bezug entsprechenden Beitrag gezahlt hätten.

Allgemein für die Krankenkassen fordert er, daß

~ die Kassen neben der Bei- tragshoheit auch die unbe- schränkte Leistungshoheit erhal- ten und damit

~ Beitragssätze und das Dienst- leistungssortiment ein stärkeres Gewicht als Wettbewerbsinstru- mente erhalten.

~ Eine prozentuale Selbstbeteili- gung, die sich am Beitrag des Mit- glieds ausrichtet

~ Krankenhausträger und Kran- kenkassen die Pflegesätze aus- handeln

~ die geplante Verteilung der Fi- nanzmittel der GKV nicht starr für das kommende Haushaltsjahr vor- zunehmen, sondern nur noch als Eckdatum für das Gesundheitswe- sen vorzugeben

~ den Handlungsspielraum der Ärzte zu erweitern. NJ Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 31/32 vom 3. August 1984 (21) 2293

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auch ich begehe Kunstfehler, aber wenn er sie dann schildert, sind sie geradezu niedlich, und er verzeiht sie sich auch sofort und schickt der Patientin, der er versehentlich ein

„Soll-System" auf dem Reißbrett konzipieren soll, das „möglichst von allen Beteiligten akzeptiert werden soll, um die notwendige Versorgung des Bürgers bei ange-

Zudem: Ist erst einmal die Schraube der Versicherungspflicht- grenze nach oben gedreht worden, so ist es fast so wie das Amen in der Kir- che, dass die

Dass die Privathonorare für die Existenz von Praxen und Kliniken unverzichtbar sind, auch (wenngleich es nicht alle zugeben.) Gern vernachlässigt werden die Unterschiede im

Die Annahme eines Bruttosozialpro- duktwachstums von real 3,0 Prozent (Hauff 2,5%)*) bedeutet in Anleh- nung an die Prognose der Sozial- budgetersteller eine mittelfristige

Da die Ausgaben nach den zur Zeit geltenden Finan- zierungsvorschriften der Kranken- versicherung der Rentner im KVKG weiter stärker expandieren werden als die Renten und damit

Das Bundesarbeitsministerium (BMA) plädiert darüber hinaus für die Anpassung der Finanzierung der knappschaftliehen Rentner- Krankenversicherung an die der allgemeinen

Ob diese kleine Prozentzahl das Schreiben eines Menetekels, näm- lich: die Lehre wird in Göttingen aus der Medizinischen Fakultät ausge- gliedert, erlaubt, darf in hohem Maß