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Archiv "AIDS – Aufgaben der kassenärztlichen Versorgung" (26.11.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Allgemeinmedizin: Brücke zur ärztlichen Berufspraxis

Das jährliche Dekan-Symposion der Vereinigung der Hochschulleh- rer und Lehrbeauftragten für Allge- meinmedizin, das nun schon zum 13.

Male in München stattfand, dient ei- gentlich nicht der gesundheitspoliti- schen Diskussion, sondern es soll bei den Vertretern der medizinischen Fakultäten für das Fach Allgemein- medizin werben. Es geht darum, der Allgemeinmedizin auch in Lehre und Forschung den ihrer Bedeutung entsprechenden Raum zukommen zu lassen. Diesmal allerdings wurde viel — für manche: zuviel — „Politik"

geboten. So referierte Professor Dr.

Michael Arnold, Tübingen, Mitglied des Sachverständigenrates der Kon- zertierten Aktion im Gesundheits- wesen, über dessen Empfehlungen, und Ministerialrat Horst Dieter Schirmer vom Bundesarbeitsmini- sterium erläuterte die umstrittenen Bonner Vorstellungen über die künftige Qualifikation für die Allge- mein- und überhaupt für die Kassen- arztpraxis. (In München war noch nicht bekannt, daß Schirmer dem- nächst vom Bundesarbeitsministeri- um in die KBV überwechselt.)

Politisches hatte aber schon der Vorsitzende der Vereinigung, Profes- sor Dr. Häußler, bei der Eröffnung angesprochen: die Allgemeinmedizin kann wie kein anderes Fach den not- wendigen Wandel der Medizin, ihres Menschenbildes und auch des Krank- heitsbegriffes erkennen und fördern:

Es gibt nicht nur biologische Logik und naturwissenschaftliche Kausali- tät; die Spezialisierung der Medizin droht zur „Balkanisierung" zu wer- den; die Medizin muß den Menschen mehr in seiner Gesamtheit sehen, ein- schließlich seiner Lebensumwelt und seiner Wertvorstellungen, und ihn so auch zum Maß für sozialpolitische Reformen machen — und die Allge- meinmedizin kann diese „Wirklich- keit der Praxis" in die ärztliche Aus- bildung und die medizinische For- schung einbringen.

An mehreren Beispielen wurde dies wieder eindrucksvoll deutlich.

So demonstrierten die Düsseldorfer Professoren Dr. Peter Helmich und Professor Dr Hans-Joachim Freund eine interdisziplinäre Vorlesung von Allgemeinmediziner und Neurolo- gen zu dem „banalen Thema"

Kopfschmerz. Wenn so etwas ge- lingt, dann nimmt der Student gleich mehrere Lernerfolge auf einmal mit:

den Unterschied zwischen dem Längsschnittwissen des Hausarztes über den Patienten und dem Aus- schnittwissen des Klinikers; die ge- rade beim Kopfschmerz große Be- deutung der Anamnese; das Erken- nen der Grenzen eigener Möglich- keiten (der Hausarzt muß wissen, wann der Spezialist einzuschalten ist); die Notwendigkeit der Koope- ration zwischen den Ärzten.

Ein ähnliches Zusammenwirken führten zwei Aachener vor, Profes- sor Dr. Waltraut Kruse und der Päd- iater Professor Dr. Gerhard Hei- mann Am Beispiel einer Fünfjähri- gen stellte Frau Kruse die Bedeu- tung der Familienanamnese und des sozialen Umfeldes heraus, während Heimann das in der Kinderheilkun- de besonders krasse Mißverhältnis zwischen Studenten und für die Aus- bildung geeigneten Kindern in der Klinik unterstrich. Dies führte zu längerer, aber letztendlich ergebnis- loser Diskussion der Frage, ob man nicht Ausbildungsabschnitte aus der Universität heraus in die Praxis ver- lagern könnte.

Zum Nutzen aller

Der Forschung in der Allge- meinmedizin widmeten sich Profes- sor Dr. Klaus Jork und Dr. Gisela Fischer, beide Frankfurt. Jork stellte ein wissenschaftstheoretisches Mo- dell primärärztlicher Tätigkeit vor, welches die Tatsache berücksichtigt, daß Allgemeinmedizin sich nicht nur wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden, sondern wesentlich auch der Empirie bedient. Man war sich

einig, daß derartige Modelle nicht nur den Anspruch der Allgemein- medizin auf „Wissenschaftlichkeit"

untermauern können, sondern auch zur Qualitätssicherung primärärzt- licher Tätigkeit beitragen: der Haus- arzt muß ja in möglichst rationeller Weise (Beispiel: Ausschlußdiagno- stik) aus den vielen vom Patienten

„angebotenen" Anliegen und Be- schwerden das Wichtige herausfin- den. Frau Fischer schließlich wies darauf hin, daß die Zahlen der Arzt- kontakte oder der Diagnosen gene- rell ab dem fünften Lebensjahrzehnt zunehme. Ferner: ein Drittel der Diagnosen bei alten Menschen sind gar nicht altersspezifisch — diese bei- den Phänomene weisen schon auf den Beitrag hin, den die Allgemein- medizin für geriatrische Forschun- gen leisten könnte .. .

. . . könnte, wenn endlich — und dies ist und bleibt das ceterum cen- seo derjenigen, die mit viel Idealis- mus an den Universitäten Allge- meinmedizin lehren, und ihres uner- müdlichen Vorkämpfers Häußler wenn endlich die Allgemeinmedizin an der Universität institutionalisiert wird nicht als Selbstzweck, sondern zum Nutzen aller künftigen Ärzte und ihrer Patienten. gb

AIDS

Aufgaben der

kassenärztlichen Versorgung

Das Zentralinstitut für die kas- senärztliche Versorgung sieht bei der Bekämpfung der Immunschwä- che AIDS eine besondere Rolle für die niedergelassenen Ärzte. Beson- ders die Prävention (Information und Gesundheitserziehung) sei — so Dr. med. Günter Flatten vom Zen- tralinstitut auf der letzten Sitzung des Nationalen AIDS-Beirates — ei- ne ganz wesentliche Aufgabe der Kassenärzte.

Auch die fachübergreifende Be- treuung der AIDS-Patienten sei durch die niedergelassenen Ärzte dank der Überweisungspraxis ge- währleistet. Das treffe auch für die A-3282 (18) Dt. Ärztebl. 84, Heft 48, 26. November 1987

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

psychotherapeutische, psychologi- sche und soziale Betreuung zu.

Eine weitere Möglichkeit, AIDS-Patienten umfassend zu be- treuen, sieht Flatten in der Einrich- tung von schwerpunktmäßigen Ein- zel- oder Gruppenpraxen, besonders in den Großstädten.

Ohne zusätzliche finanzielle Hil- fe sei die kurz- bis mittelfristige Si- cherstellung der fachübergreifenden Betreuung von AIDS-Kranken frei- lich nicht im wünschenswerten Um- fang möglich, erklärte Dr. Flatten bei der Zusammenkunft im Bundes- gesundheitsministerium (dort res- sortiert der AIDS-Beirat). Kurzfri- stig würden Mittel benötigt für:

• die notwendige Information und Fortbildung der Arzte,

• den Ausbau spezieller Ver- sorgungsstrukturen in Analogie zur Behandlung von Krebskranken,

• das flächendeckende Ange- bot der anonymen AIDS-Diagno- stik,

• die intensivierten Interven- tionsmaßnahmen durch Gesund- heitsaufklärung und -erziehung so- wie Beratung zur Motivation einer AIDS-verhindernden Lebensweise,

• den Aufbau und die Unter- stützung von Kooperationen mit nicht ärztlichen Fachgruppen.

Kurz- bis mittelfristig sei dane- ben die Honorierung aller im Be- reich der Diagnostik, Therapie und der psychosozialen Betreuung anfal- lenden Leistungen zu sichern.

Zur Information der niederge- lassenen Ärzte hat das Zentralinsti- tut eine Koordinierungs- und Infor- mationsstelle für AIDS eingerichtet.

Außerdem ist eine Informationsbro- schüre „AIDS als Problem der kas- senärztlichen Versorgung" an alle Kassenärzte verteilt worden. Weiter führt das Zentralinstitut zur Zeit Li- teratur-Studien, eine statistische Er- hebung in Hessen, eine Bestandauf- nahme der therapeutischen Strate- gien sowie eine AIDS-Kostenerhe- bung durch. In Bayern wird in Kürze eine der von Flatten vor dem Beirat aufgelisteten Forderungen erfüllt:

Ab 1. Januar 1988 zahlt die Staatsre- gierung den HIV-Test beim nieder- gelassenen Arzt. Die Honorarab- wicklung erfolgt dabei über die Kas- senärztliche Vereinigung. EB

Krankenhäuser

Sparstrategien und die

Realitäten

Auf der Suche nach probaten Sparstrategien für die üppig ins Kraut schießenden Krankenhausko- sten sind schnell Patentrezepte pa- rat. Insbesondere die von den Kran- kenkassen und vom Bundesarbeits- ministerium verfochtenen Thesen gehen — bisher jedenfalls — nicht auf:

These 1: „Verweildauerreduzie- rung führt automatisch zur Kosten- senkung". Tatsache: Das Krank- heitsvolumen des Jahres 1986 (Zahl der Pflegetage pro Einwohner in der stationären Versorgung) hat sich ge- genüber 1955 nicht verändert, ob- wohl die Verweildauer in Akutklini- ken im gleichen Zeitraum von 30,1 Tagen auf 17,7 Tagen (also um rund die Hälfte) sank Die Folge: Das durch die Verweildauersenkung ver- ringerte Krankheitsvolumen ist gleichzeitig durch nachfragesteigern- de zusätzliche Leistungen und ver- mehrtes Bettenangebot mehr als kompensiert worden — und dies bei insgesamt deutlich verbesserter Qualität.

These 2: „Der nur zögerliche Bettenabbau durch die Länder ver- hindert die Kostendämpfung". Tat- sache: Die Länder haben seit 1973 rund 36 000 Planbetten bundesweit zusammengestrichen. Dennoch ist das Leistungsvolumen gewachsen, die Personalbeanspruchung ist grö- ßer und die Kapazitäten sind weiter ausgelastet worden. Das Leistungs- plus konnte nur durch Rationalisie- rung und Personalerweiterung ei- nigermaßen kompensiert werden.

Aber: In dem Maße, wie planungs- pflichtige Betten im Akutbereich

„abgewrackt" wurden, sind auf ver- traglicher Basis und auf Initiative der Krankenkassen (Wettbewerb!) 28 000 zusätzliche Betten (mit zu- sätzlichen Leistungen und Ausga- bensteigerungen) vor allem bei den Kur- und Spezialkrankenhäusern aufgetürmt worden.

These 3: „Aufhebung des Kon- trahierungszwanges gemäß § 371 RVO reduziert die Bettenkapazi- tät". Antithese: Die Summe der ge- setzlich verbrieften Rechte der Ver- sicherten (§ 184 RVO) determiniert den Gesamtbedarf an vorzuhalten- den Kapazitäten, die öffentlich zu fi- nanzieren und von den Krankenkas- sen zu bezahlen sind. Demnach kann ein schematischer globaler Bettenabbau weder die Patienten- nachfrage drosseln noch Leistungen limitieren. Personalabbau würde zu- dem zur Leistungssenkung führen.

These 4: „Die Krankenkassen müssen im Interesse der Kosten- dämpfung rigorose Mitbestim- mungsrechte auch bei der Personal- struktur und der Gestaltung des An- gebotes erhalten." Tatsache: Die bereits gesetzlich seit dem 1985 in- stallierten RVO- und KHG-Paragra- phen sind noch nicht zielgerecht aus- geschöpft worden, um Art, Umfang und Ort der stationären Leistungs- erbringung festzulegen. Der Perso- nal- und Sachkostenbedarf kann nicht einfach nach der nivellieren- den „Meßlatte Bett" orientiert wer- den.

These 5: „Schiedsstellen-Sprü- che führen zur Kostendämpfung."

Tatsache: Schiedsstellen sind grund- sätzlich an dieselben Vorschriften gebunden wie früher die Genehmi- gungsbehörden der Länder. Die Krankenkassen, die die Schiedsstel- len seit 1973 vehement forderten, se- hen jetzt in den Schiedsstellensprü- chen einen Bumerang ( „Sechs Pro- zent durch Verhandlung sind besser als neun Prozent via Schiedsstelle").

These 6: „Addition statt Substi- tution". Landauf landab wird die Einrichtung „krankenhausentla- stender" Maßnahmen und Einrich- tungen empfohlen (Sozialstationen, Pflege- und Altenheime, Tagesklini- ken, vor- und nachstationäre Ver- sorgung). Tatsache: Vorhandene Strukturen und Kapazitäten werden nicht in dem Maße verändert, wie ergänzende und alternative kosten- sparende Einrichtungen aufgebaut werden. Auch hier ist die Behar- rungs- und Verselbständigungsten- denz die Haupttriebfeder für die vielbeklagte Kostenexpansion!

Dr. B/HC

Dt. Ärztebl. 84, Heft 48, 26. November 1987 (19) A-3283

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