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Archiv "Weiterentwicklung der Krankenversicherung" (12.12.1974)

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Spektrum der Woche Aufsätze_· Notizen

Sozialmedizinischer Dienst

wirken mit dem Betriebsarzt, den behandelnden Ärzten und gegebe- nenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigen anderer Berei- che;

[> keine Berechtigung, in die Be-

handlung des Kassenarztes einzu- greifen.

Zur versicherungsrechtlichen Trag- weite der Gutachten des sozialärzt- lichen Dienstes heißt es im Presse- dienst des Bundesarbeitsministe- riums: "Die ärztlichen Stellungnah- men des Sozialmedizinischen Dien- stes haben gutachtlichen und be- ratenden Charakter. Sie sind für den Sozialleistungsträger rechtlich nicht verbindlich. Sie berühren nicht die Verpflichtung der Sozial- leistungsträger zur erschöpfenden Aufklärung des Einzelfalles."

Zwischen gesetzlicher Kranken- und Rentenversicherung sollen Vereinbarungen abgeschlossen werden, deren Ziel es ist, einer- seits den Sozialmedizinischen Dienst einheitlich für das Bundes- gebiet einschließlich West-Berlins zu gestalten, andererseits den Dienst so nah wie möglich an den zu Betreuenden heranzuführen.

Zwischen den Spitzenverbänden der Krankenversicherung und dem Verband Deutscher Rentenversi- cherungsträger (VOR) soll ein spe- zieller Bundesmantelvertrag ge- schlossen werden; Einzelvereinba- rungen sollen den Bundesmantel- vertrag im einzelnen ausfüllen.

Der Bundesmantelvertrag soll die paritätische Sei bstverwaltung durch die Träger der Krankenversi- cherung einerseits und die Träger der Rentenversicherung anderer- seits sicherstellen. Nicht zuletzt soll die verantwortliche Mitwir- kung der betroffenen Arztgruppen, insbesondere der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Krankenhaus- ärzte und der Ärzte des Sozialmedi- zinischen Dienstes (etwa in Form eines Fachbeirates) gewährleistet werden. (Vgl. auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 2/74; 3/74; 36/74

und 44/74). WZ/DÄ

DAS BLAUE: PAPIER

Weiterentwicklung

der Krankenversicherung

Das Blaue Papier: Abschnitt D 7 der "Gesundheits-

und sozialpolitischen Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft"*)

a) Die Bundesregierung hat in dem von ihr vorgelegten Sozialbericht 1973 folgende Leitlinien für den Ausbau des Systems der sozialen Sicherung festgelegt:

[>Verbesserung der sozialen Lei-

stungen, insbesondere für bisher nicht genügend geschützte Perso- nenkreise,

[>Anpassung der sozialen Leistun-

gen an die wirtschaftliche Entwick- lung,

[> Modernisierung des Leistungs- rechts,

[>Ausbau von Vorsorgemaßnah-

men.

Diese Leitlinien werden von der Ärzteschaft auch als Grundsätze für die Weiterentwicklung der ge- setzlichen Krankenversicherung für richtig anerkannt.

Angesichts der zu beobachtenden Tendenz, die gesetzliche Kranken- versicherung, ungeachtet der fi- nanziellen Belastbarkeit der Versi- chertengemeinschaft, mit immer neuen Aufgaben zu betrauen, die z. T. weit über die Zielsetzung ei- ner sozialen Krankenversicherung hinausgehen, weist die Ärzteschaft jedoch darauf hin, daß bei jeder Erweiterung des Aufgabenbereichs der gesetzlichen Krankenversiche- rung

[>geprüft werden muß, ob eine

Leistungserweiterung gesundheits- politisch sinnvoll, medizinisch zweckmäßig und finanziell tragbar ist;

[> beachtet werden muß, daß die

gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen des Gesamtsystems der sozialen Sicherung nur Lei-

stungen zur Verhütung, Früherken- nung und Behandlung von Krank- heiten zur Verfügung zu stellen hat und daher nicht mit Kosten für an- dersartige Leistungsbereiche bela- stet werden darf.

b) Das gegliederte System der ge- setzlichen Krankenversicherung und das sie tragende Prinzip der Selbstverwaltung hat sich bewährt.

Die Erhaltung eines größtmögli- chen Freiheitsspielraums für den Versicherten in der Wahl eines sei- nen Berufs-, Tätigkeits- und Le- bensbedingungen entsprechenden Versicherungsschutzes muß daher auch Grundlage für die Weiterent- wicklung des Rechts der gesetzli- chen Krankenversicherung sein.

..,.. Das System der gegliederten Krankenversicherung, in dem auf der Basis gemeinsamer Berufs- merkmale, ähnlicher Lebenslagen und gleichartiger Anspruchsmerk- male Versichertengemeinschaften gebildet werden können, garantiert die für das Solidaritätsbewußtsein der Versicherten notwendige Versi- chertennähe der Krankenkasse.

Eine Einheitsversicherung für die Gesamtbevölkerung würde sich demgegenüber von einem staatli- chen Versorgungssystem nur da- durch unterscheiden, daß der Bür- ger seinen Beitrag zur Finanzie- rung dieses Systems nicht an das Finanzamt, sondern an die Ein- heitskasse abführen müßte.

..,.. ln der gegliederten Krankenver- sicherung besteht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen die

Möglichkeit eines freien Wettbe-

*) Die vorausgehenden Abschnitte des

Blauen Papiers wurden in den Hef-

ten 25, 28, 31, 32, 33, 36, 37, 38, 40, 41, 43, 44, 47 sowie in Heft 48/1974 ver- öffentlicht.

3630 Heft 50 vom 12. Dezember 1974 DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen DAS BLAUE PAPIER

werbs unter den Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversiche- rung, aber auch zwischen gesetzli- cher und privater Krankenversiche- rung. Ein solcher Wettbewerb trägt zu einer Steigerung des Leistungs- niveaus und damit zu einer Verbes- serung des Versicherungsschutzes bei. In einer Einheitsversicherung wäre jeder Wettbewerb beseitigt und damit jeder konkurrierende Vergleich ausgeschlossen.

• Die Entwicklung besonderer Kassenarten im Rahmen der durch die Reichsversicherungsordnung gegebenen Möglichkeiten beweist, daß in der Bevölkerung eine Nach- frage nach der Bildung besonde- rer, an den Berufs- und Lebensbe- dingungen der Versicherten ausge- richteter Gemeinschaften besteht.

Daher muß die in der Reichsver- sicherungsordnung vorgesehene Möglichkeit erhalten bleiben, daß Versicherte mit gleichen Berufs- und Lebensbedingungen sich zu besonderen Versichertengemein- schaften zusammenschließen oder solchen beitreten.

c) Beim Ausbau der gesetzlichen Krankenversicherung stehen nach dem Sozialbericht 1973 folgende Probleme zur Diskussion:

> Erweiterung des versicherten Personenkreises um solche Grup- pen, deren Gesundheitsrisiken bis- her gar nicht oder nur unzulänglich abgesichert waren, wie vor allem Studierende und von Geburt an Be- hinderte.

> Ausbau der Früherkennung von Krankheiten durch weitere Früher- kennungsuntersuchungen und Ge- sundheitsvorsorge.

> Erweiterung des Leistungskata- logs der sozialen Krankenversiche- rung um zusätzliche Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (z. B. Versorgung mit orthopädi- schen Hilfsmitteln). Es geht hierbei insbesondere um mitversicherte Frauen und Kinder, die bisher von diesen Möglichkeiten weitgehend ausgeschlossen sind.

> Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, insbesondere in länd-

lichen und Stadtrandgebieten, da- mit mögliche medizinische Leistun- gen von allen Versicherten in An- spruch genommen werden können.

> Anpassung der Leistungen der sozialen Krankenversicherung an gesellschaftliche Veränderungen, wie sie sich insbesondere aus der Erwerbstätigkeit vieler Mütter erge- ben.

> Dauerhafte Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Solidaritäts- gemeinschaft.

Die deutsche Ärzteschaft nimmt hierzu wie folgt Stellung:

aa) Erweiterung des Personenkreises

Das Nebeneinander von gesetzli- cher und privater Krankenversiche- rung trägt dazu bei, daß der medi- zinische Fortschritt allen Bevölke- rungskreisen gleichermaßen zugu- te kommt. Im Interesse der Eigen- initiative und der Selbstverantwor- tung des einzelnen für seine Ge- sundheit und die Gesundheit seiner Familie muß die Berechtigung er- halten bleiben, zwischen verschie- denen Formen und Trägern der Krankenversicherung frei wählen zu können.

Eine Ausweitung des pflichtversi- cherten Personenkreises kann da- her nur insoweit befürwortet wer- den, als die soziale Stellung und Schutzbedürftigkeit dieser Perso- nengruppe die Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung erfordert.

Die Notwendigkeit einer Öffnung der gesetzlichen Krankenversiche- rung für Studenten und andere in der Ausbildung zum Beruf stehen- de Personen wird anerkannt. Bei einer entsprechenden gesetzlichen Neuregelung muß jedoch den Stu- denten die Wahl zwischen den be- stehenden Trägern der gesetzli- chen Krankenversicherung freige- stellt und die Möglichkeit einer Versicherung in der privaten Kran- kenversicherung eingeräumt wer- den. Soweit die Studierenden zu einer Zahlung kostengerechter Bei-

träge nicht in der Lage sind, darf die gesetzliche und private Kran- kenversicherung nicht mit entspre- chenden Subventionen belastet werden. Die Beiträge müssen dann im Rahmen der staatlichen Ausbil- dungsförderung übernommen wer- den.

Der Deutsche Ärztetag begrüßt den von der Bundesregierung vorgeleg- ten Entwurf eines Gesetzes über die Sozialversicherung Behinder- ter. Durch die darin vorgesehene Einbeziehung der in Werkstätten für Behinderte und in Berufsbil- dungswerken tätigen Behinderten in die gesetzliche Krankenversi- cherung wird gewährleistet, daß diese Behinderten die im Rahmen der Sozialversicherung zu gewäh- renden Rehabilitationsmaßnahmen voll in Anspruch nehmen können.

ab) Ausbau des FrüherkennungsprogrPmms

Eine Erweiterung der Früherken- nungsuntersuchungen sollte ent- sprechend den in § 181 a RVO fest- gelegten Kriterien erfolgen, wenn

> es sich um Krankheiten handelt, die wirksam behandelt werden können,

> das Vor- und Frühstadium dieser Krankheiten durch diagnostische Maßnahmen erfaßbar ist,

> Krankheitszeichen medizinisch- technisch genügend eindeutig zu erfassen sind,

> genügend Ärzte und Einrichtun- gen vorhanden sind, um die aufge- fundenen Verdachtsfälle zu diagno- stizieren und zu behandeln.

Die Ärzteschaft unterstützt deshalb Modellversuche, in denen die Mög- lichkeit und Zweckmäßigkeit einer Aufstockung und Intensivierung des Untersuchungsprogramms in der Praxis erprobt werden.

Dabei sollte auch geprüft werden, ob durch eine Aufstockung der Un- tersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen beim Mann ein verstärkter Anreiz für die Inan- spruchnahme dieser Untersuchun- gen erreicht und damit die bisher noch nicht befriedigende Teilnah- me verbessert werden kann.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 50 vom 12. Dezember 1974 3631

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen DAS BLAUE PAPIER

ac) Erweiterung des Leistungsbedarfs

der sozialen Krankenversicherung

Die Ärzteschaft bejaht die im Ge- setz über ergänzende Maßnahmen zum 5. Strafrechtsreformgesetz (Änderung des § 218 StGB) vorge- sehene Einführung eines An- spruchs auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisrege- lung als neue Leistung der gesetz- lichen Krankenversicherung.

Durch verstärkte individuelle Auf- klärung der Versicherten über Fra- gen der Empfängnisverhütung kann in vielen Fällen eine unerwünschte Schwangerschaft vermieden und damit die Zahl medizinisch nicht indizierter Schwangerschaftsab- brüche gesenkt werden.

Der im selben Gesetz vorgesehene uneingeschränkte Anspruch der Versicherten auf ärztliche Hilfe bei Abbruch der Schwangerschaft zu Lasten der gesetzlichen Kranken- versicherung ist aber nur dann zu rechtfertigen, wenn der legale Schwangerschaftsabbruch bei der anstehenden Strafrechtsreform des

§ 218 Strafgesetzbuch auf Fälle therapeutischer Indikation be- schränkt wird.

Die Durchführung eines Schwan- gerschaftsabbruchs ohne Vorlie- gen einer therapeutischen Indika- tion kann nicht zu Lasten der Ver- sichertengemeinschaft gehen, da sie mit den Aufgaben und der Ziel- setzung einer sozialen Krankenver- sicherung nicht in Einklang zu bringen ist.

Die Ärzteschaft begrüßt die von der Bundesregierung im Rahmen eines Rehabilitationsgesetzes vor- gesehene Verbesserung und Har- monisierung der Leistungen zur Wiederherstellung und Wiederein- gliederung Behinderter in das Be- rufsleben. Insbesondere die vorge- sehene Einbeziehung der gesetzli- chen Krankenversicherung in den Kreis der Rehabilitationsträger wird als notwendig angesehen, um auch den mitversicherten Familien- angehörigen (Ehegatte und Kinder) einen Anspruch auf Rehabilita-

tionsmaßnahmen im Rahmen der Sozialversicherung zu gewährlei- sten.

ad) Sicherstellung

der ambulanten ärztlichen Versorgung

Die Weiterentwicklung der gesetzli- chen Krankenversicherung im Be- reich der ambulanten kassenärztli- chen Versorgung muß nach Auffas- sung der Ärzteschaft von folgenden Grundsätzen ausgehen:

..,.. Das geltende Kassenarztrecht bzw. Vertragsrecht kann nur auf der Grundlage und unter Erhaltung der gemeinsamen Selbstverwal- tung weiterentwickelt werden.

..,.. Dabei ist an dem Grundsatz der alleinigen Zuständigkeit der Kas- senärztlichen Vereinigungen für die Sicherstellung der kassenärztli- chen bzw. vertragsärztlichen Ver- sorgung der Sozialversicherten im Interesse der Erhaltung einer gleichberechtigten Partnerschaft zu den Krankenkassen festzuhal- ten. Nur auf dieser Basis kann die gerade durch das Kassenarztrecht überwundene, die Versorgung der Bevölkerung gefährdende Ausein- andersetzung zwischen Ärzten und Krankenkassen auch für die Zu- kunft vermieden werden.

..,.. Der den Kassenärztlichen Ver- eJmgungen erteilte Sicherstel- lungsauftrag kann auch in Zukunft kein "Kassenarztmonopol" sein, sondern eine sachbezogene Zu- ständigkeit zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung.

Daher sind neben den Kassenärz- ten auch in Zukunft Krankenhaus- ärzte, Werksärzte, Ärzte des öffent- lichen Gesundheitswesens, Sani- tätsoffiziere u. a. beamtete oder an- gestellte Ärzte als Leistungsträger in die kassenärztliche Versorgung einzubeziehen, soweit dies zur Si- cherstellung der ärztlichen Versor- gung erforderlich ist.

Durch die von der Ärzteschaft auf der Grundlage dieses Sieherstel- lungsauftrages in Selbstverwaltung durchgeführten Maßnahmen zur Si- cherstellung der ärztlichen Versor- gung ist es gelungen, im Jahre 1973 die Zahl der Fachärzte um 900 zu vermehren und erstmals einen

3632 Heft 50 vom 12. Dezember 1974 DEurSCHES .ARZTEBLATI'

Rückgang der in freier Praxis täti- gen Allgemeinärzte zu verhindern.

Durch die gezielte Förderung der Niederlassung als Kassenarzt in Stadtrand- und Landgebieten ist erreicht worden, daß die auf Grund von Strukturanalysen ermittelten, vordringlich zu besetzenden Kas- senarztsitze weitgehend besetzt werden konnten.

Durch dirigistische Maßnahmen, wie einer Beseitigung bzw. Ein- schränkung der Niederlassungs- freiheit, hätte dieser Erfolg mit Si- cherheit nicht erzielt werden kön- nen. Solange jedenfalls durch die in der Selbstverwaltung der Ärzte getroffenen Maßnahmen die Zahl der Kassenärzte weiterhin wie bis- her vermehrt und eine verstärkte Zulassung dieser Ärzte in Stadt- rand- und Landgebieten erreicht werden kann, lehnt die Ärzteschaft eine Änderung kassenarztrechtli- cher Vorschriften mit dem Ziel ei- ner Beschränkung der Niederlas- sungsfreiheit ab. Die ärztliche Tä- tigkeit in Stadtrand- und Landge- bieten kann nicht durch Zwangs- verpflichtungen sichergestellt wer- den. Sie erfordert ein überaus star- kes persönliches Engagement des Arztes, das nur auf Grund eines freiwilligen Entschlusses zur Nie- derlassung an einem bestimmten Ort erwartet werden kann.

Nach Auffassung der Ärzteschaft läßt sich die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Stadt- rand- und Landgebieten nur durch einen Ausbau und die Intensivie- rung der von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen des Si- cherstellungsauftrags in Abschnitt B 1 ergriffenen Initiativen errei- chen.

ae) Sicherung

der finanziellen Leistungsfähigkeit

Die zu beobachtende Kostenexplo- sion im Gesundheitswesen und die darauf zurückzuführenden, die Grenze der Belastbarkeit der Versi- cherten erreichenden hohen Bei- tragssätze der Krankenversiche- rungen zwingen dazu, bei der Wei- terentwicklung des Leistungskata- logs der sozialen Krankenversiche-

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Die parlamentarischen Arbeiten über den Entwurf der italienischen Regierung für eine Reform des Ge- sundheitswesens haben noch gar nicht begonnen — aber die ersten katastrophalen Auswirkungen einer noch gar nicht stattgefundenen Re- form werden schon sichtbar. Dabei gab es — wie bei der Verabschie- dung des Entwurfs bereits voraus- gesagt wurde (DEUTSCHES ÄRZ- TEBLATT, Heft 37/1974 — bis Mitte November gar keine Regierung, die sich um die parlamentarische Be- handlung der Reform hätte küm- mern können.

Kurz vor dem Rücktritt der Regie- rung trafen Gesundheitsminister Vittorino Colombo und die Reprä- sentanten des Verbandes der ita- lienischen Kassenärzte zu einer Diskussion über den Entwurf zu- sammen, die in den Gesprächsfor- men recht angenehm verlief, in der Sache jedoch nicht viel weiterführ- te. Die Kassenärzte — und eine nach dem Gespräch stattfindende Versammlung des Zentralkomitees des Verbandes bestätigte diese Haltung — sind zwar mit einer Re- form des Gesundheitswesens durchaus einverstanden, die einen staatlichen Gesundheitsdienst an die Stelle der tiefgegliederten ita- lienischen Krankenversicherung setzt. Sie sind aber nicht bereit, für diesen Gesundheitsdienst in einem Beamten- oder Angestelltenverhält- nis zu arbeiten, sondern verlangen die Beibehaltung ihrer Position als freiberufliche Vertragspartner. Da- bei sollten die Verträge selbstver- ständlich auf kollektiver Basis zwi- schen dem Gesundheitsdienst und den Vertretungen der Ärzte abge- schlossen werden.

Der durchaus verbindliche Ton des Kommuniquös über die Begegnung mit dem Gesundheitsminister und

BLICK ÜBER DIE GRENZEN

der Entschließung des Zentralko- mitees steht in einem ganz be- wußten Kontrast zu der Haltung, die die Organisationen der italieni- schen Ärzteschaft gegenüber dem Arbeitsminister Bertoldi einnehmen (Gesundheits- und Arbeitsmini- ster gehören beide der Christ- lich-Demokratischen Partei an).

Bertoldi hat mit unbedachten (?) Äußerungen schon vor längerer Zeit den Zorn der Ärzte auf sich gezogen, und er läßt keine Gele- genheit vorbeigehen, um seine Ab- neigung gegen die Freiberuflich- keit der Ärzte zum Ausdruck zu bringen. Fast am gleichen Tage, an dem die Konferenz mit Colombo stattfand, nahm der Vorsitzende des Verbandes der Allgemeinärzte eine Rede Bertoldis zum Anlaß, ihn der Verdrehung von Tatsachen und sogar verfassungswidrigen Han- delns zu bezichtigen.

Einheitsvertrag für das

gesamte Krankenhauspersonal Eine wichtige Rolle spielt dabei eine Auseinandersetzung, in der Bertoldi auch Partei ist, und die schon seit vielen Monaten läuft:

der Abschluß eines Tarifvertrages für die Krankenhäuser. Bertoldi übernahm die Taktik seiner christ- demokratischen und sozialistischen Vorgänger, die darin bestand, ei- nen einheitlichen Vertrag für das gesamte Krankenhauspersonal von den Ärzten bis zum Pförtner zu for- mulieren. Natürlich ist es eine der Zielsetzungen einer solchen Taktik, die Position der Ärzte zu schwä- chen. Aber es spielen auch andere Dinge eine Rolle, die insbesondere mit den Auseinandersetzungen in- nerhalb der tief untereinander und sogar in sich selbst zerstrittenen Richtungsgewerkschaften begrün- det sind, die sich seit Jahren zu

DAS BLAUE PAPIER

rung eindeutige Prioritäten zu set- zen. Dabei kommt dem Ausbau des Früherkennungsprogramms ein be- sonderes Gewicht zu. Bei dem ho- hen finanziellen Aufwand, der an- gesichts der Millionenzahl erfor- derlicher Untersuchungen mit je- der Erweiterung des Früherken- nungsprogramms verbunden ist, muß vor einer Ausdehnung des Programms auf Früherkennung weiterer Krankheitsarten in Modell- versuchen jedoch sorgfältig ge- prüft werden, ob die Früherken- nung einer bestimmten Erkrankung mit konkreten zusätzlichen Hei- lungschancen für den Versicherten verbunden ist und diese vom Versi- cherten auch tatsächlich genutzt werden können. Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch fi- nanziell vertretbar. Die Grenze der finanziellen Leistungsfähigkeit der Krankenversicherung erfordert vielmehr vor jeder Einführung neu- er Leistungen eine sorgfältige Prü- fung, ob dem dadurch entstehen- den Mehraufwand ein entsprechen- der Nutzen für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung ge- genübersteht.

Wenn als Voraussetzung für jede mit Kostensteigerungen verbunde- ne Weiterentwicklung der gesetzli- chen Krankenversicherung die Er- haltung bzw. Sicherung der finan- ziellen Leistungsfähigkeit der Soli- dargemeinschaft anerkannt wird, dann bedingt dies eine Neurege- lung in der Finanzierung der Rent- nerkrankenversicherung.

Ziel der finanziellen Neuordnung muß es daher sein, die Rentenver- sicherungsträger künftig an den tatsächlichen Ausgaben der ge- setzlichen Krankenversicherung für die Krankenversicherung der Rent- ner angemessen zu beteiligen. Ent- sprechend der Empfehlung der Sachverständigenkommission soll- ten die Krankenkassen dabei mit nicht mehr als 20 Prozent der Auf- wendungen belastet werden und dementsprechend die Rentenversi- cherungsträger mindestens 80 Pro- zent der Kosten übernehmen.

• Wird fortgesetzt

Brief aus Italien:

Kampf um den freien Beruf

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 50 vom 12. Dezember 1974 3633

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