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Archiv "Krankenversicherung als „Soll-System“?" (06.04.1978)

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Bericht und Meinung

sein. Die Leistungsfähigkeit eines Gesundheitssystems primär an den Ausgaben zu messen, ist nach Brückner „einseitig und kurzsich- tig"; ebenso „einseitig, kurzsichtig und für eine verantwortliche Ge- sundheitspolitik der achtziger Jah- re verfehlt" sei die „vielfach gefor- derte einnahmenorientierte Ge- sundheitspolitik".

Diese richtige Einsicht ist hochin- teressant, sie kommt aber etwas spät: Denn das, was Brückner hier schlicht als „einseitig und kurz- sichtig" bezeichnet, sind ja we- sentliche Grundlagen von Ehren- bergs Kostendämpfungsgesetz, aber auch ganz bestimmende Ele- mente dessen, was der jüngste Ortskrankenkassentag 1977 in Hamburg in Anwesenheit führen- der Politiker der SPD gefordert hatte. gb

Kranken-

versicherung als

„Soll-System"?

Immer mehr Wissenschaftler, Hochschulinstitute und zum Teil renommierte Projektträger der Wissenschaftsförderung scheinen das bundesdeutsche Gesund- heitswesen und dessen Herzstück, das System der gesetzlichen Kran- kenversicherung, als willkomme- nes Forschungsobjekt auserkoren zu haben. Wenn auch die „For- schungs"-Ansätze zum Teil arg theoretisch und wenig originell sind, so sind sie meist lukrativ do- tiert, so daß über Jahre hinaus ganze Forscherteams Beschäfti- gung dabei finden können.

Ein Musterbeispiel dafür scheint das von der Stiftung Volkswagen- werk Hannover mit 347 000 DM ge- förderte Forschungsvorhaben des Seminars für Versicherungswis- senschaft der Universität Göttin- gen zu sein, das — laut Pressemit- teilung der VW-Stiftung — „nach einer Analyse des derzeitigen Krankenversicherungssystems ein ,Soll-System' einer wirtschaftlich

optimalen gesetzlichen Kranken- versicherung erarbeiten soll". Als ob es in den vergangenen Jahren nicht eine Anzahl derartiger Pro- jekte aus der Feder der unter- schiedlichsten Projektnehmer und für die verschiedensten Adressa- ten gegeben hätte! Die „wissen- schaftlichen" Arbeiten reichen von der vielzitierten Privatstudie von Dr. Herbert Weissenböck zum Thema „Studien zur ökonomi- schen Effizienz von Gesundheits- systemen" (1974), über „Problem- analysen und Reformschwerpunk- te für das Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland, Un- tersuchungen der Studiengruppe für Systemforschung e. V., Heidel- berg (1973) bis hin zu strategisch- gesundheitspolitischen Analysen vor allem von seiten der Gewerk- schaften („Die Gesundheitssi- cherung in der Bundesrepublik Deutschland"; „Integrierte medizi- nische Versorgung"; Studie Num- mer 20 und 32 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen In- stituts des DGB — WSI — 1971 und 1975). Die meisten dieser Untersu- chungen, waren sie auch noch so lückenhaft und in ihrem methodi- schen Ansatz unsauber, haben mit dazu beigetragen, daß das System der Gesundheitssicherung in der Bundesrepublik Deutschland — nicht immer zum Vorteil der Versi- cherten und der Gesundheitsberu- fe — in die eine oder andere poli- tisch gewollte Richtung „weiter- entwickelt" wurde.

Erstaunen muß es deshalb, daß ei- ne neuerliche Untersuchung ein

„Soll-System" auf dem Reißbrett konzipieren soll, das „möglichst von allen Beteiligten akzeptiert werden soll, um die notwendige Versorgung des Bürgers bei ange- messenen Kosten zu gewährlei- sten".

Ein solches von einem Wissen- schaftlerteam angestrebtes Har- moniemodell klingt reichlich uto- pisch. Nicht neu indes ist die Fest- stellung, daß die notwendige me- dizinische Versorgung zu ange- messenen Kosten zu gewährlei- sten ist. Dieses Postulat steht be-

reits seit langem in der Reichsver- sicherungsordnung. Fraglich ist allerdings, warum das neu zu ent- wickelnde Modell möglichst von allen Beteiligten akzeptiert werden soll. Einmal davon abgesehen, daß es bei der Interessenvielfalt der am Gesundheitswesen Beteiligten mit Sicherheit auch in Zukunft Interes- senkonflikte geben wird, hat sich das gewachsene, gegliederte Sy- stem der gesetzlichen Krankenver- sicherung und der Selbstverwal- tungen auch bei gegensätzlichen Positionen bewährt. Die Selbstver- waltungen haben entscheidend mit dazu beigetragen, das Ge- sundheitswesen weiter zu entwik- keln. Die Einführung der Krank- heitsfrüherkennungsmaßnahmen

— zum Teil vor ihrer gesetzlichen Verankerung — sei hier nur als ein Beispiel erwähnt.

Im übrigen klingt der Problemauf- riß des Göttinger Forschungspro- jektes fast orakelhaft: Das von der VW-Stiftung geförderte Projekt über die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung soll nämlich eruieren, was der Gesundheitssek- tor leisten soll, wie im Gesund- heitssektor produziert werden soll und wer versorgt werden soll. Als ob wir seit Bismarcks Zeiten noch nicht wüßten, wer, wie und womit versorgt werden soll! Auch wenn das Forscherteam auf die ver- schiedenen Möglichkeiten der me- dizinischen Behandlung und den raschen Fortschritt in der Medizin- technologie hinweist, so darf hier angemerkt werden, daß ein sol- cher grundsätzlicher Ansatz mög- licherweise in den frühen dreißiger Jahren angezeigt gewesen wäre, aber kaum heute — und schon gar nicht bei einem so hohen For- schungsaufwand — zu vertreten ist.

Ganz abwegig ist die Unterstel- lung, daß der Fortschritt in der Me- dizintechnologie die Chancen- gleichheit in der medizinischen Versorgung in Frage gestellt habe und erst ein groß angelegtes For- schungsprojekt dafür sorgen müs- se, die Chancengleichheit und Ge- rechtigkeit in unserem System der gesundheitlichen Versorgung wie- derherzustellen! HC

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 14 vom 6. April 1978 803

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