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Archiv "Entschliessungen zum Tagesordnungspunkt IV: Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung" (29.05.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 22⏐⏐29. Mai 2009

D O K U M E N T A T I O N Z U M 1 1 2. D E U T S C H E N Ä R Z T E T A G

Gesundheit und soziale Teilhabe von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung in unserer Gesellschaft

Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinde- rung jeden Alters leben als Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft. Für ihre Teilhabe ist Akzep- tanz von großer Bedeutung, die als wechselseitiger Prozess verstanden und vollzogen werden muss und die gleichberechtigte Beteiligung von Menschen mit Behinderung an allen gesellschaftlichen Bereichen zum Ziel hat.

Dies trifft vor allem auf die gesundheitliche Ver- sorgung von Menschen mit geistiger oder mehrfa- cher Behinderung zu, da hier oft ein besonderer Be- darf an gesundheitlichen Leistungen besteht. Dieser Bedarf beruht zum einen auf der Notwendigkeit, u. a.

mit medizinischen Mitteln zur Linderung oder Über- windung der Behinderung beizutragen, zum anderen auf vielfältigen Komorbiditäten bei geistiger Behin- derung.

Alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ha- ben das Recht auf eine bedarfsgerechte gesundheit- liche Versorgung. Dieses Recht ist ein elementarer Bestandteil der Bürger- und Menschenrechte. Dar- über hinaus müssen Menschen mit Behinderung – so Artikel 25 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behin- derungen aus dem Jahre 2006 – die medizinische Versorgung erhalten, die sie aufgrund ihrer Behinde- rung zusätzlich benötigen. Der Deutsche Bundestag hat diese Bestimmung Anfang 2009 zwar ratifiziert, dem spezifischen und erhöhten Behandlungsbedarf von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behin- derung wird das deutsche Gesundheitssystem aber noch nicht gerecht.

Die Ursachen für die Defizite in der medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderung sind vielfältig:

> Die Gesellschaft nimmt Menschen mit Behin- derung noch nicht als gleichberechtigte Bürger wahr.

> Der behinderungsbedingte Versorgungsmehr- bedarf ist finanziell nicht ausreichend gedeckt.

> Die ausreichende und notwendige Versorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behin- derung ist noch nicht im bedarfsgerechten Umfang sichergestellt.

Dabei sind Menschen mit schweren und komple- xen Behinderungen von diesen Nachteilen wesent- lich stärker betroffen als Menschen mit leichter Be- hinderung, Erwachsene mehr als Kinder und Ju- gendliche.

Die Ursachen der Versorgungsmängel lassen sich in fachliche und in organisatorisch-strukturelle Mängel des Gesundheitssystems einteilen. Um diese zu überwinden, müssen sowohl der Gesetzgeber als auch die gemeinsame Selbstverwaltung im Gesund- heitswesen ihren Beitrag leisten.

Die deutsche Ärzteschaft hat wiederholt ihre Ver- antwortung für eine bedarfsgerechte gesundheitli- che Versorgung von Menschen mit Behinderungen bekräftigt. In der Kontinuität dieser Positionen fordert der 112. Deutsche Ärztetag, dass

> Menschen mit geistiger und mehrfacher Be- hinderung nicht aufgrund einer Behinderung von ge- sundheitsbezogenen Versorgungsleistungen ausge- grenzt werden dürfen

> Menschen mit geistiger und mehrfacher Be- hinderung die gesundheitsbezogenen Leistungen bekommen, die sie wegen der Behinderung und ins- besondere zur Förderung ihrer sozialen Teilhabe dringend benötigen

> gesetzliche Grundlagen für Medizinische Zen- tren für Erwachsene mit geistiger und mehrfacher Behinderung (in Anlehnung an die Sozialpädiatri- schen Zentren) geschaffen werden

> sektorübergreifende regionale Netzwerke von ambulanten und stationären Leistungserbringern etabliert werden, die in arbeitsteiliger Zusammenar- beit und gegenseitiger fachlicher Beratung für die Lösung besonderer medizinischer Probleme von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinde- rung genutzt werden können. Die Medizinischen Zentren für Erwachsene mit geistiger und mehrfa- cher Behinderung (MZEB) sollten in diesen Netz- werken eine zentrale Rolle im Wissenstransfer ein- nehmen

> sich die Ärzteschaft für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung einsetzt und sich dafür zusätzliches Wissen und Fähigkeiten aneignet

> die Aus-, Weiter- und Fortbildung in behinde- rungsspezifischen Belangen gefördert wird, um die Ärzteschaft und vor allem diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die sich in besonderer Weise um Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung kümmern wollen, fachlich auf ihre Aufgaben vorzubereiten.

Die Versorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung im Erwachsenenalter ist die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten aller Gebiete.

Sie erfüllen diese Aufgabe in hoher Kollegialität un- tereinander und gemeinsam mit den Angehörigen weiterer nicht ärztlicher medizinischer und sozialer Berufe.

Medizinische Zentren für Erwachsene mit geisti- ger oder mehrfacher Behinderung konzentrieren die erforderlichen Kompetenzen und das besondere

Wissen. Sie ermöglichen als komplementäre Ein- richtungen die gemeinsame Arbeit für die betroffe- nen Menschen.

Um die medizinische Versorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung weiter- entwickeln zu können, müssen der erhöhte Ressour- cenaufwand und die daran angepasste und ange- messene Vergütung im ambulanten und stationären Sektor (EBM, GOÄ, DRG) bei der Planung berück- sichtigt werden. Auch müssen Lösungen erarbeitet werden, um die während eines Krankenhausaufent- halts ggf. erforderliche individuelle Assistenz durch vertraute und erfahrene Personen zu organisieren und zu finanzieren.

Elementare Voraussetzung für die bedarfsge- rechte Gesundheitsversorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung sind ihre re- spektvolle ärztliche Behandlung und Betreuung so- wie ihre gesellschaftliche Anerkennung und Integra- tion. Dies schließt die unterstützenden Personen, insbesondere ihre Familien, mit ein. )

Berliner Papier zur

medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen von 2006 wurde im Januar 2009 von der Bundesregie- rung ratifiziert und ist seit dem 26. März 2009 in Deutschland gültig.

Die Vertragsparteien verpflichten sich nach Arti- kel 26 (1) Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchst- maß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens zu bewahren. Um dies zu erreichen, wollen die Ver- tragsstaaten u. a. die Verfügbarkeit, die Kenntnis und die Verwendung unterstützender Geräte und Tech- nologie in der Habilitation und Rehabilitation fördern (Art. 26 [3]).

Nach Artikel 25 a stellen die Vertragsparteien Menschen mit Behinderungen eine Gesundheitsver- sorgung in derselben Bandbreite zur Verfügung wie anderen Menschen, einschließlich sexual- und fort- pflanzungsmedizinischer Gesundheitsleistungen.

Nach Artikel 25 b bieten die Vertragsparteien die Gesundheitsleistungen an, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderung benötigt werden, um weitere Behinderungen mög- lichst gering zu halten oder zu vermeiden.

Darüber hinaus verpflichten sich die Vertrags- staaten in Artikel 9, geeignete Maßnahmen zu er- greifen, damit Einrichtungen und Dienste für die Öf- fentlichkeit alle Aspekte der Barrierefreiheit berück- sichtigen.

Assistenz für Menschen mit Behinderung im Krankenhaus

Menschen mit körperlichen und geistigen Behin- derungen sind häufig auf spezifisch geschultes

ENTSCHLIESSUNGEN ZUM TAGESORDNUNGSPUNKT IV

Medizinische Versorgung von Menschen

mit Behinderung

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Assistenzpersonal angewiesen. Das Assistenzperso- nal übernimmt nicht nur die spezifisch auf die Be- dürfnisse der Menschen mit Behinderungen ausge- richtete Unterstützung bei der Pflege, die unter den besonderen Bedingungen, die einen Krankenhaus- aufenthalt notwendig gemacht haben, besondere Bedeutung gewinnt. Die vertrauten Assistenten kön- nen zudem zu Garanten für die weitestgehende Selbstbestimmung des jeweiligen Patienten sein.

Die Unterstützung dieser Assistenten gewinnt da- durch noch an besonderer Bedeutung, dass die Möglichkeit, mit den vorhandenen personellen Ka- pazitäten in den Krankenhäusern auf die spezifi- schen Bedürfnisse behinderter Menschen angemes- sen zu reagieren, eingeschränkt ist.

Bisher ist die Finanzierung der Assistenten während des Krankenhausaufenthalts nur in den seltensten Fällen gesichert und/oder von hohen bürokratischen Hindernissen verstellt.

Der Deutsche Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, die finanziellen Rahmenbedingungen für die Be- gleitung durch persönliche Assistenten während ei- nes Krankenhausaufenthalts zu erweitern und eine unbürokratische Kostenerstattung für das Assistenz- personal sicherzustellen.

Barrierefreie Krankenhäuser

Die baulichen Voraussetzungen sowie die Ausstat- tung mit technischen Hilfsmitteln entsprechen in der Mehrzahl der Häuser weitgehend den Anforderun- gen an die Barrierefreiheit.

Ein deutlicher Verbesserungsbedarf besteht je- doch bei Hilfssystemen, die vor allem Menschen mit Sinnesbehinderungen ein Höchstmaß an Unabhän- gigkeit sowie die Bewahrung ihrer Eigenständigkeit und Selbstbestimmung während des Aufenthalts im Krankenhaus ermöglichen. Die Forderungen von Be- hindertenverbänden beinhalten z. B.:

> barrierefreie Informationsmaterialien – Infor- mationen in Groß- oder Blindenschrift, Audioversio- nen wichtiger Informationen und Aufklärungsbögen etc., Informationen in leichter Sprache

> Unterstützungssysteme für Sinnesbehinderte – taktile Leitsysteme, Einsetzen von Gebärden- sprachdolmetschern etc.

Der Deutsche Ärztetag fordert die Krankenhaus- träger auf, die Maßnahmen zur Barrierefreiheit in ihren Häusern unter Beteiligung der Betroffenen und ihrer Verbände zu überprüfen und aktiv für die Ver- wendung und Weiterentwicklung von unterstützen- den Geräten und Technologie in der Habilitation und Rehabilitation Sorge zu tragen.

Barrierefreiheit im ambulanten Bereich

Bundesweit ist der Anteil an Praxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Ambulanzen mit bar- rierefreiem Zugang (dies erfordert auch Behinder- tenparkplätze) sowie behindertengerechtem Mobili- ar und sanitären Einrichtungen nicht ausreichend.

Dieser Umstand schränkt nicht nur die freie Arzt- wahl von Menschen mit Behinderungen stark ein.

Das Fehlen von behindertengerechtem Mobiliar (z. B. höhenverstellbare Untersuchungsliegen, gynä-

kologischen Stühle ) erschwert zudem die medizini- sche Diagnostik und Behandlung.

Damit ist Gesundheitsversorgung für viele Men- schen mit Behinderungen in derselben Bandbreite wie für andere Menschen nicht gewährleistet (z. B.

Vorsorgeuntersuchungen).

Der Deutsche Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, finanzielle Rahmenbedingungen für die Einrich- tung und den Unterhalt barrierefreier Praxen zu schaffen und damit seinem Anspruch nach Artikel 9 und Artikel 25 gerecht zu werden.

Fort-, Aus- und Weiterbildung

Die Versorgung von Menschen mit Behinderungen in stationären, ambulanten und Rehabilitationseinrich- tungen bedarf besonderer Kenntnisse über Krank- heitsrisiken, den spezifischen Unterstützungsbedarf bei Behandlung und Pflege, Möglichkeiten der Kom- munikation (z. B. mit Menschen mit Sinnesbehinde- rung oder geistiger Behinderung) sowie über sozial- rechtliche Aspekte. In den Ausbildungsplänen der Pflegeberufe, des medizinischen Assistenzpersonals sowie der Ärztinnen und Ärzte sind diese Inhalte un- zureichend abgebildet.

Der Deutsche Ärztetag fordert alle Institutionen, die an der Fort-, Aus- und Weiterbildung von ärztli- chem und Pflegepersonal beteiligt sind, auf, unter Beteiligung der Betroffenen und ihrer Verbände ent- sprechende Unterrichtseinheiten zu entwickeln und in die Lehrpläne aufzunehmen.

Der Deutsche Ärztetag fordert die Ärztekammern auf, dafür Sorge zu tragen, dass Fortbildungen mit dem Themenschwerpunkt „Menschen mit Behinde- rung“ im jeweiligen Kammerbereich angeboten wer- den bzw. selbst entsprechende Fortbildungen durch-

zuführen. )

Behindertengerechte Durch- führung der Deutschen Ärztetage

Die Tagungen der Ärztetage, insbesondere die Eröff- nungsveranstaltungen, sollten behindertengerecht gestaltet sein. Ein barrierefreier Zugang zu Podium und Mikrofon ist sicherzustellen. )

Barrierefreie Arztpraxen

Der Deutsche Ärztetag fordert die niedergelassene Ärzteschaft auf, bei der Vorhaltung behindertenge- rechter Einrichtungen mit gutem Beispiel voranzuge-

hen. )

Empirische Studien zu Diagnostik und Therapie bei Menschen mit geistiger Behinderung unterstützen

Der Deutsche Ärztetag fordert, empirische Studien zur Diagnostik und Therapie bei Menschen mit geis-

tiger Behinderung zu unterstützen, auch in nicht uni- versitären Einrichtungen und Institutionen. )

Finanzierung Sozialpädiatrischer Zentren

Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in Sozialpädiatrischen Zentren unter- liegt seit Jahren einer Unterfinanzierung. Trotz stei- gender Kosten wurden die Quartalspauschalen seit Jahren nicht mehr angepasst.

Die hoch qualifizierte, multidisziplinäre, unter ärztlicher Leitung stehende Versorgung behinderter Kinder und Jugendlicher in Sozialpädiatrischen Zen- tren leistet einen bedeutsamen Beitrag zu deren Teil- habe.

Der Deutsche Ärztetag fordert eine ausreichende Finanzierung der Sozialpädiatrischen Zentren, um deren Behandlungsauftrag dauerhaft zu sichern. )

Ausreichende Finanzierung Sozialpädiatrischer Zentren

Die Behandlung von Menschen mit Behinderung un- terliegt seit Jahren einer Unterfinanzierung. Trotz steigender Kosten wurden die Quartalspauschalen nicht ausreichend angepasst. Darunter leiden ins- besondere die Sozialpädiatrischen Zentren. Diese leisten bei der Behandlung von Kindern und Jugend- lichen einen wichtigen Beitrag.

Der Deutsche Ärztetag fordert eine angemessene Finanzierung der Behandlung dieser Patienten. ) Die Delegierten sprachen sich einstimmigfür eine bessere Versorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung aus.

Foto:Jürgen Gebhardt

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Projekt Evaluation der Weiterbildung

Evaluation der Weiterbildung

Weiterbildungsbefugte und Weiterzubildende wer- den aufgefordert, sich an der Befragung der Ärzte- kammern zur Zufriedenheit mit der Weiterbildung (Projekt „Evaluation der Weiterbildung“) zu beteili- gen. Mit diesem Projekt wollen Bundesärztekammer und Landesärztekammern die Qualität der Weiterbil- dung sichern und verbessern.

Über die im Mai 2009 gestartete Online-Befra- gung wird Weiterbildungsbefugten und Weiterzu- bildenden die Möglichkeit gegeben, sich u. a. zu äußern zu allgemeinen Rahmenbedingungen, wie Arbeitssituation, Arbeitszeiten, Budgets, sowie zu speziellen Aspekten der Weiterbildung, wie Vermitt- lung von Fachkompetenzen, Lernkultur, Führungs- kultur, Kultur der Fehlervermeidung, Entscheidungs- kultur, Betriebskultur, Anwendung evidenzbasierter Medizin.

Insbesondere die weiterbildungsbefugten Ärztin- nen und Ärzte werden gebeten, sich an der Erhe- bung zu beteiligen und somit den Weiterzubildenden

die Möglichkeit zur Teilnahme an der Befragung zu eröffnen. Denn erst nach Einwahl durch den Befug- ten wird den Weiterzubildenden der Zugang zum Online-Portal (www.evaluation-weiterbildung.de) er- möglicht.

In den vergangenen Jahren wurde die Weiterbil- dungssituation in Deutschland häufig dafür verant- wortlich gemacht, dass junge Ärztinnen und Ärzte aus der Patientenversorgung aussteigen und in an- dere Berufsfelder wechseln oder ins Ausland ab- wandern. Verlässliche Daten über den Grad der Un- zufriedenheit und die Gründe, dem kurativen Sys- tem schon in jungen Jahren den Rücken zu kehren, liegen derzeit allerdings nicht vor. Die tatsächlichen Ursachen für die Unzufriedenheit des ärztlichen Nachwuchses, dauerhaft im Gesundheitssystem tätig zu werden, können in den Weiterbildungsstruk- turen selbst oder aber primär in den politisch verur- sachten Rahmenbedingungen der Weiterbildung begründet sein.

Die Umfrage dient dazu, die aktuelle Situation in den Abteilungen vor Ort sowie Positives und/oder Negatives darzustellen, um z. B. Handlungskonzep- te für strukturierte Weiterbildungsabläufe zu entwickeln. Die Befragung soll im Sinne einer

Feedback-Schleife in einem zweijährigen Abstand wiederholt werden.

Mit den gewonnenen Erkenntnissen sollen Anrei- ze entwickelt werden, um den ärztlichen Nachwuchs zu motivieren, in Deutschland zu bleiben. Der Ab- wanderung junger Ärztinnen und Ärzte in andere Be- rufsfelder oder ins Ausland soll entgegengewirkt werden.

Weitere Informationen sind auf der Internetseite www.evaluation-weiterbildung.de verfügbar. )

Weiterentwicklung der Weiterbildung

Der 112. Deutsche Ärztetag fordert die Ärztekam- mern auf, die Chancen der Evaluation zu nutzen.

Überprüfung und Weiterentwicklung der ärztlichen Weiterbildung sind bei Erhalt ihrer guten Zugäng- lichkeit Daueraufgaben der Kammern. Viele Ärzte beklagen allerdings auch eine gewisse Realitäts- ferne in den Anforderungen der Weiterbildungska- taloge. Der 112. Deutsche Ärztetag begrüßt die An- sätze der Bundesärztekammer zur Evaluation der Weiterbildung und fordert, diese kontinuierlich wei- terzuentwickeln.

Die bisher eher passive generelle Kontrollhal- tung sollte sich in eine aufsuchende Förderung und Kontrolle der Weiterbildung vor Ort durch eine kon- tinuierliche Strukturqualitätssicherung wandeln.

Die Bundesärztekammer und die Landesärzte- kammern werden aufgefordert, Konzepte vorzube- reiten, wie die Ergebnisse der Evaluation direkt in der Weiterbildung vor Ort umgesetzt werden können.

ENTSCHLIESSUNGEN ZUM TAGESORDNUNGSPUNKT V

(Muster-)Weiterbildungsordnung – Sachstandsbericht

Behandlung in Sozialpädiatrischen Zentren über das 18. Lebensjahr hinaus

Der Deutsche Ärztetag befürwortet in begründeten Fäl- len die Möglichkeit, die Behandlung junger Erwachse- ner mit Behinderung auch über das 18. Lebensjahr hinaus in Sozialpädiatrischen Zentren fortzusetzen, bis eine vergleichbare qualifizierte Übernahme der Be- handlung an anderer Stelle gewährleistet ist. )

Abschaffung von

Zuzahlungsregelungen und Leistungsausschlüssen

Der Deutsche Ärztetag fordert für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, die auf Ein- gliederungshilfen angewiesen sind, die Abschaffung der Zuzahlungsregelungen und der derzeit beste- henden Leistungsausschlüsse für Medikamente,

Heil- und Hilfsmittel. )

Medizinische Versorgung von Menschen mit seelischer Behinderung

In konsequenter Fortsetzung der Beschlüsse der letzten Jahre fordert der Deutsche Ärztetag die Um- setzung und Weiterentwicklung einer qualitativ hoch stehenden ärztlich-psychotherapeutischen Versor- gung von Menschen mit psychischer Erkrankung und Behinderung. Er lehnt alle Versuche und Forde- rungen einseitiger Zuzahlungsregelungen ab, die dazu führen, diese Menschen von notwendiger Be-

handlung auszuschließen. )

Flexibilisierung von „Off-label“- Verordnungsmöglichkeiten

Der Deutsche Ärztetag fordert eine Flexibilisierung der „Off-label“-Verordnungsmöglichkeiten für Men- schen mit geistiger Behinderung unter der Vorausset- zung der Unwirksamkeit von Standardbehandlungen und mit pharmakologisch-rationaler Begründung.)

Subventionierung von

Arbeitsplätzen für behinderte Menschen

Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregie- rung sowie die Landesregierungen auf, ausrei- chend Mittel zur Subventionierung von Arbeitsplät- zen für behinderte Menschen zur Verfügung zu stellen.

Wertschätzung und gesellschaftliche Anerken- nung sind eng mit der Erwerbstätigkeit verbunden.

In dem Maße, wie es gelingt, behinderte Menschen in den Arbeitsmarkt einzugliedern, erwerben sie eigenständige sozialrechtliche Ansprüche und müssen nicht als „Almosenempfänger“ in Erschei- nung treten.

Darüber hinaus trägt die Einrichtung behinder- tengerechter Arbeitsplätze zu einem gesamtge- sellschaftlichen Gelingen bei. )

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