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Archiv "Symposium in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung: Solidarität mit den „fortpflanzungswilligen Schichten“" (01.03.2002)

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esinteresse an der menschlichen Fortpflanzung warf Prof. Dr. med.

Jürgen Hammerstein, Geschäfts- führer der Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Berlin, am 23. Februar der Politik vor:

„In Deutschland herrscht eine fortpflan- zungsbehindernde Gesetzgebung“, sag- te der ehemalige Reproduktionsmedizi- ner des Klinikums Steglitz der Freien Universität Berlin, zum Abschluss des 26. Symposiums für Juristen und Ärzte, das die Kaiserin-Friedrich-Stiftung in diesem Jahr zum Thema Reproduk- tionsmedizin organisierte. Die Befür- worter „liberaler“ Lösungen waren da- bei weitgehend unter sich.

Hammerstein erklärte, die Solida- rität der Entscheidungsträger mit den fortpflanzungswilligen Schichten des Volkes drohe verloren zu gehen. Das Grundgesetz zum Schutz von Ehe und Familie würde zunehmend ausgehöhlt.

Der Gynäkologe verwies auf liberalere Gesetze zur Reproduktionsmedizin in anderen europäischen Ländern. So sei in Großbritannien, Schweden, Däne- mark, den Niederlanden, Finnland, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland die Präimplantati- onsdiagnostik (PID) erlaubt und werde dort erfolgreich praktiziert. Von einem Dammbruch könne in diesen christli- chen Ländern nicht die Rede sein, be- tonte Prof. Dr. med. Hermann Hepp, Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums Großhadern, München.

Hepp ist Mitglied im Wissenschaftli- chen Beirat der Bundesärztekammer und war dort federführend mit der Er- stellung des Diskussionsentwurfs zur PID befasst. Dieser befürwortet die PID in Grenzen (DÄ, Heft 9/2000).

Als zulässig erklärt die PID auch der Artikel 18 der Bioethikkonvention des Europarates vom April 1997, die aber zugleich restriktivere, nationale Re- gelungen befürwortet. Das deutsche Embryonenschutzgesetz, das seit dem 1. Januar 1991 in Kraft ist, steht der PID nach Ansicht der meisten Experten ent- gegen. Danach dürfen Embryonen nur zum Zwecke der Fortpflanzung erzeugt werden. Alle Embryonen (zwei bis drei) müssen der künftigen Mutter ein- gepflanzt werden. Eine Auswahl ist nur im Vorkernstadium gestattet.

Erfolgsraten optimieren

„Durch diese restriktiven Regelungen sind die Schwangerschaftsraten für kin- derlose Paare nach In-vitro-Fertilisation (IVF) deutlich eingeschränkt“, bedauert Prof. Dr. med. Hans Van der Ven, Direk- tor der Abteilung für Gynäkologie, En- dokrinologie und Reproduktionsmedi- zin am Universitätsklinikum Bonn. Die- se lägen derzeit in Deutschland je nach Alter der Frau zwischen 15 und 25 Pro- zent. Dies sei zwar beachtlich, verglichen mit der natürlichen Befruchtung, bei der die Erfolgsrate auch nur etwa 28 Prozent betrage; die Baby-take-home-Raten nach IVF im Ausland würden jedoch bei etwa 50 Prozent liegen. Grund dafür sei die Möglichkeit, ein oder zwei Embryo- nen mit optimalen Eigenschaften auszu- wählen. Ein weiterer Vorteil sei dabei die Reduktion der Mehrlingsschwanger- schaften nach IVF.

„Untersuchungen haben gezeigt, dass die PID zu einer zweifachen Implantati- onsrate und zu einer 2,5fachen Abnah- me von Spontanaborten führt“, bekräf-

tigte Prof. Dr. med. Gerhard Wolff, Di- rektor des Instituts für Humangenetik und Anthropologie der Universität Frei- burg. Das Einpflanzen von Embryonen mit Chromosomenstörungen, die die Hauptursache für Fehlgeburten darstel- len, könne deutlich minimiert werden, wenn die Embryonen vorher untersucht und gegebenenfalls verworfen werden.

Angesichts der Gesetzeslage in Deutschland gelte es, die technischen Möglichkeiten im Vorkernstadium zu optimieren, meint Van der Ven. Dies wä- re durch eine verbesserte Beurteilung der Vorkerne, den optimalen Zeitpunkt des Embryonentransfers sowie die Pol- körperbiopsie möglich.

Prof. Dr. med. Heribert Kentenich, Chefarzt der Gynäkologischen Abtei- lung der DRK-Frauenklinik Westend, Berlin, geht weiter: Er forderte auf dem Symposion eine Änderung des Em- bryonenschutzgesetzes, das die einge- schränkte Selektion von Embryonen und den Blastozystentransfer erlauben sollte. Die PID müsse gestattet werden, da die betroffenen Frauen ansonsten zu einer Schwangerschaft auf Probe ge- zwungen wären oder vom Arzt ins Aus- land geschickt werden müssten. Ferner plädiert Kentenich dafür, die heterolo- ge Insemination, die Eizellspende, die Behandlung lesbischer Paare und die Forschung an Embryonen zu gestatten.

Eine internationale Regelung sei dringend erforderlich, meint Prof. Dr.

jur. Eberhard Eichenhofer. „Nationale Zwischenschritte sind zwar unvermeid- bar“, sagte der Inhaber des Lehrstuhls Sozialrecht und Bürgerliches Recht der Universität Jena, „aber liberalere Re- gelungen haben gegenüber konservati- ven den Vorrang.“ Die Gründe für den

„deutschen Sonderweg“ sieht er in den Erfahrungen aus der Zeit des National- sozialismus. Doch: „Wir können einen rechtlichen Sonderweg nur einfordern, wenn wir die Güterabwägung mit ande- ren Argumenten treffen als die übrigen europäischen Länder – aber dies tun wir nicht“, sagte der Jurist. Es sei an der Zeit, von der „German disease“ Ab- schied zu nehmen und sich in den eu- ropäischen Kontext einzuordnen.

Dies sei jedoch mit dem ärztlichen Be- rufsrecht kaum zu vereinbaren, argu- mentiert Prof. Dr. jur. Dr. h.c. Adolf Laufs vom Institut für Deutsches, Eu- P O L I T I K

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A534 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 9½½½½1. März 2002

Symposium in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung

Solidarität mit den

„fortpflanzungswilligen Schichten“

Reproduktionsmediziner fordern die Zulassung

der Präimplantationsdiagnostik.

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 9½½½½1. März 2002 AA535

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r. med. Hans Deckner, Frauenarzt in Friedberg/Hessen, ist empört:

Nach Recherchen des WDR-Fern- sehmagazins „markt“ hat die Barmer Er- satzkasse im Jahr 2000 „illegal“ mit Bei- tragsmitteln spekuliert und dabei Verlu- ste in Höhe von 20 Millionen DM erlitten.

„Soll ich meinen Patienten in Zukunft sa- gen müssen, dass ich Ihnen dieses oder je- nes Medikament leider nicht verordnen kann, weil die Aktienkurse gerade wieder einmal eingebrochen sind?“, fragt Deck- ner in einem offenen Brief an Dr. med.

Eckart Fiedler, den Vorstandsvorsitzen- den der Barmer Ersatzkasse.

Angesichts der „tendenziösen und mit Halbwahrheiten gespickten Sendung“

des WDR könne er die Empörung des Arztes verstehen, schreibt Fiedler im Antwortbrief. Die Geldanlage bei der Barmer erfolge aber ausschließlich im rechtlich zulässigen Rahmen, also in der Anlage von Wertpapieren. Im Jahr 2000 habe die Ersatzkasse wegen steigender Leistungsausgaben Rücklagen auflösen müssen, wodurch Verluste entstanden seien. Dennoch habe man in dem Jahr im Wertpapiergeschäft eine Rendite von sechs Prozent erwirtschaftet, weil sich im Gegenzug die Zinserträge auf 130 Millio- nen DM belaufen hätten.

Kein Aktienbesitz

Auch das Bundesversicherungsamt, Bonn, entkräftet die Vorwürfe des WDR. „Die vom Magazin ,markt‘ un- mittelbar und mittelbar erhobenen Vor- würfe sowie der in der Sendung erweck- te Eindruck, die Barmer Ersatzkasse habe im Jahr 2000 in rechtswidriger Weise mit Beitragsmitteln spekulative Wertpapiergeschäfte getätigt und hier- aus Verluste erzielt, sind nicht begrün- det“, schreibt das Amt – und setzt noch einen drauf: Die Barmer sei den im Jahr 2000 aufgetretenen starken Ausgaben-

steigerungen durch ein wirtschaftliches Finanzmanagement gerecht geworden.

§ 80 des Sozialgesetzbuch IV ver- pflichtet die Sozialversicherungsträger,

„die Geldmittel so anzulegen und zu ver- walten, dass ein Kursverlust ausgeschlos- sen erscheint, ein angemessener Ertrag erzielt wird und eine ausreichende Liqui- dität gewährleistet ist.“ Aktien dürfen die Kassen demnach – wegen des Kursri- sikos – nicht besitzen. Die Barmer kaufe daher höher verzinsliche Wertpapiere, wie beispielsweise Pfandbriefe oder Bun- desanleihen, versichert Barmer-Spreche- rin Susanne Rüsberg-Uhrig. Nach ihren Angaben gehört es zur Anlagestrategie, innerhalb eines Monats tageweise Kredi- te aufzunehmen, um Liquiditätsschwan- kungen zu überbrücken und so den Ver- kauf von Wertpapieranlagen möglichst zu vermeiden. „Ein Großteil der Beiträ- ge fließt zur Monatsmitte auf unsere Konten; viele Zahlungen erfolgen aber erst zum Ersten des Folgemonats“, er- klärt Rüsberg-Uhrig. Die Barmer nehme aber keine Kredite auf, um zusätzliche Kapitalanlagen zu finanzieren.

6,17 Millionen Mitglieder waren zum Jahresende 2000 bei der Barmer versi- chert; sie ist damit die größte Kranken- kasse in Deutschland. Bei einem Bei- tragsatz von 13,9 Prozent beliefen sich die Einnahmen auf 34,35 Milliarden DM, ein Beitragssatzpunkt entsprach 2,47 Milliarden DM. Die Barmer musste im Jahr 2000 mit ihren Wertpapierge- schäften Verluste in Höhe von 20 Millio- nen DM hinnehmen. Dem standen Zins- erträge von 130 Millionen DM gegen- über. Wenn die 110 Millionen DM Ge- winn einer Rendite von sechs Prozent entsprechen, hatte die Barmer im Ge- samtjahr durchschnittlich 1,83 Milliar- den DM in Wertpapiere angelegt. Diese Rücklagen entsprechen 0,74 Beitrags- satzpunkten. Zum 1. Januar 2002 erhöh- te die Barmer ihren Beitragssatz von 13,9 Prozent auf 14,5 Prozent. Jens Flintrop

Wertpapiergeschäfte der Barmer

Im Rahmen des Erlaubten

Das Bundesversicherungsamt entkräftet Vorwürfe, die Barmer habe mit Beitragsgeldern spekuliert.

ropäisches und Internationales Medizin- recht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mann- heim – er war der einzige Jurist, der einen kritischen Vortrag zum Thema PID hielt.

Der Arzt müsse ungeborenes Leben er- halten; der Heilauftrag sei bei der PID zweifelhaft, sagte Laufs. Ihre Zulassung und die Änderung des Embryonen- schutzgesetzes stehe zudem dem Verfas- sungsrecht entgegen. Völlig anderer An- sicht ist sein Mannheimer Kollege Prof.

Dr. iur. Jochen Taupitz, Mitglied im Na- tionalen Ethikrat und in der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärzte- kammer. Für ihn ist der erste Artikel des Grundgesetzes („Die Menschenwürde ist unantastbar“) kein „Totschlagargu- ment“. Die Menschenwürde sei nicht sta- tisch konzipiert; Änderungen könnten sich ergeben. Zudem habe das Verfas- sungsrecht dem Embryo niemals Grund- rechte zugesprochen, sondern nur den Schutz durch die Gesellschaft. Dieser kä- me jedoch auch dem menschlichen Leichnam, der Natur und den Tieren zu.

Auch Margot von Renesse, Vorsitzende der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Bun- destages, hält einen liberaleren Umgang mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes für angemessen. Sie sieht die Diskussion um die PID als eine Suche nach der Grenze des Strafrechts an. Menschen in Notsi- tuationen müssten unter Umständen straffrei bleiben können – ähnlich wie bei der Abtreibungsregelung. Behand- lungschancen und die Erweiterung des Wissens sollten nicht beschränkt werden.

Dass die Beschränkungen innerhalb der Reproduktionsmedizin die mensch- liche Fortpflanzung stark beeinträch- tigen, bezweifelt Prof. Dr. habil. Elmar Brähler von der Klinik für Psychothera- pie und Psychosomatik der Universität Leipzig. „Nach empirischen Untersu- chungen sind zwar 30 Prozent aller Frauen zeitweilig ungewollt kinderlos, von einer dauerhaft ungewollten Kin- derlosigkeit sind jedoch lediglich ein bis drei Prozent aller Frauen betroffen.“

Die Ergebnisse seiner Repräsentativ- erhebung von 1999 zeigen auch, dass die Hälfte aller Schwangerschaften unge- plant zustande kommen. Brählers Fazit:

„Man sollte an spontaner Zeugung fest- halten, da sonst die Geburtenzahl noch weiter zurückgeht.“ Dr. med. Eva A. Richter

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