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Archiv "Menschen ohne Papiere: Medizin im Verborgenen" (28.03.2014)

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MENSCHEN OHNE PAPIERE

Medizin im Verborgenen

Flüchtlinge, die sich illegal in Deutschland aufhalten, sind vom Zu gang zur Gesundheitsversorgung so gut wie ausgeschlossen. Werden sie krank, sind sie meist auf ehrenamtliche Helfer angewiesen.

U

nauffällig, möglichst unsicht- bar: 200 000 bis 500 000 Menschen leben Schätzungen zu- folge ohne gültige Aufenthaltser- laubnis in Deutschland. Solange diese Männer, Frauen und Kinder gesund sind, mag das Leben im Verborgenen mehr schlecht als recht gelingen. Doch was passiert, wenn jemand erkrankt?

„Im Prinzip sind wir mit allem konfrontiert, was man allgemein- medizinisch so machen kann: akute Infekte, aber auch Diabetes, unklare Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparats“, sagt Christia- ne Stöter (42). Die Hausärztin be- treibt zusammen mit zwei Kollegen eine Praxis in Berlin-Kreuzberg und engagiert sich seit ihrem Studium für die medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere. Das große Problem seien chronische Er- krankungen, die häufig weit fortge- schritten seien, meint Stöter. „Denn die Menschen schieben eine Be- handlung meistens lange hinaus, weil sie sich nicht trauen, irgendwo- hin zu gehen oder auch nicht wis- sen, wo sie hingehen können.“ Die Hausärztin ist Teil eines Netzwerks des Büros der Medizinischen Flüchtlingshilfe Berlin, an dem sich neben Ärzten auch andere medizini-

sche Fachberufe wie Hebammen, Psychologen oder Krankengymnas- ten beteiligen. Das Medibüro exis- tiert seit 1996 und vermittelt Flücht- lingen ohne Aufenthaltsstatus und ohne Krankenversicherung anony- me und kostenfreie medizinische Behandlung. Das System funktio- niert, weil Menschen wie Stöter auf ein Honorar verzichten. Müssen ne- ben der Behandlung Medikamente, labortechnische Untersuchungen oder bildgebende Verfahren bezahlt werden, versucht das Medibüro, die Kosten über Spenden zu decken.

Theoretisch wäre es zwar für ille- gal in Deutschland lebende Men- schen möglich, die Kosten für eine medizinische Behandlung bei aku- ten Erkrankungen oder Schmerzen nach dem Asylbewerberleistungs- gesetz über das Sozialamt abzu- rechnen. Praktisch droht ihnen dann jedoch unter Umständen die Ab- schiebung. Denn sobald die Kran- kenhausverwaltung oder der Arzt einen Antrag auf Kostenerstattung beim Sozialamt stellen, kann dieses die Daten mit der Ausländerbehörde abgleichen. Darauf weist die Bun- desärztekammer in einer Aufklä- rungsbroschüre hin. Denn nicht in allen Fällen sei gesichert, dass die Sozialämter gegenüber den Auslän-

derbehörden auf die Geheimhaltung der von Ärzten und Krankenhäu- sern erhaltenen Daten verpflichtet seien, heißt es vonseiten der Bun- desärztekammer. Zwar gewährleiste eine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht bis in öffentliche Stellen hinein, einen so- genannten verlängerten Geheimnis- schutz. Das Asylbewerberleistungs- gesetz ermögliche jedoch den Da- tenabgleich zwischen Sozialamt und Ausländerbehörde.

Als „mühsame Konstruktion, die die wenigsten durchschauen“ be- zeichnet deshalb Dr. med. Ulrich Clever den verlängerten Geheim- nisschutz. Das grundsätzliche Pro- blem, wie Menschen ohne Papiere angemessen medizinisch versorgt werden können, werde damit nicht gelöst. Ein besseres Zusammen- spiel der zuständigen Ministerien auf Bundesebene wäre unbedingt notwendig, sagt der Menschen- rechtsbeauftragte der Bundesärzte- kammer. „Was ich als Forderung an die Politik habe, ist, dass man für die Menschen, die kommen, Lösun- gen findet und nicht die Kommunen und die Ärzte, die sich engagieren, mit dem Problem alleinlässt.“

Ähnlich argumentiert auch Hausärztin Stöter, wenn man sie fragt, wie es ihr mit ihrem Engage- ment für die Flüchtlinge geht. „Das ist für mich ganz häufig sehr unbe- friedigend“, sagt Stöter. „Ich mache das, weil ich die Notwendigkeit se- he, weil ich das wichtig finde, und weil ich sehe, dass viele Menschen nicht oder nicht ausreichend ver- sorgt werden.“ Sie könne aber unter den gegebenen Umständen weder die Diagnostik noch die Therapie machen, die sie für notwendig hal- te. Das werde den Menschen ohne Papiere nicht gerecht. „Deshalb muss es eine politische Lösung da- für geben. Das ist mir das wichtigs- te. Dass Menschen ohne Papiere die Möglichkeit erhalten, eine Kran- kenversorgung zu bekommen.“

Heike Korzilius

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Die Bundesärztekammer und deren Zentrale Ethikkommission haben Informationen für die Behandlung von Menschen ohne Papiere zusammen- gestellt: www.aerzteblatt.de/14544 Wohin im Krank-

heitsfall? Auch Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis haben ein Recht auf medizinische Versorgung. Organi- sationen wie das Medibüro in Berlin setzen sich dafür politisch ein.

Foto: dpa

A 544 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 13

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28. März 2014

T H E M E N D E R Z E I T

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