Die Information:
Bericht und Meinung
„Ärztemangel" im ZDF
treten, wenn nicht schon seit län- gerem und bei der Diskussion über den jetzigen Entwurf verstärkt Kräf- te dabei wären, die Struktur unse- rer ambulanten ärztlichen Versor- gung grundlegend durch Einfüh- rung von Ambulatorien an Kran- kenhäusern, durch Polikliniken und zentrale Einrichtungen zu ändern.
Einen solchen Weg allerdings leh- nen wir Ärzte, und zwar im Interes- se der zu betreuenden Menschen, aber auch zur Vermeidung einer weiteren erheblichen Kostenexplo- sion, mit allem Nachdruck ab."
Man muß die Ausführungen Dr.
Muschalliks einmal im Zusammen- hang lesen, um klar zu erkennen, was gesagt war und was die ZDF- Filmschere so raffiniert „redigiert"
hat.
Da kamen die stereotypen Be- hauptungen des Sprechers des Bundesverbandes der Ortskranken- kassen viel freundlicher weg:
„In der Bundesrepublik bestehen trotz einer relativ hohen Arztdichte erhebliche Mängel in der räumli- chen Verteilung des Angebots ärzt- licher Leistungen, denn die Ärzte konzentrieren sich in immer stärke- rem Maße in die Städte, so daß die Landbezirke und die Stadtrandge- biete unterversorgt sind. Die Folge davon ist, daß unsere Versicherten weite Wegstrecken zurücklegen und insbesondere lange Wartezei- ten in Kauf nehmen, um überhaupt ärztliche Hilfe zu bekommen."
Jubilierte ZDF-Moderator Florian Höner: „Deutlicher, meine Damen und Herren, läßt es sich kaum dar- stellen."
Kommentarsatz desselben Modera- tors zum Abschluß des Muschallik- Textes: „Diese Stellungnahme, meine Damen und Herren, scheint mir typisch zu sein für die ärztliche Standespolitik in den vergangenen Jahren."
Bemerkenswerterweise ohne jeden Kommentar schluckte ZDF-Mode- rator Höner allerdings die Worte
des Sprechers der Allgemeinen Ortskrankenkasse Kassel:
„Beschwerden unserer Versicher- ten über eine unzureichende fach- ärztliche Versorgung sind uns bis- her nicht bekanntgeworden. Wenn solche Klagen unserer Versicher- ten vorgebracht werden, würden wir uns mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Verbindung setzen.
Es kann nicht gesagt werden, ob unsere Versicherten sich bei einer andersartigen Versorgung besser bedient fühlen."
Wie ganz anders klangen demge- genüber die Behauptungen des Bundessprechers der Allgemeinen Ortskrankenkasse, Kastner:
„Um nun zu erreichen, daß den Versicherten eine bedarfsgerechte und gleichmäßige ärztliche Versor- gung in zumutbarer Entfernung und unter Berücksichtigung der je- weils neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnisse zuteil wird, haben wir verschiedene Rechtsänderungen vorgeschlagen. Dabei ist der Grundgedanke, daß Krankenkas- sen und Ärzte gleichberechtigt zu- sammenarbeiten, um gemeinsam ein bedarfsgerechtes Netz von Kassenarztstellen festzulegen und um Ärzte nur noch für unbesetzte Gebiete zuzulassen. Sowohl das Bundesarbeitsministerium als auch die bayerische Staatsregierung ha- ben in ihren Entwürfen für eine Weiterentwicklung des Kassenarzt- rechts diese Überlegungen und Forderungen aufgegriffen und da- bei in ihren Entwürfen vorgesehen, daß bestimmte Steuerungselemen- te in das System der kassenärztli- chen Versorgung einzufügen sind, um die Mängel zu beseitigen, die ich soeben aufgezeigt habe."
Kommentar des DEUTSCHEN ÄRZ- TEBLATTES: Vielleicht bedürfen die gegensätzlichen Ausführungen der AOK-Sprecher an der „Spitze"
und an der „Basis" wirklich keines weiteren Kommentars, weil sie ganz einfach — für jeden einsich- tig — den Unterschied zwischen politischer Propaganda und alltäg- licher Wirklichkeit spiegeln... DÄ
ZITAT
Für gegliederte Krankenversicherung
„Die soziale Marktwirtschaft als Grundlage unserer frei- heitlichen Gesellschaftsord- nung umfaßt sowohl Eigen- verantwortung als auch so- ziale Sicherung. Die soziale Sicherung beruht auf dem Gedanken der solidarischen Verbundenheit der Versicher- ten untereinander sowie der Mitverantwortung des Staa- tes vor allem im finanziellen Bereich. Auf diese Weise ist es gelungen, für unsere Bür- ger eine soziale Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens auf hohem Niveau zu schaffen.
Es besteht kein Anlaß, von dem dieser sozialen Siche- rung zugrunde liegenden Grundprinzip der geglieder- ten und versichertennahen Krankenversicherung abzu- gehen. Mit Sorge muß jedoch beobachtet werden, daß der Lebensraum der Individual- versicherung durch eine im- mer weitere Ausdehnung der Sozialversicherung und da- bei insbesondere der gesetz- lichen Krankenversicherung eingeschränkt wird, und daß sich unser Sozialversiche- rungssystem durch eine im- mer weitere Ausdehnung über eine Einheitsversiche- rung zu einem totalen Ver- sorgungsstaat entwickeln könnte, der einer individuel- len Vorsorge keinen Raum mehr läßt. Es besteht die Ge- fahr, daß wir zu einer Ein- heitsversicherung kommen, ohne daß sie expressis ver- bis gefordert wird ..."
Staatssekretär Prof. Dr. med.
Fritz Beske, Kiel, anläßlich ei- nes Podiumsgesprächs bei der Deutschen Krankenversi- cherungs-AG in Köln
2988 Heft 42 vom 17. Oktober 1974