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Archiv "Entschliessungen zum Tagesordnungspunkt II: Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland – ein zukunftweisendes Konzept" (10.06.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 23

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10. Juni 2011 A 1313 den werden. Dies haben mittlerweile auch zahlrei-

che DGB-Gewerkschaften so bewertet. Eine Degra- dierung tariffähiger Gewerkschaften entsprechend der Mitgliederzahl im Betrieb würde dem Freiheits- und Wettbewerbsgedanken der Verfassungsord- nung elementar widersprechen. Auch lässt sich aus dem Grundgesetz kein Alleinvertretungsanspruch von selbsternannten Einheitsgewerkschaften ablei- ten.

Die aus dem Grundgesetz resultierenden Frei- heitsrechte gelten unterschiedslos für alle Men- schen in diesem Land – unabhängig davon, ob sie einer Mehrheit angehören. Die Freiheit der Lebens- gestaltung von Minderheiten kann deshalb auch nicht durch Mehrheitsbeschlüsse außer Kraft ge- setzt werden.

Tarifpluralität ist seit Jahren gelebte Praxis in vielen Betrieben dieses Landes, ohne dass dadurch die Tarifautonomie in irgendeiner Weise geschwächt worden wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Viele Arbeit- nehmer, die sich eine gewerkschaftliche Betätigung bis dato nicht vorstellen konnten, haben sich Be- rufs- und Fachgewerkschaften angeschlossen, um ihre Interessen gegenüber den Arbeitgebern zu wahren.

Die Attraktivität der Arbeit in deutschen Kranken- häusern für die junge Ärztegeneration hängt we- sentlich davon ab, dass die Ärztinnen und Ärzte selbst bestimmen können, wer sie in den Tarifver- handlungen mit den Arbeitgebern vertritt.

Aktualisierte Auslegung des Mutterschutzgesetzes

Der Vorstand der Bundesärztekammer wird aufge- fordert, unter Berücksichtigung medizinisch-wis- senschaftlicher Erkenntnisse Empfehlungen für die Auslegung des Mutterschutzgesetzes vorzulegen, um darauf hinzuwirken, dass einerseits der Sinn des Mutterschutzgesetzes erfüllt wird und anderseits die schwangeren Ärztinnen nicht durch falsche Aus- legung des Mutterschutzesgesetzes völlig unnötig in ihrer beruflichen Tätigkeit behindert werden.

Selbstständige Ausübung der Heilkunde nur durch Ärzte

Der 114. Deutsche Ärzetag fordert den Gesetzgeber auf, den § 63 Absatz 3c SGB V ersatzlos zu strei- chen.

Begründung:

Aus Gründen des Patientenschutzes muss und darf originär ärztliche Tätigkeit ausschließlich von Ärzten ausgeübt oder in bestimmten Fällen delegiert wer- den. Eine Übertragung, d. h. eine Substitution ärztli- cher Tätigkeit auf andere Gesundheitsberufe wird

abgelehnt.

Palliativmedizinische Versorgung stärken

Wir Ärztinnen und Ärzte betreuen schwerstkran- ke und sterbende Patienten, für die es keine Hoffnung auf Heilung mehr gibt. Wenn die ku - rativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, bedarf es einer angemessenen palliativme- dizinischen Versorgung. Dabei gilt es, sich an den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu orientieren, Leiden zu lindern sowie die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten. Jeder Mensch hat ein Recht auf Achtung seiner Menschenwürde bis zum Le- bensende.

Gerade vor dem Hintergrund des demografi- schen Wandels, der zunehmenden Bedeutung unheilbarer Erkrankungen, der sich ändernden gesellschaftlichen Strukturen sowie der Diskussi- on über den Umgang mit Sterben und Tod wird die Betreuung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu einer großen Herausforderung sowohl für unser Gesundheitswesen als auch für unsere Gesellschaft. Mit der Erarbeitung und Verabschiedung der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen“ ist ein wichtiger gesellschaftlicher Prozess angesto- ßen worden.

Der 114. Deutsche Ärztetag unterstützt die Ziele der Charta, die von Vertretern von mehr als 300 In- stitutionen und Einrichtungen aus Politik, Gesell- schaft und Gesundheitsversorgung unterzeichnet wurde (www.bundesaerztekammer.de/downloads/

charta-08–09–2010.pdf).

In den letzten Jahren sind durch Palliativmedizin und Hospizbewegung bereits spürbare Fortschritte in der Betreuung von Schwerstkranken und Ster- benden erzielt worden. Jedoch gibt es deutliche Hinweise aus Forschung und Praxis, dass weiterhin viele Menschen von den ambulanten und stationä- ren palliativmedizinischen Angeboten nicht erreicht werden. Dies beruht sowohl auf der noch immer nicht vorhandenen Flächendeckung von Einrichtun- gen und Diensten als auch dem nicht ausreichen- den Bekanntheitsgrad palliativmedizinischer und hospizlicher Möglichkeiten. Zusätzlich hat sich ge- zeigt, dass für pädiatrische Palliativpatienten, be- dingt durch das besondere Krankheitsspektrum, weitere Versorgungsformen geschaffen werden müssen.

Der 114. Deutsche Ärztetag sieht daher dringen- den Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen:

Ausbau ambulanter palliativmedizini- scher Versorgungsstrukturen

Die Mehrzahl der Schwerkranken und Ster- benden möchte in dieser Lebensphase in ih- rer gewohnten Umgebung verbleiben, von ih- rer Familie betreut – unterstützt von Pflege- diensten, Hospizdiensten und gegebenenfalls weiteren Berufsgruppen – und von ihrem Hausarzt behandelt werden. Dies kann im Rahmen einer vernetzten ambulanten Pallia- tivversorgung gewährleistet werden. Diese Versorgung muss flächendeckend angeboten werden.

Auch wenn durch die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) eine gute Behand- lung und Pflege möglich ist, benötigt ein geringer Anteil der Betroffenen eine spezia - lisierte Art der Versorgung in Form der spe- zialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV).

Die SAPV ist nicht Bestandteil der vertrags- ärztlichen Versorgung. Im GKV-Wettbewerbs- stärkungsgesetz wurde geregelt, dass Einzel- verträge zu schließen sind. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen für die Leistungserbringer und aufgrund des Einzel- vertragssystems ist die Umsetzung in hohem Maß defizitär.

Nach Ansicht des Deutschen Ärztetages ist der Gesetzgeber gefordert, eine qualitativ hochwertige allgemeine ambulante Pallia- tivversorgung zu ermöglichen sowie bei der spezialisierten Versorgung auf kassenüber- greifende Verträge anstelle des Wettbe- werbs zu setzen oder eine integrierte pal - liativmedizinische Versorgung (SAPV und AAPV) in einer gemeinsamen Vertragsform zu fördern.

Ausbau von Lehrstühlen für Palliativme- dizin an medizinischen Fakultäten Palliativmedizin wurde im Jahr 2009 als

Pflichtlehr- und Prüfungsfach in die Approba- tionsordnung für Ärzte (ÄAppO) aufgenom- men. Infolgedessen müssen alle universitä- ren Einrichtungen Bedingungen schaffen, da- mit Palliativmedizin kompetent im Rahmen des Querschnittfachs Q 13 mit dem Ziel ge- lehrt und geprüft werden kann, dass zukünf- ENTSCHLIESSUNGEN ZUM TAGESORDNUNGSPUNKT II

Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland –

ein zukunftweisendes Konzept

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10. Juni 2011 tig jeder Arzt mit den Grundlagen der Pallia-

tivmedizin vertraut ist. Zu den wesentlichen Aspekten des Curriculums gehören Sym - ptomkontrolle, ethische Aspekte, kommuni- kative Kompetenz, reflektierte Haltung, die Arbeit im multiprofessionellen Team und in institutionellen Netzwerken.

Finanzielle Förderung von Wissenschaft und Forschung im Bereich der Palliativ- medizin

Eine zielgerichtete Aus-, Weiter- und Fortbil- dung kann nur auf dem allgemein anerkann- ten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen. Es muss sichergestellt werden, dass neue, evidenzbasierte Erkenntnisse Ein- zug in die allgemeine und die spezialisierte Palliativversorgung finden. Daher sind Wis- senschaft und Forschung im Bereich der Palliativmedizin auch aus öffentlichen Mitteln finanziell zu fördern.

Ausbau stationärer palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen

In Ergänzung zur ambulanten Palliativversor- gung und vor dem Hintergrund der Zunahme hochbetagter und multimorbider Schwerst- kranker und Sterbender ist ein weiterer Aus- bau stationärer palliativmedizinischer Ein- richtungen unverzichtbar. Darüber hinaus be- darf es eines Angebotes von multiprofessio- nellen konsiliarisch tätigen Palliativteams, die im Krankenhaus die palliativmedizinische Expertise sichern.

Zukünftig gilt es, Kurzzeitpflegeplätze für Pal- liativpatienten unterschiedlicher Altersgrup- pen strukturiert und bedarfsgerecht auszu- bauen, um mehr Entlastungsmöglichkeiten für Angehörige zu schaffen, die wiederum Menschen ein Sterben im häuslichen Umfeld ermöglichen möchten. Die Umsetzung der palliativmedizinischen Betreuung Schwer- kranker und Sterbender und ihrer Angehöri- gen muss zukünftig in allen Altersgruppen sektorenübergreifend an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientiert er- folgen. Grundlagen hierfür sind eine Intensi- vierung der Ausbildung, die Verbesserung der finanziellen Unterstützung der Forschung so- wie die qualitativ hochwertige und flächende- ckende Versorgung, unabhängig von Wohn- ort, Krankenkassenzugehörigkeit oder sozia- lem Status. Vernetzung und multidisziplinäre Betreuung auf hohem fachlichem Niveau füh- ren zu einem Rückgang unnötiger (stationä- rer) Behandlungen und optimieren die Versor- gung. Wir Ärztinnen und Ärzte treten dafür ein, Schwerstkranken und Sterbenden ein Sterben unter würdigen Bedingungen zu er- möglichen und Bestrebungen nach einer Le- galisierung der Tötung auf Verlangen eine Perspektive der Fürsorge und des menschli-

chen Miteinanders entgegenzusetzen. Alle Menschen, die einer palliativen Versorgung bedürfen, müssen Zugang zu ihr erhalten und auf eine umfassende, menschenwürdige Be- gleitung und Betreuung vertrauen können. 

Palliativmedizinische Versorgung in Deutschland – Weiterentwicklung

Die Betreuung von Menschen in ihrer letzten Le- bensphase hat eine wachsende Bedeutung in unse- rer Gesellschaft und in der öffentlichen Diskussion.

Schwerstkranke, sterbende Patientinnen und Pa- tienten haben einen Anspruch auf eine angemesse- ne palliativmedizinische Versorgung. Das Bewusst- sein für die Problematik wurde in den vergangenen Jahren innerhalb der Ärzteschaft geschärft. Pallia- tivmedizin wurde im Jahre 2009 als Pflichtlehr- und Prüfungsfach in die Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) aufgenommen.

Der 114. Deutsche Ärztetag setzt sich dafür ein, in Aus-, Weiter- und Fortbildung die Palliativmedizin noch stärker zu thematisieren und damit die Ärztin- nen und Ärzte besser auf die Versorgungssituation vorzubereiten.

Sowohl die ambulante als auch die stationäre Betreuung und die Übergänge zwischen beiden Sektoren müssen an den Bedürfnissen der Pa- tientinnen und Patienten orientiert ausgebaut werden, damit alle Menschen, die eine palliativ- medizinische Versorgung benötigen, Zugang dazu

erhalten.

Förderung der Palliativmedizin und Versorgung chronisch Kranker

Wir deutschen Ärzte sind betroffen über den Wandel der Diskussion im deutschen Gesund- heitswesen: Medizinischer Fortschritt in der Diagnostik und verbesserte Therapiemöglichkeiten tragen dazu bei, dass die Menschen älter werden und schwere Erkrankungen auch im höheren Lebensalter behandelbar sind. Die Stärkung der Palliativmedizin erlaubt es uns Ärztinnen und Ärzten, Patienten in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten und ihnen ein Sterben in Würde zu ermöglichen.

Uns Ärzten und Ärztinnen ist es bewusst, dass die Langlebigkeit der Menschen den Sozialstaat vor eine Herausforderung stellt. Dennoch darf die Verknappung finanzieller Ressourcen nicht dazu führen, dass kranke Menschen sich für eine Aus- weitung der Sterbehilfe entscheiden, weil sie in schwerer Situation ungenügend versorgt und allein gelassen werden.

Das Medizinstudium hat uns zur Heilung, Vorbeugung und Linderung von akuten und chro-

nischen Krankheiten bis zu einem Sterben in Würde ausgebildet. Dies erfordert die Möglich- keit, auch bei prognostisch vorhersehbarem letztendlich tödlichem Ausgang einer Krankheit dennoch weiter tätig zu werden. Hierfür haben wir uns durch Stärkung der Palliativmedizin und der Onkologie starkgemacht, auch im Rahmen der Delegation ärztlicher Leistungen. Wir fordern deshalb:

Aufbau und Erhalt einer funktionsfähigen Ver- sorgung für chronisch Kranke

Ausbau und Bezahlung der Delegation ärztli- cher Leistungen durch unsere Medizinischen Fachangestellten

Abschaffung der Regressbedrohung gegen besonders engagierte Ärzte

Förderung der Zusammenarbeit mit Thera- peuten und Apothekern

Ausbau der vorhandenen Hospiz- und Pallia- tiveinheiten mit der Option der ambulanten Pflege

Schluss mit der Stigmatisierung von chro- nisch Kranken als unnütze Kostenfaktoren

Nicht zuletzt (erst durch die vorherigen Punk- te sinnvoll): Auf- und Ausbau einer Präventiv-

medizin

Ausbau palliativmedizinischer und schmerztherapeutischer Versorgung

Die deutsche Ärzteschaft fordert den Ausbau der palliativmedizinischen und schmerztherapeutischen Strukturen in der ambulanten und stationären Ver- sorgung, dazu gehören insbesondere eine ange- messene Finanzierung und die sinnvolle Delegation palliativmedizinischer Aufgaben an andere medizini- sche Berufe unter ärztlicher Aufsicht. Sterbehilfe als Konsequenz unzureichender palliativ- und schmerz- therapeutischer Versorgung ist entschieden abzu-

lehnen.

Kostenübernahme für stationäre Versorgung im Hospiz

Die Kostenträger werden aufgefordert, Anträge zur Bewilligung von Ansprüchen von Zuschüssen zur stationären Versorgung in Hospizen nach § 39 a SGB V unverzüglich zu bearbeiten und zu beschei- den. Dies gewährleistet bei entsprechenden Krank- heitsbildern die adäquate zeitnahe palliativmedizini- sche Betreuung dieser Patienten.

Begründung:

Die bisherige Praxis bei der Bewilligung entspre- chender Zuschüsse durch die Kostenträger verzö- gert häufig eine sofortige Übernahme von Patienten

in ein stationäres Hospiz.

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