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Archiv "Mit der Brechstange an die Krankenversicherung?" (19.02.1976)

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Mit der Brechstange an die

Krankenversicherung?

Wenn Abgeordnete der SPD-Frak- tion mit Eingriffen des Staates in das Gesundheitswesen drohen und

ein "Notgesetz gegen Krankheits-

kosten" für 1976 und 1977 in Aus- sicht stellen, so ist dies in mehrfa- cher Hinsicht, nicht nur für die Ärz- te, sondern für alle Bürger, ein be-

merkenswerter Vorgang.

Zur Begründung dieser an die un- seligen Brüningschen Notverord- nungen [zur sozialen Krankenversi- cherung - Red. DÄ] erinnernden Maßnahmen wird auf die Steige- rung der Ausgaben der Kranken- kassen im Jahr 1975 um rund 10 Mrd. DM und eine bis 1980 zu er- wartende Verdoppelung dieser Ausgaben von jetzt 60 Mrd. DM auf 115 Mrd. DM verwiesen. Als Ursa- che für diesen Kostenanstieg wird u. a. ein "unkontrollierter Anstieg der Arzteinkommen" angeführt, der angesichts des hohen Einkom- mensniveaus der Ärzte nicht ver- tretbar sei.

..,.. Es ist unzutreffend, daß die Lei- stungen der Ärzte und die daraus resultierenden Honorare unkontrol- liert erfolgen, und es ist unzutref- fend, daß die Ärzte im Jahr 1975 ein überproportionales Einkommen erzielt hätten und damit, wie von den Ortskrankenkassen behauptet,

"Nutznießer der Rezession" wären.

Tatsache ist, daß die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für ambulante ärztliche Behand- lung im Jahr 1975 gegenüber den Ausgaben für andere Leistungsbe- reiche (wie etwa Krankenhausbe- handlung, Zahnersatz, Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel) immer noch am geringfügigsten gestiegen sind. Tatsache ist, daß seit 1949 trotz ei- ner heute deutlichen Zunahme der Kassenärzte der Anteil der Ausga- ben der gesetzlichen Krankenversi- cherung für die ambulante ärztli- che Versorgung an den Gesamt- ausgaben der Krankenversiche- rung nahezu konstant bei knapp 20 Prozent liegt.

Bei den steigenden Ausgaben der Krankenkassen muß bedacht wer- den, daß der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren das Lei- stungsangebot unserer sozialen

Krankenversicherung großzügig er- weitert hat. Auf die Einführung der Mutterschaftsvorsorge, auf die Maßnahmen zur Früherkennung von Krebs, die Kinderprävention, die Rehabilitationsmaßnahmen, die flankierenden Maßnahmen zum

§ 218 StGB, das Krankenhausfinan- zierungsgesetz und nicht zuletzt die Öffnung der gesetzlichen Kran- kenversicherung für fast jeden Bür- ger sei beispielhaft hingewiesen.

..,.. Daß all diese von den Sozialpo- litikern begeistert gefeierten Maß- nahmen zwangsläufig Kosten ver- ursachen, deren Deckung ein sorg- samer "Hausvater" vor Einführung sichergestellt hätte, hat man zu Zeiten der wirtschaftlichen Hoch- konjunktur kaum bedacht.

Heute geben all diese Leistungs- verbesserungen, auf die der sozial- versicherte Bürger Anspruch hat und zu deren Inanspruchnahme er ständig aufgefordert wird, dem Handeln des Arztes die Richt- schnur.

..,.. Wenn der so aufgeklärte Bürger diese Leistungen in steigendem Umfang in Anspruch nimmt und da- mit zwangsläufig Kosten verur- sacht, dann darf man, wie ich mei- ne, den Arzt, der diese Leistungen erbringt, nicht zum Sündenbock für das Ansteigen der Kosten im So- zialhaushalt machen.

Die Leistungen des Kassenarztes werden zudem von Krankenkassen und Ärzten gemeinsam auf ihre Wirtschaftlichkeit und Notwendig- keit überprüft, die Honorarsätze be- ruhen auf freien Verträgen zwi- schen Krankenkassen und Ärzten.

C> Steigt die Zahl der Rentner, für

die die Krankheitskosten in der Re- gel doppelt so hoch liegen wie bei den allgemein Versicherten -

C> steigt die Inanspruchnahme der

Ärzte durch die Sozialversicher- ten-

C> folgen unsere Bürger in zuneh-

mendem Maße der Aufforderung

Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

Z

wei Reporter des "Stern"

waren Ende Januar stun- denlang zu einem Interview mit Dr. med. Hans Wolf Mu- schallik bei der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung in Köln zu Gast. Stundenlang er- läuterte Dr. Muschallik den beiden Reportern die wirkli- che Kostensituation der am- bulanten kassenärztlichen Be- handlung der Sozialversicher- ten. Und zum Abschluß des :;tundenlangen Sachgesprächs drückte er ihnen das hier wie- dergegebene Statement in die Hand, das den kassen- ärztlichen Standpunkt in der Kostendiskussion sachlich und sachverständig zusam- menfaßt Der Lohn der gan- zen Bemühung? Der "Stern"

stempelte die deutschen Ärz-

te zu "Beutelschneidern".

Über die ärztlichen Reaktio- nen darauf wird in diesem Heft berichtet. übrigens: Wenn die Sachargumente der Ärzte derart vom Tisch ge- wischt werden, wie dies jetzt geschieht - die Ärzteschaft kann ihre Argumente durch- aus "populärer" formulieren!

Auch das wird in diesem Heft und in den nächsten Heften

bewiesen. DÄ

zur Inanspruchnahme von Früher- kennungsmaßnahmen, bei denen sich in der Regel 30 Prozent be- handlungsbedürftige Nebenbefun- de ergeben, und

C> bemüht sich die Kassenärzte-

schaft durch Steigerung der Zahl der Kassenärzte - sie stieg im letzten Jahr um mehr als 1500 - um die Sicherstellung einer be- darfsgerechten und gleichmäßigen ärztlichen Versorgung,

..,.. dann darf nach meiner Auffas- sung auch kein Sozialexperte so tun, als ob die mit solchen Ent- wicklungen verbundenen Kosten unkontrolliert, unnötig oder gar vornehmlich aus eigensüchtigen wirtschaftlichen Überlegungen der Ärzte erfolgten. C>

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 8 vom 19. Februar 1976 473

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

Wenn die Kosten für unser Ge- sundheitswesen nach heutigen Schätzungen 60 Mrd. DM errei- chen, von denen nur rund 18 Pro- zent auf ambulante ärztliche Ver- sorgung entfallen und der weitaus überwiegende Teil sich auf Kran- kenhäuser, Arzneimittel, Zahner- satz, Zahnärzte, Heil- und Hilfsmit- tel verteilt, so bleibt dennoch unbe- streitbar, und zwar nicht nur für den Politiker, sondern für jeden Bürger - auch für uns Ärzte -, daß es der Bemühungen aller be- darf, um einer weiteren Kostenex- pansion entgegenzuwirken.

~ Das System der sozialen Kran- kenversicherung, die Frage der ge- sundheitlichen Betreuung unserer Bürger ist ein so empfindliches In- strument, daß es mit der Brech- stange eines Notstandsgesetzes nicht angegangen werden darf!

Krankenkassen und alle ihre Ver- tragspartner müssen sich auf ihren gemeinsamen Auftrag besinnen!

Alle Beteiligten müssen erkennen, daß bei Inanspruchnahme und Er- bringung der Leistungen in der so- zialen Krankenversicherung dem selbstverständlichen Gebot von Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Rücksichtnahme innerhalb ei- ner Solidargemeinschaft wieder Geltung verschafft werden muß!

Nur so wird unsere soziale Kran- kenversicherung erhalten und fi- nanzierbar bleiben!

Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung hat mit vielfachen Bemühun- gen hierzu beigetragen. Vor weni- gen Tagen wurde in diesem Sinne mit den Ersatzkassen vereinbart, daß für 1976 keine Steigerung der Honorarsätze erfolgen wird.

Solche Entwicklungen werden aber fragwürdig, ja der soziale Friede gefährdet, wenn man die Leistun- gen der Kassenärzte, wie fortlau- fend zu beobachten, herabsetzt und damit den ganzen Berufsstand in den Geruch der Wirtschaftskri- minalität rückt.

Dr. med. Hans Wolf Muschallik

NACHRICHTEN

Saarland-

Krankenhausgesetz:

Funktionäre

sollen mitbestimmen

Die gewerkschaftliche Wunschvor- stellung, das Krankenhaus von au- ßen mitzubestimmen und fernzu- steuern, hat in dem SPD-Entwurf für ein Landeskrankenhausgesetz im Saarland konkrete Form ange- nommen. ln § 11 des SPD-Entwurfs wird die Installierung einer "Kran- kenhauskonferenz" für jeden Kran- kenhausträger als obligatorisch er- klärt.

Dies ist zwar im Grunde nichts Neues - auch in anderen Bundes- ländern sind solche Regelungen in Kraft doch zeichnet sich der saarländische SPD-Vorschlag durch seine ausgesprochen ge- werkschaftsfreundlichen Tenden- zen aus. So wird vorgeschlagen, in die Krankenhauskonferenz - pari- tätisch je zur Hälfte - Vertreter des Krankenhausträgers und der Arbeitnehmer des Krankenhauses zu delegieren. Um eine Fernsteue- rung von außen zu garantieren, soll nach SPD-Gusto die Arbeitnehmer- seite je zur Hälfte aus betrieblichen und außerbetrieblichen Funktionä- ren rekrutiert werden. Folgender Wahlmodus ist vorgesehen: "Die betrieblichen Arbeitnehmervertre-

Letztes Mittel: Radikalkur?

474 Heft 8 vom 19. Februar 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT

ter werden von den Betriebs- und Personalräten gewählt. Die außer- betrieblichen Arbeitnehmervertre- ter werden von den im Kranken- haus vertretenen tarifabschließen- den Gewerkschaften entsandt."

ln selbstgefälliger Weise versieht die SPD den Entwurf (maßgeblich vom SPD-Landtagsfraktionsvorsit- zenden und Vorsitzenden der SPD- Kommission "Gesundheitspolitik"

beim SPD-Parteivorstand, Friedel Läpple, beeinflußt) mit einer Be- gründung, die die Marschrichtung enthüllt: "ln der Festlegung mani- festiert sich eine immer wieder er- hobene Forderung insbesondere der Gewerkschaften. Die Regelung der Entsendung außerbetrieblicher Arbeitnehmer berücksichtigt einen zu Recht bestehenden, für die Ge- werkschaft als Institution unver- zichtbaren Anspruch bei der Ver- wirklichung echter Mitbestim- mung."

Berücksichtigt man, daß die Kran- kenhauskonferenz beschließende und nicht nur beratende Funktion haben soll, hätte sie die Kompe- tenz, die Krankenhausleitung zu wählen, und würde so auf den Krankenhausbetrieb und die Kran- kenhausstruktur unmittelbar Ein- fluß nehmen können. Für die nahe- zu perfekte Funktionärsfernsteue- rung wäre es dann ein leichtes, ideologische Vorstellungen der als

Aus: Kölnische Rundschau

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