AMBULANTE ÄRZTLICHE VERSORGUNG
Behandeln im Akkord
Nach Zahlen der Barmer GEK behandelt jeder niedergelassene Arzt im Durchschnitt 45 Patienten je Werktag.
D
ie Zahl der ärztlichen Be- handlungen steigt weiter.Dies ist das Ergebnis des aktuellen Arztreports zur ambulanten Ver - sorgung in Deutschland, der im Auftrag der Barmer GEK erstellt wurde. Niedergelassene Ärzte rech- neten demnach im Jahr 2008 je Ver- sicherten durchschnittlich 7,5 Be-
handlungsfälle („Krankenscheine“) ab. 2007 waren es noch 7,1, im Jahr 2004 nur 6,5. Rund die Hälfte der fünfprozentigen Steigerung dürfte auf Direktabrechnungen von Labor- gemeinschaften zurückgehen.
Auch die Behandlungsrate – also die Zahl derjenigen Versicherten, die mindestens einen Arzt im betreffen- den Jahr aufsuchten – stieg den Aus- wertungen zufolge noch einmal an:
von 92,6 auf 92,9 Prozent. Damit
habe die Anzahl der Arztbesuche ebenfalls zugenommen. Zwar ist mit Einführung von Abrechnungspau- schalen eine direkte Auszählung von ambulanten Arztkontakten nicht mehr möglich (rechnerisch ergeben sich 2008 nur noch 13,5 erfasste Arztkontakte), doch lasse der An- stieg von Behandlungsrate und Fall- zahlen auf einen Anstieg der Arztkontakte schließen. In den Jahren 2006 und 2007 wurden je Behandlungsfall konstant 2,5 Arztkontakte ermittelt.
Legt man diesen Faktor und die gestiegenen Fallzahlen zu- grunde, so ist von einem leich- ten Anstieg je 17,7 auf 18,1 Arztkontakte je Versicherten und Jahr auszugehen.
Die Behandlungsfrequenz der Ärzte in Deutschland ist
im internationalen Vergleich etwa doppelt so hoch. Über- schlägt man die Zahlen von 2007, ergeben sich durchschnitt- lich 10 735 Patientenkontakte je Arzt pro Jahr und 224 Kon- takte pro Woche. Das entspricht durchschnittlich circa 45 Pa- tienten pro Werktag und acht Minu- ten pro Patientenkontakt. Für Autor Dr. Thomas Grobe vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG), Hannover, stellt sich angesichts dieser Zahlen die Ressourcenfrage:
„Für den einzelnen Patien tenkontakt bleibt offenbar immer weniger Zeit.
Mancher Arztkontakt dürfte sich wiederum durch längere Behand- lungszeiten erübrigen.“
Aber steht das hohe Niveau der Patientenkontakte für Über- oder Fehlversorgung? Der stellvertreten- de Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, lobt das breite Angebot und die ho- he Akzeptanz der ambulanten Ver- sorgung in Deutschland, fordert je- doch mehr kooperative Steuerung:
„Die Wirkung der Praxisgebühr ist fraglich und die grundsätzlich sinn- volle hausarztzentrierte Versorgung steckt in der Sackgasse. Mit drei - seitigen Vereinbarungen zwischen Krankenkassen, Hausarztverbänden und Kassenärztlichen Vereinigun- gen könnten wir den gordischen Knoten lösen.“ Auch bei der Be- darfsplanung müsse über Verträge zwischen Dreien verhandelt wer- den: „Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser müssen gemeinsam
mit den Krankenkassen eine ausrei- chende und qualitativ hochwertige Versorgung auch außerhalb der gro- ßen Städte sicherstellen.“
Der Barmer-GEK-Report schließt an die GEK-Reports zur ambulant ärztlichen Versorgung an, die seit 2006 jährlich vom ISEG veröffent- licht werden und mittlerweile einen stabilen Fünfjahrestrend abbilden.
Datenbasis sind die ambulanten Ab- rechnungsdaten von rund 1,7 Mil- lionen Versicherten der ehemaligen GEK. Dies entspricht einem Anteil von rund zwei Prozent an der bun- desdeutschen Bevölkerung und er- möglicht repräsentative Hochrech- nungen sowie Rückschlüsse auf die Situation der ambulanten Gesamt-
versorgung. WZ
„ Für den einzelnen Patientenkontakt bleibt offenbar immer weniger Zeit.
“
Thomas Grobe, Autor des Arztreports
[147] Deutsches Ärzteblatt